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Aktuell

Agrarwende

"Der Agrarindustrie den Geldhahn abdrehen!"

35.000 fordern von Ministerin Klöckner eine EU-Agrarreform für Bauern, Tiere und Umwelt

BUND Pressemitteilung, 19.1.19

Berlin. Eine zukunftsfähige Agrarreform – das fordern zehntausende Teilnehmer bei der "Wir haben es satt!"-Demonstration zum Auftakt der "Grünen Woche" in Berlin. "Lautstark, bunt und entschlossen haben wir heute mit 35.000 Menschen Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner einen unmissverständlichen Auftrag gegeben: Schluss mit der falschen Agrarpolitik", erklärt "Wir haben es satt!"-Sprecherin Saskia Richartz im Namen der über 100 Organisationen, die zur Demonstration aufgerufen haben.

Das Demonstrationsbündnis fordert die Bundesregierung auf, den überfälligen Umbau der Landwirtschaft anzupacken. Die Gelegenheit ist da: Bei der aktuellen Reform der EU-Agrarpolitik (GAP) entscheidet die Bundesregierung maßgeblich mit, welche Landwirtschaft künftig durch Steuergelder finanziert wird. In Deutschland werden jedes Jahr 6,3 Milliarden Euro an EU-Agrargeldern ausgeschüttet, mehr als drei Viertel davon als pauschale Subventionen je Hektar Fläche. In der Praxis heißt das: Die 3.300 flächengrößten Betriebe erhalten eine Milliarde Euro im Jahr, während die kleinsten 200.000 Bauernhöfe sich knapp 700 Millionen teilen müssen.

"Mit den über sechs Milliarden Euro, die Deutschland jedes Jahr an EU-Agrargeldern verteilt, muss der umwelt- und tiergerechte Umbau der Landwirtschaft gefördert werden", so Saskia Richartz. "Doch Agrarministerin Klöckner klammert sich an die pauschalen Flächensubventionen wie ihre Vorgänger ans Ackergift Glyphosat. Der Agrarindustrie immer weiter Milliarden in den Rachen zu stopfen ist agrar- und klimapolitischer Irrsinn. Wir fordern: Umverteilen jetzt!"

Beim Demonstrationszug zum Agrarministergipfel schlagen die Demonstranten Alarm für die Agrarwende. Mit ihrem Kochtopf-Konzert fordern sie konsequenten Klima- und Naturschutz, mehr Unterstützung für kleine und mittlere Betriebe, artgerechte Tierhaltung, ein Ende der Dumping-Exporte, gerechten Welthandel und gesundes Essen für alle. Schon am Vormittag hatten die 171 Bauern, die die Demonstration mit ihren Traktoren anführen, eine Protestnote an die 70 versammelten Minister aus aller Welt übergeben.

"Wir haben die Agrarpolitik der Bundesregierung satt. Wir ackern tagtäglich für gutes, enkeltauglich produziertes Essen. Dafür verlangen wir politische Unterstützung", sagt Moritz Schäfer. Der 32-Jährige ist aus dem hessischen Schwalmtal mit dem Traktor angereist, wo er einen Betrieb mit 100 Kühen und 250 Hektar bewirtschaftet. "Meine Kühe stehen auf der Weide, ich produziere das Futter hier vor Ort und säe vielfältige Fruchtfolgen. Insekten, Wasser und Klima danken es mir, die Politik aber nicht. Julia Klöckner muss endlich die Interessenvertretung der Industrie beenden und eine Politik für Bauern, Bienen und lebensfähige Dörfer machen", fordert Schäfer im Namen der Traktorfahrer.

Die Großdemonstration richtet sich gegen die Agrarindustrie, nicht aber gegen Landwirte. Die konventionellen und Öko-Bauern demonstrieren auch im neunten Jahr im Schulterschluss mit Bäckern, Imkern, Köchen, Naturschützern und der Zivilgesellschaft gegen die fatalen Auswirkungen der intensiven industriellen Landwirtschaft. Gemeinsam zeigt das breite "Wir haben es satt!"-Bündnis Wege für eine bäuerliche Landwirtschaft der Zukunft und ein gutes Ernährungssystem auf.


Laut gegen üble Landwirtschaft

35.000 Menschen demonstrierten in Berlin für die Agrarwende. Seite an Seite forderten Verbraucher und Bauern eine Landwirtschaft, die Ressourcen und Klima schützt.

Von Anja Franzenburg, Greenpeace-Online, 21.1.19

„Wir als Landwirte sind von der Klimakrise direkt betroffen“, sagt Landwirtin Silke Backsen von der Insel Pellworm. Viele Bauern müssten Futter dazukaufen, weil die Ernte durch den trockenen Sommer deutlich geringer ausfiel. Sie ist am vergangenen Samstag nach Berlin gereist, um für einen wirksamen Klimaschutz zu protestieren.

Andere forderten von der Bundesregierung, Landwirtschaftssubventionen nicht an die Größe eines Hofes zu koppeln, sondern an ökologische Leistungen. „Meine Kühe stehen auf der Weide, ich produziere das Futter hier vor Ort und säe vielfältige Fruchtfolgen“, erklärt etwa Moritz Schäfer, der mit seinem Traktor aus Hessen kam. „Insekten, Wasser und Klima danken es mir, die Politik aber nicht.“

Zu den Bauern mit ihren 171 Traktoren gesellten sich Tausende Verbraucher. Auf Kochtöpfe schlagend demonstrierten sie für gesundes Essen – auch für künftige Generationen. 35.000 Menschen waren es insgesamt, die im Vorfeld der Agrarmesse „Grüne Woche“ in Berlin auf die Straße gegangen sind: „Wir haben es satt“, lautete das an Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) gerichtete Motto. Der Umbau der Landwirtschaft müsse endlich vorangetrieben werden. Gelder sollen insbesondere jene Bauern erhalten, deren Tiere nicht leiden, die klima- und ressourcenschonend ihre Höfe betreiben. Kriterium für die jetzige Verteilung von EU-Agrargeldern ist hauptsächlich die Fläche, die ein Bauer bewirtschaftet: je mehr Hektar, desto mehr Geld.

So erhalten in Deutschland die 3300 flächengrößten Betriebe pro Jahr eine Milliarde der insgesamt 6,3 Milliarden Euro an EU-Agrargeldern. Die kleinsten 200.000 Bauernhöfe müssen sich hingegen knapp 700 Millionen teilen. Eine Schieflage, die jetzt behoben werden könnte. Denn die EU verhandelt derzeit die Gestaltung der Agrarpolitik nach dem Jahr 2020. Wie sich Deutschland positionieren soll, trugen die Demonstranten in Sprechchören, auf Bannern und Schildern vor sich her.

Nach der Demo auf die Bühne: „Wir müssen Bäuerinnen und Bauern beim Umbau der Landwirtschaft zur Seite stehen“, erklärte Sweelin Heuss, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland. „Wenn sie in Zukunft weniger Tiere halten, weniger düngen, mit ihren Böden anders umgehen, müssen sie unterstützt werden. Wenn sie weniger Vieh und geringere Ernten haben, weil sie nicht mehr so intensiv wirtschaften, dann müssen sie höhere Preise bekommen.“


Neustart auf dem Acker

Zum Auftakt der IGW: WWF fordert bei Landwirtschaftsthemen „gemeinsames Anpacken“ von Klöckner und Schulze

WWF Pressemitteilung, 17.1.19

Zum Auftakt der Internationalen Grünen Woche (IGW) fordert der WWF Deutschland von der Bundesregierung ein wirkungsvolles Programm zur Reduzierung des Einsatzes von chemischen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft und mehr Transparenz über deren tatsächlichen Einsatz auf Deutschlands Äckern. „Wirksamer Boden- und Artenschutz auf dem Acker umfasst neben Änderungen im Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel auch neue Anbaustrategien und mehrgliedrige Fruchtfolgen“, so Jörg-Andreas Krüger, Geschäftsleiter Naturschutz beim WWF Deutschland bei einem gemeinsamen Pressegespräch mit dem Industrieverband Agrar e.V. (IVA) heute in Berlin. Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner und Bundesumweltministerin Schulze müssten bei diesem und weiteren zentralen Zukunftsthemen der deutschen Landwirtschaft „beherzt gemeinsam anpacken.“ Landwirte und Natur seien es Wert, dass Klöckner und Schulze gemeinsam arbeiteten und nicht gegeneinander.

Jörg-Andreas Krüger bedauerte, dass bisher keine genauen Angaben über die Verwendung von chemischen Pflanzenschutzmitteln auf landwirtschaftlichen Flächen gemacht werden müssen: „Unklar ist, welche unterschiedlichen Wirkstoffe in der Praxis auf einem Acker über die Zeit zusammenkommen. Einzeln betrachtet kann ihr Einsatz in Menge und Wirkstoff vermeintlich unproblematisch sein, aber die Summe der Einträge und damit die Wirkung auf das Ökosystem dürfen nicht außer Acht gelassen werden.“

„Ein offener Dialog über die zukünftige Form des Pflanzenschutzes und bessere Wege in der Landwirtschaft ist überfällig“, so Jörg-Andreas Krüger. Er betonte, dass der richtige Umgang mit chemischen Pflanzenschutzmitteln aber nur ein Thema von vielen sei, das mit Blick auf den Schutz von Biodiversität dringend angegangen werden müsse: „Wir sprechen als Naturschutzorganisation die Fehler im bestehenden, auf hohe Erträge ausgelegten System und deren Folgen für die Zukunft an. Der Fehler ist das System und nicht der einzelne Landwirt.“

Reine Kosmetik am bestehenden System reicht aus Sicht von Krüger nicht aus. Gleiches gilt für den „digitalisierten Pflanzenschutz“. „Digitalisierung ist nur ein Werkzeug. Wenn allerdings integrierter Pflanzenschutz und mehrgliedrige Fruchtfolgen nicht mitgedacht werden, dann versagt auch dieses Werkzeug“, so Krüger.


Schulze startet Dialog zur Zukunft von Landwirtschaft und Umwelt

BMU Pressemitteilung, 15.1.19

Bundesumweltministerin Svenja Schulze startet einen neuen Dialog zur Zukunft der Landwirtschaft. Gefragt sind Ideen und Projekte, wie Landwirtschaft und Naturschutz Hand in Hand gehen können oder dies heute schon tun. Alle Bürgerinnen und Bürger sind eingeladen, sich an der Online-Befragung zu beteiligen. Startpunkt ist der Agrarkongress des Bundesumweltministeriums, der heute in Berlin stattfindet. Dort diskutiert Ministerin Schulze mit Vertreterinnen und Vertretern aus Landwirtschaft, Umweltschutz, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Schulze: "Die gegenwärtige Agrarpolitik kümmert sich zu wenig um die Umweltfolgen und gefährdet so die Grundlagen der Landwirtschaft, statt sie zu schützen. Denn Landwirtschaft braucht biologische Vielfalt – so wie wir alle. 2019 wird ein entscheidendes Jahr für den Natur- und Umweltschutz in der Landwirtschaft. Ich setze dabei drei Prioritäten: Ein Aktionsprogramm Insektenschutz mit konkreten und wirksamen Maßnahmen gegen das Insektensterben; eine Neuregelung unseres Umgangs mit Pestiziden, insbesondere mit Glyphosat; und eine Reform der EU-Agrarförderung, die die Landwirtinnen und Landwirte für das honoriert, was sie für Umwelt und Gesellschaft leisten."

Zum dritten Mal veranstaltet das Bundesumweltministerium im Vorfeld der Internationalen Grünen Woche seinen Agrarkongress. Diskutiert wird dieses Jahr unter dem Motto "schützen.nutzen.leben. Gemeinsam für mehr Vielfalt", wie die Landwirtschaftspolitik stärker dazu beitragen kann, die Interessen von Landwirtinnen und Landwirten mit denen von Gesellschaft und Umwelt zusammen zu bringen. Beteiligt sind rund 300 Vertreterinnen und Vertreter aus Landwirtschaft, Umweltschutz, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Das Bundesumweltministerium hat im Oktober konkrete Maßnahmenvorschläge zum Aktionsprogramm Insektenschutz vorgestellt und anschließend mit Bürgerinnen und Bürgern breit diskutiert. Aktuell ist das Ministerium dabei, die dabei entstandenen Ideen auszuwerten und die Maßnahmenvorschläge zu aktualisieren. Anschließend sollen sie in der Bundesregierung abgestimmt und vom Kabinett beschlossen werden. "Eine Welt ohne Bestäuber wäre eine andere Welt. Uns wird immer bewusster, wie sehr wir von den kleinen Dienstleistern auf unseren Feldern und Beeten abhängen", sagte Schulze auf dem Agrarkongress. "Das Massensterben der Insekten ist evident, darum brauchen wir konkrete Maßnahmen, um es aufzuhalten."

Beim Thema Pflanzenschutzmittel hatte Schulze im November einen konkreten Ausstiegsplan aus Glyphosat und strengere Auflagen für alle Pflanzenschutzmittel vorgeschlagen, die der biologischen Vielfalt schaden. "Eine Grunderkenntnis dabei ist, dass es der Artenvielfalt nichts bringt, wenn Glyphosat einfach durch ein anderes Totalherbizid ersetzt wird. Wir brauchen insgesamt einen umweltverträglicheren Pflanzenschutz, damit Pflanzenschutz seinen Namen wieder verdient", so die Ministerin.

Schulze warnte zudem mit Blick auf die aktuellen Verhandlungen zur Reform der viele Milliarden Euro schweren europäischen Agrarförderung, dass die dringend nötigen Fortschritte beim Natur-, Umwelt- und Klimaschutz ausbleiben könnten und Deutschland dabei nur tatenloser Zaungast bleibe. "Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, die EU-Agrarpolitik zu einem Schwerpunkt zu machen", so die Bundesumweltministerin.




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