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Gewinner und Verlierer 2019

Gewinner und Verlierer 2019

WWF blickt zurück: Wenig Licht und viel Schatten
Klimawandel und Artensterben sind „Zwillingskrisen“


WWF Pressemitteilung, 27.12.19

Der Mensch schlägt immer sichtbarere Schneisen in die biologische Vielfalt der Erde. Davor warnt die Naturschutzorganisation WWF zum Jahreswechsel und spricht vom „größten Artensterben seit Verschwinden der Dinosaurier“. Insgesamt verbucht die Internationale Rote Liste mittlerweile mehr als 30.000 Tiere- und Pflanzenarten als bedroht. In einem Blick zurück benennt der WWF – stellvertretend für das globale Artensterben - die tierischen Verlierer 2019. Dazu zählen das Sumatra-Nashorn, Jaguar und Koala, Kaiserpinguine und Eisbären. Kaum einen Funken Hoffnung mehr gibt es für die Jangtse-Riesenweichschildkröte. Das letzte bekannte Weibachen verstarb 2019 in einem Zoo. Allerdings konnten 2019 auch einige Erfolge verzeichnet werden: In Myanmar werden kaum noch Elefanten gewildert. Die Saiga-Antilopen, im vergangenen Jahr noch ein großer Verlierer, konnten sich von einer Seuche erholen. Und womöglich kann der Bestand des Sehuencas-Wasserfroschs durch den Fund eines Weibchens gerettet werden.

„Klimakrise und Artensterben sind Zwillingskrisen. Beides hängt zusammen und beschleunigt sich gegenseitig. Die Die Erderhitzung verändert Ökosysteme in dramatischem Tempo. Viele Tiere und Pflanzen können sich nicht schnell genug anpassen. Wir müssen diese gefährliche Entwicklung auch um unserer Selbstwillen stoppen, denn die Biodiversität ist unsere entscheidende Lebensgrundlage“, warnt WWF-Vorstand Eberhard Brandes. „Wilderei, Lebensraumzerstörung und immer mehr Plastikmüll in den Ozeanen kommen zu den Folgen der Klimakrise noch einmal oben drauf.“

Doch der Mensch kann das Schicksal bedrohter Arten durch konsequenten Natur- und Artenschutz zum Positiven verändern - das zeigen die Gewinner. „Wir haben es in der Hand. Wir können einen Unterschied bewirken. Wenn wir denn dazu bereit sind", so Brandes. Die Klimakonferenz in Madrid bezeichnete er als „gruseligen Fehlstart“ in das für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens so entscheidende Jahr 2020. „Wir stehen vor einem Jahr der Entscheidungen. Nach Madrid gilt: Jetzt erst recht! Die internationale Staatengemeinschaft hat 2020 die Chance beim Klimaschutz und dem Erhalt der biologischen Vielfalt große, entscheidende Schritte voranzukommen. Deutschland und Europa haben hier eine Schlüsselrolle auf internationaler Ebene, der sie endlich gerecht werden müssen.“

Verlierer 2019:

Eisbären: Dem Eisbären geht es in einigen Regionen deutliche schlechter. Insgesamt könnte ein Drittel der globalen Population bis 2050 verschwinden. Schuld daran ist vor allem die Klimakrise. So leben beispielsweise in der nördlichen Hudson Bay mit 842 Tieren etwa 18% weniger als 2011. In der südlichen Hudson Bay gibt es noch etwa 780 Tiere. Diese Population ist damit seit 2011 um 17 % geschrumpft. In beiden Populationen gibt es auch wesentlich weniger Nachwuchs.

Jangtse-Riesenweichschildkröte: Das letzte bekannte Weibchen der Jangtse-Riesenweichschildkröte verstarb dieses Jahr in einem chinesischen Zoo. Nun lebt im Zoo in Suzhou nur noch ein männliches Exemplar. Lediglich zwei weitere Tiere gibt es noch in freier Wildbahn - Geschlecht unbekannt.

Sumatra-Nashorn: In Malaysia ist das letzte Sumatra-Nashorn eines natürlichen Todes gestorben. Derzeit gibt es nach WWF-Schätzungen nicht einmal mehr 80 Tiere in Indonesien, verteilt auf neun isolierte Population. Der Lebensraum der Tiere schwindet, da der Wald für Palmölplantagen, Papierproduktion und Bergbau gerodet wurde.

Koalas: Den verheerenden Buschbränden in Australien sind wohl hunderte Koalas zum Opfer gefallen. Große Flächen an Eukalyptuswäldern, Lebensraum und gleichzeitig Nahrungsgrundlage der Koalas, sind niedergebrannt. Doch auch ohne Großfeuer wird es für die Tiere immer enger: Jedes Jahr werden in Australien schätzungsweise 500.000 Hektar Wald gerodet. In den vergangenen 25 Jahren ist die Population um rund ein Drittel eingebrochen.

Jaguar: Den Buschbränden am Amazonas sind auch die Jaguare zum Opfer gefallen. Insbesondere Jaguar-Reviere in Brasilien und Bolivien sind betroffen. Mindestens 500 Raubkatzen sind entweder unmittelbar verbrannt oder aus ihren Revieren vertrieben worden. Dadurch nehmen Konflikte zu. Die Tiere fliehen in andere Gebiete unter anderem auch menschliche Siedlungen, wo sie häufig erschossen werden.

Kaiserpinguine: Schreitet die Erderwärmung weiterhin in diesem Tempo voran, könnte laut einer Studie die Population der Kaiserpinguine bis 2100 um 86 Prozent abnehmen. Bereits jetzt beobachten Forscher massive Bestandsrückgänge und weniger überlebende Jungtiere.

Gewinner 2019:

Elefanten in Myanmar: Noch 2017 wurde in Myanmar wöchentlich fast ein Elefant wegen seiner Haut, die zu Hautcremes verarbeitet wird, getötet. Daher hat der WWF die Ausbildung von Rangern erweitert und 22 Stationen mit 220 Rangern errichtet. Mit Wirkung: In den Regionen Bago und Yangon wurden keine Elefanten mehr gewildert, in Irrawaddy hat sich die Fallzahl von 16 auf 7 mehr als halbiert.

Goldschakal: Die nahen Verwandten der Wölfe verlassen immer mehr den warmen Südosten Europas und besiedeln Gebiete im zunehmend milderen Mitteleuropa. Eine Konsequenz der Erderhitzung und ein Beleg für die enorme Anpassungsfähigkeit der Schakale. So übersteigt ihr Bestand in Europa den des Wolfes um das Siebenfache.

Sehuencas-Wasserfrosch: Ein männlicher Sehuencas-Wasserfrosch lebte fast zehn Jahre alleine, als letzter seiner Art im Naturhistorischen Museum „Alcide d’Orbigny“ in Bolivien. Jetzt fand man im Rahmen einer gezielten Suchaktion in den Nebelwäldern des Landes ein weibliches Pendant. Durch zahlreiche Nachkommen könnte die schwindende Art nun also doch überdauern.

Saiga: Anfang 2017 wurden tausende Mongolische Saiga-Antilopen Opfer eines tödlichen Virus, der von Schaf- und Ziegenherden übertragen wurden. Die Seuche und der folgende harte Winter waren fatal: der Bestand schrumpfte von 11.000 auf 3.000 Tiere. Zwar ist der Bestand immer noch stark geschwächt, doch es gibt einen Silberstreifen am Horizont: Mittlerweile zeigen die ersten Saigas Immunität gegen das gefährliche Virus. Das ist die Chance, damit sich die Art erholen kann.

Hirschferkel: Im November 2019 sind mehrere Vietnam-Kantschile aus der Familie der Hirschferkel in Südosten Vietnams in Kamerafallen getappt. Das hasengroße Huftier galt für fast 30 Jahre als verschollen. Die Region gehört zum Annamitengebirge, einer der artenreichsten Regionen der Erde. Der WWF ist dort bereits seit Jahren für den Artenschutz aktiv.


Umfrage: Bundesregierung tut zu wenig gegen Artensterben

BUND Pressemitteilung, 23.12.19

Berlin. 2020 muss die Kehrtwende beim Klimaschutz und beim Erhalt der biologischen Vielfalt bringen. Andernfalls droht ein ökologischer Kollaps, wie der jüngste Bericht des Weltbiodiversitätsrats mahnt. In der Öffentlichkeit wächst das Bewusstsein für die existenzielle Bedrohung und ihre Ursachen. Eine Mehrheit der Deutschen wirft der Politik Untätigkeit im Kampf gegen das Artensterben vor. Eine repräsentative Umfrage von Kantar im Auftrag des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeigt: 77 Prozent der Befragten sind der Ansicht, dass die Bundesregierung zu wenig tut, um das Artensterben zu stoppen.

"Angesichts der Menschheitsaufgaben Klima- und Biodiversitätsschutz und der Übernutzung unserer Ressourcen erleben wir eine politische Führung, die zaudert und zögert und damit unsere Zukunft aufs Spiel setzt", erklärt Olaf Bandt, BUND-Vorsitzender. "2020 muss die Kehrtwende bringen und den ökologischen Kollaps und die Klimakrise abwenden."

Deutschland als starke Wirtschaftsnation mit großem ökologischen Fußabdruck trägt hier eine besondere Verantwortung. Die repräsentative Umfrage im Auftrag des BUND belegt auch: Eine Mehrheit ist sich ihrer Verantwortung durchaus bewusst und sieht das Artensterben als vom Menschen verursacht an. Umweltverschmutzung, Industrie und Wirtschaft sowie der Klimawandel als Folge eines zerstörerischen Lebensstils gelten vielen als die Hauptursachen.

"Die Bundesregierung muss endlich die Ursachen der derzeit größten globalen Krisen angehen, die Vernichtung von Arten und Lebensräumen sowie die fortschreitende Klimaerhitzung. Sie muss sich mit aller Kraft dafür einsetzen, dass im nächsten Jahr national, europäisch und weltweit ehrgeizige Ziele und wirksame Maßnahmen für den Schutz der biologischen Vielfalt und des Klimas beschlossen werden und unverzüglich mit ihrer Umsetzung begonnen wird. Nur dann gibt es eine Chance, einen Kollaps von Natur und Klima noch abzuwenden", sagt der BUND-Vorsitzende. "2020 ist für die Politik das Jahr der Wahrheit. Staats- und Regierungschefs sowie alle Ministerien sind in der Pflicht, alles für eine Kehrtwende zu tun, um unseren Planeten zu retten. Ein 'Weiter so' würde das Gegensteuern immer schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich machen."

Eine zentrale Ursache des Artensterbens und des Verschwindens der Ökosysteme ist laut dem diesjährigen Bericht des Weltbiodiversitätsrates, dass weltweiter Handel und Konsum den Druck auf die Natur in den vergangenen Jahrzehnten vervielfacht haben. So ist etwa unser enormer Verbrauch an Energie, Fleisch, Palmöl, Papier, Metallen und seltenen Erden für das Verschwinden der Tropenwälder und anderer Ökosysteme verantwortlich.

"Ein Versagen der Bundesregierung, der EU und der Weltgemeinschaft beim Schutz der Artenvielfalt und der Ökosysteme würde in naher Zukunft zu irreparablen Schäden nicht nur mit verheerenden Folgen für unsere Lebensgrundlagen, sondern auch mit immensen Kosten für Wirtschaft und Gesellschaft führen", warnt Bandt. Der BUND fordert die Bundesregierung daher auf, sich in der EU und weltweit für effektive Maßnahmen zum Erhalt von Arten und Lebensräumen und zur Umsetzung des 1,5-Grad-Zieles des Pariser Abkommens einzusetzen.

Der BUND fordert angesichts der globalen Krisen einen grundlegenden Systemwandel. "Unendliches Wachstum auf einem endlichen Planeten ist unmöglich, wenn es nicht in dessen Zerstörung münden soll", so Bandt. "Die Bundesregierung muss den politischen Rahmen für nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltigen Konsum setzen und beispielsweise umweltschädliche Subventionen in der Agrarpolitik, in der Fischerei und im Verkehr endlich stoppen. Es bedarf zudem einer breiten gesellschaftliche Debatte ohne Scheuklappen, um unseren Lebensstil und unser Wirtschaftsmodell grundlegend zu ändern. Wirtschaft darf kein Eigenleben mehr gegen Natur und Menschen führen. Wir brauchen ein neues Bewusstsein für die Grenzen von Wachstum und Konsum, für Solidarität und Gerechtigkeit – einen tiefgreifenden sozial-ökologischen Umbau."

Für die Landwirtschaft, die in der Umfrage ebenfalls zu den Hauptverursachern für das Aussterben von Tieren und Pflanzen gezählt wird, gilt laut Bandt: "Eine Agrarwende ist unumgänglich. Dieser Prozess muss in einen neuen Gesellschaftsvertrag mit der Landwirtschaft eingebettet sein. Bei diesem gesellschaftlich gewünschten Umbau müssen die Landwirtinnen und Landwirte finanziell unterstützt werden. Die Reform der EU-Agrarpolitik muss Landwirtinnen und Landwirte unterstützen, im Einklang mit der Natur, klimafreundlich und tiergerecht zu wirtschaften."

Um das Massenaussterben zu stoppen, ist insbesondere eine deutliche Reduktion des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft, in Gärten und im städtischen Grün notwendig. Das Verbot von besonders gefährlichen Pestiziden wie Glyphosat oder Neonikotinoiden steht weiter auf der Tagesordnung. Hinzukommen muss ein Auftrag an die Kommunen, Lebensräume für Insekten wie Hecken, Blühstreifen, artenreiche Wiesen oder Brachflächen zu schaffen.

Im kommenden Oktober soll auf der UN-Biodiversitätskonferenz in China das Rahmenwerk für den Erhalt der biologischen Vielfalt bis 2030 beschlossen werden. Im zweiten Halbjahr 2020 wird die Bundesregierung die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen und daher eine große Verantwortung tragen. Sie muss gemeinsam mit dem Gastgeber China auf der 15. Vertragsstaatenkonferenz der UN-Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD COP15 in Kunming/China) die Weichen für das nächste Jahrzehnt stellen. Für das zweite Halbjahr wird ebenfalls das Ende der Trilog-Verhandlungen über die Zukunft der EU-Agrarpolitik erwartet. Im Dezember folgt abschließend die Klimakonferenz in Glasgow als weitere Bewährungsprobe für den deutschen EU-Ratsvorsitz.




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