Aktuell


Entwaldung in Brasilien

Corona legt Regenwaldschutz lahm

Zwischen Januar und März wurden über 50 Prozent mehr Bäume im Amazonas-Regenwald gefällt als im Vorjahreszeitraum. Weil Brasiliens Behörden wegen der Corona-Krise weniger kontrollieren, fürchten Umweltschützer:innen und Indigene, dass der Waldverlust noch weiter zunimmt.

Von Sandra Kirchner, Klimareporter, 15.4.20

https://www.klimareporter.de/international/corona-legt-regenwaldschutz-lahm


Abholzung des Amazonas nahm während Corona-Krise enorm zu

Im Vergleich zum Vorjahr ist die Rodung des Regenwaldes um mehr als 50 Prozent gestiegen.

Kurier, 14. April, 2020

https://kurier.at/chronik/welt/abholzung-des-amazonas-nahm-waehrend-corona-krise-enorm-zu/400812539


Abholzung im Amazonas-Gebiet erreicht Rekordwert

Die Corona-Pandemie hält die Welt noch in Atem. Im Schatten dieser Krise ist die Zerstörung im Amazonas-Gebiet erneut dramatisch angestiegen. Dies zeigen vorläufige Zahlen für das bisherige Jahr.

(dpa) - 15. April, 2020

https://www.wetter.com/news/abholzung-im-amazonas-gebiet-erreicht-rekordwert_aid_5e96ca120940155a4e65bd1d.html


Holzfäller nicht im Homeoffice

Die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes scheint nach jüngsten Erkenntnissen zuzunehmen. Denn illegale Holzfäller und Goldschürfer machen kein Homeoffice. Ein Bericht von vor Ort.

Von Carol Marçal und Danicley de Aguiar, übersetzt von Gesche Jürgens, Greenpeace-Online, 15.4.20

Wir leben in schwierigen Zeiten, die uns zu Maßnahmen zwingen, die noch vor wenigen Wochen undenkbar waren. Eine davon, das sogenannte „social distancing“, ist eine große Herausforderung für unsere Gesellschaften. Dennoch: Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es der beste Weg, um den massiven Ausbruch von COVID-19 zu verhindern, egal ob wir uns in der Stadt, auf dem Land oder im Wald befinden.

Obwohl geographisch isoliert, sind die Menschen in den Waldgebieten, insbesondere im Amazonasgebiet, nicht so sicher vor dem Virus, wie manche glauben mögen. Die vielfältigen sozialen und marktwirtschaftlichen Beziehungen, die zwischen ihnen und den Städten in der Region aufgebaut wurden, sowie die massiv eingeschränkte Logistik und Infrastruktur des brasilianischen Gesundheitssystems erhöhen das Risiko, dass die Pandemie auch die indigenen Völker und traditionellen Gemeinschaften erreicht. Angesichts der unmittelbaren Bedrohung haben die Menschen, die im Wald leben und von ihm abhängig sind, bereits freiwillige Isolationsmaßnahmen ergriffen. Vor allem die indigenen Völker, die sich ihrer historischen epidemiologischen Verwundbarkeit bewusst sind.

Die Zerstörung geht weiter

Doch im Gegensatz zum Großteil der brasilianischen Bevölkerung haben die illegalen Landnehmer (Landgrabber), Holzfäller und Bergleute ihre Aktivitäten nicht eingestellt und setzen ihre kriminellen Handlungen zur Zerstörung des Waldes fort. Sie können so zu Überträgern des neuartigen Coronavirus für mehr als vierhunderttausend Indigene aus 180 Gemeinden werden, die seit Jahrhunderten im Amazonas-Regenwald leben. Ihre Gier nach Land, Holz und Bodenschätzen muss verhindert und dringend bestraft werden.

Von September 2019 bis zum 12. März 2020 wurden nach Angaben des Nationalen Instituts für Weltraumforschung (INPE) 16.212 Entwaldungswarnungen für 3.282,89 km² Wald generiert. Die abgeholzten Gebiete werden wahrscheinlich ab Juni dieses Jahres von Bauern und Landnehmern in Brand gesteckt und tragen dann abermals zu verheerenden Waldbränden im Amazonasgebiet bei.

Die Sorge ist groß, dass sich im Zusammenhang mit der Pandemie die Belastung des Gesundheitssystems der Region noch weiter erhöht. Nach Angaben der Oswaldo-Cruz-Stiftung (Stiftung Fiocruz) hat sich die Zahl der Kinder, die zu Beginn der Trockenzeit zwischen Mai und Juni 2019 mit Atembeschwerden in den am stärksten von Bränden betroffenen Gebieten ins Krankenhaus eingeliefert wurden, verdoppelt. Es gab nicht weniger als 2.500 weitere Krankenhausaufenthalte pro Monat. Nach Angaben von Fiocruz erhöht sich für Menschen, die in einer nahe der Brände gelegenen Stadt leben, das Risiko, aufgrund von Atemwegsproblemen ins Krankenhaus zu müssen, um 36 Prozent.

Der steigende Goldpreis kommt die Wälder und seine Bewohner teuer zu stehen

Im Zuge der wirtschaftlichen Auswirkungen und der Unsicherheit, die inmitten der globalen Pandemie auf den Märkten entstanden sind, stieg der Goldpreis in nur drei Monaten um ein Drittel von 40 Euro auf 53 Euro pro Gramm. Wir sind bereits Zeuge eines neuen Goldrausches, der für den Wald und seine Menschen hohe Kosten verursacht. Die Verpflichtung der Regierung Bolsonaro, den Forderungen des Bergbausektors nachzukommen und das Land der Indigenen für den Mineralienabbau zu öffnen und Tausende illegaler Goldminen innerhalb und außerhalb dieser Gebiete zu legalisieren, ist ein absolut alarmierendes Warnsignal.

Nach Angaben des „Amazonas Social and Environmental Information Network“ (Raisg) erlebte Pan-Amazonien im Dezember 2018 bereits eine "Bergbau-"Epidemie". Allein im brasilianischen Amazonasgebiet sind mindestens 18 indigene Gebiete von Bergarbeitern überfallen worden, darunter das Land der Munduruku und Yanomami. Zusammengenommen ergeben sie mehr als 10 Millionen Hektar Wald, die derzeit von Tausenden von Bergarbeitern heimgesucht werden. Die Körper der dort lebenden Indigenen weisen alarmierend hohe Raten von Quecksilberverunreinigungen auf, die wahrscheinlich durch die Goldminen der Region verursacht werden.

Besorgt über die Auswirkungen, die dieser neue Goldrausch verursachen wird, veröffentlichte die Coordination of Indigenous Organizations in the Brazilian Amazon (Coiab) am 24. März eine Erklärung, in der die Regierung aufgefordert wurde, die Operationen in den Goldminen zu beenden und den Schutz der indigenen Gebiete Brasiliens zu garantieren.

In Anbetracht der ernsthaften Gefahr, dass sich die COVID-19-Pandemie über den Amazonas-Regenwald ausbreitet, was einen weiteren indigenen Völkermord verursachen könnte, ist es dringender denn je, dass der brasilianische Staat auf die Forderungen der indigenen Gemeinschaften eingeht und konkrete Maßnahmen zum Schutz des Waldes und der Gesundheit seiner Bevölkerung umsetzt. Die Gesundheit der Hüter des Waldes darf nicht gefährdet werden.

Ergänzungen:

Seit Verfassens des Artikels gab es bereits mehrere Indigene, in an den Folgen einer Covid-19-Infektion verstarben.

Zudem meldete das brasilianische Nationale Institut für Weltraumforschung (INPE) inzwischen erneut einen Anstieg der Waldzerstörung für das erste Quartal 2020. Von Januar bis März wurden Waldflächen in der Größe von knapp 800 Quadratkilometern festgestellt, eine Fläche fast so groß wie Berlin. Dies ist der höchste Wert seit 2016, als dieses Analyse-System gestartet wurde.


Erfolg: Evangelikale Missionare aus Gebiet unkontaktierter Völker verbannt

Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 17.4.20

In einem bahnbrechenden Urteil hat ein brasilianisches Gericht evangelikalen Missionaren untersagt, Kontakt mit unkontaktierten Völkern im Javari-Tal aufzunehmen. Nirgendwo sonst leben mehr unkontaktierte Völker als dort. Die Klage wurde von UNIVAJA eingereicht, der Indigenen-Organisation des Javari-Tals. UNIVAJA wollte damit den konzentrierten Bemühungen der Missionare entgegenwirken, unkontaktierte Gemeinden zu erreichen.

Das Urteil des Richters nennt spezifisch mehrere Missionare – Andrew Tonkin, Josiah McIntyre und Wilson de Benjamin – und die New Tribes Mission (Ethnos360), es erstreckt sich aber auf alle Missionare, die versuchen, in das Javari-Tal zu gelangen. Der Richter stellte in seinem Urteil fest, dass „unkontaktierte Indigene besonders verwundbar sind … Mit ihnen in Kontakt zu treten, ist enorm riskant.“ Er genehmigte den Einsatz von Polizei und Militär zur Durchsetzung des Urteils und warnte davor, dass jede Person, der gegen die Anordnung verstößt, mit einer Geldstrafe von R$1.000 (€ 175) pro Tag belegt wird.

Eliesio Marubo, der indigene Anwalt der UNIVAJA, sagte heute gegenüber Survival International: „Dies ist das bestmögliche Ergebnis. Das Gesetz sollte für alle gleichermaßen gelten. UNIVAJA, das die indigenen Gemeinschaften des Javari-Tals vertritt, verteidigt das Recht unserer Völker, selbst zu entscheiden, was für sie am besten ist. Ich hoffe, dieses Urteil wird Christen daran erinnern, dass die größte göttliche Weisung darin besteht, andere zu lieben und zu respektieren!“

UNIVAJA schrieb in einer früheren Presseerklärung: „Wenn COVID-19 in unseren Dörfern eintrifft, könnten die Folgen genozidal sein. Und trotz der Gefahren für die indigenen Völker des Javari-Tals haben die FUNAI [Behörde für indigene Angelegenheiten] und die SESAI [Indigene Gesundheitsbehörde] sehr wenig getan.“ Die New Tribes Mission, eine der größten fundamentalistischen Missionsorganisationen der Welt, gab kürzlich Pläne zur Kontaktaufnahme mit den Völkern im Javari-Tal bekannt, und kaufte dafür einen Hubschrauber.

Survival International steht an der Spitze einer internationalen Kampagne, um dies zu stoppen. Survivals Unterstützer*innen haben die Social-Media-Seiten der New Tribes Mission in einer Online-Demo mit Kommentaren überhäuft und von den Missionaren gefordert, sich fernzuhalten. Survival setzt sich auch dafür ein, dass Ricardo Lopes Dias, ein evangelikaler Missionar, der kürzlich zum Leiter der FUNAI-Abteilung für unkontaktierte Völker ernannt wurde, aus dem Amt entfernt wird.

Unkontaktierte Völker sind die bedrohtesten Gesellschaften auf dem Planeten. Ganze Gemeinden sind durch Krankheiten wie Grippe und Masern, gegen die sie keine Immunabwehr haben, ausgelöscht worden, so dass der Versuch, während der Corona-Pandemie mit solchen Völkern Kontakt aufzunehmen, für viele mit ziemlicher Sicherheit ein Todesurteil gewesen wäre.

Das Coronavirus ist bereits in indigene Gemeinden im Amazonasgebiet angekommen. Dies wird wahrscheinlich verheerende Folgen für sie haben. Ein fünfzehnjähriger Yanomami-Junge ist an dem Virus gestorben. Es besteht die Befürchtung, dass sich das Virus nun in dem betroffenen Territorium ausbreitet, in das Tausende von Goldgräbern illegal eingedrungen sind und in dem mehrere unkontaktierte Yanomami-Gemeinschaften leben. Die Goldgräber operieren gefährlich nah an einer unkontaktierten Gruppe und schüren Angst um ihr Überleben.

Fiona Watson, Leiterin der Forschungsabteilung von Survival, die das Javari-Tal gut kennt, sagte heute: „Dies ist eine sehr wichtige Entscheidung, da sie die enormen Gefahren und die Kriminalität der erzwungenen Kontaktaufnahme mit unkontaktierten Völkern anerkennt. Es ist ein schwerer Schlag für evangelikale Missionare, die glauben, in Bolsonaros Brasilien über dem Gesetz zu stehen. Die brasilianischen Behörden müssen unverzüglich handeln, um das Urteil durchzusetzen, alle Missionare aus dem Javari-Tal auszuweisen und sicherzustellen, dass sie nicht versuchen, unter dem Radar zurückzukehren, wie sie es in der Vergangenheit getan haben.“




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