Aktuell


Bras. Waldgesetz verabschiedet

Persilschein für die Kettensägen

WWF kritisiert katastrophale Änderungen des brasilianischen Waldgesetzes

WWF Pressemitteilung, 26.4.12

Berlin - Das brasilianische Unterhaus hat gestern die Reform des brasilianischen Waldgesetzes verabschiedet. „Die Entscheidung ist ein Tiefschlag gegen das größte Tropenwaldgebiet der Erde“, kritisiert Roberto Maldonado, Lateinamerika Referent beim WWF Deutschland. Insbesondere die Amnestie für illegale Abholzungen legalisiere Umweltverbrechen der Vergangenheit und sei quasi eine Aufforderung zu weiterem Kahlschlag. Der WWF fordert die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff auf, das Gesetz per Veto zu verhindern und den Albtraum am Amazonas Regenwald zu beenden.

„Das neue Gesetz weicht den bisher fortschrittlichen Waldschutz in Brasilien kontinuierlich auf und dient allein der Agrarlobby“, betont der WWF. Hauptgewinner des Gesetzes sei die Viehwirtschaft. Sie entledige sich der Verpflichtung, Millionen Hektar illegal abgeholzten Wald wieder aufzuforsten. Die Amnestie komme vor allem den Großgrundbesitzern zugute. Zu den Verlierern der Reform zählt der WWF Kleinbauern und die brasilianische Bevölkerung. „Während sich die Fleisch- und Sojabarone eine goldenen Nase verdienen, werden die entstehenden Kosten, z.B. verursacht durch zunehmende Überschwemmungen und Erdrutsche, an die Allgemeinheit übertragen“, unterstreicht Roberto Maldonado.

Insgesamt stehe eine Fläche größer als Deutschland auf dem Spiel. Die Lockerung des Gesetzes habe weitreichende Folgen über die Grenzen Brasiliens hinaus: Die absehbare Kahlschlag und der Verzicht auf Wiederaufforstung dürfte das Weltklima mit zusätzlich um bis zu 28 Milliarden Tonnen Kohlendioxid belasten.

Der WWF appelliert an die brasilianische Präsidentin, das Gesetz auf keinen Fall zu unterzeichnen. „Es wäre absurd, die Welt im Juni zur Nachhaltigkeitskonferenz Rio +20 einzuladen und gleichzeitig auf Druck der Agrarlobby die Axt an einen der größten Naturschätze der Erde anzulegen.“


Brasiliens indigene Völker in Todesgefahr

Parlament in Brasilia verabschiedet neues Waldgesetz

GfbV Pressemitteilung, 26.4.12

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat mit Bestürzung die Verabschiedung des novellierten Waldgesetzes durch das Unterhaus in Brasilia am heutigen Donnerstag zur Kenntnis genommen. "Dies ist ein schwarzer Tag für die etwa 235 indigenen Völker Brasiliens, denen nun buchstäblich der Boden unter den Füßen weggezogen wird", sagte Yvonne Bangert, GfbV-Referentin für indigene Völker. "Jetzt kann nur noch die brasilianische Präsidentin Dilma Roussef mit ihrem Veto den Wald in Brasilien und die darin lebenden indigenen Gemeinschaften in allerletzter Minute retten. Tut sie es nicht, so wird letztlich eine Fläche so groß wie Deutschland, Österreich und Italien zusammen zur Abholzung freigegeben. Das kommt einem Kniefall vor der mächtigen Agrarlobby gleich und bedeutet eine Amnestie für illegal arbeitende Holzfäller. Angesichts der UNO-Klimakonferenz Rio+20 in Brasilien im Juni 2012 wäre eine Novellierung des Waldgesetzes das falsche Signal für den Klimaschutz. Brasiliens Ansehen in der Welt könnte dadurch ernsthaft Schaden erleiden."

Das neue Gesetz würde in Brasilien zu einer deutlichen Zunahme der Abholzung im Regenwald führen und damit auch das Überleben vieler indianischer Gemeinschaften gefährden. Der Schutz der Waldgebiete würde zu Gunsten der Agrarindustrie und ihrer Suche nach immer mehr Anbauflächen zum Beispiel für Soja oder Weideflächen für Rinder ausgehöhlt. Einer zunehmenden Entwaldung besonders schutzlos ausgesetzt wären die geschätzt 70 Völker, die in freiwilliger Abgeschiedenheit im Amazonas-Regenwald Brasiliens leben. "Dabei werden sie schon jetzt durch Megaprojekte wie den umstrittenen Belo Monte Staudamm oder illegal von Peru aus im Bundesstaat Acre eindringende Holzfäller vertrieben", beklagt Bangert, "ohne Land können sie nicht überleben. Krankheiten, von Holzfällern oder Bauarbeitern eingeschleppt, bringen ihnen den Tod, wenn sie den Eindringlingen nicht mehr ausweichen können". Auch für den Klimaschutz wäre die Novelle ein deutlicher Rückschritt.

Das neue Gesetz sieht vor, dass Waldbesitzer künftig statt 80 Prozent nur noch 50 Prozent des Waldes auf ihrem Land erhalten müssen. Ein geschützter Streifen von bis zu 100 Metern entlang der Flüsse soll deutlich schmaler werden. Dies verschlechtert dann die Wasserqualität und fördert die Erosion in den Uferbereichen. Darunter werden die Fischbestände leiden, die ihrerseits wichtige Lebensgrundlage für die Indianer sind. Die große Mehrheit der brasilianischen Bevölkerung lehnt es ab, dass weiter Regenwald abgeholzt wird. Die GfbV hatte zuletzt anlässlich der Eröffnung der CeBIT am 5. März 2012 an Präsidentin Rousseff appelliert, durch ihr Veto zum neuen Waldgesetz ihr Wahlversprechen einzulösen.


„Ein Frankenstein-Projekt“

Ein höchst umstrittenes Waldgesetz ist vom brasilianischen Parlament gebilligt worden. Es begünstigt die Agrarlobby. Umweltschützer kritisierten die Entscheidung.

Von Gerhard Dilger, taz, 26.4.12

PORTO ALEGRE. Noch einmal durften die reaktionärsten Vertreter des brasilianischen Agrobusiness jubeln: Mit 274 zu 184 stimmte das Abgeordnetenhaus in Brasília am Mittwoch für eine Novelle des Waldgesetzes, die noch weit über das hinausgeht, was der Senat im Dezember verabschiedet hatte. Das Gesetz läuft auf eine totale Amnestie für Waldzerstörer hinaus.

Allerdings muss es noch von Präsidentin Dilma Rousseff unterzeichnet werden. Und es gilt als ausgeschlossen, dass sie den Parlamentsbeschluss hinnimmt – bedeutet er doch eine herbe Niederlage für die Staatschefin, die im Juni den UN-Umweltgipfel Rio+20 eröffnen wird.

Mit der Novelle würden bislang vorgeschriebene Schutzzonen verkleinert, Waldbesitzer von Verpflichtungen zur Wiederaufforstung befreit, wie sie im bislang geltenden Waldgesetz von 1965 vorgesehen waren. Nur eine einzige Vorschrift konnte die Regierung wegen eines Verfahrensfehlers retten: Nach Rodungen müssten Landbesitzer zerstörte Ufer bei bis zu 10 Meter breiten Flüssen jeweils 15 Meter wiederaufforsten.

An 20 Punkten wurde der Senatsentwurf verwässert, etwa zugunsten der Krabbenzüchter oder von sogenannten Kleinbauern – die Gebiete von bis zu 440 Hektar ihr Eigen nennen dürfen. Weitere „Flexibilisierungen“, etwa bei breiteren Flüssen, sollen in die Zuständigkeit der meist konservativ regierten Bundesstaaten übertragen werden.

„Geopolitisch verwundbar“

Die Agrarlobby im brasilianischen Parlament ist stark. Aus ihrer Sicht müssen die Agrarflächen ausgeweitet werden, um die Lebensmittelsicherheit in Brasilien zu gewährleisten. Zudem schaffe das neue Waldgesetz Rechtssicherheit für Kleinbauern, die sich bislang durch illegale Rodungen strafbar gemacht hätten.

Über die Details der Änderungen herrschte wegen unklarer Abstimmungsverfahren zunächst Verwirrung. „Ein Frankenstein-Projekt“, schimpfte der Grüne Sarney Filho. Sein Parteikollege Alfredo Sirkis beklagte eine „Offensive von Bodenspekulanten und Großgrundbesitzern“.

Andere Abgeordnete forderten Rousseff auf Schildern zum vollständigen Veto gegen das Gesetz auf, wie es auch die Umweltbewegung seit Monaten tut. Auch Rousseffs Arbeiterpartei PT lehnte den jüngsten Entwurf fast geschlossen ab. International wächst der Druck ebenfalls. Brasilien erleichtere es ausländischen Umweltschützen und Konkurrenten, höhere Zölle für brasilianische Agrarimporte zu fordern und werde dadurch „geopolitisch verwundbar“, meint Virgílio Viana von der Stiftung Nachhaltiger Amazonas.

Rousseffs Taktik sei „durchschaubar“, meint der Grüne MdB Thilo Hoppe. Er rechnet mit Verzögerungen bis zur endgültigen Version der kritischen Passagen und fürchtet: „Ein absehbares Scheinveto der Präsidentin würde ihr nur zu leicht erlauben, Brasilien weiterhin als Primus in der Klimadebatte zu positionieren, während sie im Hintergrund der Agrarlobby einen Freischein zu illegalen Großrodungen bietet.“

Wird die dreiste Agroallianz gestoppt?

Kommentar von Gerhard Dilger

Noch ist das letzte Wort im Streit um Brasiliens neues Waldgesetz nicht gesprochen. Nach einem jahrelangen Tauziehen und dem vorläufig letzten, beschämenden Auftritt der Agroallianz im Abgeordnetenhaus ist nun endlich Präsidentin Dilma Rousseff am Zug. Auf das regelrechte „Waldzerstörungsgesetz“ der Agrarier müsste sie mit einem vollständigen Veto und einem neuen Gesetzestext per Dekret reagieren.

Die linke Staatschefin steht bei den WählerInnen im Wort: Nachdem die Ökoikone Marina Silva bei der letzten Präsidentschaftswahl auf ein Fünftel der Stimmen gekommen war, versprach Rousseff vor der Stichwahl, eine Amnestie für Waldzerstörer zu verhindern und die Verpflichtungen Brasiliens zum Klimaschutz zu respektieren – zwei Drittel der brasilianischen CO2-Emissionen gehen auf das Konto von Brandrodungen.

Angesichts von Rousseffs bisheriger Umweltbilanz ist allerdings Skepsis angebracht: Klammheimlich werden Naturschutzgebiete zugunsten von immer weiteren Staudämmen in Amazonien umgewidmet, als Kontrollinstanz ist das Umweltministerium praktisch abgemeldet die Waldzerstörung nimmt wieder deutlich zu. Wachstum durch Monokulturen, Megaprojekte und Rohstoffexport, das scheint das Motto der vormaligen Energie- und Bergbauministerin zu sein.

Den Preis bezahlen Kleinbauern, Fischer, Indigene. Es ist ein umweltpolitisches Rollback von gigantischen Ausmaßen. Bisher gibt es auch keinerlei Anzeichen, dass Brasilien seine Gastgeberrolle beim Umweltgipfel Rio+20 dazu nutzen könnte, um sich als grüne Supermacht zu positionieren.

Nun bietet das üble Vorgehen der Agrarlobby Rousseff die Chance, ein eigenes, modernes Waldgesetz vorzulegen, das Umweltschutz und rechtsstaatliche Standards über das Profitstreben und die Wildwestmethoden des Agrobusiness stellt. Es ist die bislang größte Feuerprobe ihrer Amtszeit.

(Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors)


Neues Waldgesetz in Brasilien ist unverantwortlich

Präsidentin Rousseff soll von ihrem Vetorecht Gebrauch machen

CDU/CSU-Bundestagsfraktion Pressemitteilung, 26.4.12

In Brasilien wurde ein neues Waldgesetz verabschiedet. Dazu erklärt der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Ruck:

„Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht das vom Parlament in Brasilien verabschiedete neue Waldgesetz mit großer Sorge. Das Gesetz würde eine deutliche Ausweitung der Abholzung der Tropenwälder im Amazonas ermöglichen und damit den Verlust an Biodiversität und den Klimawandel beschleunigen.

Wir fordern die brasilianische Präsidentin Rousseff auf, von ihrem Vetorecht Gebrauch zu machen. Das Gesetz darf nicht in Kraft treten. Die darin enthaltene Amnestie für illegale Abholzung in der Vergangenheit konterkariert alle Bemühungen der internationalen Gemeinschaft die Entwaldung zu reduzieren. Sie nimmt außerdem künftigen Regelungen zur Beschränkung der Abholzung jede Glaubwürdigkeit. Indem durch das Gesetz der auf Privatflächen mindestens zu haltende Waldbestand reduziert wird, droht eine deutliche Ausweitung der Abholzung.

Die Wälder Brasiliens sind von essentieller Bedeutung zur Eindämmung der globalen Erwärmung und sie sind eine Schatztruhe der biologischen Vielfalt. Mit dem Gesetzesbeschluss handelt das brasilianische Parlament unverantwortlich und setzt sich in Widerspruch zum Anspruch, zu den neuen Führungsmächten in der Welt zu gehören. Im Hinblick auf den bevorstehenden „Rio + 20“ Jubiläumsgipfel in Rio de Janeiro ist dies ein schlechtes Vorzeichen.“




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