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AKTION: Indigenenproteste gegen Amazonas-Staudamm

Mundurukú wollen Millionen Bäume vor Rodung für Staudamm retten

"Rettet den Regenwald" e.V. Pressemitteilung, 28.11.14

„Tapajós Livre", fordern die Mundurukú: "Freier Tapajós“. Mit Booten sind die Indigenen den Fluss hinauf nach São Luiz gefahren, um dort zu demonstrieren, wo bald Tausende Tonnen Beton und Stahl das Wasser stauen sollen. 8.040 Megawatt soll der Damm leisten – Energie für Aluminiumhütten, Bergbaukonzerne und Industrieanlagen.

Millionen Bäume sind dem Staudamm São Luiz do Tapajós bedroht, Dörfer sind dem Untergang geweiht. Brasiliens Regierung will rücksichtslos Amazoniens Flüsse zähmen, um die Wirtschaft mit billigem Strom zu versorgen. Die Natur und die Rechte der Einheimischen zählen wenig. Es ist fünf vor Zwölf, dem Volk der Mundurukú zu helfen.

Die Mundurukú kämpfen mutig wie Jaguare um ihr Land. Ihre Aktivisten nennen sich „Guerreiros“ – Krieger – und machen klar, dass sie nicht klein bei geben werden. Für sie geht es um nicht weniger als ihr Überleben. Die Flüsse Tapajós, Jamanxim und Teles Pires sind ihre Heimat, die sie niemals aufgeben.

Die brasilianische Regierung eskaliert die Lage am Tapajós. Seit Beginn des Projekts mit zahlreichen Dämmen weigert sie sich, die Mundurukú anzuhören, obwohl die Verfassung und internationale Konventionen Mitbestimmungsrechte garantieren. Die Demarkation ihres Territoriums wird – offenbar auf Druck der Staudammlobby – verschleppt. Seit September stecken die Indigenen daher ihr Land eigenständig ab. Obwohl die Behörden das wissen, vergeben sie Konzessionen, damit Firmen Flächen roden dürfen, die im Stausee verschwinden sollen. Die Ausschreibung für den Bau wurde jedoch verschoben.

Die Mundurukú sind Opfer von Gewalt. Bewaffnete der Força Nacional eskortieren Wissenschaftler, die Studie für den Bau anstellen. Tief fliegende Hubschrauber schüchtern die Indigenen ein. In der Stadt Jacareacanga griffen Hunderte Einwohner – offenbar im Schulterschluss mit Polizisten und Lokalpolitikern – demonstrierende Mundurukú mit Steinen und Feuerwerkskörpern an.

Da das Projekt am Tapajós die Rechte der Einheimischen verletzt und die Natur zerstört, dürfen sich deutsche Firmen nicht daran beteiligen. Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff sollte Staudamm-Projekte in Amazonien stoppen.

Hintergründe

Die Wälder am Tapajós gehören zu den artenreichsten der Welt. Im Nationalpark Amazonia wurden 400 Fischarten und 390 Vogelarten gezählt, seltene Tiere wie Jaguar und Ameisenbär sind hier zu finden. „Sollten die Dämme verwirklicht, wäre das der Tod für den Fluss wie er heute existiert“, sagt Maria Lucia Carvalho, die Chefin des Parque Nacional da Amazônia.

Brasiliens Wirtschaft dürstet nach Energie. Laut Prognosen steigt der Strombedarf pro Jahr um 4,5 Prozent. Das Land setzt im großen Stil darauf, Strom aus seinen Strömen zu gewinnen. 2011 stammten rund 80 Prozent der Produktion aus Wasserkraft. Wind- und Solarenergie fristen mit weniger als zwei Prozent ein Schattendasein. Dabei wäre das Potential immens. Doch Brasilien baut lieber Staudämme statt Windräder.

Staudamm São Luiz do Tapajós verschlingt Wald und Dörfer

Allein in Amazonien sollen knapp 60 große Wasserkraftwerke errichtet werden. Keiner der großen Flüsse bleibt unreguliert. Hinzu kommen Tausende Kilometer Hochspannungsleitungen. Neben Belo Monte, wo trotz anhaltender Proteste bereits gebaut wird, ist das Netz von Dämmen des „Complexo Tapajós“ mit mehr als 14.000 Megawatt Leistung am wichtigsten. Zum Vergleich: Die neun Kernkraftwerke, die in Deutschland noch arbeiten, leisten zusammen 12.700 Megawatt.

Schutzgebiete per Dekret beschnitten

An drei Stellen soll der Tapajós selbst gestaut werden. 198.400 Hektar Land würden geflutet, auch in Schutzgebieten. Die Regierung nimmt die Vernichtung von 11.000 Hektar Wald in den Nationalparks Amazônia und Juruena und von weiteren 23.000 Hektar in den Nationalwäldern Itaituba I und II mit einem Trick in Kauf. Per Dekret wurde den Flächen 2012 kurzerhand der Schutzstatus genommen.

Vier Bauwerke sind am Zufluss Jamanxim geplant. Dort werden 103.700 Hektar Land in Stauseen verschwinden, 33.216 davon im Jamanxim Nationalpark, 25.849 in den Nationalwäldern Jamanxim, Altamira, Itaituba I und II.

Der Damm São Luiz do Tapajós, 50 Kilometer stromaufwärts der Stadt Itaituba an der legendären Transamazônica gelegen, ist mit 8.040 Megawatt das größte Kraftwerk – und bereits am weitesten vorangeschritten. Deshalb ist der Widerstand hier am größten. Eine Fläche von 730 Quadratkilometer wird nach der Fertigstellung – derzeit terminiert für 2020 – überflutet. Als wäre das nicht genug, sollen weitere Zuflüsse des Tapajós verbaut werden. Drei Dämme am Teles Pires und acht am Juruena.

Indigene nehmen Biologen gefangen

Vor allem das indigene Volk der Mundurukú ist vom Drang des brasilianischen Energiesektors an den Tapajós betroffen. 11.600 von ihnen leben in rund 120 Siedlungen – und verteidigen ihr Land. Als Biologen heimlich Studien für den Bau des Staudamms in São Luiz anstellten, wurden sie von den Indigenen vertrieben. Drei Forscher wurden gefangen genommen und so lange festgehalten, bis die Studien eingestellt wurden.

Die Regierung versprach tatsächlich, die Pläne auf Eis zu legen – schickte jedoch Spezialeinheiten der Força Nacional, die fortan die Wissenschaftler in die Wälder der Mundurukú eskortieren. Tief fliegende Hubschrauber schüchtern die Indigenen ein. Der Theologe und Radiomacher Edilberto Sena spricht von „Kriegstaktik“.

Am Teles Pires wurden bereits für den Staudamm Stromschnellen gesprengt, obwohl die Indigenen dort den Ursprung der Welt sehen. "Das wäre, als ob man Jerusalem oder den Vatikan sprengt", sagt die Archäologin Bruna Rocha. Kultur und Geschichte der Menschen seien untrennbar mit Orten verbunden.

Gewagte Idee: Arbeiter fliegen per Heli ein

Für ungläubiges Staunen sorgt die Ankündigung der Regierung, Staudämme als „Plattform dams“ zu errichten. Wie bei einer Ölbohrplattform würden Arbeiter und Material per Helikopter eingeflogen. Ein Straßenanschluss entfalle, soziale Probleme durch ungerufene Arbeitssuchende würden vermieden, die Umwelt geschont. Wie das bei 12.000 Arbeitern gelingen soll, ist schleierhaft. Abgesehen davon, dass auch Maschinen, Stahl, Beton an die Baustelle geschafft werden müssen. Brasiliens Bauindustrie haftet der Ruf an, besonders eng mit der Politik verflochten zu sein. Eine US-Studie bringt Regierungsaufträge mit Parteispenden in Verbindung.

Hocken deutsche Firmen in den Startlöchern?

Auch europäische Firmen müssen sich unbequemen Fragen stellen, inwieweit sie für die Verletzung von Menschenrechten und die Regenwaldvernichtung Verantwortung tragen. Am umstrittenen Staudamm Belo Monte sind Siemens, Voith, Daimler, Allianz, Munic Re und andere beteiligt. Man darf davon ausgehen, dass sie weiter vom Bauboom in Amazonien profitieren wollen. Manager verschließen dabei häufig ihre Augen vor sozialen und ökologischen Folgen. Es greift zu kurz, sich auf die Angaben brasilianischer Firmen und Politiker zu verlassen, Vergabe und Bau gingen nach Recht und Gesetz zu. Dass dem nicht so ist, zeigt beispielhaft Belo Monte.

Brasilien hat Alternativen zum Bau von Wasserkraftanlagen: Die Stromproduktion ließe sich beträchtlich steigern, wenn bestehende Kraftwerke einer Revision unterzogen würden, bei der Turbine erneuert und verschlammte Stauseen ausgebaggert werden. Da viele Hochspannungsleitungen alt und marode sind, gehen 20 Prozent des Stroms während des Transports verloren. Nahezu ungenutzt ist das Potential von Wind- und Solarenergie. Schließlich sollte man sich nicht um die Grundsatzfrage drücken: Wofür und für wen wird der Strom produziert?

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„Wir haben es satt zu warten“: Munduruku wehren sich gegen Staudämme

Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 4.12.14

Das indigene Volk der Munduruku fordert die Anerkennung ihres angestammten Territoriums im nordbrasilianischen Amazonasgebiet und hat erklärt, die Zerstörung des Gebietes verhindern zu wollen.

Die Indigenen protestieren gegen mehrere Staudämme, die auf dem Tapajós-Fluss und einigen seiner Nebenflüsse gebaut werden sollen, gegen illegalen Bergbau und Abholzung auf ihrem Land und gegen das Scheitern der Regierung, den Wald zu schützen.

Für die Munduruku, welche circa 12.000 Personen umfassen, bedeuten das Eindringen in ihr Land und die geplanten Staudämme die Zerstörung des Regenwaldes, welcher sie mit allem Nötigen versorgt. Erst kürzlich erklärten sie: „Dies ist eine erneute Gewalthandlung gegen unsere Rechte, unseren Wald und unsere Zukunft als Volk.‟

Im vergangenen Monat begannen die Munduruku damit, ihr Territorium für ihren exklusiven Nutzen zu demarkieren – eine Aufgabe, der die Regierung bisher trotz ihrer rechtlichen Pflicht nicht nachgekommen ist. Nach der brasilianischen Verfassung hätten alle indigenen Territorien bis 1993 an die Indigenen zurückgegeben werden sollen.

Die Munduruku erklärten: „Wir kämpfen schon seit vielen Jahren für diese Demarkierung, aber jedes Mal, wenn wir nach Brasília gehen, erfindet FUNAI [Behörde für indigene Angelegenheiten] Lügen und Versprechungen … Wir wissen, dass FUNAI dies tut, um Zeit für den Bau der Tapajós-Staudämme zu gewinnen, und wir haben es satt zu warten.‟ Das Versäumnis der Regierung, die Indigenen zu dem Staudammvorhaben zu konsultieren, verstößt gegen brasilianisches und internationales Recht.

Vergangene Woche besetzte eine Delegation der Munduruku Büros der FUNAI aus Protest gegen das Wasserkraft-Projekt und das Versäumnis der Autoritäten, Teile ihres Landes, bekannt unter dem Namen Sawré Muybu, rechtlich anzuerkennen. Munduruku-Anführer Suberanino Saw sagte: „Unser Kampf ist gefährlich, aber wir wissen, dass wir siegen werden.‟




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