AktuellLetzte Chance für Klimaschutz
„Zwei-Grad-Ziel könnte noch erreicht werden“Max-Planck-Institut für Meteorologie Pressemitteilung, 23.2.12Wissenschaftler am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie (MPI-M) und am Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) haben mit dem neuen Klimamodell des MPI-M berechnet, dass das Zwei-Grad-Ziel doch noch erreicht werden könnte. Die Voraussetzung dafür wäre allerdings eine umgehende und drastische Minderung der Kohlendioxidemissionen. In einem internationalen Modellvergleich haben die Forscher den komplexen Kohlenstoffkreislauf und die Vegetationsdynamik in die Klimaprojektionen für das 21. Jahrhundert integriert. Die Simulationen zeigen im Falle einer weiter ansteigenden CO2-Konzentration nicht nur einen deutlichen Temperaturanstieg, sondern auch eine erheblich schnellere Versauerung der Ozeane. Besonders betroffen davon sind Tiere, die Kalkschalen bilden. Erstmals wurden neben Langzeitprojektionen auch detaillierte Klimaprognosen für die kommenden zehn Jahre durchgeführt. Die neuen Klimasimulationen sind auf dem Höchstleistungsrechner des DKRZ durchgeführt worden und haben dort etwa ein Viertel der Gesamtkapazität über einen Zeitraum von zwei Jahren beansprucht. Mit der Veröffentlichung der aktuellen Datensätze geben die Hamburger Klimaforscher den Startschuss für die Interpretation ihrer Berechnungen durch die weltweite Gemeinschaft der Klimaforscher. Zudem werden die Ergebnisse die Grundlage für gesellschaftspolitische Diskussionen über mögliche Klimafolgen und den daraus resultierenden Handlungsbedarf bilden. Die aktuellen Modellrechnungen sind Teil des Weltklima-Forschungsprogramms (WCRP World Climate Research Programme). Im Rahmen dieses Programms werden die koordinierten Berechnungen der zahlreichen globalen gekoppelten Klimamodelle weltweit miteinander verglichen. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit mehr als 3 Mio. Euro gefördert. Falls die CO2-Emissionen ungebremst weiter ansteigen, so wie im ungünstigsten Szenario angenommen, erwarten die Wissenschaftler eine Erwärmung um bis zu vier Grad im globalen Mittel bis zum Jahr 2100. Die Folgen wären sehr vielfältig. „Wir würden weltweit mehr länger anhaltende und auch drastischere Hitzewellen haben“, so Jochem Marotzke, Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie und stellvertretender Vorsitzender des Weltklima-Forschungsprogramms. „Unsere jetzt gerade fertig gestellten Rechnungen haben gezeigt, dass wir tatsächlich die Erwärmung im Laufe dieses Jahrhunderts auf unter zwei Grad begrenzen können. Allerdings erfordert das eine drastische Minderung in den Kohlendioxidemissionen.“ Laut den aktuellen Berechnungen schmilzt das Sommereis der Arktis schneller als bisher vorhergesagt. Durch das Schmelzen der Eisflächen strahlt weniger Sonnenenergie in das Weltall zurück und erwärmt stattdessen zusätzlich den Ozean (Albedo-Effekt). Die Geschwindigkeit des Abschmelzens des Meereises hängt direkt mit der globalen Erwärmung zusammen. „Unsere Berechnungen stimmen jetzt deutlich besser als bisher mit den Beobachtungen des arktischen Meereises aus den letzten Jahrzehnten überein“, erklärt Dr. Johann Jungclaus, Ozean-Experte am Max-Planck-Institut für Meteorologie. Den Klimawissenschaftlern am MPI-M ist es erstmals gelungen, die nordatlantische Meeresströmung genau vorauszuberechnen. Mit Hilfe von aktuellen Beobachtungsdaten ist es gelungen, einen konsistenten aktuellen Startzustand der Ozeanzirkulation zu bestimmen und in das Ozeanmodell einzubauen. Damit ist es nun möglich, Klimaanomalien für die nächsten fünf bis zehn Jahre vorherzusagen. „Die aktuellen Berechnungen zeigen, dass der Ozean durch die CO2-Belastung bereits um etwa 30% saurer gegenüber der Situation vor der Industrialisierung geworden ist. Wissenschaftler bezweifeln, dass viele Organismen sich an diese Änderung schnell genug anpassen können. Das betrifft besonders Kalk bildende Organismen wie Muscheln und Korallen“, so Jungclaus. In den sogenannten Millenniums-Simulationen (Berechnungen über die letzten 800-1000 Jahre) haben die Hamburger Forscher festgestellt, dass der Mensch die CO2-Konzentration in der Atmosphäre bereits seit 1750 durch die Umwandlung von Wäldern in Ackerland beeinflusst hat. Die ersten Spuren des menschlichen Fußabdrucks im Kohlenstoffkreislauf wurden damit lange vor der industriellen Revolution und vor der Nutzung von fossilen Energieträgern wie Öl und Kohle sichtbar. Alle Klimasimulationen wurden am Deutschen Klimarechenzentrum berechnet, einem der weltweit größten Rechenzentren, die speziell auf Klimasimulationen ausgelegt sind. „Mit einer Rechenleistung von 158 Billionen Rechenoperationen pro Sekunde haben unsere Wissenschaftler bei über 350 Klimaexperimenten insgesamt 13.000 Jahre Klimageschehen simuliert“, so Prof. Dr. Thomas Ludwig, Geschäftsführer des Deutschen Klimarechenzentrums in Hamburg. „Diese Rechenleistung entspricht etwa 30 Millionen Prozessorstunden herkömmlicher Computer.“ Die Hamburger Klimaforscher waren Pioniere bei der Entwicklung eines der ersten dreidimensional auflösenden gekoppelten Atmosphären-Ozean-Modelle. Das Max-Planck-Institut für Meteorologie gehört weltweit zu den führenden Klimaforschungsinstituten und hat seit seiner Gründung 1975 viele wesentliche Beiträge zur Klimaforschung geleistet. Prof. Dr. Klaus Hasselmann, Gründungsdirektor des MPI-M, hat 1996 mit seinem Team erstmals den wissenschaftlichen Nachweis erbracht, dass die Erderwärmung mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 95% auf menschliche Aktivitäten zurückzuführen ist. Um zu verstehen, wie der Mensch das Klima beeinflusst, wurde vor 30 Jahren das Weltklima-Forschungsprogramm durch die WMO (World Meteorological Organization), die Internationale Kommission für Ozeanographie und die Internationale Gemeinschaft von Wissenschaftlichen Vereinigungen gegründet. Ein ganz wesentlicher Teil des Weltklima-Forschungsprogramms beschäftigt sich mit der Klimamodellierung und damit einhergehenden Klimavorhersagen. Die Ergebnisse der Hamburger Klimamodellrechnungen fließen 2013 in den Fünften Sachstandsbericht des Weltklimarats (IPCC) ein. Interview: US-Konzerne spenden große Summen an KlimaskeptikerVon Marissa Erbrich, Greenpeace-Online, 22.2.12Die Klimadebatte ist nach wie vor in vollem Gange. Zwar gibt es einen breiten Konsens, dass der Klimawandel stattfindet und fatale Folgen für Mensch und Umwelt hat. Doch Klimaskeptiker leugnen konsequent, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht ist. Nun wurden Dokumente eines konservativen amerikanischen Thinktanks veröffentlicht, die belegen, dass US-Konzerne Klimaskeptiker für ihren Widerspruch bezahlen. Online-Redaktion: Inzwischen scheint klar, dass der Mensch den Klimawandel maßgeblich vorantreibt. Trotzdem gibt es zahlreiche Skeptiker, die das leugnen und behaupten, der Mensch sei dafür nicht verantwortlich. Wie groß schätzt du deren Einfluss weltweit und in Deutschland ein? Karsten Smid: Der Einfluss der Klimaskeptiker ist nicht zu unterschätzen, insbesondere in den USA. Die erzkonservativen Denkfabriken erhalten von der Öl- und Kohleindustrie Millionen Dollars, um Zweifel an der Klimaerwärmung zu streuen und die Folgen des Klimawandels in Frage zu stellen. Das Geld kommt von ExxonMobil und von den Brüdern Charles und David Koch, die die Verbreitung der Thesen der Klimaskeptiker fördern. In Deutschland hat die Rolle jetzt RWE übernommen, mit RWE-Manager Fritz Vahrenholt an der Spitze. Online-Redaktion: Der amerikanische Thinktank, dessen Dokumente veröffentlicht wurden, ist das Heartland Institute in Chicago. Wie arbeitet dieses Institut? Karsten Smid: Das Heartland Institute finanziert sich durch solch unredliche Kampagnenarbeit. Es bezahlt beispielweise den Klimaskeptiker Fred Singer. Er reist dann in der ganzen Welt herum und verbreitet unsinnige Behauptungen zu Fragen des Klimawandels. Heartland finanziert auch Studien, die den Klimawandel leugnen und den Weltklimarat diffamieren. Die Klimaleugner vom Europäischen Institut für Klima und Energie (EIKE) übersetzen diesen wissenschaftlichen Murks - unter anderem von Fred Singer - und vertreiben ihn über den Buchhandel. Holger Thuss, Vorsitzender vom Committee for a Constructive Tomorrow (CFACT)-Europe, betreibt in Jena einen Verlag, der das herausgibt. Der Verein CFACT-Europe ist ein Ableger vom amerikanischen CFACT, der wiederum Gelder von ExxonMobil bekommt. Thuss ist gleichzeitig auch Präsident von EIKE. So schließt sich der Kreis. Online-Redaktion: Ist es normal, dass wissenschaftliche Einrichtungen solch hohe Spendengelder von Großkonzernen bekommen wie das Heartland Institute? Kann man deren Arbeit dann noch als unabhängig bezeichnen? Karsten Smid: Nein, das sind keine wissenschaftlichen Einrichtungen und ihre Arbeit ist nicht unabhängig. Diese Leute betreiben über informelle Zirkel übelste Meinungsmache - eine perfide Manipulation der öffentlichen Stimmung, die zutiefst antidemokratisch ist. Das ist politische Propaganda gegen Klimaschutz und Klimagerechtigkeit, denn Kapital schlagen daraus nur die Konzerne. Leidtragende sind die Ärmsten der Armen, die die Folgen des Klimawandels als erstes zu spüren bekommen. Online-Redaktion: Funktioniert das in Deutschland beziehungsweise in Europa ähnlich wie in den USA? Karsten Smid: Uns ist vor ein paar Jahren ein internes Dokument zugespielt worden, das belegt, wie amerikanische Thinktanks in Europa Stimmung gegen Klimaschutz machen wollen. Das Papier wendet sich an RWE. Darin heißt es: Industrieorganisationen seien die falsche Plattform - stattdessen solle RWE Klimaskeptiker unterstützen. Dies habe bereits zu großen Erfolgen in den USA geführt. RWE hat mit Fritz Vahrenholt einen profilierungssüchtigen Provokateur gefunden, der diese zweifelhafte Arbeit jetzt macht. Online-Redaktion: Welche Folgen wird diese Veröffentlichung von internen Dokumenten des Heartland Institute und vom Klimaskeptiker Chris Horner deiner Meinung nach auf die Diskussion um den Klimawandel haben? Karsten Smid: Die Dokumente beweisen, dass Konzerne hinter den Kampagnen der Klimaskeptiker stecken. Der Fundraising-Plan des Heartland Institute für das Jahr 2012 zeigt einen perfiden Plan, mit dem die etablierte Klimawissenschaft und der Weltklimarat mit Desinformationskampagnen unterminiert werden soll. Die Präsentation des Klimaleugners Chris Horner zeigt auf, dass die amerikanischen Klimaleugner bereits vor Jahren aktiv auf RWE zugegangen sind, um Desinformationskapagnen im US-Stil auch in Europa und in Deutschland zu initiieren. Vahrenholts Buch Die kalte Sonne ist letztendlich das Resultat dieser Bemühungen. Das Problem dabei ist, dass die Skeptiker nicht zum Ziel haben, die etablierte Klimawissenschaft zu widerlegen. Ihnen reicht es, Zweifel zu streuen und damit notwendige politische Entscheidungen zu verzögern. Fred Singer hat früher für die Tabakindustrie gearbeitet und behauptet, dass Passivrauchen nicht krebserregend sei. Heute bekommt er vom Heartland Institute fünftausend Dollar im Monat plus Auslagen, um den Klimawandel zu leugnen und zu behaupten, dass die CO2-Abgase aus den Kohlekraftwerken nicht klimaschädlich seien. Da unterscheidet er sich auch nicht von Vahrenholt: Der hat sein Geld von RWE bekommen - und RWE ist mit 165 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß Europas größter Klimakiller. Online-Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch. » zurück |
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