Aktuell


Rio+20 gescheitert

Der Erdgipfel Rio+20 ist gescheitert

Von Christina Hofmeister, Greenpeace-Online, 22.6.12

20 Jahre nach der bedeutenden Umweltkonferenz in Rio de Janeiro stehen wir noch immer vor den gleichen Problemen. Die Folgekonferenz Rio+20 hätte die Weichen für eine bessere Zukunft stellen können. Heute ist sie zuende gegangen - ohne etwas Wesentliches zur Rettung des Planeten vorzulegen. Die EU und Deutschland sind mitverantwortlich.

"Mit einem Europa, das sich von Brasilien und den USA überrumpeln lässt, und einem Deutschland, dessen Kanzlerin erst gar nicht zum Gipfel kommt, lässt sich eine solche internationale Konferenz nicht zum Erfolg führen", sagt Martin Kaiser, Leiter Internationale Klimapolitik bei Greenpeace Deutschland.

Das Ergebnis, die rund fünfzigseitige Deklaration "Die Zukunft, die wir wollen" stand bereits vor Beginn der Konferenz fest. Die Deklaration soll eine green economy auf den Weg bringen und einen Prozess für die Entwicklung von Zielen zur Nachhaltigkeit anschieben. Doch sie bleibt wage und liefert keinerlei konkrete Lösungsansätze für die dringlichen Umweltprobleme, die sich seit dem ersten Erdgipfel 1992 noch verschärft haben.

Kein konkreter Schutz für Meere, Wälder und das Klima

Wichtige Entscheidungen im Kampf gegen den Klimawandel, die Rodung der Urwälder und die Plünderung der Weltmeere zu treffen ist nicht ansatzweise gelungen. Denn: Weder die USA noch China und Indien haben offenbar Interesse an konkreten, verpflichtenden Zielen für den Schutz der Ökosysteme. So sperrten sich etliche Staaten unter Führung der USA gegen mehr Schutz für die Ozeane.

EU und Deutschland schwach, USA und Schwellenländer blockieren

Europa und Deutschland sind nicht als Gegengewicht zu den Blockierern aufgetreten und haben ihre Verantwortung beim Erdgipfel nicht wahrgenommen. Auf der Klimakonferenz von Durban im Dezember 2011 hatten sich die EU und Deutschland mit über 100 Entwicklungsländern zusammengeschlossen und damit Druck gegenüber den USA und China aufgebaut. Davon war in Rio nichts mehr zu spüren.

"Die Rio-Konferenz erlebte einen Rückfall in die alte Schwarz-Weiß-Teilung der Welt zwischen Industrieländern auf der einen und Entwicklungs- und Schwellenländern auf der anderen Seite", so Martin Kaiser. "Europa ist in Rio an seiner eigenen politischen Schwäche gescheitert. Auch die EU hat keine einheitliche und langfristige Strategie zur integrierten Lösung der globalen Wirtschafts-, Finanz- und Umweltprobleme."

Auch die Erfolge, die schon sichtbar sind, hat der Erdgipfel nicht aufgegriffen und als Basis für zukunftsfähige Entschlüsse genutzt. Der Siegeszug der erneuerbaren Energien als wirtschaftliche und technisch belastbare Energieversorgung wurde vollkommen ignoriert. 2011 wurden mit einem Volumen von 257 Milliarden Dollar 40 Milliarden Dollar mehr in Erneuerbare Energien investiert als in die fossile Energieerzeugung. Die Rio-Beschlüsse nennen hingegen weder Zahlen, Daten noch Fakten zum Ausbau der Zukunftsenergieträger.

Mithelfen, die Freude der Industrie zu bremsen

Der Erdgipfel ist gescheitert, die Politik hat versagt. Doch Frustration ist keine Lösung, denn wir haben nur einen Planeten. Nun kommt es auf die Menschen der Zivilgesellschaft an. "Sie müssen jetzt verstärkt dafür sorgen, dass die Freude der Mineralölkonzerne, der alten Energiekonzerne und der Fischereiindustrie nicht lange anhält. Das sind die Industriegruppierungen, die in Rio verbindliche Beschlüsse erfolgreich verhindert haben", so Martin Kaiser.

Die Zivilgesellschaft - das sind wir. Wir müssen die Politik dazu drängen, wieder an den Verhandldungstisch zurückzukehren und die dringend erforderlichen Lösungen durchzusetzen. Sie können sich gemeinsam mit anderen Bürgerinnen und Bürgern dafür einsetzen. Finden Sie hier heraus, wo Sie mitmachen können. Ihr Engagement zählt!


Rio+20: Bittere Wahrheiten am Zuckerhut

WWF: Flügellahme EU mit Glaubwürdigkeits- und Strategieproblemen

WWF Pressemitteilung, 22.6.12

Rio de Janeiro/Berlin - "Die Besteigung des Rio+20-Gipfels in Brasilien endet im Basislager", so das ernüchternde Fazit des WWF Deutschland vor dem letzten Verhandlungstag, an dem keine Durchbrüche mehr zu erwarten sind. "Das Ergebnis ist Lichtjahre entfernt von dem, was die Erde und die Menschheit braucht“, so Alois Vedder, der für den WWF Deutschland am Gipfel teilnimmt. Offenbar sei derzeit auf UN-Ebene nicht mehr möglich.

Insbesondere die EU verliere bei den internationalen Verhandlungen immer mehr an Bedeutung und müsse sich wegen des veränderten globalen Machtgefüges strategisch neu orientieren. Die Europäer haben in den Vorverhandlungen noch einige positive Akzente etwa zum Schutz der Meere, zum Abbau umweltzerstörerischer Subventionen oder zu den Nachhaltigkeitszielen eingebracht. Im Abschlussdokument sei davon aber kaum etwas übriggeblieben.

"Der Bedeutungsverlust ist auch auf einen Mangel an Glaubwürdigkeit zurückzuführen", so die WWF-Analyse. Solange es bei Lippenbekenntnissen zu Nachhaltigkeit bleibe, während etwa bei der Agrarreform oder bei einer Reform der europäischen Fischerei entgegengesetzte Tatsachen geschaffen würden, werde man international nicht ernst genommen, wenn man eine Grüne Wirtschaftsweise einfordere. Im Gegenteil: Das Beharren auf Subventionen für die EU-Landwirtschaft in der EU stellte sich als Schwachstelle bei der Diskussion um das Auslaufen von Subventionen für fossile Energien heraus.

Der WWF fordert von der Bundesregierung eine spürbare Kursänderung bei den EU-Reformen. Insbesondere Ilse Aigner stehe in der Verantwortung. Die Landwirtschaftsministerin klammere sich an die milliardenschwere Subventionierung des Agrarsektors, ohne die Finanzierung aus Steuergeldern an Nachhaltigkeitsstandards zu koppeln. "Eine solche Politik ist ein Anachronismus und international im 21 Jahrhundert nicht mehr vorzeigbar," so die Bewertung von Alois Vedder. Auch bei der Fischereipolitik müsse Deutschland aus der Deckung kommen und sich aktiver für eine Wende zu einer nachhaltigen Fischerei einsetzen.

Als ein bedeutender Schwachpunkt der EU und anderer Industrieländer stellte sich der zu geringe Ehrgeiz beim Klimaschutz heraus, der besonders von den Entwicklungsländern scharf kritisiert wird und sie bei eigenen Verpflichtungen zögern lässt. Dass die EU sich nicht endlich auf das klar erreichbare Ziel einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen von 30 Prozent im Vergleich zu 1990 festlege, sei ein Angriffspunkt, der ihren Führungsanspruch bei der Nachhaltigkeit torpediert.

Den neuen Umweltminister und Europaexperten Peter Altmaier fordert der WWF auf, bei den EU-Reformen mehr Flagge zeigen zu zeigen als sein Vorgänger. Ansonsten könne man zum Beispiel die bereits beschlossenen EU-Ziele zum Erhalt der biologischen Vielfalt gleich abschreiben.

WWF Kurzbewertung der Ergebnisse

Green Economy:

Positiv: Es gibt nun ein gemeinsames positives Verständnis von Green Economy

Negativ: Eine „ Green Economy Roadmap“, wie von der EU vorgeschlagen, die den Prozess verbindlicher machen sollte, hatte keine Chance

Institutionen für Nachhaltigkeit:

Die UNEP wird nicht zur UN-Agentur, aber erste Schritte, die in diese Richtung führen können, wurden beschlossen. Die Aufwertung der Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) zum einflussreicheren globalen Nachhaltigkeitsrat ist gescheitert, sie wurde nur zu einem „Forum“ aufgewertet.

Indikatoren für Wohlstand, die über das Bruttoinlandsprodukt hinausgehen:

Negativ: Das Dokument wirft den Prozess auf den Stand von 1992 zurück. Außer der grundsätzlichen Feststellung, dass Wachstum zur nachhaltigen Entwicklung beitragen muss, ist nichts Greifbares beschlossen worden

Nachhaltige Entwicklungsziele (SDGs):

Negativ: Es wurden keine Ziele verabschiedet. Man einigte sich lediglich auf den Prozess, SDGs zu entwickeln und zu beschließen

Positiv: SDGs sollen bis 2015 in Millennium-Entwicklungsziele integriert werden, um deren Zielstellungen und –erfüllungen nicht zu unterminieren. Wichtig ist die Festlegung, dass Ziele mit Indikatoren versehen werden sollen. Einige gute Prinzipien für SDGs im Text, wurden geschwächt durch das Wort „anzustreben“.

Energie:

Negativ: Der Text ist schwach und legt sich nicht fest. Zum angestrebten „Energiezugang für alle“ wird nur der Start einer Initiative bestätigt. Es fehlt eine Jahreszahl, wann das Ziel erreicht werden soll. Nicht einmal der Ausbau Erneuerbarer Energien wird thematisiert. Was „Sustainable Modern Energies“ sind , wird der individuellen Definition überlassen.

Subventionen für fossile Energien:

Der Paragraf zum Auslaufen wurde in letzter Minute aus dem Energieteil gekippt und in stark abgeschwächter Form sehr allgemein (Einschränkung auf „ineffiziente“ Subventionen ohne Erklärung was das sein soll und ohne Zeitlimit) unter „Consumption and Production“ untergebracht.

Wasser:

Leicht positiv: Im Vergleich zu Johannesburg-Vereinbarungen sind einige gute Formulierungen zur Wechselbeziehung mit Ökosystemen und deren Rolle für Wasserverfügbarkeit sowie neue Verpflichtungen zum Wassermanagement enthalten. Es wird anerkannt, dass Wasser ein Kernbereich der nachhaltigen Entwicklung darstellt. Der Versuch das Prinzip der gemeinsamen Verantwortung von grenzübergreifenden Wasserökosystemen aufzuweichen konnte abgewehrt werden.

Meere:

Negativ: In letzter Minute wurde eine bereits im vorigen Text enthaltene Vereinbarung zur Umsetzung des UNO-Seerechtsübereinkommens gestrichen, die den Schutz der Hohen See ermöglichen sollte – bis dahin eines der wenigen wirklich guten und wichtigen Zwischenergebnisse.

Wälder:

Negativ: Kein Ziel zum Entwaldungsstopp


Rio+20-Gipfel liefert keinen Rettungsschirm gegen Umwelt- und Klimakrise

EU und Deutschland müssen Vorreiterrolle zurückgewinnen

BUND Pressemitteilung, 22.6.12

Rio de Janeiro/Berlin: "In Rio wurden Profitinteressen vor den Schutz der Umwelt und vor die Interessen künftiger Generationen gestellt. Der Gipfel wurde den Herausforderungen nicht gerecht", sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zum enttäuschenden Ergebnis des Rio+20-Gipfels. "Blumige Absichtserklärungen und ein Aufguss früherer Gipfelbeschlüsse helfen dem globalen Ressourcenschutz nicht. Die Ergebnisse von Rio nützen der Fischfang- und der Holzindustrie, den Palmölfirmen, den Profiteuren der fossilen Energieerzeugung und den Öl- und Kohlekonzernen. Ein wirkungsvoller Klima-, Natur- und Ressourcenschutz ist auf der Strecke geblieben", sagte Weiger.

In Rio habe keine der Regierungen mehr Nachhaltigkeit durchsetzen wollen. Noch bevor der Gipfel richtig angefangen habe, seien auch die EU und Deutschland eingeknickt. Bundesumweltminister Peter Altmaier habe die Erwartungen erst heruntergeschraubt, um am Ende die mageren Ergebnisse schönzureden.

"Rio hat seinen guten Namen für die Umwelt verloren. Niemand der hier mit entschieden hat, kann sich aus seiner Verantwortung stehlen. Wenn die Regierungen so weitermachen, gefährden sie die Zukunft der Menschheit. Das ist eine herbe Enttäuschung für Millionen Menschen in allen Teilen der Welt", sagte Weiger.

Europa müsse jetzt alles tun, um seine Glaubwürdigkeit beim Umwelt- und Naturschutz zurückzugewinnen, sagte der BUND-Vorsitzende. Die EU müsse umgehend ihr CO2-Reduktionsziel von minus 20 auf mindestens minus 30 Prozent bis 2020 anheben, um umweltpolitisch wieder handlungsfähig zu werden. Die Bundesregierung müsse dafür sorgen, dass die Energiewende zum Erfolg werde. Auch beim Waldschutz müsse Europa vorangehen. Holzimporte aus nicht-nachhaltiger Forstwirtschaft müssten verboten und in Deutschland müssten endlich die 2007 von der Bundesregierung beschlossenen fünf Prozent der Waldfläche aus der Nutzung genommen werden. Gestrichen werden müssten außerdem alle umweltschädlichen Subventionen für die industrielle Landwirtschaft und den Export ihrer Produkte.

Das Scheitern des Rio-Gipfels dürfe die Zivilgesellschaft nicht entmutigen, so der BUND-Vorsitzende. Es gehe darum, sich weltweit noch stärker zu vernetzen und vor Ort soziale und ökologische Belange vehement zu vertreten. "Die UN rufen wir auf, die Beteiligung der Zivilgesellschaft bei Umweltgipfeln zu stärken. Die Dominanz der Wirtschaftsinteressen benötigt ein echtes Gegengewicht", sagte Weiger.


NABU-Präsident Olaf Tschimpke zum Ausgang des Rio+20-Gipfels

„EU braucht neue Strategie, wenn sie weltweit noch Einfluss nehmen will“

NABU Pressemitteilung, 22.6.12

Rio de Janeiro – Mit Blick auf den enttäuschenden Ausgang des UN-Gipfels Rio +20 in Brasilien kommentiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke das Ergebnis:

„Der Umweltgipfel ist am Ende weit unter dem Niveau dessen geblieben, was angesichts des dramatischen Zustandes der Erde notwendig gewesen wäre. Wie der Stern-Report und die TEEB-Studie zur Wirtschaftlichkeit von Ökosystemen nachgewiesen haben, werden die 'Kosten des Nichtstuns' im Klimaschutz und bei der Rettung der biologischen Vielfalt enorm sein. Rasches und konsequentes Handeln wäre die bessere und zugleich die klar günstigere Alternative. In Rio ist sehr deutlich geworden, dass der internationale Verhandlungsprozess bei den existenziellen Zukunftsthemen wie Nachhaltigkeit und dem Schutz von Umwelt und Klima nicht mehr funktioniert, wenn konkret etwas erreicht werden soll. Die EU muss sich eine neue Strategie überlegen, wenn sie künftig weltweit noch Einfluss nehmen und bei globalen Entscheidungsprozessen eine entscheidende Rolle spielen will.“

Die Bedeutung bilateraler Verhandlungen und Vorreiter-Allianzen im Bereich Natur- und Umweltschutz müsse nach Rio steigen. „Die Nationalstaaten müssen unabhängig von multilateralen Prozessen Fakten schaffen und strategisch enger zusammenarbeiten, wie zum Beispiel die EU und Afrika , aber auch Schwellenländer wie Mexiko und China.“

Vom 20. bis 22. Juni, 20 Jahre nach dem ersten Erdgipfel der Vereinten Nationen im Jahr 1992, fand in Rio de Janeiro erneut ein Weltgipfel zur Nachhaltigen Entwicklung statt. NABU-Präsident Olaf Tschimpke nahm in seiner Funktion als stellvertretender Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung und als Mitglied der deutschen Regierungsdelegation an der Rio+20-Konferenz teil.


Germanwatch-Bilanz des Rio-Nachhaltigkeitsgipfels Germanwatch Pressemitteilung, 22.6.12

Rio: Am Abschlusstag des Nachhaltigkeitsgipfels von Rio, zieht Germanwatch Bilanz. Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, erklärt:

"Die Staatengemeinschaft hat in Rio nicht die notwendigen Beschlüsse getroffen, die angesichts sich zuspitzender Krisen um Ernährung, Klima, Energie, Rohstoffe, Wasser, Ozeane und Artenvielfalt notwendig sind. Schlimmer noch: Sie ist derzeit dazu offensichtlich nicht in der Lage. Die US-Regierung scheint in vielen der Fragen wegen der Blockaden im Land nicht handlungsfähig. Die Verhandlungsprozesse werden immer stärker durch Stellungskämpfe zwischen geschwächter Supermacht USA und den aufstrebenden neuen Großmächten wie China, Indien, Brasilien dominiert. Es geht offensichtlich darum, international das Gesicht zu wahren, statt die Menschen und den Planeten zu retten. In der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise dominiert kurzfristiges statt zukunftsorientiertes Denken. Die Konsequenz: Wir haben in Rio viele wohlklingende Absichtserklärungen und interessante Anstöße für Prozesse gesehen, aber ohne Angabe von notwendigen Ziel- und Zeitrahmen.

Es gibt durchaus einiges, auf dem man aufbauen kann: In der Zukunft werden sich die Akteure einer Wirtschaft, die das Klima, die Ozeane oder die Böden gefährden, angesichts des durchgesetzten Paradigmas einer grünen Wirtschaft weltweit rechtfertigen müssen. Es ist gut, dass die Regierungen der Welt akzeptieren, dass das Bruttosozialprodukt alleine nicht der geeignete Wohlstandsindikator ist. Es wurde ein Prozess gestartet, der nachprüfbare, aktionsorientierte Nachhaltigkeitsziele für den Zugang zu nachhaltiger Energie, für den Schutz der Böden, der Ozeane bringen kann. Das Umweltprogramm der UN (UNEP) wird aufgewertet und mit mehr Finanzen versehen. Nationale Berichte über den notwendigen nachhaltigen Umbau der Landwirtschaft und Ernährungssicherung durch das sehr innovative Komitee für Welternährungssicherheit können wichtige Anstöße geben. Wir brauchen das mutige Handeln von Vorreitern. Wir brauchen Block-übergreifende Allianzen. Nur dann kann die Umsetzung der Armutsbekämpfung und die Transformation der Gesellschaften angesichts der planetarischen Grenzen den notwendigen Schwung bekommen. Nur damit bekommt der weitere Verhandlungsprozess für nachhaltige Entwicklung die notwendige Dynamik.

Wir fordern die Bundesregierung auf, Vorreitergruppen für die wichtigen Themenfelder - etwa Energie und Klima, Landwirtschaft und Ernährung, Schutz der Ozeane und Überfischung - mit zu initiieren. Daran sollten sich nur Länder beteiligen, die selber entschieden voran gehen und die UN-Prozesse gemeinsam vorantreiben. Im Bereich Energie und Klima schaut die Welt wegen der Energiewende besonders auf Deutschland. Hier kann Deutschland sehr schnell wichtige Impulse für die internationalen Verhandlungen geben."


Rio+20: Keine konkreten Ziele, blasse Absichtserklärungen

SPD-Bundestagsfraktion Pressemitteilung, 22.6.12

Zum Ergebnis des UN-Nachhaltigkeitsgipfels Rio+20 und zum Verhalten der Bundesregierung erklärt der umweltpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Matthias Miersch:

Das ganze Haus brennt und Merkel werkelt nur in der eigenen Stube rum. Statt den Gipfel in Rio zu nutzen, um die Welt in Richtung Zukunft zu lenken, geben sich Kanzlerin und Bundesregierung mit einem Kompromisspapier als Abschlussergebnis der UN-Konferenz zufrieden. Ohne konkrete Ziele, messbare Vereinbarungen und starke Strukturen bleibt es bei blassen Absichtserklärungen.

Rio+20 hätte als Chance dienen müssen, europäische Finanzkrise und Rio+globale Herausforderungen nicht gegeneinander auszuspielen, sondern ganzheitliche Lösungen zu entwickeln. Kanzlerin Merkel hätte hier ein Signal geben müssen, dass auch unsere Wirtschaft nur eine Zukunft hat, wenn der Wandel hin zu Effizienz und Erneuerbaren Energien gelingt. Ihre Abwesenheit hier beim Weltgipfel hat leider eine fatale Wirkung, das zeigen unter anderem die Gespräche mit der gastgebenden brasilianischen Delegation.

Allerdings gibt es auch positive Signale, die von dem Gipfel ausgehen. Der Auftritt des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao und die flammende Rede von Frankreichs Staatspräsident Francois Hollande zeigen, dass der Prozess nicht am Ende ist, den die Ursprungskonferenz in Rio vor 20 Jahren eingeleitet hat. Auch eine Erklärung von Bürgermeistern der größten Städte der Welt lässt hoffen, dass das lokale Handeln weitergeht, auch wenn das globale Denken durch das Fehlen wichtiger Staats- und Regierungschefs wie Merkel und Obama ins Stocken geraten ist.


Wieczorek-Zeul: Europa hat Rio + 20-Konferenz nicht ernst genommen

Von Heidemarie Wieczorek-Zeul, 22.6.12

Zu den Ergebnissen der UN-Konferenz Rio+20 erklärt die Vorsitzende des Forums Eine Welt der SPD und frühere Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul:

Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben die Konferenz Rio+20 im Vorfeld in keiner Weise ernst genommen. Dabei hätte diese Konferenz angesichts der ökonomischen, sozialen und ökologischen Herausforderungen in der Welt eine große Weltwirtschaftskonferenz sein müssen.

Die Art der Vorbereitung hat dazu geführt, dass die aufstrebenden Länder, die sogenannten BRICS, einen derart starken Einfluss auf die Texte nehmen konnten, dass das Zusammenführen von Wachstumsnotwendigkeiten und Klimaschutz in keiner Weise gelungen ist. Stattdessen besteht der Erklärungstext aus allgemeinen Formulierungen, die in fast keinem Bereich Konsequenzen aus den schweren Rückschlägen nach Rio 1992 und dem fortschreitenden Klimawandel ziehen. Was die Staaten und die Regierungen bisher nicht selber leisten, kann nicht ersatzweise von den Unternehmen oder der Zivilgesellschaft geleistet werden.

Als schwerer Fehler für die globale Nachhaltigkeitsarchitektur erweist sich, dass der Vorschlag eines hochangesiedelten „Nachhaltigkeitsrates“ fallengelassen wurde. Welche Rolle stattdessen das in der Abschlusserklärung genannte „High Level Political Forum“ spielen soll und wo es bei der UN angesiedelt werden soll, bleibt dem Tauziehen bis zur UN-Generalversammlung im Jahr 2013 überlassen. Dann darf man sich nicht wundern, dass die Welt in all den Monaten ohne wirkliche gemeinsame Steuerung bleibt.

Zwei Elemente sollten besonders von der Entwicklungspolitik und der Internationalen Politik weiter verfolgt werden:

- Die Entwicklung von „Nachhaltigkeitszielen“, die schon vor 2015 mit den Milleniumsentwicklungszielen verbunden werden sollen und einen verbindlichen neuen Entwicklungsrahmen darstellen sollen.

Dieser Entwicklungsrahmen soll ökonomische, soziale und ökologische Positionen „zusammendenken“. Dazu gibt der Text das ausreichende Mandat zur Erarbeitung. Aber auch hier kommt es auf die konkrete Zusammensetzung der Gruppe an, die die Ziele erarbeiten soll. Dort müssen die europäischen Staaten, die afrikanischen Entwicklungsländer und die zivilgesellschaftlichen Kräfte aktiv zusammenarbeiten, wenn dies nicht auch verstolpert werden soll.

- Die Entwicklungs- und Schwellenländer haben in der Schlusserklärung einen Finanzierungsabschnitt durchgesetzt, der eine umfassende Finanzierungsberechnung für die Nachhaltigkeitsstrategie verlangt. Hier wird die Notwendigkeit innovativer Finanzierungsinstrumente und der Umsetzung der Zusagen aus der Entwicklungspolitik (0,7 Prozent-Ziel) gefordert. Diese Passage verschweigen manche Regierungen gerne. Die Bundesminister Altmaier und Niebel haben diesen Text zwar nicht verhandelt, Sie werden ihm aberzustimmen. Das verpflichtet.


Rio, das war's

Das Treffen Rio+20 über Umwelt und Entwicklung endet im Vagen. Kann man aus dem Scheitern dennoch einen Gewinn ziehen? Die Erdrettung beginnt künftig regionaler.

Von Gerhard Dilger, taz, 22.6.12

RIO DE JANEIRO. „Wenig ambitioniert“: So hatte UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu Beginn des Erdgipfels von Rio die Abschlusserklärung kritisiert. Einen „großen Erfolg“ vermeldete derselbe Ban Ki Moon am Tag darauf, die Abschlusserklärung nannte er eine „solide Basis“ – ohne dass sich irgendetwas am Text verändert hatte. Der Sinneswandel kam auf Druck der brasilianischen Gastgeber zustande.

Nachdem auf dem dreitägigen Gipfel nichts mehr zu entscheiden war, stand der Kampf um die Deutungshoheit im Vordergrund. Das Abschlussdokument sei „alles andere als armselig“, sagte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU), der deutsche Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) wollte gar „wichtige Wegmarken“ erkannt haben. Holger Lösch vom Bundesverband der Deutschen Industrie sah „gute Ansätze“ zum verstärkten „Greening“ der Welt.

„Die Zukunft, die wir wollen“, so der Titel dieser Erklärung, verlangt „Engagement und Handeln, Dringlichkeit und Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft“. Davon sei leider nichts zu sehen, erklärte ein Bündnis von Aktivisten und Nichtregierungsvertretern. Dieser andere Konsens reichte von Weltsozialforumsinitiator Oded Grajew über Brasiliens Exumweltministerin Marina Silva bis zur WWF-Chefin Yolanda Kakabadse.

Sie geißelten die „bequemen Positionen der Regierungen“ und forderten die Streichung der Passage, in denen von der Beteiligung der „Zivilgesellschaft“ die Rede ist. „Wäre die Welt eine Bank, sie wäre längst gerettet“, meinte Martin Kaiser von Greenpeace, „die Seifenblase der Green Economy ist geplatzt, übrig bleibt ein Greenwashing“.

In der Tat: Verbindliche Auflagen für Unternehmen, etwa zur Einhaltung von Menschenrechten, sucht man in der Abschlusserklärung vergebens.

„Weder Wohltätigkeit noch Almosen“

Die Kritik, dass es an der Zahlungsbereitschaft der Industrieländer fehlt, ist wohl der breiteste Konsens von Rio. „Wer kein Geld auf den Tisch legt, aber ambitioniertes Handeln fordert, ist inkohärent“, sagte der brasilianische Verhandlungsführer Luiz Alberto Figueiredo. „Wir verlangen weder Wohltätigkeit noch Almosen“, sagte Ecuadors Präsident Rafael Correa, „20 Prozent der reichsten Länder emittieren 60 Prozent, während die ärmsten Länder des unteren Fünftels für nicht einmal ein Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind.“

Wenn überhaupt, wird frühestens 2014 ein Nachhaltigkeitsfonds für die Länder des Südens eingerichtet. Bis zu einem Schutz der Meere außerhalb der Hoheitsgewässer wird es noch länger dauern. Auch ein Entwaldungsstopp für Tropenwälder bis 2020 wurde gestrichen. Was „nachhaltige Landwirtschaft“ sein soll, bleibt diffus, dem Siegeszug der Gentechnik im globalen Süden wird nichts entgegengesetzt.

Reichlich unverbindlich bleibt der Appell, die Subventionen für fossile Energieträger abzubauen. Ein Beschluss, zu einer dezentralen Versorgung der 1,4 Milliarden Menschen, die keinen Zugang zu Elektrizität haben, mit Wind- oder Solarkraft fehlen ebenso wie wie die Abkehr von Kohle- oder Atomkraft.

Die Formulierung von Nachhaltigkeitszielen für alle Länder ab 2015 soll nun eine Arbeitsgruppe vorbereiten. Das hört sich nicht nach einem „großen Erfolg“ an – nicht mal nach einer „soliden Basis“.


Altmaier hält Rio+20-Abschlussdeklaration für sinnvoll

(dpa) - 22. Juni, 2012

http://www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Umwelt/Altmaier-Rio-20-Abschlussdeklaration_article1340388125.html


Mehr Bäume für den globalen Klimaschutz

Behm: „Der Wiederbewaldung und der Schaffung von Agroforstsystemen in der Entwicklungszusammenarbeit größeres Gewicht geben“

Pressemitteilung von Cornelia Behm, Sprecherin für Ländliche Entwicklung und für Waldpolitik der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 20. Juni 2012

Zur Antwort der Bundesregierung auf die bündnisgrüne Anfrage zur Wiedergewinnung von Waldflächen weltweit erklärt Cornelia Behm, Sprecherin für Waldpolitik der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

„Diese Welt braucht nach Jahrhunderten der Waldvernichtung endlich eine Trendumkehr. Jetzt heißt es, nicht nur die Waldzerstörung zu stoppen, sondern neue Wälder und mehr Agroforstsysteme anzulegen. Doch die Antworten auf unsere Fragen nach Konzepten und Aktivitäten der Bundesregierung zur globalen Wiedergewinnung von Wäldern zeigen, dass die Wiederbewaldung in der Entwicklungszusammenarbeit Deutschlands bisher nur eine untergeordnete Rolle spielt. Wirkliches Engagement für Wiederbewaldung sieht jedenfalls anders aus als die wenigen Projekte in China, Vietnam und Bangladesch. Dabei hätte die Entwicklungszusammenarbeit auf Grund ihrer Präsenz vor Ort die Möglichkeit, sich in sehr vielen Ländern dieser Welt für mehr Wälder und Agroforstsysteme einzusetzen. Diese Chance muss zukünftig besser genutzt werden.

Gleichwohl zeigen die Antworten, dass die Bundesregierung offenbar verstanden hat, wie man an das Thema Wiederbewaldung herangehen muss, wenn man erfolgreich sein will, und welche Fehler dabei zu vermeiden sind. Denn nicht jedes Wiederaufforstungs- und Wiederbewaldungsprojekt ist so angelegt, dass man es vorbehaltlos unterstützen kann. Wer mehr Wälder schaffen will, muss sich nicht nur mit den Eigentumsverhältnissen , sondern auch mit der Frage beschäftigen, welche Menschen die Fläche bisher zu welchem Zweck nutzen. Wiederaufforstungs- und Wiederbewaldungsprojekte dürfen keinesfalls zur Verdrängung von Menschen führen. Im Gegenteil sollten sie neue und sichere Einkommensmöglichkeiten für die Bewohner eröffnen. In bisher landwirtschaftlich genutzten Regionen wird das durch Agroforstsysteme vielfach besser gelingen als mit der Schaffung großflächiger Wälder.

Die Schaffung von 'Holzäckern', also Monokulturen bzw. Plantagen standortfremder nicht-heimischer Baumarten sind in der Regel keine sinnvollen, nachhaltigen Projekte. Wiederaufforstung bzw. Wiederbewaldung leistet nur dann einen Beitrag zur Entwicklung, wenn sie nicht nur ökonomischen, sondern auch sozialen und ökologischen Maßstäben gerecht werden, die dafür sorgen, dass diese Projekte den Menschen und der Natur mehr geben als sie nehmen.“




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