Aktuell


Start des Weltbiodiversitätsrats (2)

Weltrat im Schneckentempo

WWF fordert „Schnellere Gangart“ zum Schutz der biologischen Vielfalt

WWF Pressemitteilung, 26.1.13

Der internationale Weltrat für biologische Vielfalt (IPBES) beendete am Samstag in Bonn seine konstituierende Sitzung. Laut der Umweltschutzorganisation WWF sei angesichts des andauernden Raubbaus an der Natur die Einrichtung des Beratergremiums überfällig gewesen, allerdings kämen die Regierungen nur im Schneckentempo voran. „Wenn der Artenverlust bis 2020 gestoppt werden soll, muss der Rat eine schnellere Gangart einlegen. Der Rat muss sich die Geschwindigkeit eines Tigers als Vorbild nehmen und nicht die einer Schnecke,“ fordert Günter Mitlacher, Leiter Biologische Vielfalt beim WWF Deutschland.

Nach Ansicht des WWF-Manns wurde der Rat als politisches Instrument missbraucht und blockierte sich selbst, indem die Personalpolitik die inhaltlichen Diskussion überlagerte. Erst am letzten Tag konnten sich die Regierungen einigen, welcher Wissenschaftler den Vorsitz des Gremiums einnehmen solle. „Es wurden hochqualifizierte Kandidaten aus Malaysia und aus Großbritannien für den Vorsitz nominiert und nach langem unwürdigem Gezerre einigte man sich auf Professor Abdul Hamid Zakri aus Malaysia“, berichtet Mitlacher. Es sei damit eine gute Balance zwischen dem Norden und dem Süden gefunden. Dies stärke die Glaubwürdigkeit des Gremiums enorm. Das sei vor allem jetzt zu Beginn der Arbeit des Rates besonders wichtig.

Der WWF warnte davor, die Experten aus wissenschaftlichen Organisationen und Umweltverbänden in die Ecke der reinen Zulieferer zu drängen. Viele wichtige und nützliche Studien und Daten seien bei Nichtregierungsorganisationen vorhanden, die für die Arbeit des Weltrates unerlässlich und von großem Wert seien. „Wir wollen nicht nur Handlanger des Wissenschaftsrates sein, sondern auch an der Erstellung des Arbeitsprogramms und den Entscheidungsgremien angemessen beteiligt werden“, so Mitlacher.

Der WWF selbst ist mit seinem „Living Planet Report“ an einer Schnittstelle von Wissenschaft und Politik aktiv. Die Umweltschutzorganisation misst regelmäßig mit dem „Living Planet Index“ die Veränderungen der weltweiten Biodiversität und des menschlichen Konsums. Der Studie zufolge benötigt die Menschheit, sollte nicht umgesteuert werden, bis zum Jahr 2030 zwei Planeten, um den Bedarf an Nahrung, Wasser und Energie zu decken. Umweltkatastrophen, Lebensraumzerstörung, Artenschwund und Wasserknappheit seien die dramatischen Folgen dieser Entwicklung.

IPBES

Der IPBES (Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services) ist als zwischenstaatliches Gremium für das Thema biologische Vielfalt konzipiert und vergleichbar mit dem Weltklimarat IPCC.

Living Planet Report

Der „Living Planet Report“ des WWF zeigt den Zustand der Ökosysteme durch Erfassung der Bestände von 9.000 Populationen und knapp 2.700 Säugetieren, Vögeln, Reptilien, Amphibien und Fischen in aller Welt und fordert einen politischen Aktionsplan.


Weltbiodiversitätsrat IPBES gewählt

Sekretariat kann Arbeit in Bonn aufnehmen

Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung Deutschland Pressemitteilung, 27.1.12

Am Samstagabend den 26.01.2013 ging die erste Vollversammlung der Interdisziplinären Plattform für Biologische Vielfalt und Ökosystemdienstleistungen - IPBES zu Ende. Der Rat wurde ins Leben gerufen, um als unabhängiges Gremium das Wissen zum Zustand, der Entwicklung der biologischen Vielfalt und den Ursachen ihres weltweiten Verlustes zusammenzutragen und politischen Entscheidungsträgern zugänglich zu machen. Bei dem Treffen, das am Sitz des künftigen Sekretariats in Bonn stattfand, haben die Vertreter der bisher 105 Mitgliedsstaaten die Regeln für die künftige Arbeit, die Organisationsstruktur innerhalb der Vereinten Nationen sowie die Besetzung der verschiedenen Gremien festlegt.

IPBES wird als unabhängiges Gremium künftig zunächst federführend vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) verwaltet und besteht aus dem Plenum der Mitgliedsstaaten, einem politisch besetzten Leitungs-Büro, sowie einem so genannten Multidisziplinären Expertengremium (MEP). Das MEP setzt sich aus weltweit führenden Wissenschaftlern zusammen. Unter ihrer Koordination sollen künftig Berichte entstehen, die das Wissen über den Zustand der Ökosysteme weltweit zusammenfassen, Ursachen und Zusammenhänge des ungebremsten Verlustes der biologischen Vielfalt darstellen und der Politik Vorhersagen über Auswirkungen verschiedener Handlungsoptionen sowie Maßnahmen zur Erhaltung und nachhaltigen Nutzung an die Hand geben sollen.

Die Mitglieder des MEP wurden für die kommenden zwei Jahre gewählt und setzen sich zu gleichen Teilen aus Vertretern der fünf UN-Regionen zusammen. Deutsche Forscherinnen und Forscher sind nicht vertreten. IPBES-Vorsitzender ist der Prof. Abdul Hamid Zakri aus Malaysia, der bereits in zahlreichen internationalen Studien in der Koordination tätig war.

Erste IPBES-Berichte werden frühestens 2015 erscheinen. Hierfür sollen die Mitgliedstaaten unter Beteiligung der verschiedenen internationalen Naturschutzabkommen wie etwa dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt CBD, weiterer öffentlicher Interessengemeinschaften wie beispielsweise Indigenen und Naturschutzorganisationen sowie Forschungs- und Industrieverbänden im Laufe dieses Jahres thematische Vorschläge machen. Darüber wird das Plenum bei der zweiten Vollversammlung voraussichtlich im Dezember dieses Jahres abstimmen.

Dr. Carsten Neßhöver, Koordinator des Netzwerk-Forums zur Biodiversitätsforschung Deutschland, begrüßt grundsätzlich die in Bonn beschlossenen Strukturen des Rates. Ein wesentlicher Aspekt dabei war bereits bei der letzten konstituierenden Sitzung in Panama im April 2012 beschlossen worden: Die Trennung von Wissenschafts- und Politikgremium in MEP und Büro. „Auch hier in Bonn wurde die Trennung von MEP und Büro immer wieder hinterfragt, konnte aber zunächst sichergestellt werden. Nach den ersten zwei Jahren soll dies aber neu betrachtet werden. Denn hier gilt es weiterhin auf die richtige Balance zwischen politischer Zielvorgabe und wissenschaftlicher Unabhängigkeit zu achten."

IPBES soll möglichst viele Forschungsrichtungen einbeziehen und daneben auch praktisches Wissen öffentlicher Organisationen und indigener Völker berücksichtigen. Denn der Verlust der biologischen Vielfalt hat sehr viele Ursachen gesellschaftlichen Ursprungs, die einer interdisziplinären Betrachtung bedürfen, um erfasst und effektiv angegangen werden zu können. Wie diese weiteren Wissensformen einbezogen und bewertet werden, wird nun von verschiedenen Arbeitsgruppen und Workshops bis zur nächsten Vollversammlung erarbeitet. Denn klar ist, dass Exzellenzmaßstäbe wie Peer-Review-Verfahren in der Forschung, hier allein nicht ausreichen, sondern um andere Validierungsmethoden ergänzt werden müssen.

Zur Ausgewogenheit des MEP sagt Carsten Neßhöver: „Das nun aufgestellte MEP entspricht dem angestrebten Anspruch auf ausgeglichene Verteilung von Expertise und Geschlecht nur in geringem Maße." Bei allen Vorschlagslisten der fünf UN-Regionen dominierten sowohl Naturwissenschaften als auch Männer. Um die Assessments erfolgreich und effektiv durchzuführen, ist nach Ansicht Neßhövers jedoch eine multidisziplinäre Arbeitsweise entscheidend. Deswegen müsse es das MEP schaffen, die fehlende Expertise in den eigenen Reihen durch externe Expertinnen und Experten gezielt in seiner Arbeit zu ergänzen. „Dies kann durchaus eine Herausforderung werden, etwa wenn es um die Einschätzung der nun eingehenden Anfragen für Studien geht, die gemeinsam mit dem Büro priorisiert werden müssen" meint Neßhöver.

Die erste Vollversammlung zeigt einmal mehr, wie wichtig die interdisziplinäre Vernetzung der Forschungslandschaft ist, um in Prozessen wie IPBES mit einer starken Stimme aufzutreten. Gerade weil IPBES bei der Durchführung der Assessments wesentlich auf lokale und nationale Netzwerke angewiesen sein wird.

In Bonn waren erstmals eine größere Anzahl von Akteuren aus Forschung, zivilgesellschaftlichen Organisation und auch der Privatwirtschaft vertreten. Deren Input wurde durch die Delegierten recht offen aufgenommen, allerdings wird eine erfolgreiche Arbeit, auch aufgrund des begrenzten Budgets von IPBES, sehr stark von deren breiter aktiver Beteiligung abhängen. Der Wissenschaft wird hier eine besondere Rolle zukommen. NeFo unterstützt hierzu die Vernetzung der Wissenschaft durch interdisziplinäre thematische Workshops und begleitet den IPBES-Prozess aktiv durch ein Online-Informationsangebot und eigene Veranstaltungen.

Mehr Informationen über IPBES, das erste Vollversammlung und vorangegangene Veranstaltungen finden Sie in unserem Portal unter www.biodiversity.de und www.ipbes.net




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