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Wald und Klima

Brasiliens Regenwälder setzen wegen Landschaftszerschneidung mehr Kohlendioxid frei als vermutet

Effekt fehlt bislang in Berichten des Weltklimarats IPCC

Von Benjamin Haerdle, UFZ Pressemitteilung, 7.10.14

Durch die Abholzung tropischer Regenwälder in Brasilien geht deutlich mehr Kohlenstoff verloren als bislang angenommen wurde. Wie Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) in der Fachzeitschrift Nature Communications schreiben, sei der Effekt der Degradation bei inselartig verteilten Waldflächen unterschätzt worden, da man bislang den Verlust der Biomasse an den Waldrändern und damit die höhere Emission von Kohlendioxid nicht berechnen konnte. Diese Wissenslücke haben die UFZ-Wissenschaftler nun geschlossen. Ihren Berechnungen zufolge wird in Folge der Waldrodung bis zu ein Fünftel mehr Kohlendioxid durch die Vegetation emittiert.

Um die zusätzlichen Kohlenstoffemissionen an den Waldrändern abzuschätzen, entwickelten die UFZ-Wissenschaftler einen neuen Ansatz, der die Ergebnisse aus verschiedenen Disziplinen und aus verschiedenen räumlichen Skalen integriert. Für ihre Untersuchungen modellierten sie zunächst, wie hoch der prozentuale Verlust von Kohlenstoff in Wäldern ist, in denen nach der Abholzung der Umgebung neue Randgebiete entstehen. Diese Verluste der unterschiedlich stark zerstückelten und verschieden großen Waldgebiete wurden im Vergleich zu großflächigen, unveränderten Wäldern im tropischen Regenwald in Amazonasgebiet und im brasilianischen Küstentropenwald Mata Atlântica ermittelt.

Als Randfläche definierten die Wissenschaftler einen Streifen, der sich 100 Meter vom Waldrand ins Innere des Waldes zieht. Die Folgen, die die Rodung einer Waldfläche für die Bäume am neu entstandenen Waldrand mit sich bringen, sind bekannt. Die klimatischen Bedingungen ändern sich erheblich: Die Sonne strahlt stärker ein, die Temperaturen erhöhen sich und dem Wind bieten sich gute Angriffsmöglichkeiten. Deswegen steigt der Stress für die Bäume in Randlagen, vor allem große Exemplare sterben ab. „Die Mortalität der Bäume nimmt zu, so dass sie nicht so viel Kohlenstoff speichern können wie gesunde Bäume im Zentrum von Wäldern“, sagt Dr. Sandro Pütz, Hauptautor der Studie. Um diese Effekte der Degradation zu berechnen, nutzten die UFZ-Wissenschaftler das Waldsimulationsmodell FORMIND. Damit lässt sich der prozentuale Kohlenstoffverlust von Waldfragmenten unterschiedlichster Größe bestimmen. Demnach steigt der prozentuale Verlust an gespeicherter Biomasse an, je kleiner der noch verbleibende Waldrest ausfällt. Erst bei einer Waldfläche von zirka 10.000 Hektar geht der prozentuale Verlust in Abhängigkeit von der Form des Waldfragments auf nahezu null zurück.

Zudem analysierten die UFZ-Wissenschaftler anhand von Satellitenbildern, wie der tropische Regenwald im Amazonasgebiet und der Küstentropenwald räumlich verteilt sind. Um möglichst viele kleine Waldareale zu berücksichtigen, arbeiteten sie mit einer sehr hohen Auflösung von bis zu zirka 30 Metern: „Das ist in der Wissenschaft die Grenze der Bearbeitung, da die Datenmengen für den Amazonas sehr groß sind“, sagt UFZ-Wissenschaftler Prof. Dr. Andreas Huth. Den Aufnahmen zufolge nimmt Küstentropenwald insgesamt mit elf Prozent seiner ursprünglichen Flächen nur noch 157.000 Quadratkilometer ein und ist in 245.173 Fragmente zersplittert. 90 Prozent der Waldreste sind kleiner als 100 Hektar, so dass sie sehr viele Ränder ausweisen. Insgesamt liegen 46 Prozent der Wälder im Mata Atlântica in diesen Randlagen. Das hat Folgen: Wegen des veränderten Mikroklimas an den Waldrändern gehen in zehn Jahren mehr als 68 Millionen Tonnen Kohlenstoff verloren. „Bezogen auf die geringe Gesamtfläche des Küstenwaldes ist das ein enormer Verlust“, konstatiert Pütz. Der 3,1 Millionen Quadratkilometer große brasilianische Teil des Regenwaldes im Amazonasgebiet besteht aus über 300.000 Waldfragmenten. Die Randgebiete machen aber nur etwa sieben Prozent der gesamten Fläche aus. Der zusätzliche Verlust an Kohlenstoff durch die Randeffekte beläuft sich damit im gesamten Regenwald des Amazonas auf zirka 600 Millionen Tonnen in zehn Jahren.

Die UFZ-Forscher berechneten zudem erstmals, wie stark sich dieser Randeffekt bei den tropischen Wäldern weltweit auf die Speicherung von Kohlenstoff auswirkt. Derzeit sind in der Atmosphäre 830 Gigatonnen Kohlenstoff verteilt. Jedes Jahr nimmt der Kohlenstoff um vier Gigatonnen zu. Ein Viertel davon wird durch der Rodung der Wälder rund um den Globus verursacht. Weil nach Berechnungen der UFZ-Modellierer zehn Prozent der Waldflächen in den Tropen weltweit an Waldrändern liegen, machen diese Degradationseffekte pro Jahr bis zu 0,2 Gigatonnen Kohlenstoff mehr aus, die zusätzlich in die Atmosphäre gelangen. Dieser Anteil kommt in den Kohlenstoffbilanzen bislang nicht vor. „Das ist ein vergessener Prozess im globalen Kohlenstoffkreislauf der Vegetation“, bedauert Huth. Selbst in den Berichten des Weltklimarats IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) sei dieser Aspekt derzeit nicht direkt berücksichtigt. „Dabei sollte man diesen Effekt dringend berücksichtigen“, fordert der Ökologe.

Interessant sind die Ergebnisse der UFZ-Wissenschaftler auch für praktische Aspekte in der Klimaschutzpolitik. Zum einen ist es sinnvoll, bei Rodungen Mindestgrößen für Waldinselflächen von rund 10.000 Hektar festzulegen, weil dann an den Rändern der relative Verlust von Kohlenstoff nur minimal ist. Zum anderen sollten künftig die Randgebiete und nicht das Innere von Wäldern forst- oder landwirtschaftlich genutzt werden, da dort der Verlust der Biomasse nicht zu sehr ins Gewicht fällt. Diese Untersuchung zeigt erstmals einen methodischen Weg, wie solche schwer abschätzbaren kleinräumigen ökologischen Effekte für großräumige Umweltfolgenabschätzungen genutzt werden können. Weitere Studien sind geplant.


Weltweiter Waldverlust: Folgen für das Klima sind schlimmer als gedacht

Von Wolfgang Kempkens, Wirtschaftswoche, 8.10.14

http://green.wiwo.de/weltweiter-waldverlust-folgen-fuer-das-klima-sind-schlimmer-als-gedacht/


Unser CO2-Fußabdruck

Wir leben auf zu großem Fuß: Jeder Deutsche verursacht einen sechsmal größeren CO2-Ausstoß als die Erde verkraftet. Dabei ist CO2-Sparen ganz einfach.

Von Karsten Smid, Greenpeace-Online, 6.10.14

Zwei Tonnen Kohlendioxid jährlich pro Kopf – das ist die Richtschnur, an die wir uns halten müssen, wenn wir Umwelt und Klima auch für kommende Generationen schützen wollen. In Deutschland verursacht jeder Mensch zurzeit durchschnittlich 12,5 Tonnen.

Die Spuren von Energie, Konsum, Mobilität

Allein die Energiebereitstellung bringt 2,8 Tonnen CO2 hervor. Auf den privaten Konsum entfallen 2,1 Tonnen, unter anderem durch den Verbrauch von Textilien, Elektroartikeln oder Möbeln. Und fast 2 Tonnen CO2 stammen aus dem Verkehrsbereich - Flugreisen, aber auch Autos, die immer noch zu viel Benzin verbrauchen, heizen das Klima auf.

Durch die Infrastruktur - unsere Straßen, Krankenhäuser, Schulen - entfallen auf jeden Bundesbürger derzeit über 1,5 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr. Hinzu kommt der private Bereich: Wir heizen (1,3 Tonnen), verbrauchen Strom ( fast 1 Tonne) und essen zu viel Fleisch (1 Tonne CO2) - die Produktion verschlingt große Energiemengen. Dabei noch nicht mitgerechnet: der internationale Gütertransport mit 0,7 Tonnen CO2.

CO2 sparen mit Gewinn

Das sind Durchschnittswerte - die persönliche CO2-Bilanz schwankt enorm. Manche Menschen verbrauchen 25 Tonnen - mehr als das Doppelte -, andere kommen schon heute mit der Hälfte aus. Allen gemeinsam ist: Wir können uns ändern. Oft ist es die Summe kleiner Veränderungen an ganz unterschiedlichen Stellen, die zu Umbrüchen führt - Bürger, die nachhaltige Lebensstile und umweltfreundliches Verhalten entdecken und vorleben. Einzelne, die sich dem Konsumterror entziehen, die ihren persönlichen Alltag entschleunigen und sich vom Überfluss befreien:

Zu einem Ökostromanbieter wechseln, Carsharing nutzen statt ein eigenes Auto zu besitzen. Den Urlaub in der Nähe genießen und weniger tierische Produkte essen. So kann jeder mit etwas gutem Willen sofort seinen jährlichen Kohlendioxidausstoß um mehrere Tonnen senken.

Für die Energiewende Dampf machen

Kommt dann noch der gesellschaftliche Wandel hinzu, bauen wir unser Energiesystem um und setzen auf effiziente Energienutzung, können wir bis 2030 auch die Emissionen bei der Energiebereitstellung und beim Heizen drastisch senken: auf insgesamt 4,7 Tonnen. Das wären fast zwei Drittel Treibhausgase weniger als derzeit!

Darum: Jeder kann mitmachen, seine Bürgerrechte wahrnehmen und so die Politik für eine wirkliche Energiewende unter Druck setzen. Nur so können die Emissionen aus der Energiebereitstellung – den Kohlekraftwerken – verringert werden. Wer sich seiner eigenen CO2-Bilanz bewusst ist, kann gezielt an den entscheidenden Stellschrauben drehen. Es ist die Summe kleiner Veränderungen, die zu großen Umbrüchen führt.

Machen Sie mit! Leben Sie Klimaschutz vor!




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