Aktuell


EU-Klimapolitik

Heißer Herbst für deutschen und europäischen Klimaschutz

WWF fordert ergänzende Klimaschutzinstrumente zum desolaten Emissionshandel

WWF Pressemitteilung, 8.10.14

Der EU-Rat soll am 23. und 24. Oktober das EU-Klimapaket mit Klima- und Energiezielen für das Jahr 2030 verabschieden. Doch die Erwartungen des WWF an das Klimapaket sind gering.

„Das EU-Klimapaket 2030 wird wohl ein klimapolitischer Windbeutel – ein Schaumschlägerprodukt ohne Substanz. Glaubwürdiger Klimaschutz sieht anders aus, als die Klimaziele, die auf dem Tisch liegen“, sagt Regine Günther, Leiterin Klima und Energiepolitik des WWF Deutschland.

Derzeit plant die EU für das Jahr 2030 eine Minderung der Treibhausgasemissionen von 40 Prozent, einen Ausbau der erneuerbaren Energien von mindestens 27 Prozent und eine Steigerung der Energieeffizienz um 30 Prozent. Dieses Emissionsminderungsziel für das Jahr 2030 würde bei linearer Fortschreibung bis zum Jahr 2050 nur zu Emissionsminderungen von 70 Prozent führen, statt der 80-95 Prozent zu denen sich die EU verpflichtet hat. Auch das aktuell im Raum stehende 27 Prozent Ausbauziel für erneuerbare Energien sei viel zu niedrig angesetzt.

Darüber hinaus kritisiert der WWF, dass zurzeit keine sinnvolle Reform des Emissionshandels auf EU-Ebene diskutiert werde, obwohl die Überausstattung an Zertifikaten das CO2-Preissignal vernichtet habe.

Auch in Deutschland ist einiges angebrannt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass sie das nationale Treibhausgas-Minderungsziel für 2020 ohne zusätzliche Maßnahmen um sieben Prozentpunkte verfehlt. Wie sie die Minderungslücke von 87 Tonnen Treibhausgasemissionen schließen kann, will die Bundesregierung am 3. Dezember mit einem Klimaschutzaktionsplan vorstellen.

Der WWF schlägt vor, dass der Hauptbeitrag zur Emissionsminderung von den Sektoren kommen solle, die zurzeit faktisch keiner Regulierung unterlägen. Das seien in erster Linie die 12.000 im Emissionshandel erfassten Anlagen, insbesondere der Stromsektor.

„Augenblicklich laufen die schmutzigsten Kraftwerke auf Hochtouren. Das muss und kann gestoppt werden. Die großen Potenziale für den Klimaschutz müssen endlich erschlossen werden mit Hilfe von nationalen Instrumenten. Mindestens 50 Mio. t CO2 muss der Kraftwerkssektor zur Schließung der 40 Prozent-Lücke beitragen, “ so Günther weiter.

Ein mögliches Instrument könne die Einführung von CO2-Mindestpreisen sein. Die genauen Auswirkungen von CO2-Mindestpreisen in Deutschland und ausgewählten EU-Ländern hat der WWF das Öko-Institut in der Studie „Den EU-Emissionshandel flankieren: Chancen und Grenzen unilateraler CO2-Mindestpreise“ untersuchen lassen.

Die Studie betrachtet sowohl die Auswirkungen für die CO2-Minderung als auch die Verlagerungseffekte (Strom Import/Export) anhand von sechs CO2-Mindestpreis-Szenarien. Die Einführung eines Mindestpreises von 20 EUR in Deutschland sowie von 40 EUR in Deutschland, Dänemark, Niederlande und Frankreich liefern einen Beitrag zur CO2-Minderung und zu einer ausgeglichenen Strom-Import-Export Bilanz.

„Der Stromsektor und die energieintensive Industrie haben heute einen Freifahrschein und konnten sich dank der Krise des Emissionshandels aus dem Klimaschutz ausklinken. Mit der Einführung von CO2-Mindestpreisen und weiteren nationalen Instrumenten könnten wir diese Branchen wieder einfangen und den klimaschädlichsten Kohlestrom aus den Markt drängen“, sagt Günther. Würden keine Maßnahmen ergriffen die Kohlestromproduktion in Deutschland zu begrenzen, rückten die nationalen Klimaschutzziele in immer weitere Ferne.


Lobbyisten gegen Energiewende

Die EU legt in diesem Monat die Ziele der europäischen Energie- und Klimapolitik für 2030 fest. Doch die Energiekonzerne wollen einen Wandel verhindern – der Greenpeace-Report zeigt, warum.

Von Philipp Brandstädter, Greenpeace-Online, 9.10.14

Wie sieht Europas Energiezukunft aus? Das ist eine der zentralen Fragen, die die Politik dringend beantworten muss. Denn Atomkraftwerke sind keine zukunftsfähige Technologie, das erkennen immer mehr EU-Staaten, unter ihnen auch Deutschland, Belgien, Dänemark und Griechenland. Aber auch Gas und Kohle sind keine Alternative. Dennoch bilden sie immer noch den größten Anteil am europäischen Energiemix.

Greenpeace-Report: Konzerne nutzen ihre Macht aus

Dass das ganz im Interesse der großen Energiekonzerne liegt, zeigt ein Bericht, den Greenpeace veröffentlicht. Eine Analyse darin macht deutlich: Die Lobbyisten der Unternehmen versuchen eine konsequente Energiewende zu verhindern. Ihre Motive sind klar: Die acht mächtigsten Unternehmen (RWE, E.ON, Vattenfall, EDF, Natural Gas Fenosa, GDP Suez, ENEL, Iberdrola) haben den Umstieg verpasst und setzen immer noch auf fossile Energieträger. Ihr Portfolio besteht nur zu 13 Prozent aus Erneuerbaren Energien.

Aber ihr Einfluss ist groß; auch das macht der Greenpeace-Bericht deutlich. Gemeinsam kontrollieren sie etwa die Hälfte des europäischen Elektrizität und ein Drittel des Gasmarktes. Um ihre Interessen durchzusetzen haben sechs von ihnen eine Lobbygruppe gebildet, die „Magritte Group“. Deren Vertreter pflegen Kontakte in höchste politische Kreise. Sie haben sich schon mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Präsidenten Francois Hollande getroffen.

Abhängigkeit überwinden

Der Greenpeace-Report appelliert an die europäische Politik, sich nicht den Lobby-Interessen der Konzerne zu beugen. Denn Erneuerbare Energien sind nicht nur nachhaltig, sie können auch die Abhängigkeit von Importen, zum Beispiel aus Russland, verringern.

Um ihr rückständiges Geschäftsmodell zu verteidigen, greifen die Energiekonzerne die Subventionen für Erneuerbare Energien an. Wind und Sonne werden europaweit mit rund 30 Milliarden Euro gefördert. Was sie dabei verschweigen: In Atomenergie und fossile Brennstoffe fließen knapp 61 Milliarden Euro an staatlichen Subventionen. Ohne diese Zuschüsse könnten Kohle- und Atomkraftwerke oft gar nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden.

Europa braucht ambitionierte Ziele

Ende dieses Monats, am 23. und 24. Oktober, beschließt der Europäische Rat nun, was die EU bis 2030 erreichen will. Die bisherigen Vorlagen der EU-Kommission sehen folgende Ziele vor: Der Ausstoß von Treibhausgasen sollen um 40 Prozent reduziert werden, der Energieverbrauch um 30 Prozent und der Anteil der Erneuerbaren Energien soll auf 27 Prozent steigen.

Für den Klimaschutz fordert Greenpeace deutlich ambitioniertere Ziele: 40 Prozent Energieeinsparung, 45 Prozent Erneuerbare Energien und 55 Prozent weniger Kohlenstoffemissionen. Auf diese Weise könnte der Bedarf an Öl und Gas drastisch verringert werden. Kohle wäre überhaupt nicht mehr notwendig. Und das innerhalb der nächsten zehn Jahre, so der Greenpeace-Bericht.

Lobbyisten stellen sich quer

Es ist nicht überraschend, dass die großen Energiekonzerne das verhindern wollen. Bei ihrem aktuellen Energiemix würden solche Ziele sie vor große wirtschaftliche Probleme stellen. Sie wollen sich deshalb lediglich auf eine Reduzierung der Treibhausgase festlegen. Zielgrößen für Energieeinsparungen und den Anteil Erneuerbarer Energien lehnen sie ab. Das wäre ein Türöffner für mehr gefährliche Atomkraft in Europa.

Doch der umfangreiche Ausbau der Erneuerbaren Energien ist nicht nur wichtig, um die Umwelt zu schützen und den Klimawandel zu bekämpfen. Er ist auch eine nachhaltige Strategie für eine unabhängige europäische Energieversorgung. Die EU muss jetzt handeln. Und sie muss beweisen, dass sie sich nicht durch Interessen der Industrie von einer verantwortungsvollen Politik abbringen lässt.


NABU: Kein Vertrauen in den Umweltkommissar

Miller: Vella ist von Junckers Wohlwollen abhängig

NABU Pressemitteilung, 30.9.14

Brüssel/Berlin – Nach der Anhörung des designierten EU-Umweltkommissars Karmenu Vella hat der NABU große Zweifel, ob dieser zu einem Kämpfer für wichtige Umweltbelange in der europäischen Umweltpolitik werden kann.

NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: „Vellas Auftritt erweckte den Eindruck von großer Unsicherheit in Sachfragen. Programmatische Ankündigungen fehlten völlig, sei es aus Unentschlossenheit oder weil sie ihm von seinem künftigen Chef Jean-Claude Juncker untersagt worden waren. Vor allem aber präsentierte Vella sich nicht als das, was jetzt dringend gebraucht wird: ein konfliktfreudiger Anwalt von Umweltbelangen in einer ansonsten eindimensional auf Wirtschaftswachstum orientierten Kommission.“ Miller erneuerte seine Kritik, dass ein Kandidat aus Malta, wo die illegale Jagd auf Zugvögel nach wie vor Realität ist, nun für den Umweltschutz zuständig ist. Die Anhörung bestärke den NABU darin, insbesondere von den CDU/CSU- und SPD-Vertretern im Europaparlament dringend die Ablehnung der neuen Kommission zu fordern, solange Juncker den Umweltschutz nicht fest in Struktur und Arbeitsaufträgen der Kommission verankere. „Mit Blick auf den Klimawandel und weltweit schwindender Ressourcen ist es nach wie vor unverständlich und umweltpolitisch von vorgestern, dass diese wichtigen globalen Herausforderungen in der Kommission so einen niedrigen Stellenwert erhalten“, so Miller weiter. „Wir brauchen einen Vizepräsidenten, der für Umweltschutz und Nachhaltigkeit zuständig ist.“

Der Tag der Anhörung brachte zudem einen Affront gegen EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Dieser hatte Juncker vergangene Woche darum gebeten, einem seiner Vizepräsidenten die Zuständigkeit für Nachhaltigkeit zu geben und Vellas Arbeitsauftrag nachzubessern. „Die in letzter Minute vor der Anhörung vorgelegte Antwort kommt einer Brüskierung des Parlaments gleich. Juncker verbittet sich darin sinngemäß eine Einmischung in seine Pläne und behauptet, alle Kommissare würden bei ihrer Arbeit an die Umwelt denken, da müsse man nicht konkreter werden“, so Miller. Das dürfe von Martin Schulz so nicht akzeptiert werden. „Hier droht das Motto: Wenn alle zuständig sind, ist es keiner.“




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