Aktuell


Forderungen an G20-Gipfel

Ein Ziel für die Zwanzig

Zum G20-Gipfel am 7. und 8. Juli in Hamburg fordert der WWF ein klares Bekenntnis zum Klimaschutz

WWF Pressemitteilung, 6.7.17

Die G20 haben gegenüber der Weltgemeinschaft eine Verantwortung, der sie auf dem Treffen in Hamburg gerecht werden müssen. „Wir kämpfen weltweit an mehreren Fronten, um unsere Lebensgrundlagen zu schützen. Die G20-Mitglieder sind nicht nur die führenden Wirtschaftsmächte, sondern auch die größten Umweltsünder. Mit ihrem Gewicht können und müssen sie die Waagschale zu unser aller Gunsten verschieben und uns so ein friedliches und gerechtes Miteinander auf einem gesunden Planeten ermöglichen“, sagt Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand des WWF Deutschland. Dazu gehören neben konkreten Schritten für den Klimaschutz und Strategien für einen nachhaltigen Finanzmarkt auch ein schlagkräftiger Aktionsplan gegen die Vermüllung der Meere und die konsequente Bekämpfung des milliardenschweren illegalen Wildartenhandels.

„Es ist höchste Zeit, dass die G20 begreifen: Unser wirtschaftlicher Wohlstand hängt unmittelbar vom Wohlergehen unserer Umwelt ab. Verpesten wir mit Kohlekraftwerken weiter unsere Luft, befeuern die Klimakrise und vermüllen unsere Meere, ist kein Land gefeit vor den extremen Folgen dieser ungeheuren Fahrlässigkeit. Da hilft ganz sicher auch kein Protektionismus“, so Brandes weiter. „Wenn die Administrationen einzelner Länder vor den Problemen lieber die Augen verschließen, müssen die anderen diese umso entschlossener angehen.“

Das gilt insbesondere für Deutschland. „Für seine G20-Präsidentschaft hat Deutschland sowohl das Pariser Klimaabkommen als auch die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) als Rahmen definiert. Das darf kein leeres Versprechen bleiben. Die Kanzlerin muss sich in Hamburg nicht nur mit ganzer Kraft für ein gemeinsames Bekenntnis zum Klimaschutz einsetzen, sondern auch zuhause liefern, was sie international vertritt. Der CO2-Ausstoß Deutschlands ist seit 2009 nicht mehr gesunken. Um die Klimaschutzziele für 2020 noch zu erreichen, muss die Bundesregierung umgehend das Ende der Kohleverstromung einleiten, die dreckigsten Meiler spätestens 2019 abschalten und den Ausbau der Erneuerbaren forcieren.“


Die Runde muss liefern

Dass sich die G20 treffen, ist gut. Aber sie müssen auch über die richtigen Themen sprechen. Welche das sind, sagt Greenpeace-Geschäftsführerin Sweelin Heuss im Interview.

Von Michael Weiland, Greenpeace-Online, 6.7.17

Rund 25.000 Menschen protestierten am vergangenen Sonntag friedlich in Hamburg gegen soziale Ungleichheit, für einen gerechteren Welthandel und einen wirkungsvolleren Klimaschutz. Ihr Adressat: Die Gruppe der 20 – die wirtschaftsstärksten Industriemächte der Welt, die sich am 7. und 8. Juli in Hamburg treffen. Sweelin Heuss, Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, spricht über Herausforderungen und Erwartungen im Zusammenhang mit dem Gipfel.

Greenpeace: Wenn sich die Gruppe der 20 trifft, geht es ja in erster Linie um Wirtschaftsfragen. Warum ist für Greenpeace hier der richtige Anknüpfungspunkt, um über Klimaschutz zu reden?

Sweelin Heuss: Man hat schon auf dem G7-Gipfel gesehen, dass solche Treffen mehr und mehr eine starke entwicklungspolitische Dimension bekommen. Es ist nicht mehr allein damit getan zu sagen, dass wir wirtschaftliche Kooperation auf diesen Gipfeln erreichen wollen. Es geht auch um Themen wie Verantwortung – weil die Staatschefs wissen, dass sie heutzutage eben soziale Anliegen mitdenken müssen, und natürlich auch umweltpolitische und gesellschaftliche. Das zusammenzudenken ist die eigentliche Herausforderung des kommenden G20-Gipfels, insbesondere in der Konstellation, die wir dort vorfinden werden, mit Vertretern wie Herrn Erdogan, Herrn Trump oder Herrn Putin.

Am Sonntag beteiligte sich Greenpeace an der G20-Protestwelle. Das bedeutet aber nicht, dass Greenpeace grundsätzlich dagegen ist, dass sich die Gruppe der 20 trifft.

Das ist definitiv nicht der Fall: Wir sind grundsätzlich dafür, dass es Spitzentreffen dieser Art gibt. Für den Gipfel in Hamburg wird allerdings ein sehr hoher Sicherheitsaufwand betrieben, der Unsummen von Steuergeldern verschlingt – da darf man erwarten, dass diese Runde dann auch entsprechend liefert; dass es zu Ergebnissen kommt, die messbar sind und die eine Auswirkung haben auf die Weltpolitik.

Nun hat die Energiepolitik der USA nach der Wahl eine sehr dramatische Wendung genommen, mit einem Präsidenten, der weiterhin auf fossile Energien setzt. Wie gefährlich ist Trump tatsächlich für das Klima? Hält die Welt einen Klimaleugner an der Spitze der Vereinigten Staaten ein paar Jahre aus?

Was sich gerade als Entwicklung abzeichnet, stimmt schon wieder etwas zuversichtlicher. Es gibt zum Beispiel eine Website, die „We Are Still In“ heißt, dort haben Hunderte Personen und Unternehmen unterschrieben. Sie alle sagen: Unser Präsident will zwar aus dem Klimaabkommen austreten, aber wir bleiben drin. Dazu gehören Vertreter bedeutender amerikanischer Konzerne, Bürgermeister, da sind auch Wissenschaftler dabei. Eine große, auch wirtschaftlich sehr mächtige Koalition bildet sich gerade in Amerika, die sagt: Herr Trump kann entscheiden, was er möchte, wir werden unsere Klimaziele umsetzen und gemeinsam nach Kooperationen und Partnern suchen. Jetzt muss man mal schauen, inwieweit Amerika nun nicht doch wieder in einer anderen Art und Weise im Spiel ist.

Geht mit dem Ausscheiden der USA aus dem Klimaabkommen denn auch eine größere internationale Verantwortung für Deutschland einher? Oder gibt es andere Länder, die jetzt eine Führungsrolle bei den G20 übernehmen müssen?

Deutschland hat sicherlich die Möglichkeit, eine Führungsrolle zu übernehmen, und tut das in gewisser Weise auch schon. Angela Merkel setzt sich da recht gekonnt in Szene, aber wir wissen natürlich, dass sie im eigenen Land klimapolitisch nicht das umsetzt, was sie nach außen hin präsentiert. Sie ist nämlich eben keine Klimakanzlerin – sie sorgt mit ihrer Politik ja dafür, dass wir unsere Klimaziele nicht erreichen werden. Also, die selbstgesetzten Ziele für 2020 werden wir nicht erreichen, wenn wir nicht aus der Kohle aussteigen – so viel ist sicher.

Aber die Konstellationen verschieben sich, und es gibt neue Akteure, die jetzt nach vorne gehen. Dazu gehören definitiv Länder wie China und Kanada. Eventuell führt dieser Austritt von Trump zu mehr Leistungswettbewerb unterhalb der Vertragspartnerstaaten, die mehr umsetzen wollen, als sie vielleicht ursprünglich geplant haben.

Was wäre denn das bestmögliche Ergebnis dieses Gipfels?

Es gibt ja dieses Zauberwort Implementierung, das idealerweise in einem Abschlusskommuniqué auftauchen sollte. Das wäre als nächster Schritt konsequent. Im November findet die Klimakonferenz in Bonn statt. Für nachfolgende Klimaverhandlungen wie diese ist der Gipfel der G20 deshalb so wichtig, weil dort bereits der vereinte Willen der Regierungsoberhäupter klar sein muss: Wir wollen die Implementierung des Klimaabkommens, wir wollen Ziele setzen, die wir konsequent umsetzen, und das auch ohne die USA, wenn es sein muss. Das erwarte ich mir von dem Ausgang des G20-Gipfels.


Von eingeschränkt gut bis sehr schwach: Höchst unterschiedliche Klima-Noten für G20-Staaten

Italien, Brasilien und Frankreich sind vor Deutschland die Klassenbesten mit Abstrichen - USA und Saudi-Arabien liegen am unteren Ende. Noch kein G20-Staat auf Kurs der Pariser Klimaziele.

Gemeinsame Pressemitteilung Germanwatch und NewClimate Institute, 6.7.17

Hamburg/Bonn. Die G20 insgesamt ist noch deutlich von einem verantwortungsvollen Kurs beim Klimaschutz entfernt. Doch einzelne Staaten - sowohl traditionelle Industrienationen wie Italien, Frankreich und in Teilen auch Deutschland, als auch aufstrebende Schwellenländer wie Brasilien oder Indien - deuten an, wie ein solcher Weg aussehen könnte. Dies ist ein Kernergebnis des G20-Klimaschutz-Index, den Germanwatch und das NewClimate Institute heute vorgestellt haben. Einen Tag vor Beginn des Gipfels in Hamburg stellen sie den G20-Staaten in diesem Ranking ein höchst unterschiedliches Zeugnis aus.

"Unser Klimaschutz-Index zeigt: Mit einer verantwortungslosen Klimapolitik à la Trump kann man zwar Klimaschutz punktuell verlangsamen und erschweren - aber aufhalten lässt er sich nicht. Der Siegeszug der erneuerbaren Energien zum Beispiel wird schon allein aus wirtschaftlichen Gründen weitergehen, weil es sich lohnt", erklärt Jan Burck von Germanwatch, einer der Hauptautoren des Index. "Allerdings kann schon eine Verzögerung zu einem großen Problem werden. Unser Index zeigt auch: Bisher ist kein G20-Land beim Klimaschutz so weit, dass sein Beitrag für eine Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad ausreichen würde."

"Ermutigend ist vor allem die Entwicklung in einigen großen Schwellenländern wie Brasilien oder Indien", ergänzt Prof. Niklas Höhne vom NewClimate Institute. "Brasilien hat in den vergangenen Jahren insbesondere durch eine stark reduzierte Entwaldung große Fortschritte gemacht, die es nun in schwierigen politischen Debatten aufrecht zu erhalten gilt. Indien möchte klassische Entwicklungsschritte überspringen und eher Erneuerbare Energien statt Kohle und Elektroautos statt Benziner oder Diesel einführen. Da sind diese beiden Länder auf einem guten Weg - der allerdings auch eine unterstützende Klimapolitik und internationale Klimafinanzierung benötigt."

Überraschender Sieger des G20-Klimaschutz-Index ist Italien. Hauptfaktoren waren der Abwärtstrend der Pro-Kopf-Emissionen in den vergangenen fünf Jahren und eine starke Zunahme der erneuerbaren Energien um mehr als 50 Prozent von 2010 bis 2014. Italien kommt damit von allen G20-Staaten dem Anstieg grüner Energien am nächsten, der für das Erreichen der Pariser Klimaziele nötig wäre. Ob Italien den Platz halten kann ist fraglich, da der Zubau von Erneuerbaren nach 2014 zusammengebrochen ist (wegen mangelnder Datenverfügbarkeit noch nicht im Index berücksichtigt). Brasilien auf Rang zwei profitiert von einem sehr hohen Anteil Erneuerbarer Energien im Energiemix (38 Prozent), allerdings sind die gesetzten Klimaziele noch nicht sehr ambitioniert und die erreichten Fortschritte beim Waldschutz aktuell in Gefahr.

Deutschland liegt hinter Frankreich auf Rang 4 - verglichen mit dem zuletzt mäßigen Abschneiden im jährlichen Globalen Klimaschutzindex von Germanwatch eine Steigerung. Deutschland hat zwischen 2010 und 2014 hohe Zuwachsraten bei Wind- und Solarenergie vorzuweisen und gute Noten, was die Klimapolitik auf internationalem Parkett betrifft. Die noch immer sehr große Abhängigkeit von der Kohle, insbesondere Braunkohle, und die deswegen hohen Pro-Kopf-Emissionen über dem EU-Durchschnitt sowie nur mittlere Noten für die nationale Klimapolitik verhindern jedoch eine Platzierung ganz oben.

China ist wegen des enormen Wachstums bei Energieverbrauch und Emissionen in den Jahren bis 2014 nur auf Platz 12, unternimmt aber Schritte den Anstieg zu begrenzen, wie zum Beispiel Drosselung der Kohlenutzung und Förderung der Elektromobilität. Eine bessere Bewertung in den nächsten Jahren ist deshalb zu erwarten.

Am Ende des Tableaus landete Saudi-Arabien mit sehr schwachen Ergebnissen in allen Bereichen. Das Land könnte jedoch im Bereich der Solarenergie mittelfristig deutlich zulegen. Nach Trumps Rollback in der Klimapolitik landen die USA auf dem vorletzten Platz (Urteil ebenfalls: sehr schwach). Derzeit sind abseits von Bemühungen einiger US-Bundesstaaten, Städte und Unternehmen keine Ansätze der nationalen Regierung zu erkennen, etwas an den sowieso schon sehr hohen CO2-Emissionen oder dem immensen Energieverbrauch pro Einwohner zu ändern.

Zum G20-Klimaschutzindex von Germanwatch und NewClimate Institute:

Der Index knüpft an den globalen Klimaschutz-Index von Germanwatch an, ein seit 2006 jährlich erstelltes Ranking der knapp 60 größten Emittenten weltweit. Diese Spezialausgabe des Index betrachtet nun nur die zwanzig größten Volkswirtschaften (G20). Zudem wurde die Methodik angepasst. Zwar betrachtet der Index wie bisher vier Bereiche: Emissionen (40%), Energieverbrauch (20%), Erneuerbare Energien (20%) und Klimapolitik (20%, bewertet von ExpertInnen aus dem jeweiligen Land). Aber dank der neuen Methodik wird nun auch die Frage beantwortet, inwieweit das jeweilige Land in den Bereichen Emissionen, Erneuerbare Energien und Energieverbrauch adäquat handelt, um die Pariser Klimaziele erreichen zu können.


Modi reist zu G20 an: Gesicht vertriebener Frau auf indischer Botschaft in Berlin

Survival International Deutschland e.V: Pressemitteilung, 6.7.17

Aktivist*innen von Survival International haben das Gesicht einer indigenen Frau auf die indische Botschaft in Berlin projiziert. Die Frau wurde illegal von ihrem angestammten Land vertrieben. Damit schickt die Menschenrechtsorganisation einen Aufruf an die indische Regierung, die indigene Völker im Namen des Naturschutzes aus Tiger-Reservaten vertreibt.

Indiens Premierminister Narendra Modi reist heute zum G20-Gipfel nach Deutschland. Die Aktivist*innen beleuchten mit der Aktion die Notlage von Zehntausenden Indigenen in Indien, die illegal aus ihren Dörfern in Tiger-Schutzgebieten vertrieben werden – und ein Leben in Armut am Rande der indischen Mainstream-Gesellschaft fristen.

Indiens Nationale Tigerschutz-Behörde (NTCA) hatte erst kürzlich eine Anweisung erlassen, dass die Rechte indigener Völker in kritischen Tiger-Habitaten nicht anerkannt werden sollten. Die NTCA hat keine rechtliche Befugnis für einen solchen Schritt, der eine schwere Verletzung des Forest Rights Act darstellt. Der Forest Rights Act garantiert das Recht indigener Völker auf ihrem angestammten Land leben zu dürfen.

Die Frau, deren Gesicht auf der indischen Botschaft zu sehen war, stammt vom Volk der Baiga aus Zentralindien. Tausende Baiga wurden illegal aus ihren Wäldern vertrieben.

In der Vergangenheit wurden einige von ihnen in mangelhafte Umsiedlungslager gebracht. In letzter Zeit haben die Vertriebenen überhaupt kein Land und keine Hilfe mehr erhalten, um ein Leben außerhalb der Schutzgebiete aufzubauen. Viele Familien berichten, dass sie nur einen Bruchteil der Entschädigung erhalten haben, die ihnen versprochen wurde.

Vielen weiteren Gemeinden im ganzen Land drohen ähnliche Vertreibungen. Doch während indigene Völker vertrieben werden, sind zahlende Reisende in den Schutzgebieten willkommen und in einem Tiger-Reservat wurde die Uran-Suche genehmigt.

Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagte: „Modis Regierung führt die illegalen und unmenschlichen Vertreibungen indigener Völker aus Tiger-Schutzgebieten fort. Die Regierung will die Rechte indigener Völker ignorieren und lieber Bergbau und ‚Entwicklungs-Projekte’ auf ihrem Land umsetzen, welches die Gemeinden seit Generationen hüten. Das ist Betrug. Es ist Zeit, dass die indische Regierung aufhört, ihre eignen Bürger*innen zu attackieren und stattdessen beginnt, sich an ihre eigenen Gesetze zu halten.“


G20: Menschenrechtler unterstützen indianischen Widerstand gegen Trump

Keine US-Energiepolitik auf Kosten der Native Americans !

GfbV Pressemitteilung, 6.7.17

Hamburg. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) unterstützt während des G-20-Gipfels in Hamburg mit zwei bunten Menschenrechtsaktionen am Donnerstag und Freitag indianischen Widerstand gegen die Pläne von US-Präsident Donald Trump, Energie wieder verstärkt aus fossilen Brennstoffen und Uran zu gewinnen. „Für kurzfristigen Profit werden die Rechte der Native Americans mit Füßen getreten: Sie werden die ersten Opfer dieser gefährlichen Klima- und Energiepolitik sein“, kritisiert die GfbV-Referentin für indigene Völker, Yvonne Bangert. „Ein Großteil der Öl- und Gasreserven der USA sowie enorme Kohlevorkommen und auch die Uranreserven liegen in oder ganz in der Nähe von Reservaten. Die Förderung dieser Rohstoffe zerstört die Umwelt, verseucht das Grundwasser und gefährdet die Existenz nicht nur der Native Americans, sondern auch die von Mutter Erde. Das ist in ihren Augen „Umweltrassismus“.“

„Die Native Americans sind alarmiert, denn kurz nach der Wahl war aus dem Beraterstab des neuen Präsidenten zu hören, man könne Reservatsland notfalls privatisieren“, berichtet Bangert. „Faktisch käme dies einer Enteignung gleich, die die Reservatsbewohner nicht tatenlos hinnehmen würden.“ Proteste von indianischer Seite gibt es bereits gegen den Bau von Pipelines, die wichtige Trinkwasserquellen von Native Americans und ihren Nachbarn gefährden. Denn es gibt immer wieder Lecks und Öl tritt aus, so dass jederzeit Grund- und Oberflächenwasser verseucht werden können. Zurzeit leistet die indigene Bewegung der Water Protectors Widerstand zum Beispiel gegen die Dakota Access Pipeline. Sie führt über das angestammte Territorium der Standing Rock Sioux in Nord Dakota.

Wie gefährlich Uran ist, haben die Native Americans leidvoll erfahren müssen. Im US-Bundesstaat Wyoming ist der Cheyenne River so hochgradig radioaktiv verseucht, dass das Dorf Red Shirt der Oglala Lakota sein Wasser nicht zur Bewässerung seiner Gemüsegärten nutzen kann. Uranabbaugebiete im benachbarten Süd Dakota wurden nicht gesichert. Dort wurde in den Black Hills im Gebiet der Tetuwan-Sioux in den 1950er Jahren Uran entdeckt und gefördert. Umweltgesetze gab es nicht. Nach ihrer Schließung blieben die Gruben sich selbst überlassen, Gewässer sind bis heute vergiftet. Die indianische Organisation Defenders of the Black Hills hat mit Wasseranalysen diese Verseuchung nachgewiesen. Bei den Western Shoshone in Nevada wurden Raketen mit nuklearen Sprengköpfen getestet; der radioaktive Staub verseuchte anschließend das indianische Land.


Unsichtbar und unterschätzt

Offener Brief an Merkel und Schäuble vor G20: Klimarisiken berücksichtigen

WWF Pressemitteilung, 5.7.17

Die G20-Staaten müssen für mehr Transparenz hinsichtlich Klimarisiken auf den Finanzmärkten sorgen. Dafür sollten sie sich an den Empfehlungen der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) orientieren, fordert ein breites Bündnis aus Akteuren des Finanzmarkts und der Zivilgesellschaft. Damit sich insbesondere Deutschland als Gastgeber der G20 während des Gipfels in Hamburg dafür einsetzt, haben 25 Organisationen, darunter auch der WWF Deutschland, einen offenen Brief an Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble geschrieben. Viele der Unterstützer hatten vor wenigen Wochen auch schon die Frankfurter Erklärung für mehr Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft unterzeichnet.

„Wir haben ein enormes Transparenzproblem“, sagt Matthias Kopp, Leiter Sustainable Finance beim WWF Deutschland. „Es gibt derzeit keine verlässlichen Regeln zur Offenlegung von Klimarisiken im Finanzreporting, weder bei Unternehmen noch im Finanzmarkt. Das bedeutet: Als Investor oder Anleger können wir nicht wissen, inwieweit Klimarisiken überhaupt schon berücksichtigt werden. Damit können wir weder die Stabilität unserer Wertanlagen sicher einschätzen, noch sagen, ob der Markt als Ganzes systemischen Risiken ausgesetzt ist.“

Der Finanzmarkt bleibt von der Klimakrise nicht unberührt. Neben den unmittelbaren Folgen – zum Beispiel durch Dürren und Überschwemmungen – sorgen auch die politischen und wirtschaftlichen Reaktionen auf die Erdüberhitzung dafür, dass sich Werte verschieben. Investitionen und Finanzierungen von Kohle und Öl etwa machen in einer Welt, die gegen die Klimakrise kämpft, wahrscheinlich Verluste. „Wir müssen sicherstellen, dass Klimakriterien bei Investitionen einen größeren Stellenwert einnehmen. Sonst platzt bald die nächste Finanzblase. Und sie könnte die Altersvorsorge von Millionen Menschen auffressen, wenn zum Beispiel Pensionskassen die Wertverschiebungen nicht antizipiert haben“, sagt Kopp.

Neben der Implementierung der TCFD-Empfehlungen wäre sinnvoll, die Green Finance Study Group, die 2016 unter der chinesischen Präsidentschaft ins Leben gerufen wurde, zu einer offiziellen, permanenten Arbeitsgruppe hochzustufen. „Die G20 sind als Antwort auf eine Finanzkrise entstanden. Es ist ihre Kernaufgabe, für die Stabilität unser Wirtschafts- und Finanzsysteme zu sorgen. Das kann nur gelingen, wenn sie in Zukunft auch Klima- und Umweltrisiken umfassend berücksichtigt.“


Das kostet die Welt

Die G20 reden über Klimaschutz – und subventionieren fossile Energien mit fast vier Billionen Euro jährlich. Jeder Cent davon bringt uns dem Klimakollaps näher. Das muss aufhören.

Von Ortrun Sadik, Greenpeace-Online, 4.7.17

Steuerbegünstigung von Dieselkraftstoff, Pendlerpauschale, Steuerbefreiung für Flugbenzin – eigentlich gehört das in Zeiten von zunehmenden weltweite Wetterkatastrophen verboten. Denn jeder Cent, der – direkt oder indirekt – fossile Energien wie Kohle, Öl und Gas begünstigt, lenkt die Erde weiter Richtung Klimachaos, bremst die notwendigen Veränderungsprozesse in der Energiewirtschaft und im Verkehr und setzt die völlig falschen Anreize. Schließlich sind es jährlich fast vier Billionen Euro – eine vier mit 12 Nullen – mit denen die G20-Länder so den Klimawandel anheizen.

Eine Studie, die Greenpeace vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) erstellen ließ, fasst nun zusammen, welches Land die Klimakiller mit welchen Geldsummen subventioniert. Am Wochenende treffen sich die Spitzenpolitiker der G20-Staaten in Hamburg. Dort werden sie auch über das Weltproblem Klimaerwärmung reden – doch wenn sie dabei das Thema Subventionen fossiler Energien auslassen, bringt das wenig.

Große Worte – keine Taten

Dabei haben die Regierungen längst selbst erkannt, dass Klimaschutz und finanzieller Anreiz für klimaschädliche Energieträger nicht gut zusammenpassen. Schon 2009 haben alle Länder beim G20-Gipfel in Pittsburgh deshalb vollmundig beschlossen, aus fossilen Subventionen auszusteigen. Mantra-artig haben die Länder das jedes Jahr, bei jedem Gipfel, bei jeder Klimaschutzkonferenz wieder bekräftigt, vor allem auch bei dem G7-Treffen 2015 in Elmau, bei dem Angela Merkel als Retterin des Weltklimas auftrat. Doch geschehen ist noch nichts. Weder haben Länder angefangen, Subventionen abzubauen, noch haben sich die Regierungen wenigstens auf einen Zeitplan zum Abbau der Zuwendungen geeinigt.

Erst mal rechnen – Streit um Zahlen

Immerhin haben nun alle das Rechnen angefangen – welches Land subventioniert denn nun was mit wie viel? Das Problem ist allerdings, dass die Datenlagen in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich sind. Auch rechnet jeder andere Dinge mit ein. Für die G20-Länder gibt es Schätzungen von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), von der Internationalen Energieagentur (IEA) und vom Internationalen Währungsfond (IMF), die zum Teil extrem voneinander abweichen – in der FÖS-Studie sind all diese Internationalen Zahlen zusammengefasst.

Für China zum Beispiel kommt die OECD auf 32 Milliarden Euro, während der IMF die Subventionen Chinas in fossile Energien mit über zwei Billionen Euro beziffert. Was hauptsächlich daran liegt, dass der IMF die sogenannten externen Kosten – also die Kosten für Umweltschäden, Luftverschmutzung und Klimafolgeschäden – mit berechnet. Für die USA liegt die Spanne zwischen zehn (Berechnung der OECD) und 612 Milliarden Euro (laut IMF). Und Deutschland subventioniert Klimakiller laut OECD mit 5,8 und laut IMF mit 48,7 Milliarden Euro.

Deutsche Subventionen für Fossile: 46 Milliarden jährlich

Interessant ist deshalb, dass die Greenpeace-Studie für Deutschland nicht nur die offiziellen Zahlen abbildet, sondern die Subventionen selbst berechnet. Dabei verzichtet sie bewusst darauf, auch die externen Kosten einzubeziehen und bildet nur Steuervorteile, Abgabenbefreiungen oder Absatzhilfen ab, die fossile Energien selbst begünstigen. 46 Milliarden Euro sind das laut FÖS jährlich, mit denen Deutschland Benzin, Kohle, Öl und Gas fördert und den Klimawandel weiter befeuert.

Größte Einzel-Subventionen sind unter anderem die Diesel-Subventionierung (8 Mrd. Euro), die Steuerbefreiung für Flugbenzin (7,5 Mrd. Euro), die Entfernungspauschale (5,1 Mrd. Euro), die Mehrwertsteuerbefreiung für internationale Flüge (4,4 Mrd. Euro) und das Dienstwagen-Privileg (3,1 Mrd. Euro). Kein Wunder, dass bei diesen falschen Anreizen der Verkehrssektor in den vergangenen Jahrzehnten keine Reduzierung der Klimagase hinbekommen hat. Und dass eine Verkehrswende hin zu klimafreundlicher Mobilität nicht in Gang kommt.

Regierung rechnet unsauber

Besonders brisant wird diese Berechnung dadurch, dass die Bundesregierung selber in ihrem Bericht zum G20-Gipfel nur auf 9,5 Milliarden Euro Subventionen kommt. Und zwar deshalb, weil sie etliche Gelder wie zum Beispiel die Diesel-Subventionen, die Pendlerpauschale oder die Steuerbegünstigungen für Flüge einfach unter den Tisch fallen lässt. Da stellt sich schon die Frage: Wie ernst ist der angeblichen Klimakanzlerin Angela Merkel denn der Klimaschutz? Und wie will sie zum G-20-Gipfel von einem Klimawandelleugner wie US-Präsident Donald Trump sinnvolle Maßnahmen einfordern, wenn sie mit ihren eigenen Zahlen so unsauber arbeitet?

Dem Klima helfen warme Worte nicht. Das braucht jetzt Taten, und zwar schnell: Es benötigt den schnellen Ausstieg aus der Kohleverbrennung, eine Verkehrswende, ein radikales Umstellen der Landwirtschaft und eine andere Waldpolitik – sowie einen schnellen Abbau klimaschädlicher Subventionen. Und zwar in Deutschland und weltweit. Das wäre echter Einsatz für das Weltklima.


„Rettet meine Heimat“

Strand, Palmen, Pazifik: Die Marshallinseln sind ein Paradies. Doch durch den Klimawandel drohen sie im Meer zu versinken. Selina Leem, geboren auf einer der Inseln, wehrt sich.

Von Ortrun Sadik, Greenpeace-Online, 6.7.17

Das Rauschen des Pazifiks hat sie in den Schlaf gesungen, Nacht für Nacht. Keine hundert Schritte vom Meer entfernt ist Selina Neirok Leem aufgewachsen, auf Majuro, einer der mehr als tausend Inseln der Republik Marshallinseln mitten in Ozeanien. Sie gehört zur Ratak-Inselkette im Osten, zu den Sonnenaufgangsinseln. Die Eilande im Westen heißen Sonnenuntergansinseln; sie umfassen auch das Bikiniatoll. Gerade mal zwei Meter erheben sich die Marshallinseln im Durchschnitt über den Meeresspiegel.

Diese tropischen Atolle mitten im Pazifik sind so wunderschön, dass es wehtut. Das Meer leuchtet türkis, der Strand ist mit Muscheln übersät, der Sand aus zerriebenen Korallenstückchen strahlt weiß. Palmen reichen bis ans Meer. Üppige Blumen und tropische Früchte wachsen überall. Doch immer häufiger und immer heftiger rollen Sturmfluten über das Paradies hinweg. Pflanzen verkümmern, weil das Land versalzt.

Irgendwann in der Schule hat Selina Leem begriffen, dass das nicht normal ist. Auch keine Strafe Gottes, wie sie anfangs dachte. Sondern dass der Meeresspiegel ansteigt und das Wasser ihre Insel bedroht. Wegen des Klimawandels, den die Menschen in den Industrieländern verursachen. Seit sie 16 ist, reist die heute 19-Jährige um die Welt. Und hält auf Klimaschutzkonferenzen und Versammlungen flammende Reden, um die Menschen aufzurütteln. Denn sie will den Klimawandel aufhalten. Will ihre Heimat retten. Will verhindern, dass die Inseln der Südsee im Meer versinken. Darüber spricht sie auch im Interview.

Greenpeace: Du wurdest 1997 auf einer der Marshallinseln geboren – und hast die Folgen des Klimawandels selbst erlebt.

Selina Neirok Leem: Schon als ich ein Kind war, kamen regelmäßig Fluten, dann hat mein Großvater meine Großmutter und uns Kinder in ein Hotel geschickt, das höher liegt. Ich weiß noch, dass ich jedesmal Angst um ihn hatte. Mit der Zeit kamen die Fluten immer häufiger, das Wasser reichte immer höher. 2014 wurde per Radio zur Evakuierung aufgerufen. Zwei Tage habe ich mit meinen Eltern und meinen sieben Geschwistern in einer höher gelegenen Kirche verbringen müssen. Die Angst, vielleicht für immer mein Zuhause zu verlieren, das Land meiner Ahnen, das ich liebe, wo ich leben möchte – das hat mich seitdem nicht mehr losgelassen.

Wann hast du begriffen, dass es der Klimawandel ist, der deine Insel bedroht?

Ich bin tief religiös aufgewachsen und dachte lange, es liegt daran, dass Gott uns zürnt. Doch in der Schule habe ich begriffen, dass es der Anstieg des Meeresspiegels ist. Und dass die Industrienationen mit ihrem Kohlendioxidausstoß den Untergang meines Landes verschulden. Da bin ich sehr wütend geworden, vor allem auf die USA. Mit 16 habe ich Majuro verlassen, bin zwei Jahre in Freiburg zur Schule gegangen. Und nutze seitdem jede Gelegenheit, den Menschen von meiner Insel und von deren Zerstörung durch den Klimawandel zu erzählen.

Wie ist die Stimmung der Menschen auf den Marshallinseln?

Alle merken die Veränderung, die Bedrohung. Viele von uns haben Angst um ihre Heimat. Aber wir wollen uns dem Schicksal nicht einfach ergeben. Wir kämpfen. 99 Prozent unserer Inseln werden mit Solarstrom versorgt. Wir tun, was wir können. Unsere Jugend, unsere Anführer, unsere Politiker setzten sich überall auf der Welt gegen die Klimazerstörung ein.

Dabei geht es ja nicht nur um meine Heimat – der Klimawandel bedroht die ganze Welt. Es drohen Fluten, Stürme, Dürren, Hitzewellen, Hungersnöte. Abermillionen Menschen werden ihr Zuhause verlieren. Wir kämpfen für sie alle. Für euch alle. Für uns alle.

Was ist deine Botschaft an den G20-Gipfel?

Jeder muss einen Beitrag leisten, um den Klimawandel aufzuhalten. Die Bürger im Kleinen, die Politiker im Großen. Denn jeder hier, der Auto fährt, fliegt, heizt, Strom verbraucht, ist in der Pflicht, meine Heimat zu retten. Gemeinsam müssen wir Druck auf die Politiker machen: Damit sie ihre Entscheidungen in die richtige Richtung lenken und das Klima schützen, aus der Kohleverstromung aussteigen, die Treibhausgase reduzieren. Damit die Erderwärmung unter 1,5 Grad bleibt.

Ist das auch deine Botschaft an US-Präsident Donald Trump?

Nein. Zu dem spreche ich nicht, dafür verschwende ich meine Atemluft nicht. Der hört mir eh nicht zu. Ich spreche zu den amerikanischen Bürgern und Bürgermeistern, die trotz Trump am Klimaschutz festhalten. Davon gibt es so viele, dass ich guten Mutes bin, dass Trump dem Klima weniger schaden kann, als er das vielleicht möchte.




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