Aktuell


Lieferkettengesetz

Gegen Gewinne ohne Gewissen: Breites Bündnis der Zivilgesellschaft fordert Lieferkettengesetz

Gemeinsame Pressemitteilung (s.u.), 10.9.19

Die Bundesregierung muss deutsche Unternehmen gesetzlich zur weltweiten Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichten. Das fordert ein breites Bündnis aus 64 zivilgesellschaftlichen Organisationen anlässlich des siebten Jahrestages der verheerenden Brandkatastrophe in der Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan.

Die heute vorgestellte "Initiative Lieferkettengesetz" eint Gewerkschaften, Umwelt-, Menschenrechts- und Entwicklungsorganisationen, Vertreter des fairen Handels sowie kirchliche Organisationen. Zum Auftakt der Kampagne erinnert die Initiative heute mit einer Aktion vor dem Reichstag an die Toten, die bei verschiedenen Unglücken bei Zulieferern deutscher Unternehmen ums Leben gekommen sind.

In einer Petition fordert das Bündnis von Bundeskanzlerin Angela Merkel, bis 2020 ein Lieferkettengesetz auf den Weg zu bringen. Mit einem solchen Gesetz müssten Unternehmen geeignete Maßnahmen ergreifen, um Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen in ihrem Geschäftsbereich zu vermeiden. Bei Schäden an Menschen und Umwelt könnten Unternehmen haftbar gemacht werden.

"Immer wieder gibt es Berichte von brennenden Fabriken, ausbeuterischer Kinderarbeit oder zerstörten Regenwäldern. Das zeigt: Freiwillig kommen deutsche Unternehmen ihrer Verantwortung nicht ausreichend nach. Die Bundesregierung muss endlich einen gesetzlichen Rahmen schaffen, damit Unternehmen Ausbeutung und Umweltzerstörung nicht weiter in Kauf nehmen", sagt Johanna Kusch, Sprecherin der Initiative Lieferkettengesetz.

"Der Dammbruch der Eisenerzmine in der brasilianischen Gemeinde Brumadinho mit 272 Toten Anfang 2019 ist ein verheerendes Beispiel für Menschenrechtsverstöße im Rohstoff- und Energiesektor. Die schwere Mitverantwortung des deutschen TÜV Süd an dieser Katastrophe zeigt, dass Unternehmen Menschenrechte in ihren Auslandsgeschäften immer wieder missachten. Wirtschaft darf nicht töten, und zwar keinen einzigen Menschen. Ebenso müssen Opfer von Menschenrechtsverletzungen die Möglichkeit haben, Unternehmen gerichtlich zur Verantwortung zu ziehen, wenn nötig auch vor deutschen Zivilgerichten", fordert Pirmin Spiegel, MISEREOR-Hauptgeschäftsführer.

"Deutsche Supermarktketten tun im internationalen Vergleich besonders wenig für den Menschenrechtsschutz. Dabei verkaufen sie Produkte, für die Arbeiterinnen und Arbeiter mit Hungerlöhnen abgespeist und hochgiftigen Pestiziden ausgesetzt werden. Deutlich besser sind die Briten, unter anderem weil es dort ein Gesetz zu moderner Sklaverei gibt. Damit auch die deutschen Supermärkte echte Fortschritte machen, brauchen wir ein Lieferkettengesetz. Denn Leid und Ausbeutung dürfen keine Zutaten in unserem Essen sein", betont Marion Lieser, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland e.V.

"Der Amazonas steht in Flammen und viele Betroffene vor Ort verlieren ihre Lebensgrundlage. Zahlreiche Brände werden gelegt, um Platz für Soja als Tierfutter für die deutsche Massentierhaltung zu schaffen. Dies ist nur einer von vielen Fällen, in denen Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen Hand in Hand gehen. Wir brauchen in Deutschland endlich ein Lieferkettengesetz, damit Unternehmen weltweit Umweltstandards und die Menschenrechte einhalten", fordert Ernst-Christoph Stolper, stellvertretender Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

"Wirtschaftlicher Wettbewerb auf Kosten der Umwelt und auf Kosten fundamentaler Arbeitnehmerrechte ist unlauterer Wettbewerb. Die Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen sind nicht nur Menschenrechte und demokratische Grundprinzipien, sie sind vielmehr eine Grundvoraussetzung für menschenwürdige Arbeit und sozialen Fortschritt. Dem vorherrschenden globalen Geschäftsmodell des Umwelt- und Sozialdumpings muss Einhalt geboten werden. Ein Lieferkettengesetz wäre ein mutiger Beitrag dafür", sagt Frank Zach aus dem Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB).

Die Initiative Lieferkettengesetz wird getragen von: Arbeitsgemeinschaft der Eine Welt-Landesnetzwerke in Deutschland e.V. (agl), Brot für die Welt, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Christliche Initiative Romero e.V. (CIR), CorA-Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Forum Fairer Handel e.V., Germanwatch e.V., Greenpeace e.V., INKOTA-netzwerk e.V., Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V., Oxfam Deutschland e.V., SÜDWIND e.V., ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, WEED - Weltwirtschaft, Ökologie & Entwicklung e.V., Weltladen-Dachverband e.V., Werkstatt Ökonomie e.V.


Eiscreme ohne Urwaldzerstörung

Hinter vielen Alltagsprodukten stecken Kinderarbeit, Ausbeutung oder gerodete Wälder. Damit muss Schluss sein, fordert Greenpeace als Teil der Initiative Lieferkettengesetz.

Von Agneta Melzer, Greenpeace-Online, 10.9.19

Die Wälder in Brasilien brennen – und einer der Gründe ist Brandstiftung, damit die Flächen hinterher für die industrielle Landwirtschaft umgewidmet werden können. Indigene Gemeinschaften verlieren ihre Heimat, Tiere und Pflanzen sterben. Immer drängender fragen die Menschen auch hierzulande: Was können wir in Deutschland tun, wenn weltweit wertvolle Wälder brennen? Tragen wir nicht auch einen Teil der Verantwortung?

Auch deutsche Unternehmen sind immer wieder an Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung in anderen Teilen der Erde beteiligt, ohne dass sie dafür rechtliche Konsequenzen fürchten müssen. Damit muss Schluss sein – die Initiative Lieferkettengesetz, der sich Greenpeace angeschlossen hat, fordert darum ein Gesetz, das Unternehmen verpflichtet, Menschenrechte und Umwelt zu achten. Unternehmen sollen ein Mindestmaß an Sorgfalt aufbringen und beispielsweise Hinweise auf problematische Praktiken verfolgen. Zudem müssen sie die Lieferketten transparent machen, damit es nicht zu Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung kommt. Nichtregierungsorganisationen oder Gewerkschaften, aber zum Beispiel auch Geschädigte aus indigenen Gemeinschaften selbst sollen dann vor deutschen Gerichten gegen in Deutschland ansässige Firmen klagen können.

Verantwortung nicht auf Verbraucher*innen abwälzen

Selbst für informierte Verbraucher*innen ist oft schwer erkennbar, ob Produkte unter ausbeuterischen Bedingungen entstehen oder nicht. Es kann nicht ihre Aufgabe sein, das mühsam zu recherchieren und entscheiden zu müssen, denn Menschenrechte sind nicht verhandelbar - und Umweltschutz ist inzwischen überlebenswichtig für die Menschheit geworden. Freiwillige Selbstverpflichtungen reichen nicht - erst im Juni hatte Greenpeace beispielsweise nachgewiesen, dass globale Konzerne weit davon entfernt sind, ihre selbstgesteckten Ziele zum Waldschutz zu erreichen. Darum braucht es weltweit verbindliche Maßnahmen, direkt in den betroffenen Ländern ebenso wie in Importländern wie Deutschland.

Andere europäische Länder wie die Niederlande und Großbritannien haben bereits Gesetze zu den Produktionsbedingungen verabschiedet, etwa zum Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit. Etwas vergleichbares braucht es auch in Deutschland. Verantwortlich wirtschaftende Unternehmen hätten durch ein solches Gesetz nichts zu befürchten – Konsequenzen gibt es nur für die, die zu wenig Maßnahmen gegen Schäden an Mensch und Umwelt ergreifen. Und die – so fordert Greenpeace als Teil der Initiative Lieferkettengesetz – sollen dafür in Zukunft zur Verantwortung gezogen werden können.




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