AktuellGreenpeace-Schutzstation in Rumänien
Greenpeace startet Schutzstation für letzte Urwälder EuropasUmweltschutzorganisation fordert von rumänischer Regierung vorläufigen AbholzungsstoppGreenpeace Österreich Pressemitteilung, 9.8.16 Bukarest/Wien - Greenpeace-AktivistInnen aus zehn Ländern unter anderem aus Österreich haben eine Schutzstation im einem der letzten Urwälder Europas in den rumänischen Karpaten errichtet. Seit gestern dokumentieren sie südlich des Făgăraș Gebirges (Arges County) Teile der Waldregionen Rumäniens. Drei Wochen lang werden die AktivistInnen diesen einzigarten Naturschatz kartieren, damit er in Zukunft unter offiziellem Schutz steht. Gleichzeitig werden die UmweltschützerInnen Belege für die massive illegale Zerstörung der rumänischen Urwälder sammeln, die trotz gesetzlichen Verbotes voranschreitet. Von der rumänischen Regierung fordert Greenpeace einen vorläufigen Holzeinschlags-Stopp für alle potenziellen Urwaldgebiete. Österreich ist laut EUROSTAT international der größte Gesamtabnehmer von Holzwaren aus Rumänien. „Die letzten Urwälder Europas sind in Gefahr. Wir können es uns nicht leisten, diese Schatzkammer der Artenvielfalt zu verlieren“, erklärt Lukas Meus, Wald-Sprecher bei Greenpeace in Österreich. „Greenpeace will mit der Schutzstation auf die Einzigartigkeit und die Bedrohung der wilden Wälder Rumäniens aufmerksam machen.“ Korruption und unzureichende Kontrollen führten bislang in Rumänien zu einem groß angelegten Raubbau an den verbliebenen Wäldern, die Heimat von mehr als 33.000 Tierarten und der größten Braunbär-Population Europas sind. Die rumänische Regierung hat nun Mitte Juli dieses Jahres beschlossen, die verbliebenen Urwälder systematisch zu identifizieren und dauerhaft zu erhalten. Auch die Öffentlichkeit und NGOs sind aufgerufen, Wälder zu melden, die sich für die Aufnahme eignen. Im Zuge dieses Aufrufs werden Greenpeace-AktivistInnen und Wald-ExpertInnen Bäume vermessen, Baumarten erfassen und weitere Urwaldstrukturen dokumentieren. Auf Basis dieser Informationen werden sie diese Waldstücke für die Aufnahme in das offizielle Urwaldregister vorschlagen. „Zusätzlich wird ein Greenpeace-Team dokumentieren, wie die Urwälder der Region bereits gelitten haben. Dokumentierte Fälle von Illegalität werden den Behörden gemeldet“, so Meus. Mit der Waldschutzstation will Greenpeace den langfristigen Schutz der letzten Urwälder Europas vorantreiben. Neueste Untersuchungen von Greenpeace zeigen, dass offiziell rund 100 Fälle von illegalem Einschlag pro Tag registriert werden. In den Jahren 2013 und 2014 verschwand auf diese Weise erwiesenermaßen mindestens eine Million Kubikmeter Holz aus den Wäldern. Die Dunkelziffer könnte noch höher liegen. „Auch Österreich importiert große Mengen an Holz und Holzwaren aus Rumänien, im Jahr 2014 etwa waren es mehr als 500.000 Tonnen“, sagt Meus. „Wir möchten sichergehen können, dass für dieses Holz kein Urwaldbestand zerstört wird.“ Die jüngst gestartete Initiative der rumänischen Regierung ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, es muss allerdings schon jetzt die Notbremse gezogen werden. „Bis das Urwaldregister erstellt ist, muss die rumänische Umweltministerin Cristiana Pașca Palmer dafür sorgen, dass keine weiteren Urwälder gerodet werden. Ein vorläufiges Holzeinschlagsmoratorium für Urwaldpotenzial-Gebiete ist dringend notwendig, um Rumäniens wilde Wälder zu schützen“, fordert Meus abschließend. Das Wenige, das wir noch habenAuch in Europa gibt es noch Reste von Urwald. In Rumänien kartieren Umweltschützer ab heute Teile davon. Mit vor Ort: Greenpeace-Waldexpertin Gesche Jürgens.Von Michael Weiland, Greenpeace-Online, 9.8.16 Sie haben ihr Lager aufgeschlagen: Greenpeace-Aktivisten aus ganz Europa arbeiten ab heute in einem Waldstück südlich des Fagaras-Gebirges in den rumänischen Karpaten zusammen, um Schönheit und Zerstörung der verbliebenen rumänischen Urwälder zu dokumentieren. Gesche Jürgens, Greenpeace-Expertin für Wälder, ist ebenfalls vor Ort und erzählt im Interview, was den wilden Wald in den Karpaten so wertvoll macht für den Klimaschutz und als Symbol. Greenpeace: Was soll die Arbeit in der Waldschutzstation bewirken? Gesche Jürgens: Wir machen damit auf verschiedene Dinge aufmerksam. Zum einen, dass es in Rumänien überhaupt noch Urwälder gibt, und zum anderen, dass diese verbliebenen Reste von Holzeinschlag bedroht sind. Es gab vor wenigen Wochen die Entscheidung der rumänischen Regierung, diese Wälder tatsächlich zu schützen. Aber dieser Beschluss muss mit Leben gefüllt werden, deswegen sind wir vor Ort. Man könnte das, was da beschlossen wurde, vielleicht „Urwaldregister“ nennen. Dabei handelt es sich um eine Liste von Gebieten, die noch Urwälder oder nahezu Urwälder sind, und die nach und nach aufgefüllt werden soll. In diesen Wäldern darf dann nicht mehr gefällt werden. Dieser Prozess kann allerdings Jahre dauern und in der Zwischenzeit geht der Holzeinschlag weiter. Jeder kann für dieses Register Vorschläge machen. Deswegen wollen wir selbst Gebiete untersuchen und zur Aufnahme in diesem Katalog vorschlagen, sofern sie sich eignen. Dies prüfen wir anhand der offiziellen Kriterien. Wie sieht die tägliche Arbeit in den Wäldern aus? Wir bilden zwei Teams. Vereinfacht gesagt dokumentiert eines die Schönheit des Waldes, das andere seine Zerstörung. Zunächst wählen wir am Schreibtisch aus, welche Gebiete beispielhaft in Frage kommen, dann schauen wir vor Ort: Eignen die sich überhaupt noch für eine Kartierung? Lautet die Antwort ja, grenzen wir innerhalb dieses Gebiets repräsentativ verteilte Messflächen ab. Das ist dann jeweils ein halber Hektar, den wir uns vornehmen. Innerhalb dieser Markierung vermessen wir jeden Baum mit mindestens sieben Zentimetern Durchmesser, bestimmen die Art, und geben das alles in Geräte mit Satellitenortung ein. Das andere Team ist unsere mobile Einheit. Die haben einen Geländewagen und steuern systematisch Gebiete an, wo man schon aus der Luft sieht: Da ist was passiert. Die dokumentieren dann Holzstümpfe, Erosion, also wenn da zum Beispiel Hänge abgerutscht sind, und andere Spuren von verantwortungslosem Holzeinschlag im Wald. Die Forstindustrie geht zum Teil skrupellos vor. Wenn wir Gesetzesverstöße vermuten, werden wir die auch dokumentieren und den Behörden melden. Wie lange arbeitet Greenpeace schon zu Rumänien? Was wurde bislang erreicht? Greenpeace Rumänien arbeitet seit ungefähr fünf Jahren zum Thema Wald und hat sich dabei zu einem wichtigen Sprachrohr entwickelt. Der Beschluss für dieses Urwaldregister geht zum Beispiel auf eine Vereinbarung zurück, die Greenpeace im Februar gemeinsam mit der Regierung und anderen Umweltschutzorganisationen getroffen hat. Das geschah damals im Rahmen eines von uns organisierten Waldforums. Dann ist in Rumänien natürlich der illegale Holzeinschlag ein Riesenproblem. Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Reports veröffentlicht, in denen wir analysierten, wie viele Fälle gemeldet wurden und inwieweit ihnen nachgegangen wurde. Dadurch ist das Thema auf der Agenda nach oben gerückt: Mittlerweile sind einige staatliche Instrumente geschärft worden, um den Holzeinschlag besser zu überwachen. Greenpeace setzt sich auf der ganzen Welt für den Schutz der Urwälder ein. Was ist das Besondere an der Situation in Rumänien, wo es sich ja wirklich nur um eine vergleichsweise kleine Fläche handelt? Klar, wenn man sich die Urwälder im Amazonas, im Kongobecken oder in Russland und Kanada anschaut, sind das ganz andere Größenordnungen. Trotzdem sind die wilden Wälder in Rumänien enorm ganz wichtig. Denn wenn wir es in Europa nicht einmal schaffen, das Wenige zu erhalten, was wir an Urwäldern noch haben, dann lässt sich nur schwer vermitteln, wie das zum Beispiel in der Demokratischen Republik Kongo passieren soll. Wir brauchen diese Wälder aber, auch in Europa. Um die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wie es auf der Klimakonferenz in Paris beschlossen wurde, müssen wir auf Erneuerbare Energien umsteigen, ganz klar. Aber das alleine reicht nicht. Zum einen muss natürlich der weiterhin dramatische Waldverlust gestoppt werden, vor allem in den Tropen. Wir brauchen aber auch in unseren Breitengraden ein Umdenken - mehr natürliche Wälder, und ganz platt gesagt: auch wieder mehr Bäume in den Wäldern, damit sie dort CO2 binden. Um den Klimawandel aufzuhalten, müssen wir aktiv CO2 aus der Atmosphäre herausnehmen. Die Wälder sind so etwas wie natürliche CO2-Staubsauger und darum unsere besten Verbündeten in Sachen Klimaschutz. Wie sieht es mit dem Waldschutz in Deutschland aus? Ist der vorbildlich? Ganz sicher nicht. Wir nutzen fast alle unsere Wälder intensiv forstwirtschaftlich. Nur zwei Prozent davon sind überhaupt vor Holzeinschlag geschützt von der Bundesregierung beschlossen wurde eigentlich, dass es bis 2020 fünf Prozent sein sollen. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Wir exportieren daher eher die industrielle Ausbeutung der Wälder in andere Länder, statt selbst als Vorbild zu agieren. Dabei ist Greenpeace nicht gegen die Waldwirtschaft: Wir wollen diesen Rohstoff ja nutzen. Aber wir müssen weg von diesem kurzfristig orientierten Wirtschaftsmodell, das eine maximale Ausbeute vorsieht und dabei das Ökosystem überfordert. Die Waldnutzung und auch der Holzverbrauch müssen sich daran orientieren, was der Wald verkraften kann. Anders gesagt: Wir sollten den Wald so nutzen, dass er es möglichst wenig merkt. Davon kann derzeit keine Rede sein. Der Wald merkt es und zwar gewaltig! » zurück |
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