Aktuell


EU-Agrarpolitik (2)

Neue EU-Agrarpolitik: Rückschritt statt Aufbruch

BUND Pressemitteilung, 1.6.18

Berlin. Als "umwelt- und klimapolitischen Rückschritt" bezeichnet Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), die heute von der EU-Kommission vorgelegten Legislativvorschläge zur zukünftigen EU-Agrarpolitik nach 2020. Anstatt verbindliche Vorgaben für eine umweltfreundliche, bäuerliche Landwirtschaft Europas zu machen und die Bäuerinnen und Bauern auf diesem Weg zu unterstützen, bliebe die EU-Agrarpolitik (GAP) nahezu unverändert.

"Der heute vorgelegte Vorschlag ist enttäuschend und widerspricht den Biodiversitäts- und Klimaschutzzielen der EU", so Weiger. "Der BUND kritisiert, dass weiterhin die pauschale Flächenprämie gezahlt werden soll. Die Prämie unterstützt Großbetriebe, befördert Land Grabbing und erbringt keine gesellschaftliche und umweltpolitische Lenkungswirkung. Darum muss die pauschale Flächenprämie Schritt für Schritt abgeschmolzen und 2027 abgeschafft werden." Ein bescheidener Fortschritt sei der Vorschlag der EU-Kommission, einen jährlichen Maximalbetrag pro Betrieb einzuführen. "Die Zukunft der EU-Agrarpolitik liegt in einer zielgenauen Förderung und nicht im Gießkannenprinzip. Freigewordene Gelder müssen dafür eingesetzt werden, Agrarbetriebe dabei zu unterstützen, die Artenvielfalt zu erhalten, unsere Gewässer zu schützen und ihre Tiere besser zu halten. Leider hat es die Kommission verpasst, bereits jetzt diese überfällige und notwendige Weichenstellung einzuleiten", kritisiert Weiger.

Mit ihrem Legislativvorschlag verschiebe die EU-Kommission zudem die Verantwortung auf die EU-Mitgliedstaaten. Diese sollen nationale GAP-Strategiepläne erarbeiten und haben dabei von Seiten der Kommission einen großen Spielraum bekommen. Das birgt nach Einschätzung des BUND die konkrete Gefahr, dass es einen europaweiten Unterbietungswettbewerb im Umwelt- und Naturschutz geben wird. "Es ist unbedingt notwendig, einen festen Budgetanteil für die Umwelt und Klimaprogramme – die so genannten Eco Schemes – in Höhe von 30 Prozent einzuplanen. Zusätzlich muss die Kommission effektive Sanktionen einführen, wenn die Mitgliedstaaten die EU-Ziele nicht erfüllen", so der BUND-Vorsitzende weiter. "Es ist gut, dass die EU-Kommission nun vorschreibt, dass die Eco Schemes verpflichtend in jedem Mitgliedstaat eingeführt werden müssen. Der BUND erwartet daher von der Bundesregierung ambitionierte Programme für Umwelt- und Klimaschutz, die den Landwirtinnen und Landwirte Anreize geben, mehr gesellschaftliche Leistungen zu erbringen. Ohne attraktive Programme wird das Artensterben in der Agrarlandschaft unvermindert weitergehen."

Zum Hintergrund:

Die Europäische Kommission hat heute ihre Pläne für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) vorgestellt. Dieser Vorschlag kommt einen Monat nach Vorlage des Entwurfs des EU-Haushalts für den Zeitraum 2021 bis 2027. Beide hängen eng zusammen, da die EU rund 40 Prozent ihrer Mittel für den Agrarsektor ausgibt. Nach diesem Vorschlag sollte die GAP 2021 bis 2027 über Mittel in Höhe von 365 Milliarden Euro verfügen. Im Vergleich zum vorherigen Finanzierungszeitraum wird das GAP-Budget um etwa fünf Prozent reduziert. Der Vorschlag der Europäischen Kommission wird nun mit dem Europäischen Parlament und den Mitgliedstaaten diskutiert. Dieser Prozess wird nach Einschätzung des BUND erst deutlich nach den im Mai 2019 geplanten Europa-Wahlen beendet sein.


NABU: GAP-Pläne der EU-Kommission sind ein Drama für die Artenvielfalt

Tschimpke: Merkel und Klöckner müssen dafür sorgen, dass für den Naturschutz ausreichend Mittel bereitgestellt werden

NABU Pressemitteilung, 1.6.18

Berlin/Brüssel – Die EU-Kommission hat heute ihre lang erwarteten Gesetzesvorschläge für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) vorgelegt. Das Kernstück der Reformvorschläge sieht eine massive Renationalisierung der Entscheidungskompetenz über die Agrarsubventionen vor. Fördergelder für den Naturschutz werden noch immer nicht ausreichend bereitgestellt, obwohl hier eklatanten Finanzierungslücken bestehen.

Dazu NABU-Präsident Olaf Tschimpke: „Die Pläne der EU-Kommission sind ein Drama für die Artenvielfalt. Sie ignorieren auf geradezu groteske Weise eine dringend erforderliche Zweckbindung von Geldern für den Naturschutz. Mit der GAP wird sich eine neue Welle von Subventionen für umweltschädliche und ineffiziente Formen der Landwirtschaft über die Landschaft ergießen. So können die Veränderungen nicht angegangen werden, die die Landwirtschaft in Europa dringend braucht für eine nachhaltige Zukunft. Die EU-Kommission zeigt mit diesen Vorschlägen, dass sie nicht vorhat, entschieden gegen den vielfach wissenschaftlich belegten dramatischen Verlust der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft vorzugehen. Es werden keine zweckgebundenen Gelder für das europäische Schutzgebietsnetzwerk Natura2000 bereitgestellt. Das dringend nötige Umsteuern zu einer nachhaltigeren Landnutzung ist mit diesen Vorschlägen jedenfalls nicht möglich.

Mitgliedsstaaten und EU-Parlament müssen jetzt ran, um die Artenvielfalt vor dem Kollaps zu retten. Frau Merkel, Frau Klöckner und die deutschen EU-Parlamentarier müssen sicherstellen, dass auf europäischer Ebene genügend Geld für den Naturschutz zur Verfügung steht, dass die Landwirtschaft mit einer fundamentalen Umgestaltung beginnen kann und dass das Konsumverhalten nachhaltiger ausgerichtet wird. Es ist höchste Zeit, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger in der Agrarpolitik der EU durchzusetzen.“


Bauer sucht Zukunft

Fehlende Gradlinigkeit: EU-Kommission legt Reformpläne für Europäische Agrarpolitik vor

WWF Pressemitteilung, 1.6.18

Die EU-Kommission hat am Freitag ihre Reformpläne für die zukünftige Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) veröffentlicht. Gepaart mit den offiziellen EU-Haushaltsplanungen für die Zeit nach 2021 lassen diese Vorschläge nach Ansicht des WWF Deutschlands eine Fortsetzung der schizophren Landwirtschafts- und Subventionspolitik befürchten.

„Die EU-Kommission preist mit blumiger Prosa die Bedeutung einer gesunden Natur und funktionierender Ökosysteme. Doch jenseits der Fiktion gräbt sie ihr das Wasser ab. Echten Veränderungswillen lassen die Vorschläge vermissen“, kritisiert Jörg-Andreas Krüger, Direktor Ökologischer Fußabdruck beim WWF Deutschland. Die Vorschläge der EU-Kommission bezeichnete der WWF als „eine Täuschung“. Klima- und Umweltschutzziele dienen demnach als Rechtfertigung für hohe Agrarzahlungen, jedoch wird aus den vorgeschlagenen Förderprogrammen nicht klar, wie dieser Anspruch erfüllt werden soll. So werden zwar Umweltprogramme im Direktzahlungssystem verpflichtend, bei der ausreichenden Finanzierung kneife die Kommission allerdings. Erschwerend kommt hinzu, dass die bereits angekündigten Kürzungen im EU-Agrarbudget zulasten der ohnehin unterfinanzierten Agrar- und Umweltprogramme gehen sollen.

„Die europäische Agrarpolitik braucht Lösungen, die das Wohl von Umwelt und Landwirten verbinden. Betriebe, die vom heutigen System zwar stark wirtschaftlich profitieren, aber wenig zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele beitragen, sollten in Zukunft weniger staatliche Unterstützung bekommen. Landwirte, die hingegen die Umwelt und unsere Kulturlandschaft schützen, müssen dafür endlich gerecht entlohnt werden“, so Krüger.

Der WWF appelliert nun an die EU-Parlamentarier, die Reform auf ihrem Weg durch die Institutionen zukunftssicherer und nachhaltiger zu gestalten: „Das EU-Parlament muss ein Mindestbudget für Umweltmaßnahmen auch in der sogenannten ersten Säule festlegen, um die EU-Umweltziele zu erreichen. Nur so können die einzelnen Mitgliedsländer dazu verpflichtet werden, regional angepasste Umweltprogramme umzusetzen.“ Mit einer Kampagne will der WWF Wählerinnen und Wähler in Europa für eine Änderung der Reform mobilisieren.

Konkret fordert der WWF, dass die jährlichen Umweltprogramme mit mindestens 30 Prozent in der ersten Säule der GAP ausgestattet und qualitativ weiterentwickelt werden. Nur so kann vermieden werden, dass die 27 Mitgliedsstaaten weiterhin den Löwenanteil als Flächenprämie vergeben, anstatt diese Direktzahlungen an Nachhaltigkeitskriterien zu koppeln. Weiterhin ist ein wirkungsvoller Sanktionsmechanismus notwendig, wenn Ziele von Mitgliedsstaaten nicht erreicht werden. „Wir brauchen bei den Agrarsubventionen endlich das festgeschriebene Prinzip: Qualität vor Quantität. Eine Mittelumverteilung von Geldern aus Agrarumweltmaßnahmen und der Ländlichen Entwicklung aus der zweiten Säule in die Direktzahlungen darf es nicht geben“, so Krüger.


Falschgeld

Die EU stellt die Weichen für die Agrarpolitik des nächsten Jahrzehnts. Aktivisten fordern von Deutschland, den ökologischen Umbau endlich voranzutreiben.

Von Anja Franzenburg, Greenpeace-Online, 1.6.18

Agrarunternehmen, die auf riesigen Äckern Mais und anderes Getreide für Biogasanlagenanbauen. Investoren, die als Geldanlage in Ostdeutschland enorme Flächen aufkaufen. Betriebe, die Sauen so schlecht halten, dass sie sogar gegen die ohnehin laschen Haltungsvorgaben verstoßen. Sie alle erhalten Geld: EU-Subventionen, bereitgestellt aus Steuergeld. 60 Milliarden Euro sind es insgesamt, sechs Milliarden davon wandern nach Deutschland.

Eine vierköpfige Familie in Deutschland zahlt also umgerechnet jährlich rund 300 Euro allein für die Agrarsubventionen. Doch gibt es eine gesellschaftliche Akzeptanz dafür, dass ein Sauenhalter wie Gut Thiemendorf jährlich 107.000 Euro bekommt? Greenpeace hatte den Massenbetrieb in Thüringen angezeigt, weil er seine Tiere in gesetzeswidrig engen Ständen hält.

Heute hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Agrarreform veröffentlicht. Reform? Eigentlich bleibt alles beim Alten: Ökologische Leistungen sollen weiterhin kaum honoriert, Gelder nach wie vor fast ausschließlich an die Größe des Betriebes gebunden werden – nämlich 4,8 von den sechs Milliarden. „So wird auch die neue EU-Landwirtschaftspolitik Familienbetriebe und Artenvielfalt weiter zerstören“, kritisiert Martin Hofstetter, Greenpeace-Experte für Landwirtschaft. „Unsere Steuergelder sollten an ökologisch orientierte Betriebe fließen, die sich dem Gemeinwohl mit einer besseren Tierhaltung und mehr Klima- und Artenschutz verpflichtet fühlen.“ Dafür müsse sich Deutschland bei den anstehenden Agrarverhandlungen einsetzen.

Schädliche Subventionen in den Schredder

Als Zeichen dafür, wie sinnfrei die für Deutschland bestimmten sechs Milliarden Euro verteilt werden, haben Greenpeace-Aktivisten zusammen mit Landwirten der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) einen Schredder aufgestellt. Dieser zerreißt symbolisch vor der Tür des Landwirtschaftsministeriums in Bonn umweltschädliche Subventionen. Drinnen stellt Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) in einer Pressekonferenz besagten Agrarreform-Vorschlag aus Brüssel vor.

„Seit Jahren liegen der Bundesregierung Berichte über die negativen Folgen außerlandwirtschaftlicher Investitionen vor“, sagt Georg Janßen von der AbL. „Die Bodenpreise steigen, der Umweltschutz leidet und dörfliche Strukturen werden zerstört. Viele Unternehmen sanieren sich mit Subventionen, die eigentlich in die landwirtschaftliche Erzeugung fließen sollten“, so Janßen.

Mit Subventionen gegensteuern

Stattdessen müssten umwelt- und klimaschonende Leistungen der Bauern belohnt werden: Vielfältige Fruchtfolgen etwa, die für gesunde Böden sorgen, die deutlich mehr CO2 speichern als ausgelaugte Mais-Monokulturen. Der Erhalt von Wiesen, Weiden und Hecken bietet Tieren wie Insekten und Vögeln einen Lebensraum.

Wie dringend notwendig der ökologische Umbau ist, haben Wissenschaftler in der vergangen Woche erneut belegt. Unter dem Titel „Der stumme Frühling“ zeigen sie, wie eine industrielle chemieintensive Landwirtschaft das Artensterben beschleunigt. „Wir befinden uns mitten in einer tiefen ökologischen Krise: Bienen und Insekten, Vögel und Schmetterlinge verschwinden, unser Trinkwasser wird durch Gülleüberdüngung aus der Intensivtierhaltung bedroht“, so Hofstetter. „Da kann man nicht einfach weitermachen wie bisher.“




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