Aktuell


Bilanz Klimagespräche in Bonn (2)

Nachlese: Grüße vom Klimastern

Von Stefan Krug, Greenpeace-Online, 9.8.10

Es ist schon verrückt: in Russland toben Jahrhundertfeuer, die weltweiten Messstationen melden Hitzerekorde, und in Pakistan versinken die Menschen in Regenfluten. Aber bei der Klimakonferenz in Bonn, ist von einer Notsituation nichts zu spüren. Das Weltklima scheint verrückt zu spielen, aber im klimatisierten Hotel Maritim geht das Geschachere um einen Welt-Klimavertrag weiter wie bisher: ergebnislos. Es ist ein Paralleluniversum, in dem 3.000 Teilnehmer und Delegierte aus 197 Ländern versuchen, zu Ergebnissen zu kommen, und zugleich zu wissen, dass einige Länder diese Ergebnisse gar nicht wollen - oder zumindest jetzt noch nicht.

Einen neuen Klimavertrag sollte es schon vor acht Monaten in Kopenhagen geben, doch das scheiterte auf ganzer Linie. Obama sagte, erst müsste er zuhause sein Klimagesetz durchbringen, solange möge man bitte noch warten. Die Europäer sagten, sie könnten ihren CO2-Ausstoß in den nächsten zehn Jahren nicht nur um 20, sondern sogar um 30 Prozent reduzieren - aber nur, wenn die USA und andere Große vergleichbar reduzieren. Und Chinesen und Inder sagten, Verpflichtungen kämen für sie als Schwellenländer erst einmal nicht in Frage, und lehnten selbst Langfristziele für Industriestaaten ab.

Acht Monate später ist klar: auf die Amerikaner wird man noch lange warten. Obamas Klimagesetz ist gescheitert, die USA haben nichts zu bieten. Einem neuen Kyoto-Protokoll treten sie ohnehin nicht bei, und sie werden sich international auf kein CO2-Ziel festlegen lassen. Damit bewegt sich auch die EU erst einmal nicht weiter, in der Polen und Italiener ohnenhin ehrgeizigere Klimaziele ablehnen. Und China kann, ebenso wie viele Entwicklungsländer, noch entspannter auf seiner harten Haltung bestehen.

Dabei sah es am Montag bei der Bonn 3, der nunmehr dritten Vorbereitungskonferenz für die große Klimakonferenz Ende November im mexikanischen Cancun, noch ganz gut aus. Letztes Jahr waren es um diese Zeit noch 200 Seiten Verhandlungstext gewesen, jetzt lag ein schlanker 50-Seiten-Entwurf vor. Und fast alle Länder betonten, dass sie jetzt endlich mit Verhandlungen beginnen wollen. Doch jetzt, am Ende der Konferenz, ist der Text wieder um Dutzende neue Seiten aufgebläht, und nicht wenige packen Forderungen hinein, auf deren Streichung man sich vor Kopenhagen geeinigt hatte.

Dazu kommen die üblichen Absurditäten: Ölstaaten wie Saudi Arabien wollen entschädigt werden für den Fall, dass sie durch Klimaschutz weniger Öl verkaufen. Einzelne Entwicklungsländer fordern astronomische Summen von den Industriestaaten als Entschädigung. Die Industriestaaten ihrerseits bieten CO2-Ziele, mit denen sich die Temperatur in diesem Jahrhundert auf drei bis vier Grad erhöhen würde, obwohl sie alle vollmundig das 2-Grad-Ziel als oberste Grenze beschwören. Ob und wie es eine Fortsetzung des Kyoto-Protokolls geben wird, das 2012 ausläuft, steht in den Sternen.

In Cancun Ende des Jahres sollen eigentlich die Bausteine eines neuen Klimavertrages beschlossen werden: ein neuer Weltklimafonds zum Beispiel, der Geld für Klimatechnik und Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern finanziert. Oder Regeln, wie man Länder dafür entschädigen kann, dass sie ihre Urwälder nicht abholzen. Wenigstens diese Bausteine will man erreichen, wenn schon die großen Fragen erst einmal nicht politisch gelöst werden können. Doch die Verhandlungen in Bonn haben auch hier fast keine Fortschritte gebracht, allenfalls hier und da kleine Annäherungen in Detailfragen.

Fünf Tage Verhandlungen wird es nur noch im Oktober in China geben, dann stehen zwei Wochen in Cancun bevor. Wenn es so weiter geht, werden die Flugreisen der Delegierten mehr CO2 ausstoßen als durch die Klimaverhandlungen eingespart wird.


Klimagespräche im Schneckentempo

WWF: Regierungen müssen bei UN-Verhandlungen Tempo aufnehmen

WWF Pressemitteilung, 6.8.10

Berlin/ Bonn - Die UN-Klimagespräche in Bonn gehen heute mit wenig Fortschritt zu Ende, erklärt der WWF. „Die Verhandlungen wurden diesmal Großteils hinter verschlossenen Türen geführt, diese Taktik hat den Prozess aber nicht vorangebracht“, erklärt Barbara Lueg, Referentin für internationale Klimapolitik beim WWF Deutschland. Die Diskussion über die Vermeidung von Entwaldung in Entwicklungsländern habe beispielsweise sogar Rückschritte gemacht und wurde polarisierter geführt als zuvor. „Ein derartiges Schneckentempo wird dem Problem nicht gerecht. Die Verhandlungen müssen so kurz vor Cancun endlich Fahrt aufnehmen“, so Lueg.

Vor der nächsten Klimakonferenz in Cancun im Dezember kommen die Delegierten nur noch einmal im Oktober in China in Tianjin für eine Woche zusammen. Die Zeit sei zu knapp bemessen, um Diskussionen wieder von vorne aufzurollen. So habe man sich in Kopenhagen beispielsweise in Bezug auf Mechanismen zur Vermeidung von Entwaldung (REDD) bereits weitgehend geeinigt, in Bonn wurde jedoch wieder über einzelne Wörter und Definitionen diskutiert.

Die Regierungen müssten von dem bisherigen „Alles oder Nichts“-Ansatz bei den Klimaverhandlungen weg kommen und stattdessen in einzelnen wichtigen Kernthemen, wie Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel, Schutz vor Abholzung in Entwicklungsländern, Technologietransfer und Finanzierungshilfen für Entwicklungsländer, vorwärts kommen.


Klimakollaps: Nehmen Wetterextreme zu?



Von Beate Steffens, Greenpeace-Online, 9.8.10


Lesen Sie hier ein Interview mit unserem Klimaexperten Karsten Smid. Vor Grönland bricht ein riesiger Eisberg vom Petermann-Gletscher ab, in Russland toben Jahrhundertfeuer, die weltweiten Messstationen melden Hitzerekorde, und in Pakistan versinken die Menschen in Regenfluten. Lesen Sie zu den Wetterextremen ein Interview mit unserem Klimaexperten Karsten Smid.

Online-Redaktion: Wir erleben im Moment weltweit Extremwetterereignisse. Hat das mit dem Klimawandel zu tun?

Karsten Smid: Die extreme Dürre und Hitzwelle in Russland, die verheerende Brände auslöst, Starkniederschläge mit gewaltigen Überschwemmungen in Pakistan, Indien und China, auch im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien heftige Regenfälle und Überschwemmungen. Eine Zunahme von Extremereignissen ist genau das, was uns die Klimawissenschaftler immer vorhergesagt haben.

Online-Redaktion: Gibt es einen direkten Zusammenhang zwischen den aktuellen Katastrophenmeldungen und der Klimaerwärmung?

Karsten Smid: Ein Einzelereignis kann niemals einen Beweis für die Klimaerwärmung liefern. Extremwetterereignisse werden aber in Folge des Klimawandels häufiger und heftiger auftreten. Die aktuellen Extremwetterereignisse sind ein Vorgeschmack dessen, was wir in Folge der Klimaerwärmung zukünftig zu erwarten haben. Die Klimaerwärmung geht mit einer Häufung von extremen Wettereignissen einher.

Online-Redaktion: Gehört dazu auch die extreme Hitze in Russland, rund um Moskau?

Karsten Smid: In Moskau war es der heißeste Juli seit 130 Jahren. Die Temperaturen stiegen auf bis zu 40-Grad-Celsius. Das hat es nach Angaben des Wetterdienstes seit Beginn der Wetterbeobachtung in Moskau noch nicht gegeben. Durch die wochenlange Trockenheit fingen die Wälder rund um Moskau Feuer und brennen wie Zunder. Die Glut der Feuersbrunst hat sich tief in die Torfböden eingefressen, so dass sich die Lage so schnell nicht entspannen wird. Der beißende Rauch des Smogs hat ganz Moskau eingehüllt.

Bei den Bränden entstehen große Mengen Kohlendioxid, Methan und Stickoxide. Bei Torfbränden werden noch weitaus höhere Mengen an Treibhausgasen frei, als bei Waldbränden, da sich im Torf über Jahrtausende Biomasse, und damit Kohlenstoff, angesammelt hat. Das heizt den Treibhauseffekt weiter an. Verstärkt wurde der Effekt natürlich durch die Trockenlegung der Moore und der Auflösung der russischen Naturschutzbehörde.

Online-Redaktion: Wie hängt die extreme Hitze in Moskau mit den Regenfällen in Sachsen zusammen?

Karsten Smid: Bei dem extremen Hoch über Russland muss es auch irgendwo ein Tief geben. Dieses Tiefdruckgebiet liegt gerade über Sachsen.

Online-Redaktion: In Sachsen spricht man schon wieder von einer Jahrhundertflut?

Karsten Smid: Das war ein Sturzregen, der lokal zu enorme Niederschlagsmengen geführt hat. Allein in Neukirchen in Sachsen fielen 160 Liter pro Quadratmeter. Die Pegel der Flüsse sind rasend schnell angestiegen. Kleine Bäche wurden plötzlich zum reißenden Strom. Eine Jahrhundertflut, so sagt es dass Wort ja schon, ist ein Ereignis, dass einmal in hundert Jahren auftritt. Nach dem Oderhochwasser 1997, der Jahrhundertflut 2002 in Sachsen ist das jetzt nach 8 Jahren schon wieder ein Extremereignis, wenn auch sicher lokal begrenzter. Eines ist aber klar: Die Häufigkeit und Intensität von solchen Niederschlagsereignissen nimmt mit der Klimaerwärmung zu.

Online-Redaktion: Woran liegt das?

Karsten Smid: Mit der Erwärmung steigt die Intensität des Verdunstungskreislaufs. Warme Meere führen dazu, dass sich die Wolken richtig mit Wasser vollsaugen können. Diese regnen dann über dem Festland ab. Der verstärkte Verdunstungskreislauf führt zu höheren Regenmengen und stärkeren Regenfällen an Land.

Online-Redaktion: Gilt das auch für die Mosun-Regenfälle, die in Pakistan gewütet haben?

Karsten Smid: Ja. Während der Monsun im Sommer Wassermassen bringt, leidet Pakistan den Rest des Jahres unter Wasserknappheit. Vor allem die Landwirtschaft ist auf die Bewässerung aus Flüssen angewiesen, die Menschen bauen ihre Häuser daher meist in Flussnähe. Regenfälle wie derzeit in Pakistan hat es nach Angaben von Meteorologen seit 80 Jahren in diesem Teil der Welt nicht mehr gegeben.

Die gigantische Wassermassen bedrohen nach Schätzungen der Vereinten Nationen mehr als 4,5 Millionen Menschen. Brücken sind eingestürzt, Dörfer wurden von den Fluten fortgerissen. Über 1.600 Menschen sind bei der schlimmsten Flutkatastrophe in der Geschichte des Landes bereits ums Leben gekommen. Während die Flut in der am schwersten betroffenen Provinz Khyber-Phaktunkhwa im Nordwesten des Landes vorerst ihren Höhepunkt erreicht hat, fließen die Wassermassen zur Zeit Richtung Süden ab. So ist fast das ganze Land betroffen.

Online-Redaktion: Hat das auch ökonomische Auswirkungen?

Karsten Smid: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt Alarm und warnt vor den ökonomischen Folgen. Extreme Klimaereignisse können enorme volkswirtschaftliche Schäden verursachen. An den Rohstoffbörsen steigt der Preis für Weizen. Erwartet werden massive Ernteeinbußen durch anhaltende Trockenheit in Russland und Kasachstan. Auf Grund der zu erwartenden Ernteausfälle mussten die weltweiten Weizenlagerbestände bereits nach unten korrigiert werden.

Online-Redaktion: Ist das ein Denkzettel für den gescheiterten Klimagipfel in Kopenhagen?

Karsten Smid: An höhere Mächte glaube ich nicht. Aber die Politik muss erkennen, dass ein ambitioniertes Klimaabkommen so schnell wie möglich auf den Weg gebracht werden muss. Es ist sinnvoller jetzt Geld für wirklichen ehrlichen Klimaschutz zu investieren, als in Zukunft immer wieder für die Folgen von Klimaextremen zahlen zu müssen. Die Politik muss verstehen, dass solche Extremereignisse auch in Zukunft technisch nicht beherrschbar sein werden. Verstärkter Klimaschutz und Investitionen in Erneuerbare Energien zahlen sich langfristig aus. Wir müssen es aber heute tun, damit wir in den kommenden Jahrzehnten etwas bewirken.




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