Klimagelder und Korruption
Transparency Deutschland und Germanwatch fordern ambitionierten und dafür
korruptionssicheren Klimaschutz
Gemeinsame Pressemitteilung von Transparency Deutschland und Germanwatch, 2.5.11
Berlin - Die Antikorruptionsorganisation Transparency
International Deutschland hat heute in Berlin gemeinsam mit Germanwatch den
jährlichen Globalen Korruptionsbericht, in diesem Jahr mit dem
Schwerpunktthema Klimawandel, vorgestellt. In verschiedenen Themenbereichen
wie Emissionshandel, Anpassungsmaßnahmen und Abholzung wird analysiert, wie
Vertrauen und Integrität in die Maßnahmen der Klimapolitik gesichert werden
können.
Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland: "Wir müssen unser
Klima schützen, aber wir müssen auch Glaubwürdigkeit und die Investitionen
in den Klimaschutz schützen, damit sie vollumfänglich Wirkung zeigen können.
Verlässliche und transparente Verfahren zur Kontrolle der Finanzflüsse sowie
die Überprüfung und Einhaltung von Verpflichtungen sind notwendig, um auf
Dauer die Akzeptanz der Gesellschaft, Verbraucher und Steuerzahler für den
notwendigen Übergang zu erhalten".
Die Regierungen der Industrieländer haben versprochen, die Finanzierung für
Klimamaßnahmen bis zum Jahr 2020 bis zu 100 Mrd. US-Dollar jährlich zu
erhöhen. Viele dieser Gelder werden in Länder fließen, die im
Korruptionswahrnehmungsindex von Transparency auf den hinteren Plätzen
rangieren. Gerade Mittel für Anpassungsmaßnahmen werden meist für
Infrastrukturprojekte genutzt, die als besonders korruptionsanfällig gelten.
Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch, kommentiert angesichts
des nächsten UN-Klimagipfels im südafrikanischen Durban am Ende dieses
Jahres: "Entscheidend sind die Integrität und das Vertrauen in die
Mechanismen und die Finanzierung der dringend erforderlichen neuen globalen
Klimaarchitektur. Insofern wäre Korruption eine erhebliche Gefährdung für
die Einhaltung des in Cancun von der Weltgemeinschaft beschlossenen
2-Grad-Limits".
Transparency Deutschland und Germanwatch fordern im Einzelnen:
- Berichtswesen: Ein transparentes Berichtswesen in Deutschland und in der
EU über Höhe, Umfang und Verwendung deutscher Finanzbeiträge in bilateralen,
multilateralen und sonstigen Finanzmechanismen für Maßnahmen der
Treibhausgasreduktion sowie der Anpassung ist notwendig. Auch auf der
UNFCCC-Ebene muss ein transparentes Register aufgebaut werden, bei dem auch
Entwicklungsländer berichten, was sie als Klimafinanzierung empfangen haben.
- unabhängige Sachverständige: Ein Höchstmaß an Unabhängigkeit der
Sachverständigen, die Maßnahmen, insbesondere im Rahmen des "Clean
Development Mechanismus" zertifizieren, muss sichergestellt werden.
Notwendig ist hierfür eine unabhängige Finanzierung der Sachverständigen aus
einem Fonds, in den Projektbetreiber einzahlen, anstelle der bestehenden,
direkten Bezahlung durch die Projektantragsteller.
- betrugssicheres Emissionshandelssystem: Der Schutz der Konten und der
Transaktionen des Europäischen Emissionshandelssystems (EU-ETS) gegen
Umsatzsteuerbetrug, Phishing, Diebstahl von Emissionsrechten sowie
Geldwäsche muss erhöht werden. Die Kontoeröffnung und -führung sowie der
Handel mit Emissionszertifikaten sollte europaweit wirksamer kontrolliert
werden.
- Internationale Regeln zur Rohstoffgewinnung: Die Bundesregierung sollte
sich auf internationaler Ebene dafür einsetzen, einer neuen Form von
Kolonialismus einen Riegel vorzuschieben. Im Blickpunkt stehen Verträge von
Unternehmen mit nicht selten korrupten Regierungen zur Sicherung großer
Landflächen in der Dritten Welt, für den Anbau von Ölpflanzen, zur Abholzung
von Wäldern sowie für den Abbau wichtiger Mineralien, wie z.B. Lithium. Im
Rahmen des sogenannten Dodd-Frank Gesetzes wird in den USA zukünftig eine
Offenlegung von Zahlungen beim Rohstoffabbau verlangt. Die Bundesregierung
sollte auf EU-Ebene auf vergleichbare Standards drängen. Zudem sollte sie
eine Initiative Frankreichs beim nächsten G 20-Gipfel unterstützen, die auf
eine Mitgliedschaft aller G 20-Länder in der "Extractive Industries
Transparency Initiative"- EITI - zielt.
- Integritätsvorkehrungen beim vieldiskutierten Desertec-Projekt:
Vorkehrungen zur Vermeidung von Korruption und Bereicherung einzelner
Akteure in der Region sind dringend notwendig. Edda Müller, Vorsitzende von
Transparency Deutschland: " Ich empfehle dem Desertec-Konsortium, sich
einmal genau die von Transparency International durch Integritätspakte
abgesicherten Großprojekte anzuschauen. Wir brauchen bei
Infrastrukturvorhaben in dieser Größenordnung in gleicher Weise hohe
Transparenz, eine Einbeziehung der Zivilgesellschaft und Verträge und
Preise, die über Wettbewerb zustande kommen."
- Transparenz von Lobbyeinfluss beim Klimaschutz: Die Einbeziehung der
Industrietreibhausgase HCFC 23 und N2O in den Clean Development Mechanismus
muss beendet werden, u.a. durch Kontrolle und Offenlegung des
Lobbyeinflusses von Wirtschaftskreisen in Brüssel. Edda Müller, Vorsitzende
von Transparency Deutschland: "Die Industrie konnte, offensichtlich mit
hohem Lobbydruck, die Anrechenbarkeit von HCFC 23 CER -
Emissionsreduktionsrechten auf die Emissionsreduktionsverpflichtung im
Rahmen des EU-ETS verlängern. Dies zeigt einmal mehr, wie wichtig eine
wirksame Kontrolle und Offenlegung des Lobbyeinflusses in Brüssel ist. Das
verpflichtende Lobbyregister für den Zugang zum Europäischen Parlament und
zur EU-Kommission muss endlich Wirklichkeit werden".
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