Aktuell


Klima und Hunger

Klimawandel beeinflusst die Lebensmittelpreise

Von Beate Steffens, Greenpeace-Online, 12.7.12

Bei uns ist das Wetter schlecht, in anderen Teilen der Welt katastrophal. So gesehen geht es uns noch gut. Doch auch hierzulande sind die Landwirte unsicher, wie sich die Ernte entwickeln wird.

In einigen Teilen Deutschlands wurde mit der Getreideernte bereits begonnen. Doch regnerisches Wetter, Hagelschlag und teilweise Überschwemmungen machen es den Bauern nicht leicht, die Ernte einzufahren.

An den Weltagrarbörsen gehen derweil die Preisnotierungen für Mais, Weizen und Raps steil nach oben. Bis vor wenigen Wochen hatte man noch mit ausreichenden Ernten weltweit gerechnet, doch inzwischen sieht die Lagen ganz anders aus.

Hitze und lang andauernde Trockenheit in den USA sowie die Überschwemmungen in der russischen Kornkammer am schwarzen Meer lassen befürchten, dass die weltweite Getreideernte deutlich niedriger ausfällt als erwartet.

Wissenschaftler erwarten mehr Extremwetterereignisse und Dürren

Die derzeitige Trockenheit in den USA ist nur die jüngste Episode von unzähligen Extremwetterereignissen in den vergangenen Jahren. Sie könnte aber zusammen mit anderen wetterbedingten Ernteausfällen in anderen Ländern dramatische Folgen haben.

Davon betroffen sind vor allem Menschen mit geringem Einkommen, die einen großen Anteil ihres Geldes für Lebensmittel ausgeben müssen. Entwicklungsländer, die ihre eigene Landwirtschaft in den vergangenen Jahrzehnten vernachlässigt haben oder durch den Klimawandel Ernteeinbußen erleben, sind besonders von steigenden Weltmarktpreisen betroffen.

Aber auch andere Faktoren heizen das Problem an. So ist die industrielle Landwirtschaft mit ihren Monokulturen und wenigen Anbaufrüchten deutlich anfälliger gegenüber Trockenperioden als bäuerliche Mischkulturen. Und der steigende Run auf Ackerfläche führt in vielen Entwicklungsländern zu Landgrabbing. Statt die heimische Bevölkerung zu ernähren, wird der Ackerboden verkauft oder langfristig an Banken oder fremde Staaten verpachtet.

Denen geht es einzig um ihren kurzfristigen Profit und sie verdienen noch an der Not der Menschen. Auf den Flächen werden dann gewinnbringende Biospritpflanzen oder Futtermittel für den Export produziert, anstatt die heimische Bevölkerung mit regionaler Ware zu versorgen. Die Anzahl und Höhe der Preisausschläge erklärt sich auch daraus, dass die Agrarpreise zusätzlich durch Nahrungsmittelspekulanten angeheizt werden.

Greenpeace fordert daher:
  • Die Ursachen für die immer häufigeren Lebensmittelkrisen und Ungerechtigkeit in der Versorgung müssen an den Wurzeln bekämpft werden.
  • Der Ausstoß an Klimagasen muss drastisch reduziert werden, um die Auswirkungen des Klimawandels zu begrenzen.
  • In der Landwirtschaft müssen ökologische, klimafreundliche und die regionale Bevölkerung versorgende Anbausysteme vorrang haben.
  • Food first: der Einsatz von Biokraftstoffen muß der globalen Lebensmittelversorgung untergeordnet und eng begrenzt werden. In Industrieländern muss mit geeigneten Schritten der Fleischverzehr reduziert werden.
  • Lebensmittelspekulationen jenseits der Preisabsicherung der realen Warenwirtschaft müssen verboten werden.
Weitere Informationen zu Lebensmittelspekulationen finden sie auf den Seiten der Food and Agriculture Organisatin (FAO) der Vereinten Nationen (engl.). Zum Thema Klimawandel und Wetterextreme finden Sie mehr Informationen bei Greenpeace International (engl.).


„Unser Konsumverhalten muss sich drastisch ändern.“

WWF-Online, 12.7.12

Derzeit leben 7.057.668.430 (11. Juli 2012, 18:22 Uhr) auf der Erde. Jede Sekunde wächst diese Zahl um 2,6 neue Erdbürger. Aber schon jetzt leiden etwa eine Milliarden Menschen unter Hunger.

Die Tendenz ist steigend, denn im Jahr 2050 werden wir wahrscheinlich neun Milliarden Menschen sein, die unseren Planeten bevölkern. Wie wir es schaffen können, diese Menge mit Lebensmitteln zu versorgen, was muss sich dafür ändern muss und wie wir alle mit diesem Thema verbunden sind, erklärt WWF-Landwirtschaftsexpertin Birgit Wilhelm im Gespräch.

Wie genau wollen wir denn neun Milliarden Menschen ernähren?

Die Ansichten, wie eine Welt mit neun Milliarden Menschen funktionieren kann, weichen mitunter sehr stark voneinander ab. Beispielsweise gibt es aktuelle Studien, die zu dem Schluss kommen, dass sich die Nahrungsmittelproduktion drastisch erhöhen muss, um so vielen Menschen Nahrung liefern zu können. Dabei wird völlig außer Acht gelassen, dass die Landwirtschaft – mit ihrer einseitigen Konzentration auf Produktionsmaximierung – bereits dazu beiträgt, dass wir tagtäglich fruchtbaren Ackerboden für die Produktion verlieren. Wir beuten unsere Lebensgrundlage, den Boden, aus. Nur über eine nachhaltige Nutzungsweise und eine Landwirtschaft, die den Erhalt der natürlichen Bodenfruchtbarkeit wieder ins Zentrum stellt, werden wir es schaffen, neun Milliarden Menschen zu ernähren. Darüber hinaus konnten wir vom WWF mit der Studie „How to feed the worlds growing billions“ zeigen, dass es neben der Produktionssteigerung noch weitere wichtige Ansatzpunkte gibt, um die Welt zu ernähren.

Wie kann die Hungerkrise dann überwunden werden?

Schon jetzt leiden über eine Milliarde Menschen auf der ganzen Welt an Hunger. Schon jetzt gibt es also absolut reelle Notsituationen. Und dass, obwohl genügend Nahrung vorhanden ist. Es ist also nicht zwingend notwendig, mehr zu produzieren, sondern wir müssen schlauer arbeiten, gerechter verteilen und weniger verschwenden.

Wie soll das gehen?

Das Grundproblem für Hunger auf der Welt kann ja demnach nicht ein Mangel an Nahrungsmitteln sein. Das Grundproblem ist die Ungerechtigkeit der Armut. Fast die Hälfte der Menschen, die an Hunger leiden, sind selber Kleinbauern. Diese Armut gilt es, zu allererst zu bekämpfen. An zweiter Stelle muss die Verschwendung von Nahrungsmitteln verhindert werden. Damit ist nicht nur gemeint, dass wir Bürger der Industrienationen Essen einfach wegschmeißen, sondern auch die Tatsache, dass teilweise bei der Verarbeitung und dem Transport bis zu einem Fünftel der Lebensmittel verloren gehen, weil die Infrastruktur nicht funktioniert oder auch einfach nur, weil ineffizient gearbeitet wird. Und als drittes, und da sind vor allem wir selbst in der Pflicht: unser Konsumverhalten muss sich drastisch ändern.

Was genau ist denn falsch an unserem derzeitigen Verhalten?

Wir müssen es schaffen, den Fleischkonsum zu senken. Die Produktion von Fleisch verschlingt Unmengen von Lebensmitteln. Darüber hinaus strapaziert es die Böden, zerstört die Umwelt. Ich wünsche mir gar keinen strikten Vegetarismus, sondern vielmehr einen bewussten Umgang mit dem Lebensmittel Fleisch.

Wird es in Zukunft mehr Vegetarier geben?

Ich persönlich glaube das schon. Es wird scheinbar immer mehr Menschen bewusst, dass die Fleischproduktion, die aus industrieller Massentierhaltung resultiert, unmittelbar zu Umweltzerstörung und Ungerechtigkeit führt. Dazu glaube ich, dass viele Menschen, denen eine bewusste Ernährung wichtig ist, es merken, dass sie gar nicht so viel Fleisch essen müssen, dass sie sich sogar besser fühlen, wenn sie seltener, aber dafür hochwertigere Fleischprodukte verzehren. Allerdings wird dieses Thema sehr emotional geführt. Jemandem seine Essgewohnheiten vorzuwerfen, ist schon ein starker Eingriff in die Privatsphäre. Daher wird das Thema aus so kontrovers geführt.

Gibt es trotzdem etwas, das positiv stimmt und Hoffnung macht?

Durchaus. Ich als Landwirtin finde es sehr schön, dass wieder mehr über Essen geredet wird und vor allem auch darüber, wo es her kommt und wie es erzeugt wurde. Durch die Zentralisierung der Produktion und auch des Vertriebes, etwa durch Supermärkte, hat sich der Zusammenhang stark aufgelöst. Wie soll ich beim Einkauf im Supermarkt einen Bezug zum Essen entwickeln? Eine Vorstellung davon haben, wie ein gesunder Boden sich anfühlt? Ich bin begeistert von den vielen Heimgarteninitiativen – sogar in der Großstadt Berlin. Es ist ein wunderbares Erfolgserlebnis sein eigenes Gemüse zu ernten und gleichzeitig steigt die Wertschätzung gegenüber den Lebensmitteln und dem Boden, der alles wachsen lässt. Inzwischen wird Ernährung wieder stärker in den Alltag aufgenommen, die Leute machen sich darüber Gedanken, was sie essen. Und das stimmt mich sehr hoffnungsvoll.




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