AktuellReform des Emissionshandels
Emissionshandel reanimiertWWF begrüßt Wiederbelebung des EU-Emissionshandels in letzter SekundeWWF Pressemitteilung, 3.7.13 Berlin/Straßburg. Das EU-Parlament hält an seinen Plänen zur Reparatur des Europäischen Emissionshandels fest. Um den Überschuss von 1,7 Milliarden CO2-Zertifikaten zu reduzieren und das CO2-Preissignal wiederherzustellen, sollen 900 Millionen Emissionsrechte im Rahmen des sogenannten „Backloading“ temporär vom Markt genommen werden. Nachdem die erste Abstimmung mit knapper Mehrheit im Plenum Mitte April gescheitert war und der Gesetzentwurf damit vom Umweltausschuss überarbeitet werden musste, stimmte das Parlament nun wider Erwarten dem Ursprungsentwurf zu. Der WWF freut sich, dass die Attacken zur Verwässerung des Reformvorschlags abgewehrt werden konnten. Die erneute Abstimmung zur Reform des europäischen Emissionshandels hat dem Instrument gut getan. Das EU-Parlament hält die Fahne des europäischen Emissionshandels hoch und beweist Standfestigkeit. Aufgrund von größeren Konstruktionsfehlern beim Aufsetzen des Emissionshandels war die Reform bitter nötig geworden. „Wenn Europa eine Klimaschutzstrategie verfolgen will, die diesen Namen verdient, muss der Emissionshandel grundlegend saniert werden. Die heutige Entscheidung im Europaparlament hat nur symbolischen Charakter. Sie wird keinen signifikanten Einfluss auf den CO2-Preis ausüben“, erläutert Eberhard Brandes, Vorstand des WWF Deutschland. Durch den Zertifikate-Überschuss und den damit einhergehenden niedrigen CO2-Preis gehen vom Emissionshandel derzeit kaum Investitionsanreize für klimafreundliche Technologien und Verfahren aus. Der stetige Preisverfall sorgt zudem für ein Ansteigen der EEG-Umlage, die nahezu ausschließlich von den privaten Verbrauchern und Klein- und Mittelständlern geschultert wird. Entscheidend zu den langwierigen Reformverhandlungen trug die Haltung Deutschlands bei. Bundeskanzlerin Merkel hat sich bis zuletzt nicht zu einer Positionierung Deutschlands zum Emissionshandel durchringen können und damit viele Europa-Abgeordnete verunsichert. Nach der heutigen Abstimmung wird der Vorschlag nun mit dem Parlament, dem Rat und der Kommission verhandelt. Der WWF fordert die Mitgliedstaaten auf, die Verschleppungen der Reform zu beenden und schnellstmöglich die Glaubwürdigkeit des Instruments wiederherzustellen. Um den Emissionshandel langfristig als wirkungsvolles Instrument zu sichern, ist das „Backloading“ nur ein erster Schritt. Strukturelle Reformen wie zum Beispiel die Verschärfung der EU-Klimaschutzziele und die dauerhafte Herausnahme überschüssiger Zertifikate sind ebenfalls längst überfällig. Um den CO2-Preis kurz- und mittelfristig zu stabilisieren, muss geprüft werden, ob eine Einführung eines Mindestpreises zielführend ist, damit die im Emissionshandel eingebundenen Sektoren ihren fairen Anteil zum nationalen Treibhausgasemissionsminderungsziel von 40 Prozent bis 2020 leisten. Emissionshandel - ein Patient im KomaVon Niklas Schinerl, Greenpeace-Online, 3.7.13Der Emissionshandel ist das zentrale Klimaschutzinstrument der EU. Derzeit liegt er aufgrund eines Überangebots an Verschmutzungsrechten allerdings danieder. Nun hat das EU-Parlament entschieden, 900 Millionen CO2-Zertifikate kurzzeitig aus dem Markt zu nehmen. Ein fauler Kompromiss. Eines vorweg: In der Debatte um den Emissionshandel hat das deutsche Öko-Institut auf wissenschaftlicher Basis errechnet, was notwendig wäre, um den Emissionshandel zu retten. Die beiden zentralen Ergebnisse: In einem ersten Schritt CO2-Zertifikate in der Höhe von 1,4 Milliarden Tonnen CO2 langfristig vom Markt nehmen. Danach muss das Klimaschutz-Ziel der EU auf minus 30 Prozent CO2 bis zum Jahr 2020 (im Verhältnis zu 1990) verschärft werden. Der nun verabschiedete Kompromiss ist ein weiter verwässerter Vorschlag eines bereits verwässerten Vorschlags. 900 Millionen Zertifikate sollen für gerade mal zwei Jahre vom Markt genommen werden. Das Klimaschutz-Ziel wird nicht verschärft. Allen voran die deutsche Regierung, aber auch konservative und liberale EU-Abgeordnete, haben eine rasche Lösung lange Zeit verhindert. Nach der vorentscheidenden Abstimmung im EU-Umweltausschuss über diesen Kompromiss stiegen die Zertifikatspreise an der Börse kaum an. Ein starkes Indiz, dass dieser nun verabschiedete Lösungskompromiss nicht funktionieren wird. Wie funktioniert der Emissionshandel eigentlich? Über einen marktwirtschaftlichen Ansatz mit niedrigen Gesamtkosten wollte man den Treibhausgasausstoß zu Gunsten des Klimaschutzes reduzieren. Ein Versuch, der bisher fehlgeschlagen ist. Ziel des Emissionshandels war es nämlich, Industrieanlagen und Kraftwerke über einen marktbestimmten Aufpreis für die Verschmutzung durch CO2 effizienter und umweltfreundlicher zu machen. Ab einem bestimmten Preis für ein Verschmutzungszertifikat, der für jede ausgestoßene Tonne CO2 gezahlt werden muss, werden beispielsweise Gaskraftwerke rentabler als klimaschädliche Kohlekraftwerke und helfen damit dem Klimaschutz. Die einzelnen Industrieanlagen und Kraftwerke bekommen nach dem europäischen Klimaschutzplan Zertifikate zugeteilt, die sie innerhalb einer definierten Periode verbrauchen dürfen. Wer mehr braucht, muss von anderen Teilnehmern des Emissionshandels Zertifikate kaufen. Wer weniger verbraucht, kann seine Zertifikate verkaufen. Effizienz und Klimaschutz sollten auf diese Weise belohnt werden. Was anfangs vielversprechend wirkte, konnte bisher die hohen Erwartungen nicht erfüllen. Der CO2-Preis erreichte die notwendige Höhe nicht, um eine entsprechende Lenkungswirkung hin zu weniger Kohlekraftwerken und mehr Klimaschutz zu bringen. Durch die europäische Wirtschaftskrise 2008 und 2009 kam es zu einem Überangebot an Zertifikaten auf dem Markt und der Preis fiel in den Keller. Als die Zertifikate zuvor verteilt wurden, rechnete keiner mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistungen und damit, dass die Kraftwerke auf halber Auslastung fahren würden und damit weniger CO2 ausstießen. Emissionshandel: Altmaier begrüßt Votum des EU-ParlamentsGrundlage für tragfähige LösungBMU Pressemitteilung, 3.7.13 Bundesumweltminister Peter Altmaier hat die heutige Entscheidung des EU-Parlaments für die zeitweilige Verknappung der Zertifikate für den Ausstoß von Treibhausgasen begrüßt. "Der Beschluss des EU-Parlamentes ist eine gute Grundlage für eine tragfähige Lösung", sagte der Bundesumweltminister. Im Vorfeld der Entscheidung hatte Altmaier noch einmal gemeinsam mit 11 weiteren Umwelt- und Energieministern der EU zu einer Reform des EU-Emissionshandelssystems aufgerufen. Die Minister hatten in ihrem Aufruf ihre Besorgnis betont, dass das EU-Emissionshandelssystem in der derzeit konzipierten Form keine Preissignale aussenden könne, die als Anreiz für die jetzt benötigten Investitionen in kohlenstoffarme Technologien wirken. Grund ist, dass das derzeitige Angebot an Zertifikaten die Nachfrage erheblich übersteigt und somit zu einem sehr niedrigen Kohlenstoffpreis führt. "Das EU-Emissionshandelssystem muss weiterhin eines der zentralen Klimaschutzinstrumente in Europa bleiben. Deshalb muss das Ziel sein, dass von ihm auch Anreize zu Investitionen in kohlenstoffarme Technologien ausgehen", betonte Altmaier. Industrie abgewatscht: EU-Parlament beschließt Zurückhalten von CO2-ZertifikatenBUND: Weitere Schritte müssen folgenBUND Pressemitteilung, 3.7.13 Straßburg/Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat die heutige Zustimmung des EU-Parlaments zum sogenannten Backloading, der zeitweiligen Entnahme von CO2-Zertifikaten aus dem Emissionshandelsmarkt, begrüßt, mahnte jedoch weitere Schritte an. Tina Löffelsend, BUND-Klimaexpertin: "Im zweiten Anlauf hat das EU-Parlament die Kuh vom Eis geholt. Die Zustimmung zum Zurückhalten von CO2-Zertifikaten ist ein wichtiges Signal dafür, dass die EU beim Klimaschutz noch handlungswillig ist. Die Maßnahme ist aber nur ein allererster Schritt zur Wiederbelebung des Emissionshandels. Dem Klimaschutz wird erst dann geholfen, wenn der Handel mit CO2-Zertifikaten schnellstmöglich grundlegend reformiert wird." Besonders erfreulich sei, dass die Mehrheit der EU-Parlamentarier der Industrie-Lobby eine klare Absage erteilt habe. Diese habe im Vorfeld gegen die Reformmaßnahme der EU massiv Stimmung gemacht. Wären die Änderungsanträge zugunsten der Industrie durchgekommen, hätte dies den Backloading-Vorschlag stark geschwächt und der Industrie weitere ungerechtfertigte Subventionen verschafft. Zudem sei zu begrüßen, dass sich die EU-Abgeordneten für die schnelle Aufnahme von Verhandlungen mit der EU-Kommission und den Mitgliedsstaaten zu der Reform ausgesprochen hätten. "Jetzt müssen die Scherben der letzten Monate zusammengekehrt und rasche Ergebnisse für den Klimaschutz produziert werden. Damit der Emissionshandel wieder auf die Spur gesetzt wird, muss sich auch die deutsche Bundesregierung endlich hinter die schnelle und strukturelle Reform des CO2-Zertifikatehandels stellen." Hürde im zweiten Anlauf genommen: EU-Parlament für schnelle Reform des EmissionshandelsGermanwatch-Pressemitteilung, 3.7.13Bonn/Berlin. Seit heute gibt es nur noch einen Schlüssel zur überfälligen Reform des EU-Emissionshandels - und der liegt in Berlin. Das Europaparlament hat sich nach der langen Odyssee eines Kommissionsvorschlags durch die Ausschüsse mit 344 zu 311 Stimmen klar für das sogenannte Backloading und damit für die Rettung des Emissionshandels ausgesprochen. Der Preis für CO2-Emissionserlaubnisse stieg daraufhin zügig um immerhin 75 Eurocent. Die schnelle Reform des Emissionshandels ist damit wahrscheinlich - wenn es die Bundesregierung will. Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch, kommentiert: "Das war ein guter Tag für den Klimaschutz und die allermeisten Unternehmen in Europa. Doch noch ist der Vorschlag des Parlaments zu schwach, als das dadurch der Emissionshandel aus seinem Koma geholt werden könnte. Jetzt muss von Rat und EU-Kommission nachgelegt werden. Sie müssen das Backloading so robust machen, dass daraus der Einstieg in eine umfassende Reparatur des Emissionshandels wird, die noch vor 2020 wirkt. Solange die 900 Millionen CO2-Zertifikate nicht vor 2020 ganz dem Markt entzogen werden und wir keine ambitionierten Klimaziele für 2030 haben, bleibt das Backloading nur heiße Luft." Bals weiter: "Das Europaparlament hat damit den Druck auf Deutschland drastisch erhöht, endlich den Weg für die umfassende Reparatur des Emissionshandels freizumachen. Die nächste Bundesregierung muss dafür sorgen, dass sich Deutschland noch im Herbst für die schnelle Reform des Emissionshandels und Backloading als erstem Schritt einsetzt. Die Enttäuschung über das deutsche Versagen in der EU-Klimapolitik ist bei den europäischen Nachbarn inzwischen mit Händen zu greifen." Eine breite Koalition aus großen und mittelständischen Unternehmen - auch der energieintensiven Industrie - von Gewerkschaften, den großen Kirchen und den allermeisten wichtigen Ökonomen hatte sich in Deutschland zuletzt für die tiefgreifende und schnelle Reform des Emissionshandels stark gemacht. Für diese große Koalition ist das Backloading nur der erste notwendige Schritt, damit die Reform schnell starten kann. Dennoch stimmten von 12 deutschen Europaparlamentariern der FDP 8 gegen die ökonomische Vernunft. Wie geht es weiter? Sofort nach der Sommerpause können jetzt die sogenannten Trilog-Verhandlungen zwischen EU-Kommission, Rat und Matthias Groote als Berichterstatter des EU-Parlaments beginnen. Für diese Verhandlungen hat Herr Groote jetzt ein solides Mandat. Für den Rat führt die litauische Präsidentschaft die Verhandlungen mit einem informellen Mandat, an dessen Ausarbeitung Deutschland sich wegen seiner ausstehenden Position nicht beteiligen konnte. Ein Verhandlungsergebnis wird im Spätherbst oder Winter Parlament und Regierungen zur Abstimmung vorgelegt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt braucht auch die Bundesregierung eine Meinung. Sollte sich Deutschland in der Ratsabstimmung auch dann noch enthalten, wäre das wegen der Opposition einer kleinen Staatengruppe rund um Polen kurz vor der Ziellinie das wahrscheinliche Aus für die Emissionshandelsreform. Brennpunkte des Klimawandels: Wo die Folgen breit spürbar werdenPressemitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, 2.7.13Jeder zehnte Mensch lebt an einem Ort der Erde, der bis zum Ende des Jahrhunderts zu einem der Brennpunkte der Folgen ungebremster globaler Erwärmung werden kann. Dabei geht es um das Zusammenwirken von Folgen des Klimawandels für Ernten, Ökosysteme, Gesundheit und für die Verfügbarkeit von Wasser. Veränderungen in mehrerer dieser Sektoren sind in der Amazonas-Region, im Mittelmeer-Raum und in Ost-Afrika zu erwarten, so zeigt eine jetzt online in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erscheinende Studie. In einem extremeren Szenario wären noch deutlich mehr Menschen betroffen. Der Artikel gehört zu den Ergebnissen des Intersectoral Impact Model Intercomparison Project (ISI-MIP), die von PNAS in diesem Jahr in einer Sonderausgabe präsentiert werden. „Wenn sich die Klimafolgen in mehreren Sektoren überlappen, dann können sich hier Wechselwirkungen ergeben was dann möglicherweise ein Vielfaches an Druck auf die Lebensgrundlagen der Menschen in den betroffenen Regionen bedeutet“, sagt die Leit-Autorin Franziska Piontek vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Das ist der Grund, warum wir untersucht haben, wo gleich in mehreren Sektoren der Klimawandel schmerzlich spürbar werden könnte. Es zeigt sich, dass dies sowohl in Entwicklungsländern als auch in Industrieländern der Fall ist.“ "Was heute ein Extrem ist, könnte morgen die neue Normalität sein" Zum ersten Mal werden mit dieser Studie sektor-übergreifende Brennpunkte ermittelt, gestützt auf einen umfassenden Satz von Computer-Simulationen sowohl zum Klimawandel als auch zu dessen Folgen. Modellierungsgruppen aus aller Welt haben unter dem Dach von ISI-MIP zusammengearbeitet, um schlüssige Daten zu ermitteln. Dies ist eine so nie dagewesene gemeinsame Anstrengung der Klimafolgenforscher weltweit, um die Risiken zu erhellen, auf welche die Menschheit sich zubewegt. Ziel ist, eine neues Fundament zu schaffen für künftige Analysen der Folgen globaler Erwärmung. „Wir haben etwa auf die Verfügbarkeit von Wasser in den vergangenen dreißig Jahren geschaut“, erklärt Ko-Autor Qiuhong Tang von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften. „Wir haben als Grenze die Verfügbarkeit von Wasser genommen, die nur in den drei trockensten Jahren unterschritten wurde. Wenn nun die durchschnittliche Verfügbarkeit von Wasser in unseren Projektionen im Zusammenhang mit dem Klimawandel unter diese Grenze fällt, so sehen wir das als ernste Veränderung. Was heute ein Extrem ist, könnte morgen die neue Normalität sein.“ Das gelte etwa für den Mittelmeer-Raum. Sowohl die Robustheit als auch die Streubreite der Ergebnisse nimmt zu Das Verwenden mehrerer verschiedener Modelle des Klimawandels und seiner Folgen führt dazu auch wenn dies zunächst als ein Widerspruch in sich erscheint , dass sowohl die Robustheit als auch die Streubreite der Ergebnisse zunimmt. „Wir bekommen eine größere Breite von Aussagen zum Beispiel zu künftigen Ernte-Erträgen, wenn wir die in den verschiedenen Modellen enthaltenen Annahmen berücksichtigen“, sagt Ko-Autor Alex C. Ruane vom NASA Goddard Institut. „Aber Regionen, für welche die verschiedenen Modelle stark übereinstimmende Ergebnisse zeigen, sind mit größerer Sicherheit Brennpunkte als Regionen, die mit nur einem Modell und all den in ihm enthaltenen Annahmen ermittelt wurden.“ Der breitere Ansatz bietet eine Grundlage für Risiko-Management. „In den Brennpunkt-Regionen Afrikas zum Beispiel könnten sogar relativ geringe Veränderungen der Temperatur zu zusätzlichen Ernte-Verlusten führen, die Kleinbauern einfach nicht verkraften.“ Die Studie folgt einem konservativen Ansatz bei der Betrachtung der Übereinstimmung der Ergebnisse der unterschiedlichen Modellierungen. In einem Worst Case-Szenario wurden zusätzlich die 10 Prozent der Computer-Simulationen betrachtet, welche die stärksten Ausschläge aufwiesen. Hier zeigt sich, dass möglicherweise fast die ganze von Menschen bewohnte Erdoberfläche von Veränderungen in mehreren Sektoren betroffen sein könnte. Durchbruch für El Niño-VorhersagePressemitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, 2.7.13In unregelmäßigen Abständen kommt es über dem östlichen Pazifik zu einer Erwärmung, von peruanischen Fischern El Niño genannt, die mitunter verheerende Folgen haben kann. Als weltweit wichtigstes Phänomen natürlicher Klima-Schwankung kann es Überflutungen in Südamerika auslösen, Dürren in Australien, und Missernten in Indien. Um den Vorhersage-Zeitraum von sechs Monaten auf ein Jahr oder mehr zu erweitern, haben jetzt Wissenschaftler eine neuartige Herangehensweise vorgestellt. Sie beruht auf der Analyse von Netzwerk-Verbindungen, angewendet auf das Klimasystem. Dieser Ansatz nutzt hochwertige Lufttemperaturdaten und leistet mehr als bislang genutzte Methoden. Die Studie wird diese Woche in der Zeitschrift der US-Akademie der Wissenschaften veröffentlicht (abgekürzt PNAS). "Um einige der schlimmsten Auswirkungen von El Niño zu vermeiden, ist eine längere Vorwarnzeit unglaublich wichtig, denn das gibt den Menschen in den betroffenen Regionen mehr Zeit zur Vorbereitung“, sagt Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Ko-Autor der Studie von Josef Ludescher et al von der Justus-Liebig-Universität Gießen. Der neue Ansatz nutzt die Netzwerk-Analyse, eine innovative Methodologie an der Schnittstelle von Physik und Mathematik. Daten von mehr als 200 Messpunkten im pazifischen Ozean, die seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts erhoben werden, erwiesen sich hierbei als entscheidend, um die Wechselwirkungen zu erfassen zwischen weit von einander entfernten Stellen, die zusammen die Erwärmung herbeiführen. Nicht nur der Vorhersage-Zeitraum wird ausgedehnt, sondern auch die Verlässlichkeit erhöht Laut Schellnhuber wurde dabei ein neuer Algorithmus entwickelt und getestet. Dieser erweiterte nicht nur den Zeitraum für die Vorhersagen, sondern erhöhte auch deren Verlässlichkeit. Die neue Methode sagte korrekt das Ausbleiben von El Niño im vergangenen Jahr voraus. Diese Vorhersage wurde bereits 2011 gemacht, wohingegen herkömmliche Ansätze bis weit in das Jahr 2012 hinein eine erhebliche Erwärmung prognostizierten. El Niño ist Teil einer größeren Oszillation im pazifischen Ozean-Atmosphäre-System, genannt ENSO, wozu auch unnormal kalte Perioden zählen, genannt La Niña. Auch diese können ernste Schäden auslösen. Die vorliegende Studie konzentriert sich nur auf die Erwärmungs-Ereignisse. Allerdings ist eine grobe Regel, dass ein El Niño-Jahr von einem La Niña-Jahr gefolgt wird. Der Klimawandel als Faktor für Veränderungen des ENSO-Musters? „Noch ist unklar, in welchem Maße die maßgeblich vom Menschen mit seinem Ausstoß von Treibhausgasen verursachte globale Erwärmung das ENSO-Muster beeinflussen wird“, so Schellnhuber. „Allerdings wird letzteres zu den sogenannten Kipp-Elementen im Klimasystem gezählt was bedeutet, dass es bei fortgesetztem Klimawandel eine vergleichsweise abrupte Veränderung erfahren könnte.“ Manche Daten aus der Erdgeschichte legen nahe, dass höhere globale Mitteltemperaturen den Ausschlag dieses Auf und Ab über dem Pazifik verstärken könnten, was eine korrekte Vorhersage noch wichtiger machen könnte. » zurück |
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