Aktuell


Deutscher Klimaschutzbericht

Kabinett beschließt zweiten Klimaschutzbericht

Trotz verhaltenem Optimismus: die Maßnahmen wirken

BMUB Pressemitteilung, 14.12.16

Im zweiten Jahr nach Verabschiedung des „Klima-Aktionsprogramms 2020“ hat das Bundeskabinett heute den Klimaschutzbericht zum Stand der Umsetzung beschlossen. Der Klimaschutzbericht beinhaltet die aktuellen Trends der Emissionsentwicklung in den verschiedenen Handlungsfeldern. Die Einschätzung, ob die Ziele des Programms erreicht werden können, fällt 2016 etwas weniger optimistisch aus. Die im Klimaschutzbericht enthaltene Projektion zeigt eine Spanne für die Gesamtminderung von Treibhausgas-Emissionen bis 2020 gegenüber 1990 zwischen 37 und 40,4 Prozent. Die größten Abweichungen ergeben sich insbesondere für den Verkehrssektor. Deutschland hatte sich im Jahr 1990 auf 40 Prozent festgelegt. Erwartet wird eher eine Minderung am unteren Rand.

Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks: „Die Maßnahmen des Aktionsprogramms beginnen zu wirken, wir sparen Energiekosten, wir schaffen Werte und Beschäftigung mit dem Klimaschutz. Insofern sind wir auf einem guten Weg, die 40 Prozent bis 2020 zu leisten. Immerhin sind schon 70 Prozent der über 100 Maßnahmen des Aktionsprogramms komplett umgesetzt. Trotzdem: Deutschland muss sich nach wie vor gehörig anstrengen, die selbst gesetzten Ziele zu erreichen.“

Der Beitrag der 2014 im Aktionsprogramm beschlossenen Maßnahmen fällt nach heutiger Schätzung mit 47 bis 58 Mio. Tonnen Treibhausgas-Emissionen geringer aus, als 2014 angenommen wurde: Im Aktionsprogramm wurde auf eine Minderungswirkung in Höhe von 62 bis 78 Mio. Tonnen gezielt. Das Aktionsprogramm enthält erstmals auch eine Quantifizierung der erwarteten Minderungswirkung der beschlossenen Maßnahmen. Die Projektionen der Minderung berücksichtigen Wirtschaftswachstum, Stromexportsaldo, Brennstoffpreise sowie die Bevölkerungsentwicklung.

Bundesumweltministerin Dr. Barbara Hendricks: „Um dem Klimawandel zu begegnen, brauchen wir gesellschaftlichen Wandel und breite Akzeptanz für Maßnahmen in allen Handlungsfeldern. Transparenz und Beteiligung sind wichtig für eine erfolgreiche Klimaschutzpolitik der Bundesregierung – gerade das hat auch der Prozess zum Klimaschutzplan 2050 noch einmal mehr als deutlich gemacht.“


Klimaschutzbericht verabschiedet

Verbände fordern Sofortprogramm zur Rettung des Klimaziels 2020

Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, Greenpeace, Oxfam, WWF und dem Bündnis Klima-Allianz Deutschland, 14.12.16

Anlässlich der heutigen Verabschiedung des Klimaschutzberichts 2016 der Bundesregierung warnen Umwelt- und Entwicklungsorganisationen vor Augenwischerei im Klimaschutz. Deutschland droht, sein Ziel zur Reduktion klimaschädlicher Treibhausgase um 40 Prozent bis 2020 deutlich zu verfehlen. Anstatt aber den dringenden Handlungsbedarf aufzuzeigen und wirksame Maßnahmen zu benennen, verharmlost die Bundesregierung das drohende Scheitern.

Die Bundesregierung geht seit 2014 davon aus, dass ohne zusätzliche Anstrengungen die jährlichen Treibhausgasemissionen in Deutschland im Jahr 2020 um 62 bis 100 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente höher liegen werden als es das 40-Prozent-Ziel zulässt. Das könnte noch zu optimistisch sein: Nach einer Studie von BUND, Greenpeace, Oxfam, WWF und dem Bündnis Klima-Allianz Deutschland könnte die Lücke um ca. 20 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente größer ausfallen als von der Bundesregierung behauptet.

Der heute verabschiedete Klimaschutzbericht zeigt nun, dass auch das Aktionsprogramm der Bundesregierung die Klimaschutzlücke nicht schließen wird. Im Extremfall, so die Verbände, könnten die Treibhausgase bis 2020 statt um 40 Prozent nur um 33,5 Prozent sinken. „Der Klimaschutzbericht legt schwarz auf weiß dar, wie stark die Bundesregierung die Wirkung des Klimaschutzaktionsprogramms ursprünglich überschätzt hat“, sagt Dr. Erika Bellmann vom WWF. „Und auch jetzt noch werden Teile des Problems weggerechnet und zusätzliche Aktivitäten auf 2018 hinausgezögert.“

Nach Ansicht der Verbände erfordert die Situation ein Sofortprogramm für den Klimaschutz. Gehandelt werden müsse bei der Stromerzeugung, im Verkehrssektor und bei der Steigerung der Energieeffizienz. Kurzfristig wirksam sei jedoch nur noch das Abschalten weiterer Kohlekraftwerke. „Es ist klimapolitisch dringend erforderlich, die dreckigsten Kohlemeiler schnellstens vom Netz zu nehmen. Die Bundesregierung muss ein Sofortprogramm aufsetzen, das die erforderliche CO2-Minderung im Stromsektor gewährleistet“, fordert Tina Löffelsend vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Ein Verfehlen des 2020-Ziels untergräbt aus Sicht der Verbände den internationalen Ruf Deutschlands: „Das 40-Prozent-Ziel bis 2020 ist ein Meilenstein auf dem Weg zur vollständigen Dekarbonisierung bis spätestens 2050. Scheitert Deutschland schon mit diesem ersten Schritt, werden die langfristigen Klimaschutzziele umso schwerer zu erreichen sein. Damit würde das Pariser Klimaschutzabkommen unterlaufen, das gerade seinen ersten Geburtstag feiert“, so Jan Kowalzig von Oxfam.

„Bundesminister Sigmar Gabriel bremst den Ausbau der erneuerbaren Energien und den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle“, kritisiert Karsten Smid von Greenpeace. „Das ist eine Blamage für die Bundesregierung.“


NABU: Alarmierender Klimabericht der Bundesregierung

Tschimpke: Halbherzige Klimaanstrengungen setzen Energiewende aufs Spiel - Kohleausstieg jetzt anfangen

NABU Pressemitteilung, 15.12.16

Berlin – Was Experten schon lange vermuten, wurde von der unabhängigen Kommission zum Stand der Energiewende bestätigt: Deutschland wird höchstwahrscheinlich seine Klimaschutzziele bis 2020 verfehlen. Das ist das Ergebnis des jetzt von der Bundesregierung vorlegten fünften Monitoring-Berichts zur Energiewende. NABU-Präsident Olaf Tschimpke: „Die Begrenzung der Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, so wie es das Pariser Klimaschutzabkommen formuliert, können wir vergessen, wenn wir es nicht mal hierzulande schaffen, unsere Klimaschutzziele einzuhalten. Die halbherzigen Klimaschutzbemühungen der Bundesregierung setzen die Energiewende aufs Spiel. Es ist seit Jahren bekannt, dass weder im Gebäude- noch im Verkehrsbereich ausreichend Klimaschutz stattfindet. Wirksame Maßnahmen hat die Bundesregierung in diesen Bereichen bislang nicht eingeleitet.“ Statt dessen begrenze das neue Erneuerbare Energien Gesetz den Ausbau der erneuerbaren Energien – bisher der einzige Bereich, der seine Klimaschutzziele übererfüllt habe. Außerdem müssten Klimaschutz- und Energieeffizienzziele endlich an die Pariser Ziele angepasst werden.

Mit Blick auf die derzeitige G20-Präsidentschaft Deutschlands sowie der nächsten Weltklimakonferenz, die im November 2017 in Bonn stattfinden wird, sind die verfehlten Klimaschutzziele ein verheerendes Signal. „Wie kann die Bundesregierung ernsthaft Klimaschutz von anderen fordern, wenn sie selbst nicht in der Lage ist, ihre Ziele und Zusagen einzuhalten?“, so Tschimpke. Der NABU hat die Bundesregierung erneut aufgefordert, ein Klimaschutzgesetz auf den Weg zu bringen, das die international vereinbarten Klimaziele konsequent in Deutschland vorantreibt und den Ausbau erneuerbarer Energien naturverträglich umsetzt. Dazu zählt auch ein gesetzlich geregelter Kohleausstiegsplan, um in spätestens 20 Jahren komplett unabhängig von Kohlekraftwerken zu sein.


Endlich Hoffnung für den Emissionshandel

Umweltausschuss im Europaparlament stimmt zum Emissionshandel ab
WWF: Preissignal könnte endlich gestärkt werden


WWF Pressemitteilung, 15.12.16

Der Umweltausschuss des Europaparlaments hat am Donnerstag über den Emissionshandel für den Zeitraum bis 2030 abgestimmt. Zum ersten Mal wurden Maßnahmen vorgeschlagen, die das CO2-Preissignal stärken sollen und somit für den Stromsektor und die Industrie Anreize schaffen, Emissionen zu reduzieren.

Die wichtigste Aufgabe besteht darin, endlich das Problem der mehr als zwei Milliarden überschüssigen Zertifikate zu lösen. „Der Vorschlag des Umweltausschusses, 800 Millionen überschüssige Zertifikate zu löschen und die Menge an Zertifikaten in der Marktstabilitätsreserve vorläufig zu verdoppeln, geht in die richtige Richtung“, sagt Juliette de Grandpré, WWF-Expertin für europäische Klimapolitik. In diese Reserve werden überschüssige Zertifikate übertragen, allerdings nur vorläufig. Sobald auf dem Markt eine Knappheit herrscht, werden Zertifikate aus der Reserve freigesetzt. Deshalb fordert der WWF die Löschung des gesamten Überschusses von zwei Milliarden Zertifikaten.

Zudem braucht es angesichts des schwachen EU-Ziels für 2030 aus Sicht des WWF unbedingt einen Mechanismus, wonach die Mitgliedsstaaten Zertifikate löschen können, wenn sie ihre Klimapolitik ambitioniert betreiben und etwa aus der Kohle aussteigen. „Wir begrüßen, dass der Umweltausschuss den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, Zertifikate zu löschen. Deutschland wird diesen Mechanismus brauchen, damit freiwerdende Zertifikate aus einem Kohleausstieg nicht in anderen Ländern benutzt werden können.“

Damit die Treibhausgasminderungen durch den Emissionshandel zum Langfristziel einer Dekarbonisierung bis 2050 passen, wie in Paris vereinbart, fordert der WWF einen höheren Reduktionsfaktor. Mit ihm wird die jährliche Obergrenze für Zertifikate kontinuierlich gekürzt. Die Kommission hatte einen Faktor von 2,2 Prozent vorgeschlagen. „Dass der Umweltausschuss einen Reduktionsfaktor von 2,4 Prozent vorschlägt, ist auch ein Zeichen dafür, dass das europäische Parlament - anders als die Kommission - das in Paris beschlossene Ziel berücksichtigt.“ Allerdings müsste der Faktor mindestens 2,8 Prozent betragen, um das Angebot spürbar zu verknappen.

Leider will der Umweltausschuss wie schon der Industrieausschuss den energieintensiven Industrien viele Ausnahmen gewähren. „Ambitionierte Klimapolitik muss auch bedeuten, die kostenlose Zuteilung von Zertifikaten an die Industrie einzuschränken. Der Industrie den Eindruck zu geben, sie sei nicht zu Emissionsminderungen verpflichtet, ist langfristig eine gefährliche Strategie. Um bis 2050 auf null Emissionen zu kommen, müssen alle Sektoren der Wirtschaft ihren Beitrag leisten, auch die Industrie.“

Über die Beschlüsse des Umweltausschusses stimmt im Frühling das Plenum des Europaparlaments ab. Parallel dazu laufen die Verhandlungen zwischen den Mitgliedsstaaten im Umweltrat. Mit einer endgültigen Entscheidung wird erst danach gerechnet.


Landgericht weist Klimaklage gegen RWE ab - Berufung sehr wahrscheinlich

Das Landgericht Essen hat heute die Zivilklage des peruanischen Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen RWE abgewiesen. Der Rechtsstreit ist damit aber wohl nicht beendet: Anwältin Verheyen kündigte an, dass ihr Mandant "höchst wahrscheinlich" vor die nächste Instanz, das Oberlandesgericht Hamm, ziehen werde.

Germanwatch Pressemitteilung, 15.12.16

Essen (15. Dez. 2016). Das Landgericht Essen hat die "Klimaklage" des peruanischen Bergführers und Kleinbauern Saúl Luciano Lliuya gegen RWE heute abgewiesen. Das Zivilgericht begründete dies unter anderem mit einer fehlenden "rechtlichen Kausalität", räumte aber gleichwohl eine mögliche "naturwissenschaftliche Kausalität" ein. Der Kläger und seine Anwältin hatten auf eine Beweisaufnahme zu der Frage gehofft, ob Mitverursacher des Klimawandels für den Schutz vor Risiken aufkommen müssen, die anderen infolge des globalen Klimawandels entstehen. "Wir halten unsere Klage nach wie vor für gut begründet und auch die rechtliche Kausalität für gegeben", bekräftigt Rechtsanwältin Dr. Roda Verheyen (Hamburg). "Nun werden wir höchst wahrscheinlich in Berufung gehen, um vor dem Oberlandesgericht Hamm die Mitverantwortung von RWE zu beweisen. Die endgültige Entscheidung darüber werde ich mit meinem Mandanten aber erst nach Durchsicht des schriftlichen Urteils fällen."

Saúl Luciano Lliuya, der die Neuigkeit in Peru mit großer Spannung erwartet hatte, zeigte sich enttäuscht aber kämpferisch: "Als Bergführer bin ich lange und steinige Wege gewohnt. Da darf man sich von Hindernissen nicht entmutigen lassen. Es geht um Schutz und Gerechtigkeit für meine Familie und viele Tausend weitere Menschen in Huaraz. Und ich bin weiterhin zuversichtlich, dass uns ein deutsches Gericht die Chance geben wird zu zeigen, dass RWE für unsere gefährliche Situation mitverantwortlich ist."

Das Verfahren ist ein Europa einmalig. Luciano Lliuya möchte mit der Ende 2015 eingereichten Zivilklage erreichen, dass RWE entsprechend seinem Anteil an der Verursachung des Klimawandels für Schutzmaßnahmen an einem Gletschersee oberhalb der Andenstadt Huaraz aufkommt. Einem Großteil der 120.000-Einwohner-Stadt und damit auch der Familie und dem Haus von Luciano Lliuya droht wegen der durch den Klimawandel beschleunigten Gletscherschmelze eine akute Flutgefahr, bis zu 50.000 Menschen leben dort mit dem gleichen Risiko. Es geht um rund 17.000 Euro. RWE lehnt die Forderung jedoch ab.

Ein Verursacher von vielen ist nicht verantwortlich? "Das wäre ein Argument für kollektive Verantwortungslosigkeit"

Der Energiekonzern bezeichnet sich selbst als den größten CO2-Einzelemittenten in Europa. Das Unternehmen ist, so zeigt eine Untersuchung von 2014, für rund ein halbes Prozent aller weltweit seit Beginn der Industrialisierung durch menschliches Handeln freigesetzten Treibhausgasemissionen verantwortlich. "Der Kern der Frage ist: Können sich die Hauptverursacher des Klimawandels einfach mit dem Argument aus der Verantwortung stehlen, dass es ja viele Mitverursacher gebe", so Klaus Milke, Vorsitzender der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, die Luciano Lliuyas Anliegen unterstützt. "Das würde die vom Klimawandel betroffenen Menschen tatsächlich zu hilf- und rechtlosen Opfern machen. Es wäre ein Argument für kollektive Verantwortungslosigkeit."

Der Weltklimarat IPCC führt die Gletscherschmelze in den Anden auf den Klimawandel zurück. In Huaraz ist die Gefahr besonders präsent: Der Gletschersee Palcacocha, der einige Kilometer oberhalb der Stadt liegt, ist allein seit 2003 um mehr als das Vierfache gewachsen. Durch den Klimawandel steigt auch das Risiko, dass sich große Eisblöcke von den Gletschern lösen und in den See stürzen. Dann würde eine verheerende Flutwelle ins Tal hinabrollen. Um die Gefahr dauerhaft abzuwenden, müssten immer wieder große Mengen Wasser aus dem See durch ein neues Entwässerungssystem abgepumpt und Dämme des Sees verstärkt beziehungsweise neue errichtet werden.

Für die Anwalts- und Gerichtskosten des Klägers in diesem Musterverfahren tritt die Stiftung Zukunftsfähigkeit ein. Im wahrscheinlichen Fall einer Berufung wird sie erneut zu Spenden aufrufen.




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