Aktuell


Jamaika-Verhandlungen (3)

Umweltverbände warnen vor klimapolitischem Totalausfall der Jamaika-Sondierer

Neue Bundesregierung muss Glaubwürdigkeit national und international wieder herstellen

Gemeinsame Pressemitteilung von Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe (DUH) Germanwatch, Naturschutzbund Deutschland (NABU), Greenpeace, Verkehrsclub Deutschland (VCD), WWF Deutschland und dem Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR), 15.11.17

Bonn/Berlin. Eine große Koalition aus Umweltverbänden warnt Bundeskanzlerin Merkel und die Sondierungsparteien davor, den klimapolitischen Handlungsbedarf bei den derzeitigen Verhandlungen auszusitzen. Wenn sich am heutigen Mittwoch Staatspräsidenten, Regierungschefs und Minister auf der Weltklimakonferenz in Bonn treffen, wird Angela Merkel mit leeren Händen dastehen, da Deutschland im Klimaschutz seit Jahren auf der Stelle tritt und bei den Berliner Sondierungsgesprächen nicht einmal Minimalkompromisse für eine zukunftsfähige Klimapolitik absehbar sind. Während gleichzeitig die CO2-Emissionen in Deutschland und weltweit wieder steigen.

Die Verbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe (DUH) Germanwatch, Naturschutzbund Deutschland (NABU), Greenpeace, Verkehrsclub Deutschland (VCD), WWF Deutschland und der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) fordern von der Bundeskanzlerin ein klares Bekenntnis für den Umbau von Schlüsselsektoren wie Verkehr, Energie und Landwirtschaft. Dazu gehören ein sozialverträglicher Ausstieg aus der besonders klimaschädlichen Kohle mit einer Abschaltung von mindestens 20 Gigawatt Kraftwerksleistung bis 2020, eine Agrar- und Verkehrswende hin zu klima- und naturverträglicheren Formen der Landwirtschaft und Mobilität sowie ein Ende umweltschädlicher Subventionen.

„Die Bundeskanzlerin hat den Bürgern und der Welt versprochen, die deutschen Treibhausgasemissionen um 40 Prozent bis 2020 zu senken. Wenn Jamaika-Koalitionäre die menschengemachte Klimazerstörung weiter anheizen, statt sie zu bremsen, machen sie Deutschland unglaubwürdig. Die Klimaphysik lässt nicht mit sich verhandeln!“, sagt DNR-Präsident Kai Niebert.

„Deutschland muss noch 94-125 Millionen Tonnen CO2 zusätzlich einsparen, um das Klimaziel 2020 einzuhalten - wie von Angela Merkel versprochen. Das geht nicht mit Rechentricks, sondern nur mit dem Kohleausstieg. Um die Klimaschutzlücke im Jahr 2020 zu schließen, müssen nach unseren Berechnungen Kohlekraftwerksemissionen im Umfang von rund 100 Mio t. reduziert werden “, sagt Michael Schäfer, Leiter des Fachbereichs Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland.

Sweelin Heuss, die Geschäftsführerin von Greenpeace sagt: „Deutschland ruiniert seine Klimabilanz, damit, dass ein erheblicher Teil unserer Kohlekraftwerke Strom ins Ausland liefert. Das ist absurd. Wir können bis 2020 etwa doppelt so viele Kohlekapazitäten abschalten, wie es die Grünen bislang vorschlagen und weiter eine der sichersten Stromversorgungen Europas haben.“

Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: „Deutschland hat klimapolitisch einen hervorragenden Ruf in der Welt. Es fügt diesem Ansehen in der Welt erheblichen Schaden zu, Fakten zu ignorieren oder zu relativieren, wie es Teile der Jamaika-Parteien gerade tun. Niemand hat Verständnis für Tiger, die sich schon vor dem Sprung zu Bettvorlegern machen. Wer jetzt nicht eine klare Strategie für Kohle und Verkehr vorlegt, hat Paris nicht verstanden.“

Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer, fordert dazu: „Der Ausstieg aus der Kohle muss durch einen beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren Energien begleitet werden. Durch den vorgezogenen Bau schon geplanter Anlagen, kann die Klimaschutzlücke bis 2020 teilweise geschlossen und ein weiterer Beitrag zur Versorgungssicherheit geleistet werden. Die planwirtschaftliche Obergrenze, die den Ausbau von Wind und Sonne im Erneuerbaren Energien Gesetz begrenzt, muss umgehend abgeschafft werden.“

Ernst-Christoph Stolper, stellvertretender BUND-Vorsitzender sagt: „Bis jetzt waren die Jamaika-Sondierungen klimapolitisch absurdes Theater. Anstatt endlich die Klima-Versprechen der Kanzlerin anzugehen, versucht sich ihre Partei in „alternativen Fakten“ zum Stand des Klimaschutzes in Deutschland. Das ist in hohem Maße unseriös. Jamaika wäre auf Sand gebaut, wenn es mit einem klimapolitischen Wortbruch beginnt. Die Verhandler von Union und FDP hinken der gesellschaftlichen Diskussion um Jahre hinterher und entwickeln sich zur Innovationsblockade. Längst will die Bevölkerung mit großer Mehrheit einen baldigen Kohleausstieg und den Ausbau der Erneuerbaren Energien, um die Klimaziele zu erreichen.“

„Wenn die neue Bundesregierung ihre Ziele für Klimaschutz und Artenvielfalt ernst nimmt, muss sie sich für Änderungen in der Förderung der Landwirtschaft auf EU-Ebene einsetzen. Statt pauschalen Flächenprämien, die unterm Strich zu immer intensiverer Landwirtschaft führen, braucht es gezielte Investitionen in eine klima- und umweltfreundliche Produktion. Darüber hinaus fordern wir die Einrichtung eines EU-Naturschutzfonds in Höhe von 15 Milliarden Euro jährlich. Durch ihn könnten Landwirte attraktive zusätzliche Einkommen für Leistungen erhalten, die sie für die Allgemeinheit erbringen“, sagt NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Wasilis von Rauch, Bundesvorsitzender des ökologischen Verkehrsclubs VCD: „Der Verkehr ist der einzige Sektor in Deutschland, der bislang nichts zum Erreichen der Klimaziele beigetragen hat. Bundeskanzlerin Merkel muss endlich Verantwortung beim Klimaschutz im Verkehr übernehmen. Die künftige Bundesregierung muss sich auf EU-Ebene für eine CO2-Minderung bei Neuwagen um mindestens 60 Prozent bis 2030 einsetzen und sofort in die Verkehrswende einsteigen.“

Die Umweltverbände treten als Interessenvertretung von über zehn Millionen Mitgliedern auf und sind eine bedeutende zivilgesellschaftliche Stimme in Deutschland.


NABU: Merkel-Statement auf Bonner Klimakonferenz enttäuscht

Tschimpke: Klimakanzlerin droht endgültig Geschichte zu sein

NABU Pressemitteilung, 15.11.17

Berlin/Bonn – NABU-Präsident Olaf Tschimpke kommentiert die Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Klimakonferenz: „Heute hat Angela Merkel gezeigt, dass der Titel 'Klimakanzlerin' wohl droht endgültig Geschichte zu sein. Wer eine spannende Rede von ihr erwartet hatte, wurde enttäuscht. Merkel ließ nicht durchblicken, ob Klimaschutz in der kommenden Regierungskoalition in Deutschland tatsächlich ausreichend ernst genommen wird. Dafür hätte sie sich den Weg aus Berlin sparen können. Zu erklären, dass die Klimaschutzziele bis 2020 sehr ambitioniert und nicht leicht zu erreichen seien, sich Deutschland aber bemühen wird, heißt doch lediglich, dass noch immer kein Kompromiss in den Sondierungsgesprächen zu einer Jamaika-Koalition in Sicht ist. Das ist international blamabel für Deutschland, von dem erwartet wurde, seine Rolle als Klimaschutzvorreiter wieder einzunehmen. Für die künftige Koalition heißt das, dass Merkel offensichtlich immer noch nicht die Unionsparteien und FDP auf Linie gebracht hat.“


Schutz der Lebensgrundlagen duldet keinen Aufschub

Bundeskanzlerin Merkel muss mit Kohleausstieg ein Aufbruchssignal beim Klimaschutz setzen

BUND Pressemitteilung, 14.11.17

Bonn: Kurz vor dem Eintreffen vieler Umweltminister und Regierungschefs aus aller Welt hat der Vorsitzende des BUND, Hubert Weiger, von den Regierungsdelegationen entschiedenes Handeln gefordert. "In dieser Woche kann und muss von Bonn ein Aufbruchssignal ins Zeitalter klimafreundlichen Wirtschaftens und Lebens ausgehen", sagte Weiger und zog eine Zwischenbilanz der Klimaverhandlungen.

"Gut, dass Fidschi die Präsidentschaft des Weltklimagipfels innehat. Die großen Gefahren des Klimawandels für Inselstaaten rücken so deutlich in den Fokus. Die Republik Fidschi sollte diese Chance nutzen und einen überzeugenden Plan vorlegen, wie die nationalen Klimaschutzpläne der Staaten nachgebessert werden können. Auch die EU ist gefordert, sie muss ihre schwachen Klimaziele anheben und sich von fossilen Energien verabschieden", sagte der BUND-Vorsitzende.

Bisher sei es in Bonn noch nicht um mehr Klimaschutz für die Zeit bis 2020 gegangen, kritisierte Weiger. "Die Welt braucht einen Neustart ins Zeitalter erneuerbarer Energien und die umfassende Kooperation aller beim Klimaschutz. Es ist fahrlässig, dass viele Staaten mehr Klimaschutz auf nach 2020 verschieben wollen. Der Ausstoß an Treibhausgasen war noch nie so hoch wie heute, deshalb müssen Gegenmaßnahmen schnell eingeleitet werden", sagte der BUND-Vorsitzende.

Vor der Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Klimakonferenz forderte Weiger: "Frau Merkel muss erklären, wie Deutschland sein Klimaziel von 40 Prozent weniger CO2 im Vergleich zu 1990 in den kommenden drei Jahren noch erreicht. Die Kanzlerin muss die umgehende Abschaltung der zwanzig CO2-intensivsten Kohlemeiler in Deutschland ankündigen. Die EU und speziell auch Polen brauchen jetzt dieses Signal, damit es auf dem nächsten Klimagipfel in Katowice weitreichende Beschlüsse zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens geben wird", sagte der BUND-Vorsitzende. Zuletzt habe Merkel mehr Klimaschutz vor allem blockiert.




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