Aktuell


Kritik an Niedersachsens Waldpapier

Waldpolitik gehört in die Mitte der Gesellschaft

NABU Niedersachsen zeichnet Waldpapier der Landesregierung nicht mit

NABU Pressemitteilung, 14.6.10

Das anlässlich des heute (14. Juni) stattfindenden „2. Niedersächsischen Waldgipfels“ von Landwirtschaftsministerin Astrid Grotelüschen vorgelegte neue Leitbild für die Wälder in Niedersachsen mit dem Titel „Wald, Forst- und Holzwirtschaft im Wandel – Wälder für Niedersachsen – Niedersachsen spricht mit einer Stimme“ wird der NABU Niedersachsen nicht mitunterschreiben.

Der NABU Niedersachsen bedauert, dass eine Zustimmung zu dem nun vorliegenden Papier der Landesregierung nicht möglich war. „Zwar wurden in einigen Bereichen begrenzte Fortschritte erzielt, allerdings zeigte die Regierung keine Bereitschaft von nicht konsensfähigen Aussagen zu Kahlschlag, Natura-2000-Schutzgebieten, Förderung des Nadelholzanbaues und maschinellem Waldbau, welche teils sogar dem Bundesnaturschutzgesetz widersprechen, abzurücken“, erklärte Dr. Carsten Böhm, NABU-Waldexperte und stellvertretender Landesvorsitzender.

Die Menschen in Niedersachsen erwarten, dass die Waldpolitik in Niedersachsen nicht von wenigen Interessengruppen dominiert wird, sondern in der Mitte der Gesellschaft stattfindet. Dr. Böhm appellierte daher an die Landesregierung: „Der Wald ist ein unersetzliches Gut. Er darf nicht zum kurzfristigen Stopfen von Haushaltslöchern geplündert werden. Ein tragfähiger Gesellschaftskonsens zur Zukunft des Waldes ist wichtiger denn je.“

Der unter Minister a.D. Hans-Heinrich Ehlen initiierte Konsensprozess „Wald, Forst- und Holzwirtschaft im Wandel – Niedersachsen spricht mit einer Stimme“ wurde daher vom NABU begrüßt, weshalb eine intensive Mitarbeit über einen Zeitraum von über eineinhalb Jahren erfolgte. Maßstab war, dass die Belange der Ökonomie und die Bewahrung der Umwelt, einschließlich der biologischen Vielfalt, in einem solchen Prozess in einer Art und Weise zum Ausgleich gebracht werden mussten, die ein Mittragen für einen großen Natur- und Umweltschutzverband überhaupt erst sinnvoll machen kann.

Wald hat für den NABU Niedersachsen eine herausgehobene Bedeutung. „Wälder beherbergen die flächenmäßig größten verbliebenen Reste natürlicher beziehungsweise naturnaher Lebensräume und sind damit für die Bewahrung der biologischen Vielfalt unersetzlich. Außerdem können Wälder und Forste den Rohstoff Holz nachhaltig zur Verfügung stellen und verschiedene Schutzleistungen für den Menschen und seine Umwelt bieten. Schließlich sind die Wälder für die Menschen in Niedersachsen ein Stück Heimat, stiften Identität und sind Ort für Ausgleich und Erholung“, betonte Dr. Carsten Böhm.

Nun gilt es, trotz des aus Sicht des NABU Niedersachsen letztlich gescheiterten Prozesses, den Blick nach vorne zu richten und die vorhandenen positiven Ansätze in dem Papier mit Leben zu füllen. Für die Problemfelder müssen gesetzeskonforme Lösungen gefunden werden.

Nachdem sich spätestens mit dem Klimawandel die zunehmend instabilen Nadelholzmonokulturen als Irrweg erwiesen haben, werden statt robusten, naturnahen Waldgesellschaften gerade in den Landeswäldern zunehmend ultraschnellwüchsige „Turbofichten“, wie Douglasie und Küsten- beziehungsweise Riesentanne angebaut. Dieser Fehlentwicklung muss durch verbesserte, großflächige Sicherung von Gebieten für naturnahe, standortheimische Waldgesellschaften begegnet werden. Im Landeswald müssen dazu die „LÖWE-Waldschutzgebiete“ erweitert werden.

Altholzbestände, besonders aus Buche und Eiche, haben für die biologische Vielfalt und das Naturerleben eine unersetzliche Bedeutung. Der durch überzogenes Profitstreben ausgelöste Raubbau an den Altbeständen, gerade in den Landeswäldern, muss gestoppt werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die besonders wertvollen Wälder mit einem Bestandsalter über 160 Jahren nur 2,3 Prozent der Waldfläche ausmachen. Hierbei kann die von der Landesregierung nun geplante „Hotspot-Strategie“ zur Sicherung der biologischen Vielfalt, neben der Entwicklung der Natura-2000-Gebiete (FFH- und Vogelschutzgebiete der EU), im Wald einen Beitrag leisten.

Die Veräußerung von landeseigenem „Bürgerwald“ an private Landnutzer muss gestoppt werden

Zur Erhaltung der Eichen-Hainbuchenwälder, für die das Land Niedersachsen eine besondere Verantwortung hat, ist einerseits die Wiederherstellung eines intakten Bodenwasserhaushaltes notwendig Zum anderen hat sowohl das Hutewaldprojekt Reiherbachtal im Solling als auch das Artenschutzprojekt für das Birkhuhn in der Lüneburger Heide bewiesen, dass die Waldweide zum Erhalt bestimmter Arten und Lebensräume alternativlos ist. Diese Erkenntnisse müssen endlich bei der Erarbeitung von Managementplänen für Schutzgebiete angemessen berücksichtigt werden.

Durch die Neuauflage des Niedersächsischen Naturwaldprogramms mit Schwerpunkt in den Natura-2000-Gebieten des öffentlichen Waldes muss den „Juwelen“ unter unseren Wäldern der bestmögliche Schutz zuteilwerden. Dies ist auch ein Beitrag des Landes zur Erreichung der Zielsetzungen der Bundesregierung in der „Nationalen Biodiversitätsstrategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt im Wald“ sowie der europäischen FFH- und Vogelschutzrichtlinien. Entsprechend dem Beschluss der Bundesregierung sind hierfür fünf Prozent der Waldfläche bis zum Jahr 2020 vorzusehen.


Wald-Papier unzureichend, um Artenschwund zu stoppen

BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland Landesverband Niedersachsen e.V., 14.6.10

Heute haben verschiedene Vertreter gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Interessengruppen im Niedersächsischen Forstministerium das Positionspapier „Wälder für Niedersachsen – Wald, Forst- und Holzwirtschaft im Wandel“ unterzeichnet. Die neue Agrarministerin Astrid Grotelüschen (CDU) präsentiert das Papier als wirkungsvollen Leitfaden, um die niedersächsischen Wälder fit für die Zukunft zu machen.

Der BUND Landesverband Niedersachsen e.V. hält die formulierten Ziele nicht für ausreichend. Die Erhaltung der niedersächsischen Erholungswälder, der biologischen Vielfalt und die Bewältigung des Klimawandels erfordern mehr als diesen beschlossenen Minimalkonsens, in dem wirtschaftliche Ziele dominieren.

Deshalb hat der BUND Niedersachsen das Papier – wie die anderen großen Umweltverbände auch – nicht unterzeichnet. „In dem Wald-Papier werden viele gesetzliche Vorschriften wiederholt, die ohnehin schon gelten, es enthält also wenig Neues. Außerdem flossen in das Dokument kaum konkrete Maßnahmen und Handlungsoptionen ein, um die Artenvielfalt im Wald zu erhalten, und es verbietet immer noch nicht die Kahlschlag-Praxis“, sagt Dr. Reinhard Löhmer, der stellvertretende Vorsitzende des BUND Niedersachsen.

Die wichtigsten Kritikpunkte des BUND Niedersachsen sind folgende:

1. Bundesweit besteht fast durchweg Einigkeit über das Ziel, als Beitrag zur Erhaltung von Waldtieren und Pflanzen rund 5 Prozent aller Waldflächen der natürlichen Entwicklung zu überlassen (etwa 10 Prozent Flächen der staatlichen Wälder, entsprechend weniger in den Privatwäldern). Doch im Positionspapier ist keine eindeutige Zielgröße genannt.

2. Das Positionspapier wiederholt an vielen Stellen nur geltende gesetzliche Vorgaben, die ohnehin eingehalten werden müssen. Doch an einigen Stellen enthält es gravierende Abweichungen von der Bundesgesetzgebung. Im geltenden Bundesnaturschutzgesetz (BNatschG) steht beispielsweise, dass naturnahe Wälder aufgebaut werden sollen und ohne Kahlschläge nachhaltig zu bewirtschaften sind. Doch im niedersächsischen Positionspapier steht, dass die Kahlschlagwirtschaft weiterhin Teil der Waldwirtschaft bleiben soll.

3. Jeder Waldbesucher sieht in den niedersächsischen Wäldern, die Folgen der Waldbewirtschaftung: tief durchpflügte Waldböden und zerstörte Wege. Die Unterzeichner des Papiers haben sich nicht darauf festlegt, künftig nur Maschinen zum Einsatz zu bringen, die den Boden schonen. Die Art der Pflanzungen und Durchforstung wird sich daher auch künftig nicht nach den Bedürfnissen der Erholungssuchenden richten, sondern nur nach der Technik der Maschinen.

4. Das Papier sieht vor, dass künftig jede Rücksichtnahme bei der Waldbewirtschaftung in NATURA-2000-Gebieten oder anderen Schutzgebieten finanziell auszugleichen ist. Für den BUND ist klar, dass über Abgeltung gesprochen werden muss. Doch jeden Verzicht auf eine Intensivierung der Waldwirtschaft mit Geld auszugleichen, hält der BUND weder für rechtskonform noch für bezahlbar.

Der BUND erkennt aber auch einige positive Ansätze in dem Papier. Wenn sich alle Akteure künftig zumindest an das halten würden, was dort nun niedergeschrieben wurde, würde das dem Wald in Niedersachsen nutzen. Der BUND ist weiterhin für Gespräche offen und bietet seine Mitwirkung an, insbesondere bei dem Konzept zur nachhaltigen Sicherung, Mehrung und Vernetzung von Biotopen und Arten des Waldes, das das Landwirtschaftsministerium erarbeiten lassen wird (die so genannte Hotspot-Strategie). Anerkannt wird auch, dass überhaupt ein erster Versuch unternommen wurde, verschiedene Interessen zu identifizieren und in einigen Punkten Positionen anzunähern.

Doch insgesamt wird das vorgelegte Waldpapier den Herausforderungen nicht gerecht. Das spiegelt auch die Liste der Unterzeichner wieder: Vor allem Waldbesitzer, Holzproduzenten und Holzverarbeiter konnten sich auf diese Positionen verständigen. Dass die großen Umwelt- und Naturschutzverbände, die forstwissenschaftlichen Hochschulen und einige Förster nicht mitgezeichnet haben, zeigt, dass diese Positionen nicht ausreichen, um die niedersächsischen Erholungswälder und die biologische Vielfalt zu erhalten.







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