AktuellPläne zum Jagdgesetz
NABU: Bundesregierung blamiert sich bei geplanter Novelle des JagdgesetzesTschimpke: Einknicken vor Jagdlobby ist inakzeptabelNABU Pressemitteilung, 6.11.12 Berlin Im Zuge der geplanten Novellierung des Bundesjagdgesetzes kritisiert der NABU das offensichtliche Einknicken der Bundesregierung unter der Einflussnahme der Jagdlobby. „Die Bundesregierung lässt sich bei der geplanten Neugestaltung des Jagdgesetzes die Marschrichtung von rückwärtsgewandten Jägern diktieren. Besonders peinlich ist dabei, dass dies auch noch erstaunlich dilettantisch erfolgt“, so NABU-Präsident Olaf Tschimpke. In einem Schreiben an die Umwelt- und Jagdverbänden hatte das Bundeslandwirtschaftsministerium Ende November einen Gesetzentwurf zur Änderung des Jagdrechts verschickt und die Verbände um Stellungnahme gebeten. Der innerhalb der Bundesregierung abgestimmte Entwurf enthielt einige notwendige und sinnvolle Korrekturen. So muss ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom Juni dieses Jahres umgesetzt werden, wonach die Pflichtmitgliedschaft von Flächeneigentümern in einer Jagdgenossenschaft die Menschenrechtskonvention verletzt. Darüber hinaus sollten etwa die Fütterung oder die Abgabe von Arzneimitteln und Aufbaupräparaten an Wildtiere verboten und die Jagdzeiten angepasst werden. Nur eine Woche später zog das Bundeslandwirtschaftsministerium den Entwurf überraschend zurück. Man wolle den Gesetzentwurf nunmehr ausschließlich auf die Umsetzung des EGMR-Urteils begrenzen, alle anderen im Entwurf vorgesehenen Änderungen würden nicht weiter verfolgt. „Dass das Bundeslandwirtschaftsministerium so unvermittelt einen Gesetzentwurf zurückzieht, entlarvt den Einfluss der Jagdlobby auf die Politik. Offensichtlich haben die Jäger alle Hebel in Bewegung gesetzt, um selbst zaghafte ökologische Verbesserungen sofort wieder zu streichen“, kritisierte Tschimpke. Der NABU fordert seit etlichen Jahren eine ökologische Modernisierung der Jagd. So müssen wichtige Erkenntnisse der Wildtierökologie und des Natur-, Arten- und Tierschutzes ebenso berücksichtigt werden wie die veränderten gesellschaftlichen Anforderungen an die Jagdausübung. Dazu zählen insbesondere eine Reduzierung der jagdbaren Arten, eine Harmonisierung der Jagdzeiten, ein Fütterungsverbot sowie ein sofortiges Verbot bleihaltiger Munition. Bundesregierung macht Kehrtwende beim Wildtierfütterungs- und MedikamentierungsverbotJagdlobby setzt auch Verzicht auf Angleichung der Jagdzeiten für Rehböcke und Ricken im Herbst durchPressemitteilung von Cornelia Behm, Sprecherin für Ländliche Entwicklung und für Waldpolitik der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 6. Dezember 2012 "Bei der schwarz-gelben Bundesregierung ist jeder auch noch so kleine Versuch, das Jagd-recht zu modernisieren und zu ökologisieren, zum Scheitern verurteilt." Mit diesen Worten kommentiert Cornelia Behm, Sprecherin der Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Kehrtwende der Bundesregierung bei der Änderung des Bundesjagdgesetzes. Die Bundesregierung hatte am 27. November einen ressortabgestimmten Gesetzentwurf zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften an Jagd- und Naturschutzverbände zur Stellungnahme versendet, der auch ein grundsätzliches Fütterungs- und Medikamentenverabreichungsverbot enthielt. Außerdem hatte sie eine Verlängerung der herbstlichen Jagdzeit für Rehböcke angekündigt. "Alle drei Maßnahmen wären längst überfällige Anpassungen des deutschen Jagdrechts", sagt Behm. "Denn man sollte Wildtiere nicht durch Fütterung und Medikamentierung quasi zu landwirtschaftlichen Nutztieren machen. Wildtiere sollen Wildtiere bleiben. Und für die trophäenorientierte Trennung der Jagdzeiten für Rehböcke und Ricken im Herbst gibt es keinen vernünftigen und nachvollziehbaren Grund." Am 3. Dezember hat die Bundesregierung diese drei Änderungen jedoch wieder zurückgezogen. "Das ist ein einmalig peinlicher Vorgang. Welchen Druck muss die Jagdlobby hier in diesen wenigen Tagen ausgeübt haben, um das durchsetzen zu können! Das wirft ein Schlaglicht darauf, wer in Deutschland die Jagdpolitik eigentlich macht", kritisiert Behm. "Der Vorgang zeigt aber auch, dass die Ministerialbeamten in den Ministerien längst weiter sind als die schwarz-gelbe Bundesregierung. Das macht Hoffnung für die nächste Legislaturperiode, hilft aber jetzt nichts." "Auch die Bundesländer - selbst schwarz-gelb regierte - sind da schon viel weiter: Dort finden Anpassungen des antiquierten deutschen Jagdrecht bereits seit einigen Jahren statt - in einigen umfangreicher, in anderen nur in kleinen Schritten. Aber das Mantra der schwarz-gelben Bundesregierung und der deutschen Jagdlobby, dass das in seinen Grundstrukturen im Jahr 1934 geschaffene deutsche Jagdrecht nicht geändert werden dürfe, das gilt in den Ländern schon längst nicht mehr", stellt Behm fest. "Skandalös ist auch, dass das Agrarministerium nur Jagd- und Umweltverbände, nicht aber Tierschutzverbände über den Gesetzentwurf informiert und zur Stellungnahme aufgefordert hat, obwohl es bei der Umsetzung des EGMR-Urteils zur Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften doch darum geht, Grundeigentümern aus ethischen Gründen die Befriedung ihrer Grundstücke zu ermöglichen - eine Änderung, die Tierschützer vor Gericht erstritten haben. Das macht einmal mehr deutlich, welchen Stellenwert der Tierschutz in dieser Bundesregierung hat." Ministerin Aigner knickt vor ewiggestrigen Bremsern einBundesregierung ist nun Schlusslicht in der JagdpolitikÖkologischer Jagdverband e.V. Pressemitteilung, 6.12.12 Kürzlich wurde vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ein „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften“ übermittelt. Im Anschreiben vom 27. November 2012 stand einführend „Der Gesetzentwurf ist mit den Bundesressorts abgestimmt.“ Zweck des Gesetzes war die Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zur Zwangsmitgliedschaft in Jagdgenossenschaften. Die Reaktion auf die Vorgaben des EGMR war von der Absicht getragen, die Möglichkeit zum Ausscheiden aus der Jagdgenossenschaft sehr eng zu definieren und viele zu berücksichtigende, hindernde Belange auszuweisen, z.B. auch „des Schutzes der Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft vor übermäßigen Wildschäden“ oder des „Naturschutzes und der Landschaftspflege“. „Die Befriedung kann räumlich auf einen Teil der Antragsfläche sowie zeitlich beschränkt werden“ oder „Die zuständige Behörde kann eine beschränkte Jagdausübung auf den für befriedet erklärten Grundflächen anordnen, soweit dies zur Vermeidung übermäßiger Wildschäden erforderlich ist Kommt der Grundeigentümer der Anordnung nicht nach, so kann die zuständige Behörde für dessen Rechnung die Jagd ausüben lassen.“ waren weitere mögliche Einschränkungen. Der Entwurf des neuen § 6a geht sogar so weit, dass der ausgetretene Grundeigentümer den Wildschaden der Jagdgenossen unter bestimmten Voraussetzungen anteilig zu ersetzen hat, auch die Wildfolge bleibt bestehen. Der ÖJV, der eine effiziente Jagdausübung insbesondere zur Entwicklung naturnaher, klimaplastischer Wälder für zwingend erforderlich hält, kann mit diesen Regelungen leben. So weit, so erwartungsgemäß auch wenn nach den Erläuterungen der abzuwägenden Belange eine Gefährdung z.B. vorliegt, „wenn die Befriedung die Durchführung einer Bewegungsjagd im betroffenen Jagdbezirk unzumutbar erschweren würde. Denn ohne Bewegungsjagd lassen sich die dem Gemeinwohl verpflichteten Ziele der Jagd nicht erreichen.“ Eine für das BMELV durchaus progressiv zu nennende Äußerung. Doch nach dem § 6a wurde eine Änderung des § 28 ergänzt: „(5) Die Fütterung von Wild ist verboten. Die zuständige Behörde kann eine beschränkte Fütterung anordnen, soweit dies zur Vermeidung von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erforderlich ist.“ Und in einem neu angefügten Absatz 6 wird die Verabreichung von Arzneimitteln und Aufbaupräparaten nur mit Zustimmung der obersten Landesbehörden gestattet. In den Erläuterungen dazu sind jetzt aus dem BMELV gänzlich neue, völlig unerwartete Töne zu vernehmen: „Fütterungen sind aus biologischer Sicht nicht sinnvoll, da beispielsweise Rehe im Winter über entsprechende Anpassungsmechanismen verfügen. Die Fütterung führt zu unnatürlich hohen Wildpopulationen mit der Folge erhöhter Risiken für Wildschäden. Nur unter besonderen Umständen kann eine Fütterung gerechtfertigt sein. Durchschnittliche winterliche Verhältnisse allein reichen dazu nicht aus.“ und „Die Verabreichung von Arzneimitteln an Wild dient grundsätzlich dazu, dessen Gesundheitszustand nach menschlichen Maßstäben zu verbessern. Dies trägt zu höheren Wildpopulationen bei und geht mit einer Gefährdung von öffentlichen Belangen, wie einem erhöhten Risiko von Wildschäden einher. Außerdem konterkariert die Medikamentierung die gewünschte natürliche Auslese.“ Stellen die vorgenannten Aussagen schon nahezu einen Paradigmenwechsel des in der Vergangenheit veränderungsunwilligen, Probleme hartnäckig verleugnenden Hauses dar, so mutet der folgende Satz aus dem Anschreiben völlig visionär an: „Darüber hinaus erfolgt in einem gesonderten Rechtssetzungsverfahren eine Änderung der Bundesjagdzeitenverordnung, in der neben ohnehin 1:1 umzusetzenden Vorschriften zur Beschränkung der Jagd auf Heringsmöwe und Saatgans (Umsetzung des AEWA-Abkommens) die Verlängerung der Jagdzeit auf den Rehbock bis zum 31. Januar eines Jahres vorgesehen ist.“ Altgediente ÖJV-Aktive seufzten ergriffen „Dass wir das noch erleben dürfen“, die fortschrittlichen der angeschriebenen Verbände entwarfen bereits an Lobeshymnen erinnernde Stellungnahmen, da kam postwendend am 3. Dezember die Ernüchterung in Form einer Mitteilung des Staatssekretärs Robert Kloos höchstpersönlich: „Nach einer weiteren Abstimmung auf Leitungsebene wird die Bundesregierung den Gesetzentwurf nun ausschließlich auf die zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte notwendigen Vorschriften begrenzen. Damit werden die Vorschriften bezüglich des Fütterungs- und Medikamentenverabreichungsverbotes sowie die für einen späteren Zeitpunkt geplante Änderung der Jagdzeiten nicht weiter verfolgt.“ Da fragt man sich, wer diese Leitungsebene ist und wo sie Ihren Sitz hat. Ist diese so plötzliche wie peinliche Sinnesänderung als Kniefall vor den ewiggestrigen Elementen der konservativen Jägerschaft zu sehen oder einer tief sitzenden Angst vor der eigenen Courage geschuldet? Ministerin Ilse Aigner schreckt bei der Einkassierung dieser sinnvollen und praxisgerechten Vorschläge angesichts der Lobby der retardierenden Kräfte und dinosaurierhaften Bedenkenträger vor keinem Gesichtsverlust zurück. Die Möglichkeit, erste Bausteine einer notwendigen umfassenden Novellierung des jagdrechtlichen Rahmens umzusetzen, wurde vertan. Wir werden Zeugen einer betrüblichen Darbietung im jagdpolitischen Panoptikum eines desolaten und kraftlosen Ministeriums in einer ebensolchen Regierungskoalition. Dem Vernehmen nach hatte Umweltminister Peter Altmaier die Aufnahme der fortschrittlichen Regelungen im Interesse einer naturnahen Waldentwicklung veranlasst, leider fehlte ihm anscheinend der lange Atem, dies auch durchzustehen. Die momentane Absage an eine bundeseinheitliche Neuregelung bedeutet natürlich keinen dauerhaften Stillstand bei der Weiterentwicklung des jagdrechtlichen Rahmens. Insbesondere die erweiterten Gestaltungsmöglichkeiten auf Länderebene werden in Zukunft verstärkt genutzt werden. In Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein werden derzeit ökologische Jagdgesetze erarbeitet, in Rheinland-Pfalz und Sachsen sind schon einzelne Verbesserungen vorgenommen worden. Die Bundesregierung und das BMELV werden von fortschrittlichen und pragmatischen Ländern derzeit links und rechts überholt und auf dem jagdpolitischen Abstellgleis landen. Von einer Meinungsführerschaft und Vorreiterrolle sind sie weiter denn je entfernt. Der ÖJV wird mit allen an einer zukunftsweisenden Regelung interessierten Kräften aus Waldwirtschaft, Naturschutz und Tierschutz zu sinnvollen Gesetzesnovellierungen beitragen. » zurück |
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