Aktuell


NABU Waldkonzept

NABU stellt Konzept zur natürlichen Waldentwicklung bis 2020 vor

Tschimpke: „Urwälder von morgen“ wichtig für Artenvielfalt und Klimaschutz

NABU Pressemitteilung, 17.1.13

Berlin – Die Ausweisung von Wäldern ohne forstwirtschaftliche Nutzung kommt in Deutschland nur schleppend voran. Vor diesem Hintergrund hat der NABU ein eigenes Konzept für die „Urwälder von morgen“ vorgelegt. „Zum Erhalt der biologischen Vielfalt brauchen wir dringend mehr gut vernetzte Wildnisgebiete. Dazu zählen insbesondere Wälder mit einer natürlichen Entwicklung, die künftig Bestandteil einer jeden multifunktionalen Forstwirtschaft sein müssen“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Die Forstwirtschaft nutzt die Bäume im Wald bereits in ihrer Jugendphase, so dass überlebenswichtige Strukturen wie Totholz, Höhlen und grobborkige Rindenstrukturen weitestgehend fehlen. Ausreichend Brut- und Nahrungsstätten für viele Tier- und Pflanzenarten entstehen nur in unbewirtschafteten Wäldern. Bereits 2007 hat die Bundesregierung daher beschlossen, bis 2020 mindestens fünf Prozent der Waldfläche beziehungsweise zehn Prozent des öffentlichen Waldes aus der forstlichen Nutzung zu nehmen. Doch bislang ist wenig passiert. Das Bundeslandwirtschaftsministerium schätzt, dass derzeit gerade einmal zwei Prozent des Waldes sich selbst entwickeln dürfen. Für die Umsetzung des Fünf-Prozent-Ziels müssen noch gut zehn Großschutzgebiete und eine Vielzahl von Waldschutzgebieten mit einer Mindestgröße von 100 Hektar ausgewiesen werden. „Während wir den Wert von Urwäldern in aller Welt als grüne Lunge und als 'Hotspots' der Artenvielfalt erkannt haben, sind wir bei der Ausweisung von 'Urwäldern von morgen' in Deutschland kaum vorangekommen. Ein notwendiger Schritt ist deshalb die Ausweisung von Nationalparken im Nordschwarzwald, im Steigerwald und im Teutoburger Wald“, so Tschimpke.

Ein Netzwerk der „Urwälder von morgen“ muss sich nach Auffassung des NABU aus Schutzgebieten verschiedener Größen zusammensetzen, die gut miteinander vernetzt sind. Nationalparke bilden als großflächige Schutzgebiete das Grundgerüst, weil sich die Natur auf großer Fläche entwickeln kann und Populationen selten gewordener Arten mit großem Raumanspruch Rückzugsräume finden. Vor allem müssen die noch vorhandenen, über 100 Hektar großen naturnahen Laubwälder als Teil des Urwaldnetzwerkes ausgewiesen werden. Meist sind die Gebiete groß genug, um alle Waldentwicklungsphasen nebeneinander auf der Fläche zu gewährleisten. „Um die Artenvielfalt zu schützen, ist neben der Ausweisung weiterer Schutzgebieten eine konsequent ökologische Forstwirtschaft unumgänglich. Die Förster können Vieles von den 'Urwäldern von morgen' lernen, um auch im Wirtschaftswald für die Zukunft die richtigen Entscheidungen zu treffen“, so NABU-Waldreferent Stefan Adler.

NABU-Positionspapier zum Download (PDF)


NABU fordert rechtskonforme Änderung des Bundesjagdgesetzes

Bundesregierung umgeht Jagd-Grundrechtsurteil des Menschenrechts-Gerichtshofs

NABU Pressemitteilung, 16.1.13

Berlin – Mit Blick auf die morgigen Bundestagsberatungen über die Änderung des Bundesjagdgesetzes (BJagdG) hat der NABU scharfe Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf geäußert. Hintergrund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 26. Juni 2012, wonach die Pflichtmitgliedschaft von Flächeneigentümern in einer Jagdgenossenschaft die Europäische Menschenrechtskonvention verletzt. Das Urteil soll noch in dieser Legislaturperiode im BJagdG kurzfristig umgesetzt werden. „Mit dem vorliegenden Gesetzesvorschlag würde das Urteil des EGMR völlig unvollständig umgesetzt. Wenn die Regierung an dem Vorschlag festhält, sind weitere Klagen von Flächeneigentümern zu erwarten, die die Jagd auf ihren eigenen Flächen verbieten bzw. einschränken wollen“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Dem Gesetzentwurf zufolge sollen für die jagdliche Befriedung ausschließlich ethische Gründe von natürlichen Personen gelten, wozu der Antragsteller eine Art „Gewissensprüfung“ durchlaufen muss. Fachlich motivierte Ablehnungen der Jagd von juristischen Personen wie Stiftungen und Naturschutzverbänden würden dadurch kategorisch ausgeklammert. „Der NABU kauft regelmäßig Flächen, um beispielsweise Wasservogelparadiese zu gestalten. Wenn wir dort nicht selbst Jagdausübungsberechtigter sind, haben wir kaum Einfluss auf die Aktivitäten der Jäger. Das muss sich dringend ändern“, forderte Tschimpke.

In Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wird derzeit intensiv an einer grundlegenden Novellierung der Landesjagdgesetze gearbeitet. Damit das Bundesjagdgesetz zukünftig weiter als jagdgesetzlicher Orientierungsrahmen für die Länder dienen kann, muss das BJagdG dringend grundlegend reformiert werden. Wichtige Erkenntnisse der Wildtierökologie und des Natur-, Arten- und Tierschutzes sowie die veränderten gesellschaftlichen Anforderungen an die Jagdausübung müssen in den Novellierungsprozess mit einfließen.


300 Jahre forstliche „Nachhaltigkeit“: Grund für Sekt und Selters!

NABU sieht Defizite bei der Ausrichtung des Forstes auf vollwertige Nachhaltigkeit

NABU Baden-Württemberg Pressemitteilung, 16.1.13

Stuttgart – Im Jahr 1713 hat Hans Carl von Carlowitz den Begriff „Nachhaltigkeit“ für die Forstwirtschaft geprägt. „Auf diesen Meilenstein sind die Förster zu Recht stolz“, sagt der Vorsitzende des NABU Baden-Württemberg Dr. Andre Baumann. „Weniger einzuschlagen als nachwächst – das ist noch immer eine eingängige Beschreibung der Nachhaltigkeit, wenngleich sie natürlich viel zu kurz greift.“ Statt nur auf die Quantität des Holzeinschlages zu schauen, müsse die Qualität der Waldbewirtschaftung insgesamt mehr in den Fokus rücken und dabei auch ökologische und soziale Belange stärker zählen.

Auf dem Weg, den Begriff „Nachhaltigkeit“ auch in diesem weitergehenden, moderneren Sinne mit Inhalten zu füllen, sieht der NABU im baden-württembergischen Forstsektor bereits einige positive Ansätze. Das „Konzept der naturnahen Waldwirtschaft Baden-Württemberg“ von 1992 habe wesentlich dazu beigetragen, dass der Anteil der Fichten-Monokulturen abgenommen hat, während der Anteil der Laubbäume, der Strukturreichtum und die Menge an Totholz in den Wäldern zunahm. Mit der von Grün-Rot angekündigten FSC-Zertifizierung und dem anvisierten Nationalpark bewege sich ForstBW in die richtige Richtung. „Trotz dieser positiven Ansätze sehen wir noch viele Defizite. Wir gönnen den Förstern den Sekt zum Anstoßen, fordern aber, dass danach bei Selters weitergearbeitet wird, um zu einer vollwertigen Nachhaltigkeit zu gelangen“, sagt Baumann.

Kahlschläge sind weder „naturnah“ noch nachhaltig

Als nicht nachhaltig kritisiert der NABU etwa Kahlschläge vor allem in alten Buchenbeständen. Sie werden im Forstjargon als „flächige Räumungen über gesicherter Verjüngung“ tituliert und sind nach wie vor gängige Praxis in Baden-Württemberg. ForstBW bezeichnet sie fälschlicherweise als „naturnah“. Dabei verjünge sich Buchenwald in der Natur nur kleinflächig. „Auch wenn es die Förster nicht gerne hören: Wenn auf großer Fläche alle alten Bäume umgesägt werden, ist das de facto ein Kahlhieb – mit gravierenden Folgen für viele Pflanzen und Tiere des Waldes, deren Lebensraum radikal zerstört wird“, erklärt NABU-Waldreferent Johannes Enssle.

Daneben kritisiert der studierte Förster die Kahlhiebe auch als ökonomisch unsinnig: „Wer alle alten Bäume eines Bestandes abräumt, macht zwar kurzfristig einen hohen Gewinn, muss dann aber wieder 100 Jahre warten, bis er wieder einen dicken Baum ernten kann. Das hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.“ Statt mit kurzfristigen Renditen dem Finanzminister zu imponieren, müsse der Staatsforstbetrieb die ihm anvertrauten Wälder konsequent in naturnahe und strukturreiche Dauerwälder überführen. „Solche Dauerwälder weisen auf ganzer Fläche alte Bäume auf und werfen Jahr für Jahr Gewinne ab. Darüber hinaus sind sie für den Klimawandel bestens gerüstet“, erklärt Enssle. Dass naturnahe Dauerwälder sowohl ökologisch als auch ökonomisch die nachhaltigste Wirtschaftsform sind, zeige sich etwa in den sechs NABU-Naturwaldbetrieben sowie bei vielen Privatwaldbesitzern, die mitunter seit Generationen nach diesem Prinzip arbeiten.

Radikaler Stellenabbau mindert Waldbauqualität

Alles andere als nachhaltig ist aus NABU-Sicht auch der unter der vorherigen Landesregierungen begonnene radikale Personalabbau mit der Folge, dass immer weniger Förster immer größere Reviere bewirtschaften. „Dass dabei die Qualität leidet, liegt auf der Hand“, erklärt Enssle. „Weil freie Stellen kaum mehr nachbesetzt werden, vergreist das Forstpersonal. Wir brauchen Wälder mit alten Bäumen und jungen Förstern.“

Wildnis: Zielvorgaben des Bundes weit verfehlt

Nachholbedarf gebe es zudem bei der Ausweisung von „Wildnisflächen“, auf denen sich die Natur ungestört entwickeln darf. Die Zielvorgabe der Bundesregierung, fünf Prozent aller Wälder, bzw. zehn Prozent der öffentlichen Wälder aus der Nutzung zu nehmen, sei noch lange nicht erreicht. Derzeit seien im baden-württembergischen Wald weniger als 1,5 Prozent der Fläche unbewirtschaftet und als Bannwälder, Waldrefugien und Kernzonen des Biosphärengebietes ausgewiesen. Mit einem Nationalpark im Nordschwarzwald und den Kernzonen eines Biosphärengebiets im Südschwarzwald werde sich das Land der Zielmarke nähern, diese aber noch nicht erreichen.

„Baden-Württemberg hat vor rund 20 Jahren mit seinem Konzept 'Naturnahe Waldwirtschaft' einen großen Schritt nach vorne gemacht. Jetzt gilt es, dieses Konzept zu entstauben und nachzubessern, neue Förster einzustellen und mehr Wildnis zuzulassen“, fordert NABU-Chef Baumann. Im 300. Jubiläumsjahr des Nachhaltigkeitsbegriffes müsse das Land hier dringend nachbessern.

Hintergrundinfo: 300 Jahre Nachhaltigkeit nach Hans Carl von Carlowitz (1713)

Vor 300 Jahren hat der Bergmann Hans Carl von Carlowitz in seinem Werk „Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht“ erstmals das Prinzip der Nachhaltigkeit formuliert. Vor dem Hintergrund eines anhaltenden Raubbaus an den Mittelgebirgswäldern forderte er eine „continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung“ der Wälder. Nur so viel Holz dürfe entnommen werden, wie wieder nachwachse:

„Wird derhalben die größte Kunst/Wissenschaft/Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weiln es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse (im Sinne von Wesen, Dasein) nicht bleiben mag.“ (S. 105–106 in der „Sylvicultura Oeconomica“).


NABU begrüßt Urteil zum Wolfsabschuss

Jäger verliert Jagdschein

NABU Pressemitteilung, 17.1.13

Berlin/Montabaur – Der NABU begrüßt das heutige Urteil des Amtsgerichtes Montabaur zum Abschuss eines Wolfes im Westerwald. „Das Urteil stellt klar, dass der Abschuss eines Wolfes kein Kavaliersdelikt ist und als Straftatbestand geahndet werden muss“, so NABU-Wolfsexperte Markus Bathen. Mit einem Strafmaß von 70 Tagessätzen à 50 Euro gilt der Verurteilte nach Bundesjagdgesetz nicht mehr als verlässlich zum Führen einer Waffe. Damit ist erstmalig seit der Rückkehr des Wolfes nach Deutschland die illegale Tötung eines Wolfes mit dem vollständigen Verlust eines Jagdscheins geahndet worden.

Die vonseiten des Angeklagten vorgebrachte Verteidigung, er habe den Wolf für einen wildernden Hund gehalten, ist aus Sicht des NABU nicht akzeptabel. Nach §1 Absatz 3 des Bundesjagdgesetzes ist die Beachtung der Waidgerechtigkeit bei der Ausübung der Jagd vorgeschrieben. Dazu gehört auch, dass ein Jäger ein Tier zweifelsfrei erkennen muss, ehe er einen Schuss abgibt. Dies war bei dem Jäger aus dem Raum Köln nicht der Fall, als er am 20. April 2012 in seinem Jagdrevier bei Hachenburg einen Wolf schoss. „Wer einen wolfsähnlich aussehenden Hund schießt, obwohl in der Region und der überregionalen Presse über die zweifelsfreie Anwesenheit eines Wolfes berichtet wird, jagt nicht waidgerecht. Ihm muss zwingend der Jagdschein entzogen werden“, so Bathen.

Im Februar 2012 wurde der erste Wolf seit über 120 Jahren in Rheinland-Pfalz gesichtet und fotografiert. Für die NABU-Wolfsexperten, die seit Jahren die Rückkehr des Wolfes nach Deutschland begleiten, war dies keine Überraschung. Wölfe besiedeln seit 2000 wieder erfolgreich Deutschland. Aus diesen ersten Wölfen sind bis heute 18 Rudel, überwiegend im Osten Deutschlands, entstanden. Einzelne Wölfe tauchen zudem in den westlichen Bundesländern auf. Sie sind die ersten Rückkehrer zukünftiger Wolfsrudel, die nach Einschätzung des NABU langfristig in allen Flächenbundesländern vorkommen werden.

Wölfe wandern weite Strecken, um neue, noch wolfsfreie Gebiete zu besiedeln. Ein Wanderwolf legt an einem Tag etwa 40 bis 75 Kilometer zurück, auch Wanderungen über 1.500 Kilometer sind nachgewiesen. So haben genetische Analysen zweifelsfrei ergeben, dass der im Westerwald geschossene Wolf aus der Italienischen Population stammt. Ein Jahr vor seiner Tötung wurde er in Gießen bereits einmal angefahren, lebte anschließend ein Jahr im Westerwald, ohne auffällig zu werden. In der waldreichen Kulturlandschaft fand er ausreichend Wildtiere als Nahrung, Übergriffe auf Schafe sind dem Wolf nicht zuzuordnen.

Nach Ansicht des NABU ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich der nächste Wolf in Rheinland-Pfalz niederlässt. Vor diesem Hintergrund fordert der NABU die Regelungen zum Abschuss wildernder Hunde zu verschärfen. Die Geschichte vom „bösen Wolf“ verweist Siegfried Schuch, Vorsitzender des NABU Rheinland-Pfalz, ins Reich der Märchen: „Wölfe sehen in uns Menschen keine Beute. Seit ihrer Rückkehr nach Deutschland ist es zu keiner Situation gekommen, in der sich ein Wolf aggressiv einem Menschen genähert hat. Eine erfolgreiche Nachbarschaft von Mensch und Wolf ist möglich. Das sollten wir auch hier in Rheinland-Pfalz schaffen.“




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