AktuellInsektensterben in Deutschland
NABU warnt vor dramatischem Insektensterben in Deutschland mit unbekannten FolgenIn Nordrhein-Westfalen fehlen bis zu 80 Prozent der FluginsektenNABU Pressemitteilung, 13.1.16 Berlin/Düsseldorf Der NABU warnt vor einem neuartigen Insektensterben mit bislang unbekannten Folgen in Deutschland. Allein in Nordrhein-Westfalen sei in den vergangenen 15 Jahren die Biomasse der Fluginsekten um bis zu 80 Prozent zurückgegangen. Ähnlich alarmierende Entwicklungen befürchten die Naturschützer in weiteren Regionen Deutschlands und fordern, die Ursachen und das Ausmaß des Insektenschwunds bundesweit schnell aufzuklären. „Unsere Beobachtungen in Nordrhein-Westfalen sind beängstigend. Wenn uns die Fluginsekten fehlen, gerät die gesamte Nahrungskette in Gefahr: Blumen und Bäume werden nicht mehr bestäubt und Mauerseglern und Schwalben fehlt die Nahrungsgrundlage“, warnte Josef Tumbrinck, Landesvorsitzender des NABU Nordrhein-Westfalen. Er stellte am heutigen Mittoch im Umweltausschuss des Bundestages die Untersuchungsergebnisse des Entomologischen Vereins Krefeld vor, mit dem der NABU zusammenarbeitet. Ehrenamtliche hatten zwischen 1989 und 2014 an insgesamt 88 Standorten in Nordrhein-Westfalen fliegende Insekten gesammelt, ihre Arten bestimmt und sie gewogen. „Während wir 1995 noch 1,6 Kilogramm aus den Untersuchungsfallen sammelten, sind wir heute froh, wenn es 300 Gramm sind“, so Tumbrinck. Der Rückgang von bis zu 80 Prozent beträfe unter anderem Schmetterlinge, Bienen und Schwebfliegen. Die Ursachen dieses dramatischen Schwundes sind bislang nicht ausreichend geklärt. „Den Klimawandel oder besonders kalte oder warme Winter können wir ausschließen. Vieles deutet darauf hin, dass wir es mit einer weit reichenden Vergiftung der Insekten in unserer Umwelt zu tun haben“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Besonders Neonicotinoide, die seit Mitte der 1990er Jahre in der Landwirtschaft eingesetzt werden, stehen im Verdacht für das massenhafte Sterben verantwortlich zu sein. Immer mehr Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese Mittel weit über ihr Einsatzgebiet hinaus Schäden unter Honigbienen, aber auch in der gesamten Insektenfauna auslösen. Der NABU fordert angesichts der alarmierenden Daten aus Nordrhein-Westfalen, bundesweit möglichst schnell ein dauerhaftes Insektenmonitoring aufzubauen. Darüber hinaus fordern die Naturschützer, die kritischen Insektizide endlich intensiv zu überprüfen. Erst wenn nachgewiesen sei, dass diese Stoffe keine schädigenden Auswirkungen auf die Ökosysteme haben, sollten sie zugelassen werden. Außerdem sei es wichtig, den ökologischen Landbau weiter auszubauen und ganz besonders in Schutzgebieten und ihren Pufferbereichen zu fördern, da auf diesen Flächen keine Pestizide eingesetzt werden dürfen. NABU fordert naturverträgliche Agrarwende Bauernhöfe statt AgrarindustrieTschimpke: weg vom Prinzip Gießkanne/Entwicklung des ländlichen Raumes stärkenNABU Pressemitteilung, 16.1.16 Berlin Anlässlich der Agrardemonstration „Wir haben es satt! Bauernhöfe statt Agrarindustrie“ am heutigen Samstag in Berlin fordert der NABU einen Kurswechsel in der Agrarpolitik: Feste Strukturen, die allein auf die Förderung der Agrarindustrie und -lobby zielten, müssten beseitigt und stattdessen im Rahmen einer Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik eine naturverträgliche Landwirtschaft gestärkt werden. „Wir müssen endlich weg von der Massentierhaltung, Monokulturen und massivem Pestizideinsatz, was mit der gießkannenartigen Förderung der Brüsseler Agrarmilliarden stets aufs Neue zementiert wird. Stattdessen brauchen wir eine Stärkung des Ökolandbaus und Maßnahmen, die den Schutz von Wiesen und Weiden, Böden und Gewässern in der Landwirtschaft ausreichend fördern“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke auf der Auftaktkundgebung der Demonstration am Potsdamer Platz. Das Motto der Demonstration „Bauernhöfe statt Agrarindustrie“ bringe es auf den Punkt: Landwirte, die sich für den Naturschutz engagieren, müssten dafür auch belohnt werden. „Eine artgerechte Tierhaltung, gesundes Essen, das Engagement für saubere Gewässer und gesunde Böden sind ein wichtiger Beitrag zum Erhalt unserer Kulturlandschaft, dem Artenschutz und damit auch zum Gemeinwohl“, so Tschimpke weiter. Unter dem Motto „Naturschätze retten statt Landschaften plätten“ beteiligten sich NABU- und NAJU-Aktive mit einer „Arche für bedrohte Arten in der Agrarlandschaft“ an dem Protestzug in Berlin. Damit machten sie auf den alarmierenden Schwund von Arten der Agrarlandschaft wie Feldlerche, Kiebitz und Rebhuhn aufmerksam. Jedes Jahr fließen über 60 Milliarden Euro fast bedingungslos in die europäische Landwirtschaft. Lediglich 18 Milliarden Euro umfasst die so genannte zweite Säule der Agrarpolitik. Mit dem Geld werden verschiedene Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raumes sowie Agrarumweltmaßnahmen gefördert. Der NABU fordert die Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik und eine deutliche Stärkung der zweiten Säule, um Maßnahmen zum Erhalt von natürlichen Ressourcen, ländlichen Gemeinschaften sowie der Verbesserung des Tierschutzes zu fördern. Ausgezeichnetes WWF-Projekt für ArtenvielfaltAusgezeichnetes WWF-Projekt für Artenvielfalt„Landwirtschaft für Artenvielfalt“ wird offizielles Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt.WWF Pressemitteilung, 15.1.16 Die Fachjury der UN-Dekade Biologische Vielfalt hat das Projekt „Landwirtschaft für Artenvielfalt“ ausgezeichnet. Im Rahmen der Grünen Woche überreichte Jochen Flasbarth, Staatssekretär des Bundesumweltministeriums, stellvertretend den Preis. Anlässlich der Auszeichnung fordert der WWF Deutschland von der Bundesregierung die Stärkung von Landwirten, welche die Biologische Vielfalt erhalten und verantwortlich mit natürlichen Ressourcen umgehen. „Landwirtschaft für Artenvielfalt“ ist ein gemeinsames Projekt von WWF, dem ökologischen Anbauverband Biopark und EDEKA. Das in diesem Projekt entwickelte Bewertungssystem ist eine Zusatzqualifikation für Leistungen ökologisch bewirtschafteter Betriebe zur Förderung der Artenvielfalt. Wissenschaftlich begleitet und in der naturschutzfachlichen Beratung umgesetzt wird das Bewertungssystem vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF e.V.). EDEKA Nord garantiert die Abnahme der Projekt-Produkte und honoriert die Leistungen der Landwirte mit einem Aufpreis. Der WWF bemängelt anlässlich der Auszeichnung, dass die Form der Agrarförderung den Verlust der Artenvielfalt noch beschleunigt. „Die wirtschaftliche Besserstellung von landwirtschaftlichen Betrieben, die negative ökologische Effekte verursachen, muss ein Ende haben. Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass Betriebe des ökologischen Landbaus, die dazugehörige Forschung und Agrarumweltmaßnahmen finanziell gestärkt werden. Nur so hat Deutschland eine Chance die Biologische Vielfalt zu erhalten“, betont Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz des WWF Deutschland. Die Vereinten Nationen haben die Jahre 2011 bis 2020 zur UN-Dekade für die biologische Vielfalt erklärt. Die Staatengemeinschaft ruft damit die Weltöffentlichkeit auf, sich für die biologische Vielfalt einzusetzen. In Deutschland werden über 50 Prozent der Fläche durch die Agrarwirtschaft genutzt. Viele Tiere und Pflanzen sind auf diese Flächen als Lebensraum angewiesen. Aufgrund der Intensivierung der Agrarnutzung gilt eine Vielzahl von ihnen mittlerweile als gefährdet. Weniger Gift im GemüsePestizide runter von Acker und Verbraucher-Teller: Aldi Süd will acht bienengefährdende Gifte aus Obst und Gemüse verbannen. Nun müssen weitere Händler einlenken und die Politik.Von Stephanie Töwe, Greenpeace-Online, 16.1.16 Verbraucher können sich freuen: Seit Anfang dieses Jahres fordert Aldi Süd von seinen Lieferanten, unter anderem auf einige Neonicotinoide bei der Gemüse- und Obstproduktion zu verzichten. Steigender Gifteinsatz und Rückgang der Artenvielfalt das sind zwei der Folgen von hohem Pestizideinsatz auf dem Acker. Aldi Süd macht nun einen ersten Schritt und steuert gegen: Der Discounter will auf acht bienengefährdende Gifte in der Produktion von Obst und Gemüse verzichten. Seit 1. Januar dieses Jahres fordert das Unternehmen von seinen Lieferanten, unter anderem auf die Neonicotinoide Clothianidin, Imidacloprid, Sulfoxaflor und Thiamethoxam zu verzichten, so heißt es in einem Schreiben des Konzerns, das Greenpeace vorliegt. Die Umweltschutzorganisation hatte bereits im vergangenen Oktober vor Filialen deutscher Supermarktketten mit Protestaktionen eine Reduktion gefährlicher Pestiziden gefordert. „Unsere Kampagne trägt nun auch beim Einzelhandel erste Früchte“, sagt Christiane Huxdorff, Umweltwissenschaftlerin und Greenpeace-Expertin für Landwirtschaft. „Aldi Süd übernimmt damit eine wichtige Vorreiterrolle. Andere Lebensmitteleinzelhändler sind jetzt gefordert, diesem ersten Schritt zu folgen.“ Zu viele Pestizide auf dem Acker Greenpeace-Tests im vergangenen Jahr haben gezeigt, dass immer noch zu viele Pestizide auf den Äckern und Plantagen eingesetzt werden. „Chemisch-synthetische Pestizide sind präsent vom Anbau bis zum Teller“, so Huxdorff. „Es ist wichtig, mehr als nur gesetzliche Mindestanforderungen zu erfüllen und bereits in der Produktion den Einsatz zu reduzieren. Die bienengefährdenden Wirkstoffe aus der Produktion zu verbannen ist ein wichtiger Anfang.“ Mit den acht Wirkstoffen, auf die Aldi Süd verzichten will, behandeln Landwirte verschiedene Kulturpflanzen. Clothianidin wird bei Kohlrabi, Kräutern, Rosen-, Blumen- und Blattkohl eingesetzt, Cypermethrin bei Porree und Hülsengemüse. Deltamethrin betrifft Blumenkohl, Paprika, Aubergine, Zucchini, Gurke, Buschbohne, Erbse, Kopfkohl, Tomate und Salat. Fipronil darf bei Ausnahmezulassungen auf Kartoffeläckern eingesetzt werden, und Imidacloprid wird bei Hopfen, Äpfeln, Pfirsichen, Aprikose und Salat angewendet. Greenpeace hatte bereits 2013 in dem Report „Bye, bye Biene“ gefordert, dass genau diese Wirkstoffe verboten werden müssen, um dem weltweiten Bienensterben entgegenzuwirken. Politik versagt bei Umwelt- und Verbraucherschutz Der hohe Pestizideinsatz in der Landwirtschaft hat immense Umweltauswirkungen. Eine aktuelle Studie des NABU zeigt, dass allein in Nordrhein-Westfalen in den vergangenen 15 Jahren ein dramatischer Rückgang an Fluginsekten zu verzeichnen ist. Dieser betrifft 80 Prozent der Schmetterlinge, Bienen und Schwebfliegen. Die Ursachen sind bisher unerforscht. Es stehen aber besonders Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide unter Verdacht, für dieses massenhafte Sterben verantwortlich zu sein. „Chemisch-synthetische Gifte müssen drastisch reduziert werden“, fordert Huxdorff. „Gefährliche Stoffe gehören sofort verboten; da hat die Politik bisher versagt. Deshalb ist es gut, wenn Handelsunternehmen wie Aldi Süd das selber in die Hand nehmen. Langfristig muss aber auch die Politik einlenken.“ Greenpeace fordert von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und von Joachim Rukwied, Präsidenten des Deutschen Bauernverbandes, sich für Ackerbau ohne giftige Chemikalien einzusetzen. Unterstützen auch Sie die Greenpeace-Forderungen und senden Sie hier eine Protestmail. Zur AKTION » zurück |
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