Aktuell


EU-Naturschutzrichtlinien

NABU begrüßt Votum des Europaparlaments für den Erhalt der EU-Naturschutzrichtlinien

Miller: Kommissar Vella sollte Pläne zur Änderung des Naturschutzrechts schnellstmöglich beerdigen

NABU Pressemitteilung, 3.2.16

Straßburg/Berlin – Der NABU hat die heutige Abstimmung des Europäischen Parlaments für eine Beibehaltung und bessere Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien (Vogelschutz- und Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie) begrüßt. Mit dem Europäischen Parlament lehnt jetzt damit auch die direkte Vertretung der Bürgerinnen und Bürgern die Überlegungen der EU-Kommission ab, das geltende Naturschutzrecht zu ändern.

„Wir fordern EU-Umweltkommissar Karmenu Vella nun auf, die Debatte über mögliche Änderungen der Richtlinien, die nur von einer kleinen Gruppe von Lobbyisten betrieben wird, so schnell wie möglich zu beenden und sich wieder aktiv der Rettung der Biodiversität zu widmen. Das eindeutige Votum des Parlaments, die Position der EU-Umweltminister und vor allem die Ergebnisse der von ihm selbst durchgeführten Bürgerbefragung und Expertenstudie darf er nicht länger ignorieren“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

Der Bericht wurde mit einer großen Mehrheit von 592 Stimmen und nur 52 Gegenstimmen verabschiedet. In seinem Bericht betont das Europäische Parlament, dass die von den EU-Staats- und Regierungschefs im März 2010 beschlossenen Ziele zum Schutz der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2020 nur erreicht werden können, wenn die beiden Naturschutzrichtlinien als zentrale Säulen der Naturschutzpolitik der EU erhalten und besser umgesetzt werden. Zudem müsse die Agrarpolitik der EU mehr zur Erhaltung der Biodiversität und zur Finanzierung des Naturschutzes beitragen.

Zuvor hatten am 16. Dezember 2015 bereits die Umweltminister der EU-Mitgliedstaaten eine vollständige Umsetzung der Naturschutzrichtlinien und eine bessere Finanzierung von Naturschutzmaßnahmen gefordert. Im Sommer hatten sich bei einer öffentlichen Online-Konsultation der EU-Kommission über 520.000 Bürgerinnen und Bürger aus allen EU-Staaten und damit 94 Prozent aller Teilnehmer im gleichen Sinn geäußert.

Die vorläufigen Ergebnisse des von EU-Kommissar Vella in Auftrag gegebenen umfangreichen „Fitness-Checks“ der EU-Naturschutzrichtlinien bestätigen, dass nicht das EU-Recht, sondern die mangelhafte Umsetzung vor Ort und die EU-Agrarpolitik das Hauptproblem für den Artenschwund sind. So nehmen etwa die Vogelarten der intensiv genutzten Agrarlandschaft weiter dramatisch ab, während sich die Bestände vieler in Natura-2000-Gebieten geschützter Arten erholen. Der NABU sieht daher einen klaren Handlungsauftrag an die EU-Kommission und kritisierte, dass Umweltkommissar Vella sich in der gestrigen Plenardebatte trotz mehrfacher Aufforderung der Europaabgeordneten nicht eindeutig für die Erhaltung der Richtlinien ausgesprochen hat.

„Der EU-Kommission liegen jetzt nicht nur die fachlichen Belege, sondern auch die eindeutigen Forderungen der Bürgerinnen und Bürger, der Umweltminister und unserer Volksvertreter im Europäischen Parlament vor, nicht die Axt an unsere Naturschutzstandards zu legen, sondern endlich Vorschläge zur besseren Umsetzung und Finanzierung der vorhandenen Gesetze vorzulegen“, so Claus Mayr, NABU-Direktor Europapolitik. Im Sinne der von der Kommission stets betonten Notwendigkeit einer „besseren Rechtssetzung" sei es nun höchste Zeit, die Unsicherheit über die Zukunft der EU-Naturschutzrichtlinien, und damit über die Naturschutzgesetze von 28 Staaten, zu beenden. „EU-Recht muss sich an den Bedürfnissen der Menschen und an fachlichen Erkenntnissen orientieren, und nicht an den Wünschen einflussreicher Lobbys aus der Agrar- und Holzindustrie“, so Mayr weiter.


Finger weg!

EU-Parlament stärkt Naturschutz den Rücken
WWF: Bessere Umsetzung statt neuer Gesetze


WWF Pressemitteilung, 2.2.16

Das größte Schutzgebietsnetz der Welt, die Natura2000-Gebiete der EU, steht derzeit auf dem Prüfstand der EU-Kommission. Der WWF befürchtet, dass so Naturschutzregeln aufgeweicht werden sollen. Das EU-Parlament sieht das ähnlich. Eine große Mehrheit der Abgeordneten hat den Plänen am Dienstag laut WWF „eine Abfuhr erteilt“ und bedrohten Arten und Ökosystemen in Europa „den Rücken gestärkt“. Bei den Beratungen zur Halbzeitbilanz der EU-Naturschutzstrategie habe man sich in Straßburg klar gegen Änderungen der betreffenden Naturschutzrichtlinien positioniert. Stattdessen solle deren praktische Umsetzung mit mehr personellen und finanziellen Ressourcen vorangetrieben werden.

„Finger weg von den Naturschutzrichtlinien, das ist die eindeutige Botschaft des EU-Parlaments an die Kommission. Stattdessen braucht es mehr Geld und mehr Personal, um vor Ort das Natura2000-Netzwerk zum Erfolg zu bringen“, kommentiert Günter Mitlacher, Leiter Internationale Biodiversitätspolitik beim WWF Deutschland. Nicht die Gesetzgebung, sondern deren bisherige Umsetzung sei das Problem. So verfügten gerade einmal 58% der Natura2000-Gebiete über einen Managementplan. Auch seien nur knapp ein Viertel der Arten und sogar nur 16% der Lebensräume in Europa „in einem günstigen Erhaltungszustand“.

„Es ist paradox: Anstatt vor Ort in den Mitgliedsländern dem Naturschutz endlich entsprechende Mittel zur Verfügung zu stellen, prüft die Juncker-Kommission, ob die Gesetzgebung fit ist“, so die Kritik von Mitlacher. Dabei seien Schutzgebiete eine lohnende Investition. Die Natura-2000-Gebiete der EU benötigen jährlich 6 Milliarden Euro, erbringen aber im gleichen Zeitraum Umweltleistungen im Wert von bis zu 300 Milliarden Euro, zum Beispiel sauberes Wasser, Klimaschutz und Erholungsräume.

Anfang 2015 startete die EU-Kommission den „Fitness-Check“ der Vogelschutz- und der Fauna-Flora-Habitat-(FFH)-Richtlinie. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker beauftragte Umweltkommissar Karmenu Vella, „Verschmelzung“ und „Modernisierung“ dieser wichtigsten europäischen Naturschutzgesetze zu prüfen. Noch im Laufe 2016 wird die Kommission einen Bericht vorlegen, ob die Richtlinien unverändert bleiben oder überarbeitet werden sollten.

Der WWF befürchtet, dass man nur darauf abzielt hohe Standards herabzusetzen. Dies beträfe gefährdete Tier- und Pflanzenarten wie Fledermäuse und Orchideen genauso, wie ökologisch bedeutsame Lebensräume, etwa Buchenwälder, Moore, Auen und küstennahe Meeresgebiete. Sie alle sind in den EU-Naturschutzrichtlinien gelistet und als Natura 2000-Gebiete geschützt. Werden die Richtlinien verändert, könnte der Schutz von über 5.000 Gebieten auf 15,4 Prozent der Landfläche in Deutschland geschwächt werden. „Eine Jahre andauernde Rechtsunsicherheit wäre die Folge, die niemandem hilft, erst recht nicht der Natur,“ so der WWF.




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