Aktuell


Herdenschutz und Wölfe

Herdenschutz vergessen

WWF bemängelt fehlenden Herdenschutz bei der Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes durch §45

WWF Pressemitteilung, 20.5.19

Berlin: Zu der am Montag öffentlich gewordenen Referentenvorlage eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes erklärt Dr. Diana Pretzell, Direktorin Biodiversitätspolitik WWF Deutschland:

„In dem vorliegenden Entwurf zur Einigung zwischen Bundeslandwirtschafts- und Bundesumweltministerium fehlt der Schlüssel zum Erfolg. Nur wenn Weidetierhalter finanziell einheitlich und möglichst unbürokratisch unterstützt werden, werden die eigentlichen Probleme angegangen. Eine Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes darf nicht den Eindruck erwecken, dass damit die Konflikte um die Rückkehr des Wolfes gelöst werden.

Der WWF fordert das Bundeslandwirtschaftsministerium dringend dazu auf, ergänzend zur Lex Wolf ein bundesweites Gesetz zur Förderung der extensiven Weidetierhaltung auf den Weg zu bringen. Eine vereinfachte Entnahme einzelner Wölfe und Wolfsrudel kann und darf den Eindruck entstehen lassen, dass Herdenschutzmaßnahmen überflüssig würden. Zuvor müssen Herdenschutzmaßnahmen bundesweit flächendeckend umgesetzt und entsprechend gefördert werden.

Der WWF kritisiert zudem, dass sich die angestrebten Änderungen auf andere Arten wie Biber oder Fischotter negativ auswirken könnten, da auch ihre Entnahme erleichtert würde. Das ist ein großer Schritt zurück, das können wir nicht hinnehmen. Der Druck auf diese Arten ist bereits enorm. Eine Beschränkung auf den Wolf ist hier unbedingt geboten.


BUND kritisiert geplante Änderung des Naturschutzgesetzes

Abschüsse von ganzen Wolfsrudeln müssen verhindert werden

BUND Pressemitteilung, 21.5.19

Berlin. Anlässlich der anstehenden politischen Entscheidungen rund um den Wolf fordert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) den Fortbestand des Artenschutzrechtes. Am Mittwoch entscheidet die Bundesregierung über einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Der Streit um die Wölfe soll so geschlichtet und der Abschuss vereinfacht werden. Doch: Es geht dabei nicht nur um den Wolf. Einige Änderungsvorschläge stellen einen Angriff auf das Artenschutzrecht an sich dar – ein fatales Signal in Zeiten alarmierender Berichte über den allgegenwärtigen Artenschwund.

Olaf Bandt, Geschäftsführer Politik und Kommunikation des BUND dazu: "Die jetzt vorgesehene Änderung des Naturschutzgesetzes zur Abwendung von Rissen bezieht sich nicht nur auf den Wolf. Quasi durch die Hintertür wird damit auch der Schutz vieler anderer Arten von Eisvogel über den Kranich bis zum Fischotter geschwächt. Das müssen wir verhindern." Es ist maßgeblich Deutschlands Artenschutzrecht zu verdanken, dass heute wieder viele einst fast ausgerottete Arten wie Seeadler oder Wildkatze bei uns leben. "Der Schutz unserer Natur ist kein Selbstläufer und das Naturschutzgesetz eine große Errungenschaft, die nicht geschwächt werden darf", so Bandt weiter.

Weiter kritisiert der BUND, dass künftig nach Rissen von Weidetieren ganze Wolfsrudel abgeschossen werden können. Stattdessen ist es notwendig, den Wolf zu identifizieren, der die Schäden verursacht, und nur ihn nach klaren Kriterien zum Abschuss freizugeben. "Nach Rissen einfach auf Verdacht das ganze ortsansässige Rudel abzuschießen, kann keine Lösung für ein nachhaltiges Wolfsmanagement des 21. Jahrhunderts sein", kommentiert Bandt.

Der BUND befürchtet zudem, dass vereinfachte Wolfsabschüsse die Konflikte mit der Weidetierhaltung nicht nachhaltig lösen werden. Wenn durch Abschüsse die Rudelstruktur zerstört wird, fremde Wölfe einwandern oder junge Wölfe plötzlich ohne Elterntiere Nahrung jagen müssen, können Nutztierrisse sogar zunehmen. Bandt: "Am Herdenschutz geht kein Weg vorbei. Dafür müssen die Bundesländer den Weidetierhaltern endlich eine vollständige und unbürokratische Finanzierung von Schutzmaßnahmen gewähren."

Andere vorgesehene Änderungen des Naturschutzgesetzes, wie das Fütterungsverbot wilder Wölfe und das Entnahmegebot für Hybriden, befürwortet der BUND. In Deutschland leben mindestens 73 Rudel, 30 Paare und drei sesshafte Einzeltiere, das entspricht rund 210 erwachsenen, sesshaften Wölfen.


NABU-Kommentar zur "Lex Wolf"

Miller: Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes unnötig - Herdenschutz konsequent umsetzen

NABU Pressemitteilung, 21.5.19

Berlin – Bundesumweltministerin Schulze will das Bundesnaturschutzgesetz §45 in Bezug auf den Wolf ändern. Den jetzt vorgelegten Referentenentwurf kommentiert NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller:

„Die Zusammenarbeit der Ministerien und Kanzleramt ist begrüßenswert und notwendig. Eine Änderung des Naturschutzgesetzes ist aus NABU-Sicht jedoch unnötig, da die Entnahme eines Wolfes bereits heute möglich ist. Es wäre wesentlich konstruktiver, sich auf umfassende und bundesweite Standards beim Herdenschutz zu konzentrieren und diese klar zu benennen, als eine Gesetzesänderung, die keine klare Rechtssicherheit schafft. Die geplanten Änderungen sind kein Gewinn für die Koexistenz für Mensch, Weidetier und Wolf. Der NABU fordert ein nationales Herdenschutzzentrum. Ziel muss es sein, Weidetierhalter schnell, unbürokratisch zu unterstützten und über effektiven Herdenschutz zu informieren, statt immer wieder Bestandsregulierungen zu fordern. Hier ist vor allem das Bundeslandwirtschaftsministerium gefordert.

Der NABU sieht sich durch die geplante Änderung des Naturschutzrechts in der Auffassung bestätigt, dass der Wolf auf Grund der internationalen Rechtsverpflichtungen, wie der FFH-Richtlinie, des Washingtoner Artenschutzabkommens und der Berner Konvention nicht, wie vom Landwirtschaftsministerium gefordert, ins Jagdrecht übernommen werden kann.“


Herdenschutz statt Wolfsabschuss

Gemeinsame Pressemitteilung NABU, WWF und IFAW, 8.5.19

Berlin, Hannover – NABU, WWF und IFAW kritisieren die Entscheidung des niedersächsischen Landesumweltministeriums, die Abschussgenehmigung des Rodewalder Wolfsrüden mit der Bezeichnung „GW717m“ erneut zu verlängern. Laut Medienberichten spielt Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies mit dem Gedanken, Wölfe auch ohne individuelle Zuordnung abschießen lassen zu wollen. Aus Sicht der Verbände tragen die Aussagen aus dem Ministerium nicht zu einer Versachlichung der Situation bei. In einem gemeinsamen Statement fordern NABU, WWF und IFAW die Einhaltung europäischen und deutschen Rechts und eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Themen Wolf und Herdenschutz.

Bereits am 23. Januar erteilte der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) mit Unterstützung des Niedersächsischen Umweltministeriums die Ausnahmegenehmigung zum Abschuss des Rüden, nachdem eine gehäufte Zahl von Nutztierrissen im Bereich des Rodewalder Rudels verzeichnet wurde. Die Begründung des NLWKN zur Ausnahmegenehmigung reicht nach Ansicht der Verbände allerdings nicht aus und ist fachlich falsch. Vorwürfe erhebt der NABU-Landesverband Niedersachsen gegenüber dem Land, da es nach seiner Kenntnis kaum Aktivitäten gegeben hat, Risse bei Rindern und Pferden durch entsprechende Herdenschutzmaßnahmen zu unterbinden, während deutlich in die Suche und den Abschuss des Rodewalder Rüden investiert wurde.

Die Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes zum Thema Wolf (DBBW) legte bereits im Februar 2019 öffentlich dar, dass auch Rinder vor Wölfen geschützt werden müssen, wenn einzelne Wölfe gelernt haben, Rinder zu töten. Landesumweltminister Olaf Lies sieht das offenbar anders, sagte er doch bei der letzten Sitzung des Arbeitskreises Wolf des niedersächsischen Umweltministeriums, dass bei Rindern die Herde, bestehend aus ausgewachsenen und jungen Tieren, ausreichenden Schutz bieten würden.

„Diese Haltung führt Herdenschutz als nachgewiesene effektive Prävention ad absurdum. An flächendeckendem, fachgerechtem Herdenschutz in Wolfsgebieten führt jedoch kein Weg vorbei“, sagt Claudia Grünewald, Artenschutzexpertin des NABU. Prävention müsse immer das erste Mittel der Wahl bleiben und helfe dabei, dass Lerneffekte bei Wölfen und damit auch Entnahme-Situationen gar nicht erst entstehen.

Moritz Klose vom WWF äußert sich zum Gedankenspiel des Ministers: „ Für eine präventive Entnahme von Wölfen gibt es weder eine rechtliche Grundlage, noch ist sie fachlich sinnvoll. Die Tötung von Wölfen darf nur im Einzelfall, nach Prüfung aller zur Verfügung stehenden Alternativen erfolgen.“

Andreas Dinkelmeyer vom IFAW: „Minister Lies wäre besser beraten, endlich flächendeckenden Herdenschutz in seinem Land umzusetzen, statt Gelder für die langwierige Suche nach einzelnen Wölfen zu verschwenden. Zumal kann weiterhin nicht glaubhaft versichert werden, wie der Rüde eindeutig identifiziert und entnommen werden kann." Diese Unklarheit werde gerade jetzt – in den Frühjahrsmonaten – besonders relevant. Es könnte versehentlich ein anderes Tier, zum Beispiel die säugende Wölfin, getötet werden, auf die die jungen Welpen, die Ende April/Anfang Mai geboren werden, in dieser Zeit angewiesen sind.

„Wenn von einem Selbstschutz bei Herden ohne fachliche Grundlage ausgegangen wird, handelt das Land grob fahrlässig und schafft erst die Möglichkeit, dass Wölfe lernen, größere Weidetiere zu reißen“, so der Landesvorsitzende des NABU Niedersachsen Dr. Holger Buschmann. „Das Land muss demgegenüber dringend öffentlich fordern, dass Herdenschutzmaßnahmen sofort ergriffen werden, wenn erste Risse in einem Wolfsgebiet erfolgen.“

Die Verbände bewerten die Kommunikation der zuständigen Behörden zum Fall des Rodewalder Rüden seit Beginn mehr als mangelhaft, da die Öffentlichkeit völlig im Dunkeln gelassen würde. „Gute fachliche Praxis im Wolfsmanagement sieht anders aus“, so die Verbände. Mit dem Schweigen der Behörden zu Hintergründen des Rodewalder Rudels und gleichzeitiger populistischer Stimmungsmache rücke man die konfliktarme Koexistenz von Mensch und Wolf absichtlich in weite Ferne.

Zu einem guten Wolfsmanagement gehören sachliche Informationsarbeit gegenüber der Öffentlichkeit und anderen Interessengruppen ebenso wie eine adäquate Förderung, Beratungsleistung und Umsetzung von flächendeckendem Herdenschutz.




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