AktuellAlternativen zum Waldsterben
Waldexperten warnen vor Aktionismus in der Waldkrise und fordern Ende von 'Holzfabriken'Pressemitteilung zum offenen Brief, 10. August 2019Angesichts der aktuellen Waldkrise fordert eine Gruppe von Waldexperten, Forstpraktikern, Waldbesitzern und Verbändevertretern in einem offenen Brief an Bundesministerin Klöckner eine Abkehr von der konventionellen Forstwirtschaft. Es heißt: „Wir fordern die staatliche Forstwirtschaft auf, anstelle teurem Aktionismus endlich eine sachkundige Fehleranalyse des eigenen Wirkens vorzunehmen und dabei alle Akteure mit einzubeziehen. Gefordert werden eine konsequente Abkehr von der Plantagenwirtschaft und eine radikale Hinwendung zu einem Management, das den Wald als Ökosystem und nicht mehr länger als Holzfabrik behandelt“. Mitunterzeichner Wilhelm Bode, ehemaliger Leiter der saarländischen Forstverwaltung und Autor des Buchs „Waldwende“ betont: „Wir brauchen endlich eine Waldwende, die die natürlichen Produktionskräfte des Waldes stärkt und nicht weiter schwächt. Darum ist zunächst ist die Forstwirtschaft selbst gefragt, betriebliche Stressoren zurückzunehmen und bei der Wiederbewaldung auf die Natur zu setzen.“ Der Waldökologe und Naturschutzwissenschaftler Prof. Pierre Ibisch sagt: „Die derzeitige Waldkrise in Deutschland ist nicht allein eine Folge des Klimawandels - auch die Art der Waldbewirtschaftung trägt eine erhebliche Mitverantwortung. Es gibt zu viele struktur- und artenarme Wälder, die durch zu viele Wege zerschnitten wurden. Waldböden werden zu intensiv befahren, und vielerorts ist das Waldinnenklima durch Auflichtung und zu starke Holzentnahme geschädigt“. Kritisiert wird zudem der Plan, die aktuellen Waldschäden aktionistisch durch rasche Beräumung geschädigter Bäume und Aufforstung anzugehen. Mit-Initiator und Waldschützer Norbert Panek betont: „Wir brauchen endlich Ruhepausen für den Wald in Deutschland, der jahrhundertelang ausgebeutet wurde. Wir brauchen ein neues, ökologisch orientiertes Konzept für den zukünftigen Wald, - keinen hektischen „Waldumbau“, sondern schlicht Waldentwicklung hin zu mehr Naturnähe, die dem Wald als Ökosystem den notwendigen Spielraum belässt, selbstregulierend auf die sich abzeichnenden Umweltveränderungen reagieren zu können.“ Die von allen Bürgerinnen und Bürgern über ihre Steuern zu bezahlenden Hilfen für die Waldbesitzenden seien gerechtfertigt aber nur, wenn sie genutzt würden, einen zukunftsfähigen Wald aufzubauen. Definitiv sei geboten Fehler der Vergangenheit aufzuarbeiten und zu vermeiden. László Maraz, Koordinator der AG Wald des Forum Umwelt und Entwicklung: „Es wäre Steuergeldverschwendung, jetzt Millionen von Bäumen zu pflanzen, wenn diese vom Wild gefressen werden wie bisher. Eine waldverträgliche Verringerung des Wildbestandes ist dringender als je zuvor“. Zu den Unterzeichnern des Briefes gehören neben Wissenschaftlern Forstexperten mit jahrzehntelanger Erfahrung, Chefs von Umweltverbänden wie etwa Deutscher Naturschutzring, Greenpeace, NABU, Naturfreunde und die Deutsche Umweltstiftung, Vertreter von Bürgerinitiativen und namhafte Autoren wie Franz Alt oder Peter Wohlleben. Offener Brief im Original Unser Wald in Gefahr - Wir müssen jetzt handelnGastkommentar der Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft Julia Klöckner in der "Welt", 31.7.19Wir Deutschen mögen unseren Wald, wir mögen Bäume. Sie lösen ein positives Grundgefühl in uns aus, ein Wohlbefinden, es schwingt etwas Ehrfurchtsvolles mit. Warum ist das so? Weil seine Stämme aus einer Zeit erzählen, die vor uns begann oder uns überdauert. Bis Bäume geerntet werden können, vergeht viel Zeit. Die Fichte benötigt mindestens drei Menschengenerationen, bei der Traubeneiche kann es länger als 200 Jahre dauern. Wenn aber etwas Unumstößliches wie der Wald ins Wanken gerät, dann wird es kritisch. Unser Wald ist in Gefahr. Brände, Stürme, Dürre und Schädlinge haben unserem Wald erheblich zugesetzt. Wir haben einen guten Überblick über die Schäden: Allein die Waldbrände im vergangenen Jahr haben eine Waldfläche von mehr als 3000 Fußballfeldern zerstört. Das Aufkommen an Schadholz lag 2018 bei rund 32 Millionen Kubikmetern, für dieses Jahr rechnen Experten mit weiteren 35 Millionen Kubikmetern. Dort, wo junge Bäume wachsen sollten, stehen vertrocknete Setzlinge. Alte Waldbestände, die kurz vor der Ernte standen und wertvolles Holz liefern sollten, mussten zur Unzeit genutzt werden. Die Stämme liegen nun im Wald und müssen unter Wert verkauft werden. Über 114.000 Hektar Wald, also mehr als die Fläche Berlins, sind kahl und müssen aufgeforstet werden. Warum ist die Situation so dramatisch? Weil unsere grüne Lunge und unser wichtigster Verbündeter beim Klimaschutz in Gefahr ist. Wenn wir Teile unseres Waldes verlieren, dann werden wir diesen Verlust nur schwer mit anderen Klimaschutzmaßnahmen kompensieren können. Was wir bei der Waldsanierung heute verpassen, wird uns über Generationen nachhängen. Deshalb müssen wir jetzt handeln. Denn unser Wald ist mehr als grüne Lunge, mehr als Heimat vieler Tier- und Pflanzenarten, mehr als Erholungsraum und Wirtschaftsfaktor für Arbeit und Einkommen in unseren ländlichen Regionen. Weil er Kohlenstoff im Boden und im Holz bindet. Mit dem Erhalt des Waldes, seiner nachhaltigen Bewirtschaftung und mit der Verwendung von Holz verfügen wir über ein immenses CO2-Minderungs- und Speicherpotenzial. Der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik meines Ministeriums schätzt den Klimaschutzbeitrag von Wald und Holz auf 127 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr. Damit können wir laut Beirat rund 14 Prozent der gesamten Emissionen unseres Landes ausgleichen. Nach den Ergebnissen der Kohlenstoffinventur 2017 hat der Wald zwischen 2012 und 2017 in der ober- und unterirdischen Biomasse der Bäume, im Totholz und im Boden jährlich eine Kohlenstoffmenge gespeichert, die 62 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten entspricht. Etwa die gleiche Menge Kohlenstoffdioxidemissionen wird durch die energetische und stoffliche Nutzung von Holz vermieden. Würden stattdessen fossile Brennstoffe und nicht erneuerbare Rohstoffe verwendet, wären die Treibhausgasemissionen Deutschlands entsprechend höher. Was ist also zu tun? Aus meiner Sicht sind es vier Punkte. Erstens: Aufräumen geht vor Aufforsten. Zweitens: Pragmatisch helfen. Drittens: Mit Umsicht aufforsten, denn die Bäume müssen zum Standort und zum Klima passen. Viertens: Nicht kleckern, sondern klotzen. Zum Ersten: Im Moment liegt so viel Schadholz im Wald, dass eine Wiederaufforstung noch gar nicht beginnen kann. Und frisch vom Borkenkäfer befallenes Holz muss aus dem Wald, damit sich der Befall nicht weiter ausbreitet. Wir haben im vergangenen Jahr, als sich schon eine außerordentliche Belastung abzeichnete, bereits für fünf Jahre zusätzliche 25 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Im Regierungsentwurf zum Haushalt 2020 ist vorgesehen, die Mittel pro Jahr zu verdoppeln. Geld, das vor allem für die Räumung der Schadflächen und zur Lagerung von Schadholz genutzt werden kann, aber auch zur Bekämpfung von Schädlingen, zur Vorbeugung von Waldbränden oder zur Investition in eine Wiederaufforstung. Zum Zweiten: Ich habe mich dafür eingesetzt, dass ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf den Weg gebracht wurde, um pragmatisch zu helfen. Die Schadholzbeseitigung ist logistisch keine Lappalie, es mangelt an Kapazitäten. Eine Regelung des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur ermöglicht im Hinblick auf die Engpässe, das sogenannte Kabotageverbot auszusetzen. In der Folge dürfen nun ausländische Spediteure für einen befristeten Zeitraum zusätzliche Transportleistungen in Deutschland erbringen. Bei der Einkommenssteuer konnten wir Erleichterungen für besonders betroffene Forstbetriebe erzielen. Und es ist hilfreich, dass die Landwirtschaftliche Rentenbank auf unsere Initiative hin eine neue Fördersparte eingerichtet hat. Zum Dritten: Wir müssen wieder aufforsten. Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir hier eine Generationenaufgabe vor uns haben. Und die löst man nicht über Nacht. Denn mehr denn je geht es jetzt darum, die Wälder fit und widerstandsfähig zu machen. Bis Bäume erwachsen werden, vergeht viel Zeit. Mir ist deshalb wichtig, dass wir auch hier auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse vorgehen, dass wir jetzt den Wald weiter an den Klimawandel anpassen. Unsere heimischen Bäume sind dabei sicher die Basis. Prüfen wir aber auch, welche eingeführten Baumarten ebenfalls gut in unser Ökosystem passen und vielleicht sogar besser mit großen Dürren zurechtkommen. Wir sollten aber bei allen negativen Wald-Schlagzeilen dieser Tage nicht vergessen: Bund und Länder fördern bereits seit Jahren den Waldumbau hin zu gemischten und klimastabilen Wäldern. Zum Vierten: Um das alles zu leisten, werden wir in den kommenden Jahren mindestens eine halbe Milliarde Euro für die Bewältigung allein der aktuellen Waldschäden benötigen. Zur verstärkten Anpassung der Wälder an den Klimawandel brauchen wir zusätzlich über eine Milliarde Euro in den nächsten Jahren. Der so genannte Energie- und Klimafonds ist der richtige Topf dafür. Nur ein an den Klimawandel angepasster Wald kann auch das Klima schützen. Wir sind in Deutschland in der guten Situation, dass wir schon vor vielen Jahren damit begonnen haben, unseren Wald auf den Klimawandel vorzubereiten. Bereits seit Langem unterstützen Bund und Länder die Waldeigentümer dabei, mehr Mischwälder aufzubauen, die weniger anfällig für den Klimawandel sind. Die Bundeswaldinventur 2012 und die Kohlenstoffinventur 2017 zeigen: Unsere Wälder sind bereits vielfältiger geworden. Wir haben mehr Laubbäume und mehr Mischbestände als vor 15 Jahren. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und werden das weiter tun. Unseren Wald zu retten heißt aber auch, das Thema Nachhaltigkeit, das Thema Klimaschutz und die positive Rolle von Wald und Holz national und international noch ernster zu nehmen und auf die Tagesordnung zu setzen. Denn erst vor Kurzem hat eine Studie der ETH Zürich erneut gezeigt, dass ein Aufforsten von bisher unbewaldeten Flächen rund um den Globus einen großen Teil der menschengemachten CO2-Emissionen ausgleichen kann. Es ist eine Generationenaufgabe, das Multitalent Wald zu erhalten und zu pflegen. Der Begriff Nachhaltigkeit, der inzwischen in aller Munde ist, kommt schließlich aus der Forstwirtschaft. Sorgen wir dafür, dass der international bekannte Begriff des „Waldsterbens“ aus den 80er-Jahren nicht wieder zum Unwort des Jahres wird. Klimanotstand im Wald Politik muss handelnVor zwei Wochen hat der Bund Deutscher Forstleute (BDF) den Klimanotstand für den Wald ausgerufen. Der Wald ist eigentlich der Klimaretter schlechthin. Großflächige Aufforstungen könnten den Klimawandel deutlich bremsen. Aktuell ist der Wald aber selbst Opfer der Klimakatastrophe. Er steht vor dem Kollaps. Die Hauptbaumarten Fichte, Kiefer und Buche sterben flächig ab.Von der Politik kommen bisher kaum verwertbare Vorschläge für einen Rettungsplan für den Wald. Der BDF fordert einen nationalen Waldgipfel auf höchster Ebene mit Beteiligung aller notwendigen Akteure und eine auskömmliche Finanzierung der Aufräumarbeiten im Wald, einer raschen Wiederbewaldung, eines verstärkten Waldumbaus und einer deutlich verbesserten Forschungsarbeit. Bund Deutscher Forstleute Pressemitteilung, 31.7.19 Am morgigen Donnerstag, 1. August 2019, treffen sich die Landesforstminister der CDU im sächsischen Moritzburg zur Besprechung der Waldkatastrophe. Am Nachmittag soll die Moritzburger Erklärung an die Bundesforstministerin, Julia Klöckner (CDU), übergeben werden. Der BDF begrüßt diese Initiative. Sie greift dennoch zu kurz. Der Wald spielt eine gesamtgesellschaftlich bedeutende Rolle in ganz Deutschland. Er ist durch die Klimakatastrophe in ganz Deutschland bedroht. „Auf meiner Urlaubssommertour durch Deutschlands Wälder konnte ich den katastrophalen Zustand unseres Waldes hautnah erleben. Von Mecklenburg, über den Harz, ins Sauerland und bis zur Schwäbischen Alb sieht man sterbende Bäume aller Art. Sowohl in Nationalparken und normal bewirtschafteten Wäldern. Fichten, Kiefern, Buchen, Eichen alle wesentlichen Baumarten sind betroffen. Es ist eine nationale Katastrophe. Das bestätigen die Forstleute aller Bundesländer“, so Ulrich Dohle, Bundesvorsitzender des BDF und quasi Deutschlands oberster Förster. „Um dieser Katastrophe adäquat zu begegnen, benötigen wir einen nationalen Waldgipfel mit allen Beteiligten aller Bundesländer. Wir brauchen eine laufend aktualisierte Einschätzung des wahren Ausmaßes der Schäden. Die bisherigen Zahlen kratzen nur an der untersten Kante. Jeden Tag werden die Zahlen in den Ländern nach oben korrigiert. Nur bundesweit bleiben sie gleich. Auf dieser Basis können keine guten Entscheidungen getroffen werden“, so Dohle weiter. Neben den neuen Plänen zur großflächigen Aufforstung neuer Wälder gegen den Klimawandel muss zunächst der bisher bestehende Wald gerettet und wieder aufgeforstet werden. Neben großen finanziellen Mitteln sofort und die nächsten Jahre wird eine spürbare Aufstockung des Personals, ein Stopp aller Stellenabbaupläne, die Verkleinerung der Organisationseinheiten (Forstreviere) benötigt. Kleinere Waldbesitzende müssen unkompliziert beraten und betreut werden können, die Waldschäden müssen zügig aufgeräumt werden, die Wiederbewaldung muss bereits in diesem Herbst verstärkt begonnen werden, ebenso wie der Waldumbau und die Jungpflanzenanzucht. Die Jagd wird dabei auch eine wichtige Rolle spielen. Ohne eine waldfreundliche Jagd wird die Walderhaltung nicht gelingen. Die Baumartenwahl muss wieder ins Zentrum der Betrachtung rücken. Die bisherigen Gewissheiten scheinen nicht viel zu taugen. Eine größere Vielfalt auch unter Berücksichtigung nicht einheimischer Arten ist notwendig. „Der Wald ist systemrelevant. Seine Rettung ist alle Anstrengung wert und essentiell. Hier ist jeder Euro gut und notwendig investiert. Wir Forstleute stehen bereit und werden auch weiter jede Anstrengung für den Wald unternehmen und weiter an der Belastungsgrenze arbeiten wie schon die letzten beiden Jahre. Wir brauchen jetzt aber die klare und deutliche Unterstützung der Politik“, so Ulrich Dohle abschließend. Bundeswehr prüft Einsatz im WaldKlimakrise und Borkenkäfer machen Deutschlands Forst zu schaffen. Dem Verteidigungsministerium liegen nun mehrere Anträge auf Amtshilfe der Bundeswehr vor.(dpa) - 20. August, 2019 https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/bundeswehr-prueft-amtshilfe-im-wald-auch-wegen-borkenkaefern-a-1282814.html Wenn Bambi den Klima-Wald frisstVon Arndt Brunnert, WDR, 20. August, 2019https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/bambi-frisst-klima-wald-sauerland-100.html » zurück |
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