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Aktuell
Interview "Wald und Klima"
Biologisch vielfältige Wälder lohnen sich auch im Klimaschutz
Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung, 8.9.10
Was ist ein Wald? Diese Frage ist bisher nicht grundsätzlich beantwortet. Bisherige Definitionen reduzieren Wälder meist auf Nutzungseigenschaften, wie etwa die Klimarahmenkonvention v.a. auf das Vermögen, CO2 zu speichern. Doch das kann auch eine Monokultur. Ursprüngliche Wälder sind vor allem Lebensräume für eine riesige Fülle von Organismen, deren Dienste der Mensch meist ebenfalls nutzt. Biologische Vielfalt sollte die internationale Politik also als Messlatte auch im REDDplus-Programm festlegen, das Entwicklungsländer für die Erhaltung der Wälder entschädigen soll. Wie das sogar ökonomisch lukrativ wird, erforscht ein Freiburger Politologe. NeFo hat ihn interviewt.
Die Wälder der Erde bedecken heute mit vier Mrd. Hektar rund 30 Prozent der Landoberfläche der Erde. Vor 8000 Jahren war es noch doppelt so viel. Jedes Jahr werden 13 Mio. Hektar Wald gerodet, vor allem dort, wo es noch intakten Primärwald gibt. Nur noch 36 Prozent des weltweiten Waldbestandes kann noch als Primärwald bezeichnet werden. Dass die Nettosumme der jährlichen Entwaldung mit sieben Mio. Hektar beschrieben wird, liegt an massiven Aufforstungsmaßnahmen an anderer Stelle, die allerdings in der Regel nicht den gleichen Diversitätsgrad erreichen wie Primärwälder. So werden laut FAO (2006) zum Beispiel in China zur Zeit jedes Jahr rund vier Mio. Hektar aufgeforstet.
Am 18. Oktober treffen die Vertreter der 192 Mitgliedsstaaten des Übereinkommens zur biologischen Vielfalt (CBD) im japanischen Nagoya zusammen, um über den künftigen Umgang mit Artenvielfalt und Ökosystemen zu entscheiden. Einige Entwicklungsländer haben im Vorfeld der 10. UN-Vertragsstaatenkonferenz zur biologischen Vielfalt angekündigt, den Strategischen Plan, bis 2020 den Schwund der Vielfalt zu stoppen, nur zu unterstützen, wenn die finanziellen Mittel dafür verhundertfacht würden. Die Industriestaaten verweisen auf krisenbedingt knappe Kassen. Woher also soll das Geld kommen? Eine mögliche Quelle wäre das Klimaschutzabkommen.
Die unverbindliche Zusage der UN-Vertragsstaaten, durch REDDplus (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation in Developing Countries) Entwicklungsländer durch Ausgleichszahlungen dabei zu unterstützen, ihre Emissionen zu reduzieren, wird als eine der wenigen Erfolge der Klimakonferenz in Kopenhagen bezeichnet. Biodiversitätsforscher warnen jedoch, dass eine solche ökonomische Inwertsetzung von Wäldern, die nur deren Leistung als Kohlenstoffspeicher misst, zu kurz greift. Denn nach der Definition der Klimarahmenkonvention ist auch eine Plantage ein Wald. Freiburger Forscher zeigen in einer neuen Studie, dass sich die Erhaltung von Primärwäldern mit viel höherer Vielfalt an Organismen auch unter Klimagesichtspunkten lohnen kann. Bei der Vergütung von Schutz- und Wiederaufforstungsmaßnahmen müsste ein hoher Diversitätsgrad, also so viele Arten wie möglich, die Definition für Wald sein. Doch solche Vereinbarungen scheitern bisher an organisatorischen Hürden. Für Vielfalt sieht sich die Klimarahmenkonvention bisher nicht zuständig. Welche Argumente es gibt, die Biodiversität doch in den REDDplus-Finanzierungsmechanismus aufzunehmen und damit Klimaschutz- und Biodiversitätsschutz zu verbinden, zeigen Dr. Till Pistorius von der Universität Freiburg und sein Team in einer in Kürze erscheinenden Studie.Im NeFo-Interview gibt der Forscher vorab schon ein paar Einblicke. Das Interview finden Sie unter http://www.biodiversity.de/index.php?option=com_content&view=article&id=445&Itemid=355&lang=de.
„Ein Wald ist mehr als die Summe seiner Bäume"
Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung, 8.9.10
Die unverbindliche Zusage der UN-Vertragsstaaten,durch REDDplus (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation in Developing Countries,) Entwicklungsländer durch Ausgleichszahlungen dabei zu unterstützen,ihre Emissionen zu reduzieren, wird als eine der wenigen Erfolge der Klimakonferenzin Kopenhagen bezeichnet. Biodiversi-tätsforscher warnen jedoch, dass eine solcheökonomische Inwertsetzung von Wäldern, die nur deren Leistung als Kohlen-stoffspeicher misst, zu kurz greift. Denn nach der Definition derKlimarahmenkonvention ist auch eine Plantage ein Wald. Dr. Till Pistorius vom Institut für Forst- und Umweltpolitik der Universität Freiburg sucht nach Wegen, wie sowohl Klimaschutz- als auch Biodiversitätsaspekte angemessen berücksichtigt werden können.
Herr Pistorius, was ist ein Wald?
Keine einfache Frage. Es gibt wohl mehr als 100 verschiedene Walddefinitionen. Für mich ist ein Wald immer ein komplexes Ökosystem, das aus einer spezifischen Gesellschaft von Tier- und Pflanzenarten besteht. Charakteristisch sind natürlich die Baumarten und Baumartenverteilungen, die Wälder voneinander unterschieden; gemeinsam haben Wälder, dass sie wichtige Ökosystemfunktionen erfüllen und für den Menschen eine Vielzahl an Produkten und Leistungen bereitstellen. Viele denken dabei in erster Linie an Holz, aber Wälder speichern und filtern Wasser und Luft, schützen vor Erosion, wirken auf das lokale Klima, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Ein Wald ist daher immer mehr als die Summe seiner Bäume.
Wieso spielt die Definition von Wald eine tragende Rolle bei den Schutzverhandlungen?
Bei den Verhandlungen zum Klimaschutz unter der Klimarahmenkonvention gibt es nur eine sehr allgemeine Definition von Wäldern. Sie ist nicht biomspezifisch und unterscheidet nicht zwischen intakten Primärwäldern, genutzten Sekundärwäldern oder Plantagen. Das ist problematisch, wenn man durch Politikinstrumente wie REDDplus einen Fokus auf Wälder als intakte Ökosysteme setzen und Plantagen von einer Förderung ausschließen möchte. Palmölplantagen sind nach der Definition der Klimarahmenkonvention auch Wälder.
Woher sollen die Gelder für die Staaten kommen, die ihren Wald erhalten wollen?
Sie werden mit Sicherheit von den sogenannten Industrieländern kommen, die im Annex I der UNFCCC gelistet sind. Woher die das Geld nehmen, ist eine ungelöste Frage und verschiedene Optionen werden diskutiert. Angesichts der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise stark belasteten Haushalte halte ich es für wahrscheinlich, dass entweder die Industrie über den Handel mit Emissionszertifikaten oder auch private Haushalte über Steuern einen Teil der Kosten übernehmen müssen. Was bislang noch fehlt ist ein guter Ansatz zur Bestimmung der nationalen Referenzraten, der verhindert, dass nur wenige Länder von dem Mechanismus profitieren.
REDD bezieht ja mit dem „plus" die Wiederaufforstung mit ein. Was sagt hierzu der Biodiversitätsforscher?
Das birgt große Chancen, aber auch Risiken. Der Waldsektor soll Teil der Lösung des Klimaproblems sein - durch Aufforstung kann der Atmosphäre viel CO2 entzogen werden. Es spielt aber eine wichtige Rolle, wie man das macht. Die Wiederherstellung von artenreichen, strukturierten Wäldern durch Restaurierung oder Rehabilitation ist Plantagen vorzuziehen, da sie auch gegenüber den erwarteten klimatischen Veränderungen stabiler sind und zu anderen Umwelt- und Entwicklungszielen beitragen.
Wo stehen die Verhandlungen zu REDD derzeit und was sind die strittigsten Punkte bei der COP10 in Nagoya?
Die Verhandlungen unter der UNFCCC haben im August einen herben Rückschlag erlitten. Der schon "fast beschlossene" Text wurde wieder geöffnet. Ich erwarte für Cancún keine Entscheidung zu REDDplus. In der CBD versucht man REDDplus zu thematisieren, was aber aufgrund der Ablehnung einzelner Länder sehr schwierig ist. Sie argumentieren, dass man kein Mandat habe, unter der CBD über dieses Thema zu verhandeln.
Sie betreuen ja ein Forschungsprojekt, das Ansätze entwickeln soll, wie man Aspekte aus der Klimarahmenkonvention und der Biodiversitätskonvention vereinen kann. Welche Synergieeffekte zwischen Klima- und Biodiversitätsschutz gibt es?
Da würde ich gerne auf die Studie verweisen, die wir im September veröffentlichen werden. Ganz kurz gesagt - es gibt eine Reihe von Aktivitäten, die man als Win-Win-Optionen bezeichnen kann. Generell positiv für die Biodiversität ist sicher der Schutz der verbleibenden intakten Primärwälder, die mit ihrer hohen Biomasse sehr viel Kohlenstoff speichern. Die Restaurierung degradierter Ökosysteme wie z.B. die Wiedervernässung von Mooren gehört sicher auch dazu. Man kann hier jedoch nichts pauschalisieren und muss man in Abhängigkeit der lokalen Gegebenheiten analysieren.
Sie werden Teil der deutschen Delegation bei der Vertragsstaatenkonferenz im Oktober in Nagoya sein. Wo muss Ihrer Meinung nach in den bestehenden Konventionen zum Umgang mit Wald nachgebessert werden?
Man muss festhalten: Es gibt derzeit global gesehen keine verbindlichen Regelungen zum Waldschutz. Schutz und auch die nachhaltige Nutzung von Wäldern sind Querschnittsthemen. Es macht keinen Sinn, den Umgang mit diesem Ökosystem auf verschiedene politische UN-Konventionen aufzuteilen und nur aus der spezifischen Perspektive zu betrachten. Damit meine ich insbesondere die UNFCCC, die CBD (Übereinkommen über die biologische Vielfalt) und UNFF (UN-Waldforum), aber auch die UNCCD (Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung), die RAMSAR-Konvention (Übereinkommen über Feuchtgebiete) usw. Um effektive Politikinstrumente entwickeln zu können, müssen die Prozesse wieder zueinander finden. Eine Möglichkeit wäre ein gemeinsames Arbeitsprogramm, eine andere die Stärkung der Collaborative Partnership on Forests, die alle großen Prozesse unter einem Dach vereint. Auch auf nationaler Ebene wäre in vielen Ländern eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Ansprechpartnern für die verschiedenen UN-Konventionen wünschenswert.
Was haben Nutzer in Entwicklungsländern vom Waldschutz, sprich Verzicht auf die Nutzung des Holzes und der Fläche für Landwirtschaft?
Das hängt sehr vom Land und der Region ab. Im Moment haben sie noch nicht viel davon, deshalb haben wir ja das Problem der Waldzerstörung. Und deshalb sehen wir ja in REDDplus so eine große Chance. Solange die Landnutzer nichts davon haben, den Wald zu schützen und Abholzung ihre einzige Möglichkeit für Einnahmen darstellt, werden sie ihr Verhalten nicht ändern. Vorraussetzung ist natürlich, dass die Länder zumindest einen Teil der REDD-Gelder auch an die Landnutzer weitergeben.
Der neue Strategische Plan der CBD nennt das Ziel, die Entwaldungsrate bis 2020 zu halbieren. Kann REDD+ das alleine herbeiführen?
Das hängt von vielen Faktoren ab. Zum Beispiel, ob und wann es gelingt, den Mechanismus zu etablieren, wie viel Geld der Mechanismus generieren kann, ob durch ihn das Geld so verteilt wird, dass Waldschutz und nachhaltige Nutzungsaktivitäten für Länder und Landnutzer zu attraktiven Alternativen im Vergleich zur derzeitigen Landnutzung werden. Ich persönlich glaube, dass REDDplus nicht überall gleich erfolgreich sein kann. In manchen Ländern herrschen so gravierende Probleme vor, dass viel Geld nicht automatisch eine Veränderung herbeiführt.
In Ihrer im September erscheinenden Studie empfehlen Sie, REDDplus vorzugsweise in Schutzgebieten anzuwenden. Die sind doch bereits geschützt. Welchen Mehrwert hat die Biodiversität denn von dem Konzept, außer ein weiteres Argument für einen bereits bestehenden Schutz?
Das ist verkürzt dargestellt. Wir argumentieren, dass Schutzgebiete eine wichtige Rolle spielen sollten, da sie vielfältige Synergien zwischen verschiedenen Umwelt- und Entwicklungszielen generieren können. Sie bieten den dort lebenden Menschen neue Einkommensmöglichkeiten und in Pufferzonen ist auch eine nachhaltige Nutzung möglich. Leider ist es nicht so wie Sie sagen: Viele Schutzgebiete existieren häufig leider nur auf dem Papier, sind mangelhaft mit Ressourcen ausgestattet und können so ihre Ziele nur bedingt erfüllen. Es besteht die Hoffnung, dass REDDplus einen Teil der Finanzierungslücke bestehender Schutzgebiete schließen kann, und dass darüberhinaus besonders schützenswerte und bedrohte Waldökosysteme auch vor nicht umkehrbarer Zerstörung bewahrt werden. Noch immer begreifen viel zu wenig Menschen, dass der Erhalt der Biodiversität einer der wichtigsten Schlüssel für eine Anpassung an den Klimawandel ist.
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