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Zertifizierung
Nachhaltigkeit statt Raubbau
Das Forstunternehmen Precious Woods kopiert im Regenwald Brasiliens die
Natur / Unterstützung durch die bundeseigene KfW
ITACOATIARA. Es ist, als würde der Baum bluten. Roter Saft quillt aus
den Rändern der Flächen, die eine Motorsäge in den Urwaldriesen fräst.
Drei-, viermal müssen die Männer von Betriebsleiter Joao Cruz die Säge
noch ansetzen. Dann neigt sich der 150, vielleicht auch 300 Jahre alte
Arura Vermelho langsam, dann immer schneller zu Boden.
In die von Cruz gewünschte Richtung, wo kein anderer Baum verletzt
wird. Mit Krachen und Kreischen fällt der 35 Meter hohe Baum auf den
Boden des Amazonaswaldes 220 Kilometer östlich von Manaus. Die Spitze
wird gekappt, die dicken Äste vom Stamm getrennt, der danach in zwei
etwa gleich große Stücke geteilt wird. Dann legen die Männer von Cruz
ein dickes Stahlseil um den Stamm.
30 Meter weiter auf dem Weg wartet ein Traktor. Mit seiner Winde zieht
er den Stamm aus dem Wald. Auf dem Waldweg packt eine Maschine mit ihren
riesigen Greifern das Holz, schafft es 100 Meter weiter auf die
Forststraße. Dort wird ein Holzlaster später die Stämme aufladen und zum
Sägewerk bringen.
Wieder ein Urwaldriese weniger, wieder ein Stück unwiederbringlicher
Regenwald zerstört? Der erste Eindruck täuscht. Was das
brasilianisch-schweizerische Unternehmen Precious Woods unweit von
Itacoatiara praktiziert, hat Vorbildcharakter. Precious Woods folgt dem
Prinzip der nachhaltigen Waldbewirtschaftung. Der Arura Vermelho,
Inventarnummer 327 in Abteilung B, Block 312/9668 im 80'000 Hektar
großen Waldgebiet des Unternehmens, wird zwar gefällt, aber erst nach
genauer Abwägung. Jeden einzelnen Baum hat Tim van Eldik in seinem
Computer notiert. Der Niederländer ist für die Inventarisierung des
Waldes verantwortlich. "Für 15 bis 20 Jahre rühren wir diesen Block
nicht mehr an", sagt van Eldik. "Wir kopieren die Natur. Dort fallen
Bäume um und machen Platz für kleinere, die dann zu stattlicher Größe
wachsen können." Etwa 100 Bäume 40 verschiedener Arten werden bei
Precious Woods pro Woche gefällt. Allerdings nur zwischen Mai und
Dezember. In der übrigen Zeit machen die Regenfälle das Arbeiten im Wald
unmöglich. Insgesamt wird das Unternehmen nur etwa zehn Prozent aller
Bäume in seinem Waldgebiet schlagen. 25'000 Hektar werden nicht
angetastet, ebenso die Bereiche um Bäche und Quellen. Im eigenen
Sägewerk wird das Holz zu Produkten wie Nut- und Federbrettern und
Kleinteilen für Möbel verarbeitet. Exportiert wird in die USA und nach
Europa.
Das Tropenholz aus dem Vorzeigebetrieb am Amazonas trägt schon seit
1997 das internationale FSC-Siegel für nachhaltige Waldbewirtschaftung.
Bei der Vergabe des Siegels werden auch soziale Kriterien wie
Arbeitszeiten und Arbeitsbedingungen berücksichtigt. Greenpeace und
andere Umweltorganisationen setzen sich für Precious Woods ein. Und die
Auflagen der brasilianischen Forstbehörde Ibama für andere Holzfirmen
orientieren sich mehr und mehr an Precious Woods. Nach hohen Verlusten
in den ersten drei Jahren hat die Firma - das Unternehmen ist auch in
Costa Rica aktiv - im Jahr 2000 bei einem Umsatz von 4,5 Millionen
Dollar zum ersten Mal einen kleinen Gewinn von rund einer halben Million
Dollar erzielt. Wegen der niedrigen Preise in Brasilien wird die gesamte
Produktion nach Angaben von Unternehmenschef Paul Westbrook ins Ausland
verkauft. Aber der Markt für nachhaltig gewonnenes und damit teureres
Tropenholz wächst langsam. Trotzdem ist Westbrook optimistisch. Auch
2001 soll es wieder schwarze Zahlen geben.
Mittlerweile erfährt Precious Woods auch in der Region mehr und mehr
Unterstützung. "Am Anfang dachten viele Leute hier, unser Konzept sei
ein Witz", erinnert sich Westbrook an die Anfänge Mitte der neunziger
Jahre. "Mittlerweile ist die Anerkennung hoch, weil wir auch billiger
produzieren als andere."
Auch für Gregor Wolf ist Precious Woods ein wichtiges Unternehmen. Der
Tropenwaldexperte der Frankfurter Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW)
koordiniert einen Teil des Pilotprogrammes zur Bewahrung der
Tropenwälder Brasiliens. Es wurde 1992 auf Initiative der
Bundesregierung gestartet. 13 Prozent des Regenwaldes am Amazonas - mit
vier Millionen Quadratkilometern das größte Regenwaldgebiet der Erde -
sind bereits zerstört, auch durch rücksichtslose Holzfirmen. Mit
negativen Folgen für Klima, Artenvielfalt und für die Lebensgrundlage
der einheimischen Bevölkerung. Rund 300 Millionen Dollar wurden bislang
für das Pilotprogramm bereitgestellt, fast die Hälfte davon trägt die
Bundesrepublik. Zusammen mit anderen Initiativen beläuft sich das
finanzielle Engagement Deutschlands auf 415 Millionen Mark, wovon 268
Millionen Mark über die bundeseigene KfW abgewickelt werden.
Mit dem Geld werden Behörden und Nichtregierungsorganisationen
unterstützt und nicht zuletzt unter dem Stichwort "Pro Manejo" die
nachhaltige Waldbewirtschaftung gefördert.
KfW-Vorstandschef Hans Reich mag Precious Woods: "Man kann Brasilien
die wirtschaftliche Erschließung Amazoniens nicht verwehren. Aber man
kann Einfluss nehmen auf eine nachhaltige Entwicklung." "Precious Woods
- das ist ein Projekt, dass man eigentlich 2500-mal nachmachen müsste",
sagt Gregor Wolf, während vor ihm noch immer roter Saft aus dem Stamm
des Arura Vermelho quillt.
Von Korrespondenten Rolf Obertreis, Badische Zeitung vom 11. August
2001; http://www.badische-zeitung.de/997614655593
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