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Zertifizierung
"Wenn man Bäume pflanzen muß, ist der Urwald schon zerstört" (FAZ, 1.8.2001)
Precious Woods produziert nach den Vorgaben des Gütesiegels FSCfür nachhaltige
Holzwirtschaft
Rolf Ackermann berichtet (FAZ, 1.8.2001)
ITACOATIARA, im Juli. Die Motorsäge durchschneidet den Stamm des Urwaldriesen
wie Butter. Ein letztes Mal setzt sie noch an, für einen kurzen Moment hält der
Baum die Balance, dann fällt es mit ohrenbetäubendem Getöse um. Wenig später
wird er in Teile zerlegt und wird abtransportiert. Auf dem Trampelpfad, den die
schweren Schuhe der Holzfäller hinterlassen haben, sucht eine ziemlich große
Spinne verschreckt das Weite. Es ist wieder still.
Nein, hier wird nicht der Urwald vernichtet. Wir sind auf dem Gelände von
Precious Woods in der Nähe des Städtchens Itacoatiara, eine dreiviertel
Flugstunde von der Amazonas-Metropole Manaus entfernt. Precious Wods ist einer
der wenigen Holzproduzenten im Amazonas-Gebiet, denen nach den Richtlinien des
Forest Stewardship Council (FSC) bescheinigt wird, daß sie den Wald nach den
Grundsätzen der Nachhaltigkeit bewirtschaften. FSC ist das einzige
international anerkannte Gütesiegel dieser Art. Der FSC vergibt es aber nicht
selbst, sondern stellt Richtlinien für die nachhaltige Bewirtschaftung von
Wäldern auf und überwacht sie.
Allerdings schätzt Paul Westbrook, einer der Geschäftsführer von Precious
Woods, den Anteil des FSC-zertifizierten Tropenholzes an der Gesamtproduktion
als sehr gering ein - "weniger als ein Prozent". Westbrook will seinen Teil
dazu beitragen, daß dieser Anteil sich vergrößert: "Wir kaufen noch Land hinzu,
und im nächsten Jahr werden wir der größte Produzent von FSC-zertifiziertem
Holz in der Region sein."
Darüber hinaus will Precious Woods ein Ausbildungs- und Informationszetrum
bauen, in dem Wissen über die nachhaltige Bewirtschaftung des Tropenwaldes
gesammelt und weitergegeben werden soll. Das Zentrum wird von der
Bundesregierung über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit einer Million
DM gefördert. Es ist Bestandteil eines Pilotprojektes zur Erhaltung des
brasilianischen Tropenwaldes, das die Bundesregierung 1990 beim Treffen der
wichtigsten Industrienationen (G7) in Housten anregte; es trägt daher die
Abkürzung PP/G7. Insgesamt wurden dafür bisher 295 Millionen Dollar
bereitgestellt. Deutschland ist mit einem Beitrag von 47 Prozent der wichtigste
Geber, Brasilien selbst steuert 13 Prozent des Geldes bei. Das Programm ist
eine Reaktion auf die fortschreitende Vernichtung des Regenwaldes, die
unabsehbare Folgen für das Weltklima haben könnte und mit der ein
unwiederbringlicher Verlust an Artenvielfalt einhergeht. Der Regenwald, daran
gibt es wohl keinen Zweifel mehr, ist ein "globales öffentliches Gut" - von
dessen Erhaltung die gesamte Erdbevölkerung profitieren kann. Doch auch im
vergangenen Jahr sind wieder 2 Millionen Hektar Amazonas-Wald vernichtet
worden, eine Fläche, fast so groß wie das Saarland. Und ein Ende des Raubbaus
ist nicht abzusehen.
Angesichts der Dimension des Problems kann ein Unternehmen wie Precious Woods
allenfalls ein Zeichen setzen, kann zeigen, daß es anders geht, und so einen
Beitrag zum Umdenken leisten. "Wir brauchen mehr Unterstützung", sagt
Westbrook. "FSC-zertifizierte Produkte stehen in den Tropen in dem Ruf,
ökologisch gut gemeint, aber ökonomisch nicht ernst zu nehmen zu sein", meint
er. Und Precious Woods hat sich vorgenommen, das Gegenteil zu beweisen. Keine
leichte Aufgabe: westbrook schätzt, daß die Produktionskosten für den
Kubikmeter Holz bei Precious Woods um bis zu 20 Prozent über denen der
Konkurrenz liegen. So hat das Unternehmen den Nachweis, daß Ökologie und
Ökonomie miteinander vereinbar sein können, bislang nicht erbringen können;
bisher gab es Verluste. Westbrook zeigt sich aber zuversichlich, daß das
Unternehmen in diesem Jahr Gewinn machen wird. Dafür ist es natürlich darauf
angewiesen, daß die Kunden auch bereit sind, für zertifiziertes Tropenholz mehr
zu bezahlen. Doch werden sie dazu auch auf lange Sicht bereit sein - belohnt
nur durch das Bewußtsein, einen winzigen Beitrag zum Erhalt des Regenwaldes
geleistet zu haben? Es ist wohl zu befürchten, daß es beim Regenwald so sein
wird wie bei anderen öffentlichen Gütern auch: Niemand will dafür bezahlen.
Daß die Konkurrenz billiger produziert, ist jedenfalls kein Wunder. "Viele der
Betriebe hier arbeiten vollkommen illegal", meint Westbrook. In der Tat bewegen
sich die etwa 2500 Holzeinschlagfirmen und die etwa 4000 holzverarbeitenden
Betriebe in der Amazonas-Region faktisch in einem rechtsfreien Raum. Zwar gibt
es in Brasilien längst anspruchsvolle Forstgesetze, doch werden sie in der
Praxis nicht beachtet. Die Gründe dafür sind vielfältig. Die größte
Schwierigkeit besteht darin, daß das riesige Amazonas-Gebiet kaum effektiv
kontrolliert werden kann. Die Holzproduzenten können also ungehindert Raubbau
betreiben ohne Rücksicht auf bestehende Vorschriften, ohne sich darum zu
kümmern, wem der Wald gehört. Die Folgen sind verheerend: Je nachdem, wie
intensiv der Wald ausgebeutet wird, verringert sich die Biodiversität
erheblich, und im Extremfall bleibt nur noch ein lichter "Residualwald" übrig,
der sich nie wieder erholt.
Nachhaltige Bewirtschaftung bedeutet demgegenüber , daß der Walt, soweit es
eben möglich ist, in seiner ursprünglichen Form erhalten bleibt. Um dies zu
erreichen, bleiben Teile des Waldgebietes von Precious Woods gänzlich
unberührt. Und da, wo Holz entnommen wird, genügt es nicht, für jeden gefällten
Baum einen neuen zu pflanzen. "Wenn man Bäume pflanzen muss, ist der Urwald
schon zerstört", sagt Westbrook. Vielmehr müsse bei der Bewirtschaftung des
Waldes versucht werden, die Natur zu kopieren. Wird ein hoher Baum gefällt,
gibt es Platz für die kleineren, um nachzuwachsen. Dafür wird ihnen bei
Precious Woods Zeit gegeben: Das 80 000 Hektar große Geländeist in 25
Abschnitte unterteilt; nur aus einem dieser Gebiete wird jeweils ein Jahr lang
Holz entnomme, so daß jedes Gebiet 25 Jahre Zeit hat, sich zu regenerieren.
Aber selbst dieser Zeitraum reicht bisweilen noch nicht aus, weswegen Precious
Woods weiteres Land zukauft.
Schließlich unterscheidet sich Precious Woods auch in der Art, wie es Bäume
fällt und aus dem Wald herausholt, von anderen Holzproduzenten. Bei Precious
Woods wird ein wirtschaftlich wertvoller Baum gleichsam minimal invasiv aus dem
Wald herausoperiert. Dazu werden Lianen gekappt, bevor ein Baum gefällt wird,
damit er keine benachbarten Bäume mitreißt. Außerdem dringen die Holzfäller
hier nicht mit Raupen bis zu dem gefällten Baum vor, sondern sie ziehen den
Stamm, soweit es eben geht, an einem Drahtseil aus dem Wald heraus. Schweres
Gerät verkehrt nur auf dafür vorgesehenen Schneisen, die den Wald
durchschneiden. Derartige Rücksichten werden im Amazonas-Gebiet gewöhnlich
nicht genommen, so daß häufig bis zu 300 kleinere Bäume kaputtgemacht werden,
um einen einzigen abzutransportieren. Gemessen an der Zahl der Bäume im
gesamten Amazonas-Gebiet mag das eine winzige Zahl sein. Aber irgendwo muß eben
ein Anfang gemacht werden.
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