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Aktuell
Agrosprit E10 gestoppt
Agrosprit E10 vorerst gestoppt
Von Sigrid Totz, Greenpeace-Online, 4.3.11
E10 floppt. Die Autofahrer verweigern sich, die Mineralölwirtschaft bleibt auf vollen Tanks sitzen und will die Herstellung vorerst stoppen. Doch der neue Agrosprit hat noch weit mehr Zündstoff zu bieten als eine dubiose Preispolitik an den Zapfsäulen und Sorgen um die Lebensdauer des Autos.
E10 ist eingeführt worden, um den Klimaschutz voranzutreiben und die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Diese Ziele sind richtig, doch Agrosprit ist der falsche Weg dorthin.
Schlechte Umweltbilanz
Für die Umwelt ist Agrosprit häufig schlechter als konventioneller Kraftstoff. Seine CO2-Bilanz ist nicht so positiv ist wie vielfach dargestellt. Denn Kraftstoff aus Ackerpflanzen ist nicht klimaneutral. Zwar binden Pflanzen wie Weizen und Zuckerrüben CO2 aus der Luft, der erst bei der Verbrennung im Motor wieder frei wird. Doch bei der Feldarbeit der Landmaschinen, bei der Stickstoffdüngung und der Herstellung von Mineraldünger werden große Mengen an Klimagasen frei. Und bei der Weiterverarbeitung der Ernte zu Ethanol wird nochmals viel Energie benötigt. Daher ist der positive Klimabeitrag von Agrosprit selbst unter optimalen Bedingungen nur gering.
Der Agrarökonom Martin Hofstetter warnt zudem vor den Folgen für die Urwälder: "Zwar dürfen Pflanzen zur Ethanolherstellung laut EU-Richtlinie nicht von frisch gerodeten Urwaldflächen stammen. Das nützt aber nicht viel. Der Flächenbedarf für die Ethanolherstellung ist so riesig, dass nur durch eine weltweite Ausdehnung des Ackerbaus der zusätzliche Bedarf gedeckt werden kann. Es werden indirekt dann doch in Indonesien oder Argentinien Urwälder zerstört werden."
Das heißt, es findet eine Umnutzung statt. Alte Flächen werden für Agrospritpflanzen genutzt, um den zusätzlichen Bedarf an Pflanzenöl und Ethanol für europäische Autotanks zu decken. Für andere Nutzungsarten - zum Beispiel Palmöl für die Kosmetikindustrie - werden neue Flächen gerodet oder abgefackelt. So wird Klimaschutz zur Farce. Denn Urwälder sind natürliche CO2-Speicher. Sie abzuholzen oder gar brandzuroden, erhöht den weltweiten CO2-Ausstoß sogar noch.
Zudem ist Agrosprit absolut nicht bio, sondern wird konventionell angebaut. Die Pflanzen für den Agrosprit stammen also von stark mit Stickstoff und Pestiziden behandelten Monokulturen. Der Verlust an Artenvielfalt ist besonders in den Ackerbauregionen dramatisch. Und durch die Überdüngung werden Gewässer belastet. Die EU-Richtlinien für die Landwirtschaft reichen nicht aus, um dies zu verhindern.
Sprit statt Nahrung
Laut UN-Ernährungsorganisation FAO sind die Preise für Lebensmittel im Februar 2011 weltweit auf neue Rekordhöhen gestiegen. Daran hat auch der Agrosprit seinen Anteil. Er treibt die Preise für Getreideprodukte in die Höhe und fördert so den Hunger auf der Welt.
Die Konkurrenz zwischen Tankfüllung und Ernährung könnte sich weiter verschärfen. Die weltweit vorhandene Agrarfläche reicht nicht aus, um konventionellen Kraftstoff durch Agrosprit zu ersetzen. Noch viel weniger könnte beispielsweise Deutschland den inländischen Spritverbrauch aus eigenem Anbau decken.
In Deutschland muss niemand hungern. Doch Agrosprit zu importieren, heißt den Hunger in anderen Teilen der Welt zu verschärfen. Schon jetzt braucht die EU umgerechnet 35 Millionen Hektar Ackerland von außerhalb, um den Bedarf an Nahrungs- und Futtermitteln und den Agrospritbedarf in Europa zu decken.
Immer größer, immer schneller
Die Automobilindustrie ist gefordert, den CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeugflotten zu senken. Das tut sie in viel zu geringem Maße. Agrosprit führt dazu, dass der Druck auf die Autohersteller eher noch sinkt. Heutzutage könnten ohne Weiteres Kleinwagen mit einem CO2-Ausstoß von etwa 50 Gramm pro Kilometer gebaut werden. Tatsächlich sind es 90 bis 100 Gramm. Und der Drang zum schweren, elektronisch hochgerüsteten Fahrzeug ist ungebremst.
"An der Tanksäule hat der Autobesitzer die Wahl zwischen Agrosprit und fossilem Öl und damit zwischen Pest und Cholera. Was wirklich der Umwelt helfen würde, wird dort nicht angeboten: Fahrzeuge mit deutlich gesenktem Spritbedarf", sagt Greenpeace-Experte Hofstetter.
Automobil und Klimaschutz werden sich erst vertragen, wenn Lösungen wie Leichtbauweise und Tempolimit durchgesetzt sind. Den CO2-Ausstoß im Verkehr mit Agrosprit zu senken, ist eine Scheinlösung. Und auch das E-Auto wird noch lange keine Alternative sein. Zumal wenn der Strom im Kohlekraftwerk erzeugt wird.
E 10: Gut gemeint- schlecht gemacht
Der WWF zur Einführung des E-10 Kraftstoffs
WWF Pressemitteilung, 7.3.11
Berlin - „Biokraftstoff kann ein wichtiger Baustein für den klimafreundlichen Umbau des Verkehrssektors sein, vorausgesetzt der Treibstoff wird nachhaltig erzeugt. E-10 ist dazu ein erster Schritt. Um negative Auswirkungen auf Klima und Artenschutz zu verhindern, müssen möglichst bald jedoch nicht nur Biokraftstoffe sondern alle Agrarrohstoffe strenge Nachhaltigkeitskriterien erfüllen", fordert Martina Fleckenstein, Leiterin Landwirtschaft des WWF Deutschland.
„Wir brauchen ein Gesamtkonzept für eine ambitionierte Senkung der Treibhausgase im Verkehrssektor. Dazu gehört die massive Steigerung der Energieeffizienz, die schnelle Einführung von Elektromobilität und die Einführung von nachhaltigen Biokraftstoffen. Die Mineralölkonzerne und die Automobilhersteller müssen von der Politik viel stärker in die Pflicht genommen werden. Beide haben bei der Einführung von E-10 eklatant versagt und versäumt die Verbraucher angemessen zu informieren. Sie tragen die Verantwortung für das jetzige Chaos. Eine Flickschusterei wie wir sie bei der Einführung von E 10 sehen, ist ein Desaster für den klimafreundlichen Umbau des Verkehrssektors als Teil einer CO2-armen Gesellschaft“, so Regine Günther, Leiterin Klima- und Energiepolitik des WWF Deutschland.
"Biosprit"-Strategie der EU muss überprüft werden
Bundesregierung und Mineralölindustrie müssen Spritspar-Strategie entwerfen
BUND Pressemitteilung, 4.3.11
Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnt die Bundesregierung vor erneuten falschen Weichenstellungen auf dem vom Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle angekündigten so genannten "Benzin-Gipfel". Die Strategie, mehr Klimaschutz durch das Angebot einer zunehmenden Menge an Bioethanol oder anderen Agrar-Kraftstoffen durchzusetzen, werde nicht aufgehen. "Bei E 10 ist nicht nur entscheidend, was hinten rauskommt. Beim Biosprit ist vor allem entscheidend, was zuvor hineingesteckt wurde", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Die angeblich positive Energie- und Klimabilanz des sogenannten Biosprits beruhe auf höchst fragwürdigen Annahmen und dem Weglassen vieler negativer Nebenwirkungen.
Die propagierten Vorteile des Sprits aus Weizen, Mais, Zuckerrüben und Zuckerrohr relativierten sich schnell, wenn man sämtliche Kollateralschäden berücksichtige. "Dazu gehören Umweltschäden durch die industrielle Agrarproduktion von Energiepflanzen, die Verdrängung des Pflanzenanbaus für die Ernährung, eine wachsende Flächenkonkurrenz und steigende Lebensmittelpreise", sagte der BUND-Vorsitzende. "Es ist richtig, die überstürzte und schlecht kommunizierte Einführung von E 10 zu stoppen. Alle negativen Auswirkungen dieser aus unserer Sicht inakzeptablen Klimaschutzmaßnahme müssen auf den Prüfstand", so Weiger.
Der BUND werde es Mineralölkonzernen, Autoindustrie und Bundesregierung nicht durchgehen lassen, mit der Propagierung von Agro-Kraftstoffen von ihrer Verantwortung für tatsächlich wirksame Klimaschutzmaßnahmen im Verkehr abzulenken. Die Absicht, mit der Einführung von sogenannten "Bio-Kraftstoffen" dem zu Ende gehenden Ölzeitalter und seinen spritfressenden Auswüchsen in Form von Luxuskarossen, Geländewagen und PS-Boliden neues Leben einzuhauchen, werde nicht aufgehen. Gefordert sei endlich eine Politik, die Energieeffizienz und die Einführung sämtlicher Spritspartechniken in den Kfz-Massenmarkt an die erste Stelle setze.
"Die Absicht der Autoindustrie, sich mit der Einführung von E10 von der schnellen Entwicklung sparsamerer Fahrzeuge zu verabschieden, wird nicht aufgehen. Schon nächste Woche wird EU-Klimakommissarin Connie Heedegard verkünden, die verkehrsbedingten C02-Emissionen bis 2020 drastisch senken zu wollen. Die Autoindustrie und die Bundesregierung haben alles getan, damit dieses Ziel in weite Ferne gerückt ist. Anstatt Bioethanol ins Benzin zu mischen wäre es viel sinnvoller, in der EU und in Deutschland die Spritverbrauchsvorgaben zu verschärfen, effizientere Autos zu bauen und mehr Geld in den öffentlichen Verkehr zu lenken", sagte der BUND-Vorsitzende Weiger.
Verbraucher trauen E-10-Biosprit nicht
Energiepflanzenanbau lässt C02-Ausstoß steigen
NABU Pressemitteilung, 4.3.11
Berlin. Der NABU fordert, dass beim „Benzin-Gipfel“ auch Umweltverbände mit am Tisch sitzen müssen, weil die Probleme mit dem „Biosprit“ sonst wieder nur verkürzt diskutiert werden und sich auf die reine Motorverträglichkeit konzentrieren. Viele Verbraucher treiben aber auch andere Sorgen um, betont NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller: „Die Klimabilanz von Biokraftstoffen ist höchst umstritten. Dies ist einer der wesentlichen Gründe, warum Autofahrer den neuen Kraftstoff E 10 verschmähen.“
Der NABU hat bereits mehrfach die Biokraftstoffstrategie der Bundesregierung kritisiert. Zum einen konkurriert der Anbau direkt mit der Lebensmittelerzeugung, zum anderen müssen die Risiken und Nebenwirkungen durch so genannte indirekte Landnutzungsänderungen beim Anbau von Energiepflanzen kritisch betrachtet werden. Nach Berechnungen des Londoner Instituts für Europäische Umweltpolitik verursachen die EU-Ziele zum Ausbau der Agrokraftstoffe bis zum Jahr 2020 erhebliche Klimagasemissionen sowie einen zusätzlichen Flächenbedarf in Höhe von bis zu 69.000 Quadratkilometern.
„Schon zum zweiten Mal nach 2008 misslingt die Einführung von Ethanol-Kraftstoff auf dem deutschen Markt, jetzt muss die Kraftstoffstrategie der Bundesregierung insgesamt zur Disposition gestellt werden klar ist: Wir brauchen Alternativen zum fossilen Kraftstoff, dürfen aber nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben“, erklärt Miller. Die schwarz-rote Bundesregierung hatte 2008 verlautet, dass der Verzicht auf die Erhöhung des Ethanolanteils keine Konsequenzen für die Klimaschutzziele habe, da die Automobilindustrie die CO2-Emissionsvorgaben von 120 Gramm pro Kilometer stattdessen mit anderen Mitteln erreichen müsse.
Nach Ansicht des NABU müssen weitergehende Maßnahmen im Verkehr nun dringend angegangen werden. Dazu gehört auch ein Tempolimit auf Autobahnen. „Tempo 120 ist auch auf deutschen Autobahnen längst überfällig. Jedes Jahr könnten so mindestens 3,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid eingespart werden - deutlich mehr als durch die umstrittene und jetzt gestoppte Einführung von E-10-Kraftstoff“, erklärt NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger.
"Biosprit E10" liefert keinen Beitrag zum Klimaschutz Agrosprit-Strategie von Bundesregierung und EU ist Irreführung der Verbraucher
BUND Pressemitteilung, 24.2.11
Berlin: Die zunehmend an Tankstellen erhältliche neue Benzinsorte "E10" mit bis zu 10 Prozent Ethanol-Anteil liefert nach Ansicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) keinen Beitrag für den Klimaschutz. "Was die Umweltbilanz betrifft ist E 10 eine Mogelpackung und ein Fall von Verbrauchertäuschung. Die Ausweitung der Ethanolproduktion aus Weizen, Zuckerrüben oder Mais und die damit ausgelöste Nutzung zusätzlicher Anbauflächen für Getreide und andere Pflanzen zur Ernährung kann im Vergleich zu herkömmlichem Kraftstoff insgesamt sogar höhere Kohlendioxid-Emissionen verursachen", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger in Berlin. Agrosprit sei aus Umweltsicht nicht besser als herkömmliches Benzin. Den Autoherstellern und der Bundesregierung biete die Einführung von "E10" außerdem ein Alibi, sich von der schnellen Entwicklung sparsamerer Fahrzeuge zu verabschieden.
In Deutschland seien 2010 rund 600 000 Tonnen Ethanol aus Weizen, Zuckerrüben und Mais hergestellt und die doppelte Menge dem Benzin beigemischt worden. Mit der Erhöhung des Ethanolanteils auf 10 Prozent rechnet der BUND mit einem Bedarf von insgesamt rund fünf Millionen Tonnen Getreide, Zuckerrüben und Mais für "E10".
Da jeder benzingetriebene Pkw auf Grund der "E10"-Beimischung landwirtschaftliche Flächen benötige, verdoppele sich mit einer Verdoppelung des Biospritanteils auch die "Flächennutzung" des Autoverkehrs. Das Ziel der Bundesregierung, den Flächenverbrauch entscheidend zu senken, werde so konterkariert. Außerdem zwinge das zu erwartende Anwachsen von Importen großer Mengen von Bioethanol die Landwirtschaft in den Ursprungsländern zum Ausweichen auf bisher ungenutzte Flächen. Dies führe zur Vernichtung wertvoller Biotope und zum Abholzen von Wäldern und Urwäldern. "Auch dies erhöht die C02-Emissionen und wird bei der Zertifizierung von Agrokraftstoffen nicht berücksichtigt", sagte Weiger.
Der BUND-Vorsitzende wies auch darauf hin, das bereits rund 35 Millionen Hektar Ackerland in Entwicklungs- und Schwellenländern für die Länder der Europäischen Union genutzt würden, um die Nachfrage nach Agrarprodukten, zu denen ein wachsender Anteil Agrarsprit gehöre, zu decken. Das Anlegen von Großplantagen zur Produktion von Energiepflanzen gehe außerdem mit dem sogenannten "landgrabbing" einher. Dieser "Landraub" von Flächen in Entwicklungsländern durch ausländische Großinvestoren zerstöre die dortigen bäuerlichen Agrarstrukturen. Der Energiepflanzen-Anbau in Monokulturen führe außerdem zum Einsatz von mehr Düngemitteln und Pestiziden. Die Folgen seien zunehmende Schadstoffbelastungen von Gewässern, höhere Lachgasemissionen und das Aussterben seltener Pflanzen und Tiere.
"E10 ist auch für den Verbraucher eine Mogelpackung", sagte der BUND-Verkehrsexperte Werner Reh. Nach der für Biosprit geltenden DIN-Norm könne der tatsächliche Ethanolanteil auch weit unter 10 Prozent liegen. "Wo E10 draufsteht, ist nicht unbedingt zehn Prozent drin. Es können auch drei oder sieben Prozent Ethanol sein." Reh kritisierte die Agrosprit-Strategie von Bundesregierung und EU grundsätzlich: "Anstatt mehr Bioethanol ins Benzin zu mischen wäre es wesentlich sinnvoller, auf EU-Ebene und in Deutschland Alternativen zum Auto attraktiver zu machen, die Verbrauchsvorgaben zu verschärfen und effizientere Fahrzeuge zu bauen." Wichtigster Blockierer strengerer Verbrauchsvorgaben auf EU-Ebene sei jedoch ausgerechnet die deutsche Bundesregierung. Die Entwicklung wesentlich sparsamerer Fahrzeugmodelle könne zur Halbierung des Spritverbrauchs führen. Dies würde auch eine Halbierung der zur Beimischung erforderlichen Ethanol-Mengen bedeuten.
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