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Aktuell

Klimakonferenz beendet

Klimakonferenz endet enttäuschend

Von Sara Westerhaus, Greenpeace-Online, 22.11.13

Die Klimaverhandlungen (COP) in Warschau kommen zum Ende. Bereits am Donnerstag hatte Greenpeace zusammen mit anderen Umweltschutzverbänden die Konferenz aus Protest verlassen.

"Diese Konferenz war ein einziger Betrug. Eigentlich sollten hier weitere Schritte zum Senken der Emissionen beschlossen werden, stattdessen ist das Gegenteil passiert: Japan hat seine Ziele gesenkt, Australien beschneidet seine Klimagesetze, Brasilien präsentiert eine rasant beschleunigtes Abholzen seiner Regenwälder. Noch dazu bedroht das vollständige Versagen der Industriestaaten, ihre bestehenden Finanzierungszusagen einzuhalten, die Ärmsten der Armen", so Martin Kaiser, Leiter der Greenpeace-Delegation in Warschau.

Greenpeace hat sich aus mehreren Gründen entschlossen, diese Klimakonferenz in Warschau vorzeitig zu verlassen. Zum Einen, weil die polnische Präsidentschaft die COP schamlos benutzen wollte, um die Interessen ihrer Kohleindustrie zu verteidigen und Klimaschutzmaßnahmen in Europa und weltweit zu verzögern. Zum Anderen haben selbst unter dem Eindruck des katastrophalen Taifuns Haiyan einige Länder Entschädigungsregelungen für Klimaopfer behindert.

Viele Industriestaaten und Indien waren erneut die größten Bremser auf dieser Klimakonferenz. Zukünftig erwartet Greenpeace eine neue Führungsrolle von den Entwicklungsländern. Viele von ihnen sind inzwischen starke Spieler innerhalb der internationalen Gemeinschaft geworden - und Stärke geht einher mit Verantwortung.

"Zuhause unternimmt China große Schritte, um die Verschmutzung durch seine Kohlekraftwerke in den Griff zu bekommen und Erneuerbare Energien zu stärken. Doch das Land überführt diese Anstrengungen nicht konsequent in eine Rolle als globaler Anführer. Brasilien betont das wichtige Prinzip der historischen Verantwortung für den Klimawandel, doch das kann für niemanden eine Entschuldigung sein, nicht die Verantwortung für aktuelle und künftige Emissionen abzulehnen“, so Kaiser weiter.

In den kommenden Monaten wird Greenpeace Regierungen in aller Welt drängen, mit ernsthaften Klimaschutzzielen zum Ban Ki-Moon Gipfel im September 2014 und später zur Klimakonferenz in Lima zu reisen. Besonders von den größten Klimasündern - China, den USA und der Europäischen Union - erwartet Greenpeace konkrete Vorschläge zur Reduzierung der Klimaverschmutzung. Vor allem die EU muss sofort ihre schwachen Schutzziele für 2030 auf 55 Prozent anheben und endlich den am Boden liegenden Zertifikatehandel reparieren.

"Ohne globale und europäische Klimaschutzregeln verlieren die Bürger die Geduld mit schmutzigen Konzernen. Immer mehr Menschen sind bereit gegen die Kohle-, Öl- und Atomindustrie aktiv zu werden und Menschen fordern ein anderes Energiesystem. Deshalb haben unsere Aktivisten ihre Freiheit aufs Spiel gesetzt und gegen Ölbohrungen in der Arktis protestiert. Das Beispiel der Arctis 30 wird auch in Zukunft eine Inspiration für uns alle sein", so Kaiser.


Warschauer Klimagipfel minimaler Trippelschritt nach Paris

Einfluss der Industrie bei Klimaverhandlungen beschränken
Teilhabe der Zivilgesellschaft stärken


BUND Pressemitteilung, 23.11.13

Warschau/Berlin: "Warschau war höchstens ein Trippelschritt auf dem Weg nach Paris. Ob dort 2015 tatsächlich ein wirksames globales Klimaschutzabkommen beschlossen werden kann, bleibt weiter ungewiss", sagte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) in einer ersten Bewertung des zuendegehenden Klimagipfels COP 19. Nachdem am Donnerstag Mittag rund 800 Vertreter von Umweltorganisationen und Gewerkschaften die Weltklimakonferenz in Warschau aus Protest gegen die schleppenden Verhandlungen verlassen hatten, gab es auch in den beiden zurückliegenden Tagen keine wesentlichen Fortschritte.

Die Verantwortung für den Stillstand sieht Weiger vor allem bei den Industriestaaten: "Die Industrieländer verzögerten in Warschau jeden Fortschritt. Die EU und Deutschland verzichteten nahezu vollständig auf ihre frühere Vorbildfunktion. Länder wie Japan, Australien und Kanada reduzierten oder beerdigten ihre Klimaschutzziele gleich ganz.“ Entschlossene Vorreiter beim Klimaschutz habe es nicht gegeben, sichtbar gewesen seien vor allem die Hauptverantwortlichen für den Klimawandel, die Lobbyisten der fossilen Industrien. „Solange wie beim Klimagipfel in Warschau der Einfluss der Industrie zu groß und die Mitbestimmung der Zivilgesellschaft zu gering sind, bleibt ein Durchbruch beim globalen Klimaschutz unwahrscheinlich“, sagte der BUND-Vorsitzende.

Die Warschauer Klimakonferenz habe auch gezeigt, dass ein Verbot des Sponsorings dieser Tagungen durch die Industrie dringend nötig sei. Das hätten die Nichtregierungsorganisationen mit dem Verlassen der Konferenz den Gastgebern dieses und der beiden folgenden Weltklimagipfel in Polen, Peru und Frankreich deutlich gemacht. Die Gastgeber in Peru und Paris müssten außerdem den Ausbau erneuerbarer Energien, die Steigerung der Energieeffizienz und Maßnahmen zum Energiesparen auf die Agenda der Klimaschutzverhandlungen setzen.

Inga Römer, BUND-Klimaexpertin: "Während die Einflussmöglichkeiten der Industrie bei den Klimaverhandlungen in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen sind, wurde die Mitwirkung der Bürgergesellschaft beschnitten. Das muss dringend korrigiert werden. Bei den nächsten Weltklimagipfeln in Peru und Frankreich muss eine größere Teilhabe der Zivilgesellschaft gesichert sein.“

Beispielsweise sei die erfolgte Verringerung der Zugangszahl für Vertreter von Nichtregierungsorganisationen rückgängig zu machen. Erweitert werden müsse auch das Demonstrationsrecht bei den Weltklimaverhandlungen innerhalb und außerhalb der Konferenzzentren. Zudem müsse es auf Weltklimagipfeln ein Rederecht für Vertreter der Zivilgesellschaft nicht nur im Plenum sondern auch in den Arbeitsgruppen geben. Und bereits während der Entwurfsphase müsse der Zugang zu allen wichtigen Dokumenten für alle Interessierten ermöglicht werden.


NABU: Trippelschritte auf UN-Klimakonferenz in Warschau

Tschimpke: Neues Vertrauen aufbauen ist wichtiger denn je

NABU Pressemitteilung, 24.11.13

Berlin/Warschau – Die UN-Klimakonferenz im polnischen Warschau hat keinen nennenswerten Durchbruch auf dem Weg zu mehr Klimaschutz gebracht. NABU-Präsident Olaf Tschimpke bewertet die auch nach einem Tag Verlängerung bei den Verhandlungen erzielten Ergebnisse allenfalls als Trippelschritte: „Der in Warschau beschlossene Zeitplan bleibt so unkonkret, dass es fraglicher denn je ist, ob 2015 in Paris tatsächlich ein neues Weltklimaabkommen beschlossen werden kann. Daher ist es jetzt besonders wichtig, verloren gegangenes Vertrauen schnellstmöglich wieder zurückzugewinnen“, so Tschimpke.

Dies könne nur mit mehr Kompromissbereitschaft und klaren Angeboten aller Vertragspartner funktionieren. Dazu müssten sich die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zunächst auf ambitionierte Energie- und Klimaziele für 2030 einigen, bevor die EU die weitere Zusammenarbeit im internationalen Klimaschutz mit Ländern wie China, Brasilien, Indien, Japan und USA voranbringen kann.

„Selbst Warschau hat gezeigt, dass Kompromisse möglich sind. Dazu zählt nicht zuletzt die für den Klima- und Naturschutz wichtige Vereinbarung, unter welchen Bedingungen Entwicklungsländer zukünftig finanzielle Unterstützung für den Schutz ihrer Wälder erhalten können“, so Tschimpke.


Warschauer Klimagipfel: Schwaches Ergebnis - aber globales Abkommen in Sichtweite

Bedeutungsverlust der EU durch schwache Klimaziele

Germanwatch Pressemitteilung, 23.11.13

Warschau - Der Warschauer Klimagipfel ist knapp dem Scheitern entgangen. Am Ende einigten sich die Staaten auf ein mäßiges Ergebnis. Damit sind immerhin die Weichen für ein globales Abkommen mit allen Staaten im Jahr 2015 gestellt. Es ist gelungen, einen Mechanismus für besonders massiv unter dem Klimawandel leidende Staaten zu initiieren, der in den nächsten drei Jahren im Detail ausgestaltet werden soll. Die Zivilgesellschaft machte teilweise von außen, teilweise von innen Druck.

Verantwortlich für das schwache Ergebnis von Warschau sind im Wesentlichen fünf Länder: Australien, Japan, China, Indien und Gastgeber Polen. "Es rächt sich jetzt auch, dass die alte Bundesregierung eine mutige EU-Klimapolitik in den vergangenen beiden Jahren ausgebremst hat", sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. "Mit der Flucht aus der Vorreiterrolle hat die EU viel Einfluss bei den Klimaverhandlungen verloren.“

Christoph Bals weiter: "Damit der globale Klimaschutz nun Fahrt aufnimmt, muss das Verhandeln mit mutigem Handeln zu Hause und mit neuen Allianzen von Vorreiterstaaten ergänzt werden. Beim Handeln ist die künftige Bundesregierung gefragt: Sie muss dafür sorgen, dass die EU wieder zur Klimavorreiterrolle vergangener Jahre zurückfindet." Entscheidend dafür sei eine tiefgreifende Reform des Emissionshandels und ambitionierte Klimaschutzziele Europas für 2020 und 2030. "Ein 2030-Reduktionsziel von mindestens 40 Prozent in der EU, wie derzeit im Koalitionsvertrag vorgesehen, wäre schlichtweg peinlich. Selbst China und die USA handeln auf nationaler Ebene derzeit entschlossener als die EU“, so Bals.


Klimakonferenz in Warschau beendet

Altmaier mahnt weitere Anstrengungen an

BMU Pressemitteilung, 23.11.13

Die UN-Klimakonferenz in Warschau ist mit einer Reihe wichtiger Entscheidungen zu Ende gegangen. Trotz schwieriger Verhandlungen konnten sich die Teilnehmer auf einen Fahrplan für ein neues Klimaabkommen und auf wesentliche Eckpunkte zur Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen einigen. Eine zentrale Forderung betroffener Entwicklungsländer wurde mit der Errichtung eines Mechanismus zum Umgang mit Verlusten und Schäden erfüllt. Auch beim Waldschutz konnte ein Durchbruch erzielt werden. Mit den Beschlüssen von Warschau hat die internationale Gemeinschaft einige Schritte hin zu einem weltweiten Klimaabkommen getan, das im Jahr 2015 auf der UN-Klimakonferenz in Paris verabschiedet werden soll.

Bundesumweltminister Peter Altmaier erklärte dazu: "Die Vereinbarungen ermöglichen es uns, weiter voranzuschreiten auf dem Weg in Richtung auf ein umfassendes Klimaabkommen." Vertreter von fast 200 Staaten hatten in Warschau seit Anfang vorvergangener Woche über weitere Schritte in Richtung eines neuen Klimaabkommens verhandelt. Bis zur Klimakonferenz 2015 sollen die Verhandlungen abgeschlossen werden. Altmaier mahnte: "Es gibt keinen Anlass, sich zurückzulehnen. Alle Beteiligten müssen in den kommenden Monaten ihre Hausaufgaben machen."

Bis Anfang 2015 sollen die Staaten Angaben dazu machen, welche Emissionsminderungsbeiträge sie für das künftige Abkommen vorschlagen. "Wir sind dazu bereit. Alle Staaten, auch die großen Schwellenländer, müssen jetzt ihrer Verantwortung gerecht werden", betonte Altmaier. Deutschland setzt sich dafür ein, dass möglichst viele Staaten bereits auf dem im September auf Einladung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon stattfindenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs Angaben machen.

In Warschau wurde eine Vielzahl von Entscheidungen umgesetzt. Der Anpassungsfonds wurde mit 105 Millionen US-Dollar aufgefüllt. Dies war insbesondere möglich geworden, weil Deutschland mit rund 40 Millionen US-Dollar dazu beigetragen hat. "Mit den jetzt arbeitsfähigen Institutionen erhalten Entwicklungsländer die notwendige Unterstützung, sich auch auf ihre künftigen Verpflichtungen vorzubereiten", unterstrich Altmaier.

Die Beschlüsse im Einzelnen:

Fahrplan für ein neues Klimaabkommen

Das zukünftige Klimaabkommen, das spätestens im Jahr 2020 wirksam werden soll, wird Regelungen zu Minderung, Anpassung, Finanzierung, Technologie, Transparenz und Kapazitätsaufbau enthalten. In den kommenden zwei Jahren soll dies inhaltlich konkretisiert werden.

Alle Staaten haben zugestimmt, auf nationaler Ebene ihre Beiträge im Rahmen eines künftigen Klimaabkommens zu erarbeiten und diese deutlich vor der Klimakonferenz in Paris im Jahr 2015 in klarer, transparenter und verständlicher Form vorzulegen. Damit wird die wichtige Forderung Deutschlands und der Europäische Union nach einem konkreten Datum aufgegriffen. Die Beiträge sollen vergleichbar sein und zugleich geeignet, das Ziel einzuhalten, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Welche zusätzlichen Informationen die Staaten im Lichte dieser Anforderungen liefern müssen, soll auf der Klimakonferenz im peruanischen Lima im Jahr 2014 beschlossen werden. Bis 2020 sollen sie außerdem ihre Minderungsaktivitäten intensivieren. Finanzierung

Entwicklungsländer brauchen zur Umsetzung ihrer Strategien für die Minderung der Emissionen und die Anpassung an den Klimawandel finanzielle Unterstützung. Die Industrieländer haben in Warschau zugesagt, Transparenz und Klarheit über den beabsichtigten Anstieg der Klimafinanzierung bis auf 100 Milliarden US-Dollar jährlich im Jahr 2020 zu schaffen. Rahmenbedingungen für Klimaschutzinvestitionen und Strategien zur Mobilisierung privater Mittel sollen im ständigen Finanzausschuss erörtert werden. Im nächsten Jahr sollen inhaltliche Fragen geklärt werden, sodass baldmöglichst erste signifikante Mittel für den Fonds zur Verfügung stehen (Auffüllung). Entscheidend wird sein, den Fonds nach ökologischen, sozialen und finanziellen Kriterien auszurichten, damit er zu wirkungsvollem Klimaschutz beiträgt.

Zahlreiche Industrieländer haben mit konkreten Zusagen für internationale Klimafonds für Vertrauen bei den Entwicklungsländern geschaffen, dass sie weiterhin finanzielle Unterstützung für den Klimaschutz bekommen. Deutschland hat mit einem freiwilligen Beitrag in Höhe von rund 40 Millionen US-Dollar für den Anpassungsfond ein Signal gesetzt.

Klimawandelbedingte Verluste und Schäden

Neu geschaffen wurde eine Institution für das Thema „klimawandelbedingte Verluste und Schäden“, der „Warschau-Mechanismus“. Angeleitet durch einen Exekutivausschuss soll er das Wissen und Verständnis zu dem Thema verbessern. Unterstützungsmaßnahmen – auch finanzieller und technischer Natur – sollen gefördert werden. Die Zusammenarbeit bestehender Institutionen soll verbessert werden. Auf der nächsten Klimakonferenz in Lima sollen die Zusammensetzung und Verfahrensregeln des Exekutivausschusses beschlossen werden. Bis Sommer 2015 soll eine Arbeitsgruppe ein Programm zur Umsetzung des Warschau-Mechanismus erarbeiten.

Waldschutz: Positive Ergebnisse zu REDD+

Einen Durchbruch gab es beim Waldschutz: Erreichte Emissionsminderungen in Entwicklungsländern sollen unabhängig überprüft werden. Außerdem wurde festgelegt, auf welcher Basis die Berechnung der Emissionsminderungen erfolgen soll. Damit kann das Waldschutzprogramm REDD+ endlich national umgesetzt werden. Ein Drittel der globalen Klimagas-Emissionen wird durch Veränderung der Landnutzung verursacht, die weltweite Entwaldung steht dabei an erster Stelle. Künftig sollen Finanzinstitutionen innerhalb und außerhalb der Konvention die methodischen Grundlagen für das Programm übernehmen. Der Grüne Klimafonds wird für die Finanzierung von REDD+-Maßnahmen eine bedeutende Rolle spielen. Bundesumweltminister Peter Altmaier hatte auf der Konferenz in Kopenhagen zugesagt, das Programm um über 16 Millionen US-Dollar aufzustocken.


UN-Klimakonferenz in Warschau: Zentrale Fragen noch ungelöst

(dpa) - 23. November, 2013

http://www.mz-web.de/politik/un-klimakonferenz-in-warschau-zentrale-fragen-noch-ungeloest,20642162,25125708.html

(Siehe auch die dortigen Hintergrundartikel)


Knapp am Eklat vorbei

Auch ein verheerender Taifun reicht nicht aus, um einen Klimagipfel erfolgreich zu machen. Die Konferenz endet mit mühseligen Kompromissen.

Von Bernhard Pötter, taz, 23.11.13

http://www.taz.de/Ende-der-Klimakonferenz-in-Warschau/!128065/


Dramatische Uno-Konferenz: Europas Trick bringt Klimakompromiss

Von Axel Bojanowski, SPIEGEL-Online, 23.11.13

http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/klimakonferenz-in-warschau-europas-trick-bringt-klimakompromiss-a-935308.html


Experten: Meeresspiegel könnte noch in diesem Jahrhundert um mehr als einen Meter ansteigen

Pressemitteilung des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, 22.11.13

Werden die globalen Treibhausgasemissionen nicht verringert, könnte der Meeresspiegel bis 2100 um 70-120 Zentimeter ansteigen. Das ist das Ergebnis einer breiten Expertenbefragung zum Meeresspiegel unter 90 Spezialisten. Der Umfrage zufolge erwarten die Experten bei ungebremstem Klimawandel bis 2300 einen mittleren Meeresspiegelanstieg von 200-300 Zentimetern. Im Gegensatz dazu wird der Meeresspiegelanstieg in einem Szenario mit ambitioniertem Klimaschutz bis 2100 auf 40-60 Zentimeter und bis 2300 auf 60-100 Zentimeter geschätzt. Durchgeführt wurde die Befragung von einem Wissenschaftlerteam aus den USA und Deutschland.

„Während die Ergebnisse zeigen, dass der Meeresspiegel mit Klimaschutz langfristig auf einen Meter begrenzt werden könnte, stellt ein Szenario mit unverminderten Emissionen die Zukunft einiger Küstenstädte und tiefliegender Inseln infrage“, sagt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Aus einer Perspektive des Risikomanagements sind Projektionen zum Meeresspiegelanstieg etwa für die Planung von Küstenschutz oder für das Abwägen verschiedener Strategien zur Emissionsreduktion von großer Bedeutung.“

Projektionen zum Anstieg des Meeresspiegels bergen noch große Unsicherheiten, denn die verursachenden physikalischen Prozesse sind komplex. Dabei geht es etwa um die Ausdehnung der sich erwärmenden Ozeane, das Abschmelzen von Berggletschern, Eiskappen und der zwei großen Eisschilde Grönlands und der Antarktis, sowie das Fördern von Grundwasser zu Bewässerungszwecken. Unterschiedliche Modellansätze führen dabei zu unterschiedlichen Ergebnissen. Der kürzlich veröffentlichte Bericht des IPCC musste seine Projektionen im Vergleich zum letzten Bericht um etwa 60 Prozent nach oben korrigieren, und auch andere von Wissenschaftlergruppen erstellte Studien kamen auf höhere Werte. Der von Satelliten während der letzten beiden Jahrzehnte gemessene Meeresspiegelanstieg hat frühere Erwartungen übertroffen.

Größte Befragung zum Meeresspiegelanstieg: 90 führende Experten aus 18 Ländern

„Deshalb ist es nützlich, die Einschätzungen der Meeresspiegel-Experten zu kennen und transparent zu machen“, sagt Leitautor Benjamin Horton vom Institut für Meeres- und Küstenforschung der Rutgers University im US-amerikanischen New Jersey. „Wir haben die bislang größte Umfrage zum zukünftigen Meeresspiegelanstieg von neunzig objektiv ausgewählten Experten aus 18 Ländern vorgelegt.“ Die befragten Wissenschaftler wurden mithilfe der Internet-Datenbank ‚Web of Science’ von Thomson Reuters anhand wissenschaftlich geprüfter Publikationen seit 2007 identifiziert, um sicher zu gehen, dass nur aktive Forscher dieses Fachgebiets gefragt wurden. Neunzig Meeresspiegel-Experten aus aller Welt gaben ihre Einschätzung zum künftigen Meeresspiegelanstieg, jeder von ihnen hat in den vergangenen fünf Jahren mindestens sechs wissenschaftlich begutachtete Studien zum Thema Meeresspiegel veröffentlicht.

Die Umfrage zeigt, dass die meisten Experten einen höheren Anstieg erwarten als der aktuelle IPCC-Bericht mit 28-98 Zentimetern bis 2100. Zwei Drittel (65%) geben für das obere Ende dieser Spanne einen höheren Wert an als der IPCC und bestätigen damit, dass die Projektionen des IPCC eher konservativ sind.

Die Experten der Befragung lieferten nicht nur eine „wahrscheinliche“ Bandbreite zum erwarteten Meeresspiegelanstieg, sondern auch eine Einschätzung der Grenze, die der Meeresspiegelanstieg mit 95-prozentiger Sicherheit bis zum Jahr 2100 nicht überschreiten wird. Diese Obergrenze ist für die Küstenschutzplanung relevant. Bei ungebremsten Emissionen gab die Hälfte der Experten (51%) diese Grenze mit 1,5 Metern oder mehr an, ein Viertel (27%) nannte 2 Meter oder mehr. Für das Jahr 2300 sieht eine Mehrheit der Experten (58%) diese Obergrenze bei 4 Metern oder höher.

Projektionen zum Meeresspiegel sind oft auf den relativ kurzfristigen Zeitraum bis 2100 fokussiert, der Meeresspiegel wird jedoch auch nach diesem Datum noch weiter ansteigen. „Ein Temperaturanstieg durch ungebremste Emissionen setzt Küstenregionen der Gefahr eines langfristigen Meeresspiegelanstiegs um mehrere Meter aus, das verdeutlichen sowohl die Ergebnisse der Umfrage als auch die des IPCC für den Zeitraum bis 2300“, sagt Rahmstorf. „Sie belegen jedoch auch die Möglichkeit, einen derart massiven Anstieg des Meeresspiegels durch eine erfolgreiche Reduktion von Treibhausgasemissionen noch zu verhindern.“




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