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Aktuell

Geld für Klimasünder

Denkwürdig bizarr: Regierung beschließt neue Subventionen für alte Kohlekraftwerke

WWF Kommentierung zum Ergebnis des gestrigen Koalitionsausschusses

WWF Pressemitteilung, 2.7.15

Bei dem gestrigen Koalitionsausschuss wurden sogenannte „Eckpunkte für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende“ verabschiedet. Regine Günther, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik des WWF, kommentiert die politische Vereinbarungen der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD folgendermaßen:

„Der Prozess und das jetzt vorliegende Ergebnis sind schon denkwürdig bizarr. Die Kohlelobby diktiert sich die Gesetze selbst, mit denen sie reguliert werden soll, schanzt sich dabei wie selbstverständlich für ihre alten, abgeschriebenen Kraftwerke Milliarden von Euro zu und lässt die Steuerzahler und Stromverbraucher dafür zahlen. Dass der Klimaschutz dabei unter die Räder kommt und das Ergebnis an CO2-Einsparungen so klein wie möglich geraspelt wurde, ist da nur folgerichtig. Ein Stück aus dem Tollhaus.“

„Die Kohlelobby hat sich jetzt nochmal durchsetzen können. Klar ist aber auch, dass die Kohle eine Abwehrschlacht führt und ihr Gebiet immer kleiner wird. Der Kohleausstieg ist auf der Tagesordnung und wird von dort nicht mehr verschwinden. Jetzt gilt es, einen Kohleausstiegfahrplan 2035 zu erarbeiten.“

„Das Ergebnis für den Klimaschutz ist kläglich. Ohne deutliche Nachbesserungen wird Deutschland sein Klimaschutzziel von 40 Prozent bis 2020 verfehlen. Wesentliche Elemente des beschlossenen Pakets bestehen aus Luftbuchungen. Ein strikter Monitoringprozess ist zwingend, um zu verhindern, dass sich der Stromsektor seiner Verpflichtungen gänzlich entledigen kann. Dieses Resultat geht vor allem auf das Konto von Bundeskanzlerin Merkel, die verhinderte, das sich das kostengünstigere und zielsichere Instrument des „Klimabeitrags“ durchsetzen konnte.“


Kohle-Subventionen statt Klimaschutz. Gabriels Kompromiss geht auf Kosten der Allgemeinheit

BUND Pressemitteilung, 2.7.15

Berlin: Den Kompromiss der Bundesregierung zu CO2-Reduktionen im Stromsektor kommentiert Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):

„Damit hat die Bundesregierung faktisch ihr klimapolitisches Scheitern vereinbart. So ist das Klimaziel von 40 Prozent weniger CO2 bis 2020 nicht zu schaffen. Das ist ein fauler Kompromiss zu Lasten des Klimaschutzes, der horrend teuer wird. Der ursprünglich geplante Klimabeitrag hätte die klimapolitisch notwendige CO2-Minderung zu einem Bruchteil dieser Kosten erbracht. Stattdessen sollen Vattenfall und RWE Milliarden dafür einstreichen, dass sie Kohleblöcke stilllegen, die sie sowieso stillgelegt hätten. Wie bei der Auto-Abwrackprämie wird einer innovationsträgen Branche auf Kosten der Allgemeinheit ein Hilfsprogramm spendiert“, sagte Weiger.

Die geplante Braunkohlekraftwerksreserve werde keine nennenswerten CO2-Einsparungen bringen, kritisierte der BUND-Vorsitzende. „In dem verzweifelten Bemühen, Deutschlands Klimaziel doch noch zu erreichen, setzt die Bundesregierung jetzt auf freiwillige CO2-Minderungen seitens der Kohlekonzerne ab 2018. Bis dahin soll in anderen Bereichen die entstandene Klimaschutzlücke gefüllt werden, wo aber teilweise noch nicht einmal Maßnahmen unterlegt wurden. Da sind viele Luftbuchungen und wenig Belastbares. Das Ganze ist ein unglaubwürdiges Geschacher zu Lasten des Klimas und der Steuerzahler“, sagte Weiger.

Selbst bei der Kraft-Wärme-Kopplung, einem wichtigen Baustein der Energiewende, bleibe die Bundesregierung unter den Möglichkeiten. Es sei zwar gut, dass in diesem Bereich der Umstieg von Kohle auf Gas vorangebracht werden solle, zugleich sei jedoch das Ausbauziel deutlich abgeschmolzen worden.


NABU: Politik für die Kohle-Lobby statt für den Klimaschutz

Miller: Entscheidungen zum Kraftwerkspark auf Kosten der Umwelt und der Steuerzahler

NABU Pressemitteilung, 2.7.15

Berlin – Beim nächtlichen Koalitionsgipfel hat sich eine breite Kohle-Lobby aus Gewerkschaften, Industrie, Braunkohle-Ländern, Union und Teilen der SPD gegen Bundeswirtschaftsminister Gabriel durchgesetzt und den Klimaschutzbeitrag endgültig gekippt.

„Die Idee eines Klimaschutzbeitrages für die ältesten und schmutzigsten Kraftwerke war ein kluges Instrument zum schrittweisen Ausstieg aus der Braunkohle. Nach dem Verursacherprinzip sollten Kraftwerksbetreiber eine Abgabe für Kraftwerke leisten, die ein vorgegebenes Budget für klimaschädliche Emissionen überschritten hätten.

Enttäuschend ist vor allem die fehlende Rückendeckung der Bundeskanzlerin, die nur kurz als Klimakanzlerin geglänzt hat. Nun wird es für Deutschland nicht möglich sein, die Klimaziele bis 2020 zu erreichen“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Unternehmen und Gewerkschaften hätten sich mit unseriöser Panikmache vor Jobverlusten durchgesetzt. Zuletzt habe neben vielen anderen wissenschaftlichen Gremien auch der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) zu Gabriels Klimaschutzabgabe geraten. Das Ignorieren wissenschaftlicher Ratschläge bei wichtigen Entscheidungen durch die Politik über den deutschen Kraftwerkspark sei ein fatales Signal an die Wähler.

Der unausgegorene Vorschlag des Kohlelands Nordrhein-Westfalen und der Bergbaugewerkschaft IG BCE konnte sich durchsetzen, obwohl er die Kraftwerksbetreiber nicht in die Verantwortung für einen geordneten Strukturwandel in den betroffenen Regionen nimmt. „Jetzt bekommen Braunkohlekraftwerksbetreiber auf Kosten der Allgemeinheit die ohnehin stattfindende Drosselung des Kohlestroms noch vergoldet“, so Miller weiter. Der nun vorgesehene Instrumentenmix aus der Verschiebung von Kraftwerksblöcken in einem Umfang von 2,7 GW in eine Reserve in Kombination mit einer höheren staatlichen Förderung der Kraft-Wärme-Koppelung (KWK) und anderen Maßnahmen zur Einsparung der vom Bundeskabinett beschlossenen 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) bis zum Jahr 2020 führe nicht zum Ziel. So würden lediglich ca. 15 Millionen Tonnen CO2 im Stromsektor in Deutschland eingespart werden. Europaweit betrachtet könnten die Maßnahmen zu einem Nullsummenspiel für das Klima werden, wenn anderswo mehr Kohle verbrannt wird. Dafür habe die IG BCE keine Lösung gefunden, denn sie wolle keine Verlinkung zum Emissionshandel, in dessen Rahmen der Schadstoffausstoß aus Kraftwerken europaweit reguliert werden könnte.

Die einzigen Lichtblicke gäbe es beim Ausbau der Stromnetze, auch wenn es aus NABU-Sicht falsch sei, bayerische Partikularinteressen einem verbindlich festgelegten Konsens wie dem Bundesbedarfsplangesetz für Stromnetze den Vorzug zu geben. Um dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer entgegenzukommen, sollen bei den großen neuen Nord-Süd-Stromautobahnen stärker bestehende Trassen genutzt und Erdkabel vorrangig verlegt werden.

„Es ist in jedem Fall notwendig, die Erdverkabelung als Alternative zu raumgreifenden Freileitungen zu prüfen, da sie an vielen Stellen die Betroffenheit von Mensch und Natur verringern können. Durch Erdkabel werden etwa Vogelkollisionen mit Leitungen verhindert und unsere Landschaften geschont. Erdkabel können jedoch auch ökologische Nachteile mit sich bringen wie Baueingriffe und Lebensraumbeeinträchtigungen bei Wald- und Moorgebietsquerungen,“ sagte NABU-Energieexpertin Tina Mieritz. Daher sei eine standortabhängige Abwägung der verschiedenen Schutzgüter und eine nachvollziehbare Planung wichtiger als die Vorab-Entscheidung zu Freileitungen oder Erdkabeln. Aspekte wie Wohnumfeldschutz und Naturschutz müssten immer als Grundlage für die Entscheidung über die zu verwendende Technologie herangezogen werden.


Klimabeitrag: Pyrrhussieg der Kohlelobby - Die Kohledämmerung hat begonnen


Germanwatch kritisiert Verzicht auf Klimaschutzabgabe und begrüßt überfällige Einigung zum Stromnetzausbau

Germanwatch Pressemitteilung, 2.7.15

Bonn/Berlin. Als "Pyrrhussieg der Kohlelobby" bewertet die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch den heute beschlossenen Kompromiss um den Beitrag der Energiebranche zum deutschen Klimaziel. Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch: "Die Kohlelobby feiert sich als Sieger. Sie hat ein Instrument abgeschossen, mit dem kostenverträglich sichergestellt worden wäre, dass der Stromsektor seinen Teil des deutschen Klimaziels erreicht. Nach dem vorgelegten Ergebnis ist es sehr wahrscheinlich, dass Deutschland sein 40%-CO2-Reduktionsziel bis 2020 vermutlich nicht in voller Höhe erreichen wird. Die beschlossenen Maßnahmen führen nach der vorgelegten Kalkulation der Bundesregierung nicht zu den bislang angekündigten 22 Mio t, sondern zu maximal 16,5 Mio t CO2-Reduktion im Stromsektor. Die darüber hinaus beschlossene Reduktion von 5,5 Mio t CO2 durch Energieeffizienz ist aller Voraussicht nach eine Doppelzählung, da entsprechende Maßnahmen von anderen Sektoren zur Schließung der Klimaschutzlücke von der Bundesregierung zusätzlich eingeplant worden waren. Obwohl weniger an CO2 eingespart wird als durch die Klimaabgabe ursprünglich vorgesehen, sind die Kosten etwa 30% höher. Insbesondere RWE, Vattenfall und Mibrag bekommen die Stilllegung alter Kohlekraftwerke mit Milliardenzahlungen versüßt. Nicht diese Unternehmen als Verursacher, sondern die Verbraucher und Steuerzahler müssen für die Kosten aufkommen.

"Dieses Ergebnis ist ein Pyrrhussieg der Kohlelobby. Vieles spricht dafür, dass ihr scheinbarer Sieg den Einstieg in den Ausstieg aus der Kohle einleitet." Allen relevanten Akteuren sei nun klar, dass es ab jetzt darum geht, den schrittweisen Ausstieg aus der Kohle sozialverträglich zu gestalten. "Viele Politiker beteuern im nicht öffentlichen Gespräch, dass sie der fossilen Lobby das letzte Mal die Kohlen aus dem Feuer geholt haben. Und Politik, Unternehmen und Gewerkschaften bereiten sich nach dieser Debatte auf den notwendigen Strukturwandel vor", so Bals.


 
 Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat die notwendigen CO2-Reduktionen in der Stromerzeugung bis 2030 bereits benannt. Einen Löwenanteil der notwendigen 200 Mio. Tonnen CO2 wird der Kraftwerkssektor erbringen müssen. Parteiübergreifend sind die mittel- und langfristigen Ziele der Energiewende akzeptiert. Letzte Woche hat das Bundesumweltministerium einen politischen Prozess gestartet, der in den nächsten Monaten festlegen soll, wie die Ziele in Etappen bis 2050 umgesetzt werden. Christoph Bals: "Klar ist: Bis etwa 2035 muss der Ausstieg aus der Kohle abgeschlossen sein, wenn die deutschen Klimaziele erreicht werden sollen. Je früher er beginnt, desto sozial- und wirtschaftsverträglicher kann er gestaltet werden. Wer den Strukturwandel blockiert anstatt ihn zu gestalten, erweist den betroffenen Menschen und Regionen einen Bärendienst."


 Vattenfall hat dieses Signal verstanden und vor wenigen Tagen bereits den Stopp von Umsiedlungen für neue Tagebaue (Nochten II, Brandenburg) verkündet. Auch die Pläne für einen Neuaufschluss für Welzow Süd II in Brandenburg kommen auf den Prüfstand. Alle vier großen Energieversorger arbeiten an neuen Geschäftsmodellen. 


Einen "längst überfälligen Fortschritt" sieht Germanwatch bei der Einigung zum weiteren Ausbau der Stromnetze. Der breit öffentlich konsultierte Prozess zur Weiterentwicklung des deutschen Höchstspannungsnetzes hat gezeigt, dass der Umstieg auf das regenerative Stromsystem zusätzliche Leitungen von Nord- und Ostdeutschland in den Süden braucht. "Dass der Netzausbau nicht weiter von Bayern blockiert wird, macht endlich den Weg frei für die weitere Planung der Stromtrassen", so Bals.

Die Einigung sieht vor, die geplanten Gleichstromleitungen verstärkt in vorhandener Trasse mit bestehenden Leitungen zu führen. Dadurch kann die Belastung neuer Räume vermieden werden. Bei der detaillierten Planung ist allerdings sicherzustellen, dass die Bündelung nicht zu ungerechtfertigt hoher Belastung der Anwohner vorhandener Trassen führt. Nach dem Vorschlag der Koalition soll für den Südlink eine neue, westliche Trassenführung geprüft werden und für die östliche Gleichstromtrasse soll Landshut als neuer Endpunkt geprüft werden. "Diese Vorschläge sind wie die gesamte Netzentwicklungsplanung öffentlich zu konsultieren. Im Ergebnis dürfen nicht die Interessen nur eines Bundeslandes die Entscheidung für den Korridor bestimmen", kommentiert Christoph Bals.

Eine Erweiterung von Erdkabel-Möglichkeiten auf der Höchstspannungsebene kann grundsätzlich helfen, lokale Konflikte um neue Leitungen zu lösen. Es ist daher zu begrüßen, dass weitere Pilotprojekte für Teilverkabelung bei Drehstrom-Leitungen ermöglicht werden sollen. Die Kriterien für die Auswahl der Strecken, bei denen Teilverkabelung zum Einsatz kommt, sollen allerdings transparent und nachvollziehbar festgelegt werden. Bei der geplanten Neuregelung zur Erdverkabelung für Höchstspannungs-Gleichstromleitungen, ist nach Ansicht von Germanwatch zudem zu prüfen, ob sie nicht zu weit geht. "Es ist zwar sinnvoll, die Möglichkeiten zur Teilerdverkabelung zu erweitern. Auf der Höchstspannungsebene sollte die Erdkabeltechnologie aber nicht die Freileitungstechnologie generell als neuen Standard für Gleichstromtrassen ablösen. Denn dies führe nicht nur zu einer erheblichen Planungsverzögerung beim Großprojekt Südlink, sondern auch zu erheblichen Mehrkosten", so Bals.


Teuer, schmutzig, unsicher

Die Große Koalition feiert ihren Energiebeschluss von Mittwochnacht als großen Wurf. Tatsächlich ist er eine riesige Frechheit geworden.

Von Michael Weiland, greenpeace-Online, 3.7.15

Mittwochnacht fiel die Entscheidung der Bundesregierung, die umstrittene Klimaabgabe für alte Braunkohlekraftwerke unter den Tisch fallen zu lassen. Wir klären die wichtigsten Fragen, die sich nun stellen.

Warum die ganze Aufregung?

Deutschland hat versprochen, bis 2040 seine Treibhausgas-Emissionen um 40 Prozent zu reduzieren, gemessen am Stand von 1990. Doch im vergangenen Jahr zeigten Prognosen, dass ohne weitere Anstrengungen das Ziel um 85 Millionen Tonnen verfehlt werden würde. Also schritt Barbara Hendricks zur Tat. Die Bundesumweltministerin rief ein Klimaschutzprogramm ins Leben, das zusätzliche Bemühungen von verschiedenen Sektoren forderte. Einen großen Brocken – 22 Millionen Tonnen – sollte der Energiesektor mit seinem Kraftwerkspark beisteuern.

Kohlekraftwerke sind besonders klimaschädlich, gleichzeitig wird ihr Strom durch den Ausbau der Erneuerbaren immer weniger gebraucht. Entsprechend kursierten bereits im vergangenen Jahr Pläne, zehn Gigawatt Kohlekapazitäten stillzulegen. Im Frühjahr legte Wirtschaftsminister Gabriel mit einer Klimaabgabe für besonders schmutzige Kohlekraftwerke nach. Diese hätte die Betreiber alter Braunkohlekraftwerke am meisten getroffen – entsprechend aggressiv reagierte die Kohleindustrie: Sie gab Studien in Auftrag, organisierte Demonstrationen, betrieb effiziente Lobby-Arbeit – und ging schlussendlich als Sieger vom Platz.

Was wurde jetzt beschlossen?

  • 2,7 Gigawatt Braunkohlekapazitäten werden ab 2017 in eine Reserve verschoben. Das heißt die Blöcke werden stillgelegt und nur noch bei Bedarf angefahren. Dafür erhalten die Betreiber eine Vergütung (Einsparung: 11 Millionen Tonnen CO2).
  • Nach vier Jahren in der Reserve werden die Kraftwerke endgültig abgeschaltet.
  • Ab 2018 soll die Braunkohlewirtschaft zusätzlich jährlich 1,5 Millionen Tonnen CO2 reduzieren – wie genau, ist so unklar wie die Finanzierung.
  • Zusätzliche Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung mit 500 Millionen Euro pro Jahr. (Einsparung: vier Millionen Tonnen CO2, Finanzierung über KWK-Umlage, also über die Verbraucher)
  • Zusätzliche Effizienzmaßnahmen (Einsparung: 5,5 Millionen Tonnen CO2, Finanzierung über Bundeshaushalt)
Aber ist das denn nun gut oder schlecht?

Kommt ganz darauf an. Verglichen damit, wo die die deutsche Energiedebatte vor 12 Monaten stand, ist das ein großer Schritt nach vorne. Vier Jahre nach der Entscheidung zum Atomausstieg nimmt Deutschland seine schmutzigsten Braunkohlekraftwerke vom Netz. Obwohl Sigmar Gabriel und andere wiederholt behauptet hatten, das sei unmöglich. Das Zeichen ist klar: Die Kohle-Ära geht zu Ende.

Dennoch, verglichen mit dem was zur Debatte stand, ist die Entscheidung eine riesige Enttäuschung. Ende vergangenen Jahres sprach man über zehn Gigawatt aus Kohlekraftwerken, die vom Netz gehen sollten. Im Frühjahr präsentierte Gabriel eine Abgabe für die Kohleindustrie, die von den Betreibern der ältesten und umweltschädlichsten Kraftwerke bezahlt werden sollte.

Das Ergebnis von Mittwochnacht ist im Grunde das Gegenteil dieser beiden Optionen: Die angestrebten zehn Gigawatt wurden auf magere 2,7 Gigawatt reduziert. Und sogar diese geringe Kapazität wird noch nicht endgültig stillgelegt, sondern in eine Reserve verschoben – das heißt, die Kraftwerkbetreiber werden dafür bezahlt, dass ihre Anlagen auf Abruf bereit stehen, selbst wenn sie kaum gebraucht werden. Statt für alte Dreckschleudern zu zahlen, werden deren Betreiber jetzt sogar dafür entlohnt. Eine Verhöhnung der ursprünglichen Absicht der Klimaabgabe.

Was bedeutet das für das deutsche Klimaziel von 40 Prozent weniger CO2 bis 2020?

Das lässt sich noch nicht abschließend sagen. Aber Greenpeace erwartet, dass Deutschland ohne weitere Maßnahmen sein 40-Prozent-Ziel verpassen wird. Der Beschluss enthält mehrere Posten, die vermutlich mit Doppeltzählungen einhergehen. Die Kapazitätsreserve von 2,7 Gigawatt wird sich aus den schmutzigsten Braunkohleanlagen zusammensetzen. Viele dieser Anlagen sind so alt, dass die Bundesregierung in ihrem Projektionsbericht zum Klimaschutz ohnehin schon mit ihrer Abschaltung kalkuliert. CO2-Einsparungen dieser Kraftwerke drohen also zwei Mal gezählt zu werden.

Was bedeutet das für die Energiewende?

Vor allem deutlich höhere Kosten und damit sehr wahrscheinlich eine geringere Akzeptanz in der Bevölkerung. Steuerzahler und private Haushalte werden den Kraftwerkbetreibern bezahlen müssen, dass sie schmutzigen Altmeilern einen kostspieligen Ruhestand in der Reserve sichern.


Greenpeace und andere Organisationen wollen Bundesregierung Unterschriften übergeben: 300.000 gegen Kohle

Offiziell wird die Bundesregierung heute keinen Kohleausstieg beschließen. Doch inoffiziell hat sie es längst getan. Jeder einzelne kann helfen, den Ausstieg zu beschleunigen.

Von Gregor Kessler, Greenpeace-Online, 1.7.15

Sigmar Gabriel hat es schwer gehabt, in den vergangenen Wochen und Monaten. Erst sprang der Bundeswirtschaftsminister über seinen Schatten und stellte mit der Klimaabgabe ein Instrument vor, das Kohlekumpel und Gewerkschafter bis aufs Blut reizte. Dann ließ die Kanzlerin ihn alleine im Sturm der Entrüstung dieser seltener werdenden Spezies der SPD-Stammwähler. Und nun wird sich all dies vermutlich nicht mal gelohnt haben. Gabriels Klimaabgabe droht zu einem Bonusprogramm für jene zu werden, die ursprünglich mal für ihren Schmutz zahlen sollten: die Betreiber von Braunkohlekraftwerken.

Dabei hatte Gabriel endlich einmal die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich – was für den Chef einer ehemaligen Volkspartei ein angenehmes Gefühl gewesen seien muss. 59 Prozent der Deutschen, so das Ergebnis einer repräsentativen Emnid-Umfrage, sind für einen schrittweisen Ausstieg aus der Kohle bis spätestens zum Jahr 2040.

Mehr als 300.000 Unterschriften haben Greenpeace, Campact und andere Organisationen für den Kohleausstieg gesammelt. Die Karten und Zettel mit den Signaturen werden heute Abend in hundert Kisten am Kanzleramt an Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Gabriel übergeben.

Schlechte Aussichten für Kohle

Auf den ersten Blick stehen die Chancen schlecht für den offiziellen Beschluss eines Kohleausstiegs. Faktisch – und auch dank der breiten Unterstützung - ist er bereits in vollem Gange. „In den vergangenen Monaten“, schrieb etwa Vattenfall unlängst in einer Presseerklärung. „hatten sich die Perspektiven für die Lausitzer Braunkohle dramatisch verschlechtert“. Besserung sei nicht in Sicht. Entsprechend hat der schwedische Konzern die Umsiedlungspläne für den Tagebau Nochten 2 bis auf weiteres gestoppt. Manche sehen darin den ersten Schritt zur Aufgabe der geplanten Kohlegrube. Der RWE-Tagebau Garzweiler II im Rheinland war schon im vergangenen Jahr um knapp ein Viertel verkleinert worden.

„Während die Energiewende die Kohle mehr und mehr überflüssig macht, entzieht ihr der Widerstand aus der Bevölkerung zunehmend die Berechtigung“ sagt Susanne Neubronner, Greenpeace-Expertin für Kohle. „Beides kann die Politik nicht länger ignorieren.“

Tausende von Unterschriften sind eine Möglichkeit, dem längst begonnen Kohleausstieg etwas mehr Geschwindigkeit zu verleihen. Eine andere ist, der Kohle Stück für Stück etwas Boden zu entziehen. Zum Beispiel indem man zu einem echten Ökostromanbieter wechselt, der garantiert nicht über Umwege Atom- oder Kohlestrom bezieht.


Keine Pause: Klimawandel verläuft drastischer als gedacht

Von Ann-Kathrin Landzettel, feelgreen.de , 2.7.15

http://www.feelgreen.de/klimawandel-verlaeuft-drastischer-als-gedacht-keine-pause/id_74584820/index




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