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Aktuell
Sondierungsgespräche (2)
Kernprobleme der Menschheit vernachlässigt
Sondierungsgespräche: WWF kritisiert fehlende Priorität von Umweltbelangen
WWF Pressemitteilung, 12.1.18
In dem heute veröffentlichten Sondierungspapier von Union und SPD kommen zentrale Umweltbelange zu kurz. „Das Ergebnis der Sondierungsgespräche von Union und SPD ist enttäuschend. Wieder einmal werden Antworten auf wichtige Zukunftsfragen ausgeblendet, das wird schon in der Präambel ersichtlich: Kernprobleme der Menschheit wie die Erderhitzung und der Verlust der biologischen Vielfalt spielen dort keine Rolle“, sagt Eberhard Brandes, Geschäftsführender Vorstand beim WWF Deutschland. „Die Parteien haben ihre Chance vertan, einen Richtungswechsel anzustoßen. Ein Weiter so aber wäre desaströs.“ Am Freitagmorgen haben sich die Verhandler von CDU/CSU und SPD auf ein Sondierungspapier geeinigt. Damit rückt die nächste GroKo einen Schritt näher.
„Diese Politik leistet keinen Beitrag zum Kampf gegen die Klimakrise oder hält das Artensterben in Deutschland auf. Das Papier enthält weder konkrete Maßnahmen zum Erreichen unserer Klimaziele insbesondere des 2020-Ziels noch stellt es die dringend nötigen Weichen für die Landwirtschaft und den Verkehr“, kritisiert Brandes. „Nach vier Jahren Stillstand in zentralen ökologischen Bereichen, die längst auch eine enorme Bedeutung für unsere Wirtschaft haben, brauchen wir endlich eine umweltpolitische Innovationsoffensive. Je länger wir abwarten, desto weniger können wir die nötigen Veränderungen in Deutschland steuern und gestalten, desto mehr riskieren wir abrupte Brüche.“
Positiv, aber in Summe nicht ausreichend, sind Vorschläge zur Einführung eines Klimaschutzgesetzes, die Abkehr von Glyphosat, und ein Aktionsprogramm für den Insektenschutz. Außerdem soll Plastikmüll stärker bekämpft und Kreislaufwirtschaftssysteme in Entwicklungsländern unterstützt werden. „Dieser Flickenteppich an Einzelmaßnahmen kann kohärente Strategien für eine zielführende Klima-, Agrar- und Naturschutzpolitik aber nicht ersetzen. Was wir brauchen ist ein ökologisches Gesamtkonzept, damit die Politik ihre Glaubwürdigkeit nicht vollends verspielt und den dramatischen Verlust von Tieren und Pflanzen stoppt.“
GroKo-Sondierungsbeschluss ist ein mutloser Auftakt: Zu schwach und zu unkonkret
BUND Pressemitteilung, 12.1.18
Berlin: Als einen "mutlosen Auftakt" bewertet der BUND das Ergebnis der Sondierungsgespräche von Union und SPD. "Zu schwach und zu unkonkret, so kann man zusammenfassen, was die Verhandler von Union und SPD in Sachen Umweltpolitik beschlossen haben", sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Er appellierte an die Sozialdemokraten, bei ihrem für den 21. Januar in Bonn terminierten Parteitag die Beschlüsse zum Klimaschutz, zur Vertagung des Kohleausstieges, zum Umgang mit dem Dieselskandal und mit dem Unkrautvernichter Glyphosat sowie zur Tierhaltung wesentlich nachzubessern.
"Eine neue große Koalition darf nur zustande kommen, wenn die Beschlüsse insbesondere zum Klimaschutz und zur Landwirtschaftspolitik konkretisiert werden. Der Beschluss hat das Potential, dass es tatsächlich zu einer glaubwürdigen Umweltpolitik kommt, Voraussetzung ist aber, dass Ross und Reiter klar benannt werden. Hierfür tragen jetzt zuerst die SPD-Delegierten die Verantwortung beim nächsten Parteitag, auf dem die Korrekturen bei den umweltpolitischen Maßnahmen zu einer Voraussetzung für das Zustandekommen einer Koalition gemacht werden müssen. Wird der Sondierungsbeschluss so durchgewinkt, dann wird die SPD kaum für mehr Gerechtigkeit sorgen, deren Fundament eben auch eine gesunde, lebenswerte Umwelt ist. Es droht umweltpolitischer Stillstand", sagte Weiger.
Der BUND-Vorsitzende sprach angesichts der vagen Formulierungen vor allem beim Thema Klimaschutz von einem drohenden Bruch der Wahlversprechen. "Wieder drücken sich Union und SPD vor einer klaren Entscheidung zum Kohleausstieg", kritisierte Weiger. Eine neue Große Koalition müsse als Erstes die notwendigen Beschlüsse zum Einhalten des Klimaziels 2020 treffen. "Es fehlt die Einigung zur Abschaltung der dreckigsten Kohlekraftwerke in den nächsten zwei Jahren. In einer Kommission ist diese Frage denkbar schlecht aufgehoben. Zu befürchten ist die Fortsetzung der alten Ankündigungspolitik à la Kanzlerin Merkel, mit der schon die letzte GroKo gescheitert ist. Das Verschieben des Kohleausstiegs in eine Kommission zeigt die klimapolitische Mutlosigkeit, das ist ein schlechter Auftakt für eine mögliche neue GroKo", so der BUND-Vorsitzende.
Eine Große Koalition müsse insbesondere bei der geplanten Kommission den Pariser Klimavertrag zur verbindlichen Richtschnur machen. "Der Erfolg der geplanten Kohle-Kommission hängt von eindeutigen klimapolitischen Vorgaben und einer ausgewogenen Besetzung ab, die den Willen der Bevölkerung abbildet denn die ist mit großer Mehrheit für den baldigen Kohleausstieg", sagte Weiger. Außerdem müssten die jährlichen Ausschreibungsmengen für Erneuerbare Energien verdoppelt werden. Der Ökostrom-Ausbau solle 2030 laut Sondierungsbeschluss 65 Prozent betragen, das sei aber viel zu wenig, wenn die neue Koalition wie versprochen das Pariser Abkommen umsetzen wolle. "Einen Ausbaudeckel für Ökostrom darf es nicht mehr geben", so der BUND-Vorsitzende.
Auch die Beschlüsse bei Agrarthemen reichten bei weitem nicht aus, um den Umbau hin zu einer umwelt- und tiergerechten Landwirtschaft zu schaffen. Dass Union und SPD an der Einführung einer nationalen Nutztierhaltungsstrategie festhalten und auch das Töten von Eintagsküken beenden wollten, sei zwar zu begrüßen, jedoch gebe es auch hier erheblichen Nachbesserungsbedarf. "Dass sich Schwarz-Rot im Gegensatz zu den Jamaika-Verhandlern von der Einführung einer verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung verabschieden will, ist nicht im Sinne der Verbraucher. Die Menschen möchten wissen, ob das Fleisch im Laden aus guter Tierhaltung stammt oder nicht. Echte Transparenz in Sachen Tierwohl kann es nur mit einer staatlichen Tierhaltungskennzeichnung nach Vorbild der Eierkennzeichnung geben", sagte der BUND-Vorsitzende.
Erste Schritte in die richtige Richtung zeichneten sich im Bereich Pestizidminderung in der Landwirtschaft ab. "Nach dem skandalösen Glyphosat-Alleingang von CSU-Minister Schmidt ist ein nationaler Ausstiegsplan aus der Anwendung des Pestizids das Mindeste, was die nächste Bundesregierung liefern muss. Um das Insektensterben zu stoppen und die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft nicht noch weiter zu gefährden, muss die nächste Bundesregierung ein Komplettverbot von Glyphosat und Neonikotinoiden auf den Weg bringen und ein ambitioniertes Programm zur generellen Reduzierung des Pestizideinsatzes auflegen", so Weiger. Positiv sei, dass Schwarz-Rot einen erneuten Versuch starten wolle, Gentechnikanbau-Verbote bundesweit einheitlich zu regeln. "Ein Gentechnikgesetz muss flächendeckende Anbauverbote rechtssicher ermöglichen und darf nicht zu einem Gentech-Flickenteppich in Deutschland führen", forderte Weiger.
Bei der Aufarbeitung des Dieselskandals seien Union und SPD allerdings "geradezu feige", sagte Weiger. "Weder die Blaue Plakette, die eine Voraussetzung wäre, um pauschale Fahrverbote in Städten noch zu verhindern, noch ein Verkaufsstopp für Diesel-Neuwagen mit zu hohen Realemissionen sind offenbar Teil der GroKo-Vereinbarungen. Den Kommunen ein bisschen mehr Geld für die Luftreinhaltung zur Verfügung zu stellen, das reicht nicht, um die massiven Verfehlungen der Autokonzerne auszubügeln", so Weiger. Auch das so genannte "Beschleunigungsgesetz" drohe zu einem Reinfall zu werden, wenn keine klaren ökologischen Leitplanken gezogen würden. "Ausgebaut werden müssen die auf Ökostrom basierende E-Mobilität im Güter- und Personenverkehr vor allem auf der Schiene, nicht die Autobahnen und Straßen, die unsere ohnehin zu kleinen Naturgebiete in Deutschland noch weiter zerschneiden. Und gerade bei einer beschleunigten Infrastrukturplanung müssen insgesamt mehr Bürgerbeteiligung und mehr demokratische Mitwirkung garantiert sein", forderte Weiger.
Die Äußerungen zum Freihandelsabkommen CETA im Beschluss kritisierte der BUND-Vorsitzende als "Augenwischerei". "CETA ist kein zukunftsweisendes Abkommen, sondern höchst intransparent. Demokratische und umweltpolitische Errungenschaften aus Jahrzehnten drohen dem Wachstumsparadigma zum Opfer zu fallen", sagte Weiger.
Statement von NABU-Präsident Olaf Tschimpke zum Sondierungs-Beschluss von SPD und Union
NABU Pressemitteilung, 12.1.18
Berlin Die Ergebnisse der Sondierungsgespräche von Union und SPD kommentiert NABU-Präsident Olaf Tschimpke:
„Das Sondierungs-Papier ist noch nicht der große Wurf. Bei der Naturschutz- und Umweltpolitik muss erheblich nachgebessert werden. Im Beschluss sind noch viele Formelkompromisse enthalten, die nicht deutlich machen, wohin die Reise führt. So ist unklar, wo es in der EU-Agrarpolitik hingehen soll und wie das Klimaziel 2020 erreicht werden soll. Deutschland hat sich zu den globalen Nachhaltigkeitszielen der UN verpflichtet, hierzu bleibt das Sondierungsergebnis blass. Das Leitbild für den Koalitionsvertrag muss aber das klare Bekenntnis zu den UN-Nachhaltigkeitszielen sein.“
Der NABU fordert von einer künftigen Regierung einen klaren Kurswechsel in der Agrarpolitik. „Angesichts des dramatischen Insektensterbens, des alarmierenden Artenschwundes, der hohen Nitratbelastung von Böden und Trinkwasser durch die intensive Landwirtschaft, kann es nicht sein, dass Union und SPD sich bisher lediglich darauf einigen können, das milliardenschwere EU-Agrarbudget weiterhin halten zu wollen, ohne konkrete Ideen vorzulegen, wie diese Zahlungen künftig sinnvoll an Naturschutz- und Klimaschutzleistungen geknüpft werden können. Statt weiterhin die pauschalen Zahlungen pro Hektar in der Fläche versickern zu lassen, müssen die Agrarsubventionen endlich umgeschichtet und zum Vorteil von Natur und Landwirtschaft genutzt werden“, so Tschimpke weiter. Das Bekenntnis der GroKo-Unterhändler zu einem Aktionsprogramm Insektenschutz sei für den Naturschutz ein gutes Signal. Wichtige Themen wie das Bundesprogramm „Blaues Band“, dessen Ziel es ist, die ökologische Entwicklung der großen Flüsse und ihrer Auen in Deutschland zu unterstützen, seien allerdings noch gar nicht benannt.
Bis auf das bereits existierende Programm gegen die Meeresvermüllung fehlen Impulse und Bekenntnisse zu einer besseren und nachhaltigeren Meeres- und Fischereipolitik vollständig. Immerhin bekennen sich die GroKo-Sondierer zum Klimaziel 2020. Maßnahmen, die dahin führen sollen, sind allerdings in eine noch zu gründende Kommission ausgelagert und damit noch sehr unsicher. „Um die Klimaschutzziele zu erreichen muss zunächst mehr Energie eingespart und der Ausstieg aus der Kohle festgeschrieben werden. Der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien ist notwendig, allerdings darf unter dem Handlungsdruck nicht die Qualität leiden. Zu einer naturverträglichen Energiewende gibt es nach wie vor keine Alternative“, so Tschimpke.
Sondierungsergebnis: Nicht das nötige Aufbruchssignal für ökologisch modernisiertes Deutschland und Europa
Nachliefern der Koalitionsverhandler nötig u. a. bei CO2-Preis und UN-Nachhaltigkeitszielen
Germanwatch Pressemitteilung, 12.1.18
Berlin/Bonn. Die Verhandlungsteams von CDU/CSU und SPD haben es nicht geschafft, ihr mögliches Regierungsprojekt mit einem Aufbruch in ein ökologisch modernisiertes, gerechtes Deutschland und Europa zu verbinden. Das ist Hauptkritikpunkt der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch am heute vorgelegten Sondierungsergebnis für eine neue Große Koalition.
"Wir freuen uns, dass Union und SPD Deutschlands Engagement für das Friedens- und Zukunftsprojekt EU stärken wollen", sagt Klaus Milke, Vorstandsvorsitzender von Germanwatch. "Doch wie kann es sein, dass sie diesen Aufbruch nicht systematisch verbinden mit den großen Themen Klimazielerreichung und nachhaltige Modernisierung? Es ist ein Skandal, dass die Nachhaltigkeitsziele, die die Staatengemeinschaft 2015 für arme und reiche Staaten beschlossen hat, mit keinem Wort vorkommen. Es ist sogar zu befürchten, dass Deutschland unter dem Deckmantel des Bürokratieabbaus die politische Handlungsfähigkeit der EU für Menschenrechte, mehr Gerechtigkeit und Umwelt weiter einschränkt. Diese Lücken konterkarieren das europäische Aufbruchssignal. Hier müsste in einem Koalitionsvertrag dringend nachgelegt werden", sagt Milke.
Klimazielerreichung nicht gesichert
"Für die klimapolitische Modernisierung Deutschlands versprechen Union und SPD statt der notwendigen Instrumente vor allem Kommissionen zur Erreichung der Klimaziele", sagt Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch. Bals weiter: "Es ist positiv, dass das Erreichen der künftigen Klimaschutzziele durch ein Gesetz abgesichert werden soll. Aber mit keinem Wort wird der CO2-Mindestpreis für alle Sektoren erwähnt, der notwendig ist, um dieses Ziel auch umzusetzen. Es ist erfreulich, dass nun angekündigt wird, die Handlungslücke zum 2020-Klimaziel so schnell und weit wie möglich zu schließen. Aber es spricht angesichts des Zeitdrucks für mangelnde Ernsthaftigkeit, wenn eine Kommission erst Ende des Jahres Vorschläge dafür vorlegen soll. Es ist erfreulich, dass es ein Ausstiegsdatum für die Kohle geben soll, aber es fehlt die klare Ansage, dass die entsprechende Kommission ein Ziel setzen muss, das zu den Klimazielen von Paris passt." Auch könne man sich nicht zur klimapolitischen Vorreiterrolle der EU bekennen, aber zugleich kein Wort von der notwendigen Anhebung des EU-Klimaziels für 2030 im Rahmen der UN-Klimaverhandlungen aufschreiben.
Landwirtschaftskapitel mit Lücken
Im Landwirtschaftskapitel sieht Germanwatch auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft viele Lücken aber auch Fortschritte. Es fehle z. B. ein Bekenntnis zur Verringerung der Tierbestände. Diese ist auch für den Klimaschutz in der Landwirtschaft unumgänglich. Begrüßenswert ist grundsätzlich die Erwähnung der geplanten staatlichen Kennzeichnung zum Tierschutz, allerdings fehlt eine Verpflichtung zur Kennzeichnung. Positiv ist auch, dass die internationale "Wettbewerbsfähigkeit" der Landwirtschaft nicht mehr erwähnt wird, die bisher eine ideologische Grundlage für die Überproduktion an Fleisch und Milch mit ihren vielen Problemen bildete. Wie ernst der aufgeführte Wille zu mehr Transparenz bei der Zulassung von Pestiziden ist, muss eine neue Regierung nach der Verlängerung der Zulassung für Glyphosat durch den Alleingang von CSU-Minister Schmidt erst noch beweisen.
Bürokratieabbau als Deckmantel für weiteren Verlust der politischen Handlungsfähigkeit
"Es ist sehr bedauerlich, dass die Bundesregierung auf europäischer Ebene die politische Handlungsfähigkeit weiter schwächen will. Es ist kontraproduktiv, sich unter dem Etikett Bürokratieabbau für eine dirigistische Regel einzusetzen, die für jede neue Regulierung eine andere abschafft", kritisiert Christoph Bals. Die EU-Kommission hat sich im Oktober 2017 gerade von diesem Prinzip verabschiedet, eben weil sie die Politik dadurch zu sehr in ihrer politischen Handlungsfähigkeit eingeschränkt sieht.
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