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Aktuell
Brandrodung in Deutschland?
Holzverknappung gefährdet etablierte Industriebereiche
Immer neue Biomassekraftwerke drängen ans Netz, doch das benötigte Holz ist schon heute knapp
Dem deutschen Wald drohen „Brandrodungen“
Verband der Deutschen Holzwerkstoffindustrie e. V. PM, 9.4.10
Gießen. Der Rohstoff Holz wird in Deutschland so knapp, dass die Energieversorgung durch Biomasse überdacht werden muss. Denn schon 2020 wird sich eine Deckungslücke von rund 30 Millionen Kubikmetern auftun. In Europa werden es sogar circa 430 Millionen sein. Angesichts dieser Prognosen fordert der Verband der deutschen Holzwerkstoffindustrie e.V. (VHI) sowohl die Bundesregierung als auch die großen Energiekonzerne zur Kehrtwende auf: Es gelte, die Weichenstellung in Richtung Holzenergie kritisch zu prüfen. Es sei alles zu unterlassen, was die energetische Nutzung von frischem Holz also das Abholzen und sofortige Verbrennen fördert und die bevorstehende Rohstoffkrise zusätzlich anheizt. Neue Betreiber müssten die eigene Versorgung mit Brennstoff durch das Anlegen von speziellen Energieholzplantagen sicherstellen. Ansonsten bekämen nicht nur die Kraftwerke kein Holz mehr, sondern vor allem die nachhaltig-ökologischen Nutzungen im Haus-, Möbel- und Innenausbau kämen in existentielle Bedrängnis. Die verschiedenen deutschen Industrien, die auf den Rohstoff angewiesen sind, müssten sich dann im wahrsten Sinne kannibalisieren.
Die Berechnungen der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO und des Deutschen BiomasseForschungsZentrums (DBFZ) werden von zahlreichen Studien und Einschätzungen untermauert. So ergab die Waldinventurstudie 2008, dass 93 Prozent des Holzzuwachses im Wald bereits genutzt werden; im Staatswald sogar 100 Prozent. Auch beim Altholz sind die Kapazitäten erschöpft. „Die gesamte verfügbare Altholzmenge von 7,9 Millionen Tonnen jährlich ist bereits unter Vertrag, die Biomassekraftwerke müssen ihren Bedarf schon heute über zusätzliche Importe in erheblichem Umfang decken“, bestätigt Uwe Groll, Vorstand des Bundesverbands der Altholzaufbereiter und -verwerter (BAV). Eine Ausweitung von Holzimporten ist kaum noch möglich, auch aus ökologischen Gründen. Denn auch in den Nachbarländern ist der Holzvorrat teilweise auf einem historischen Tiefstand. So schlug Ende März die österreichische Sägeindustrie Alarm und erklärte ihre Versorgung für gefährdet.
Politik schürt „Kampf ums Holz“ und riskiert Jobs bei den Holzverarbeitern
Längst sprechen Experten wie Professor Andreas Michanickl von der Hochschule Rosenheim vom „Kampf ums Holz“. Bei diesem Wettbewerb treffen eine Vielzahl von Akteuren aufeinander: die Holzenergiebranche, die bearbeitende Industrie, die Produzenten von Papier und Zellstoff, die Holzbau- und Holzwerkstoff-Unternehmen sowie die Hersteller von Möbeln und Verpackungen. International führende Vorzeigebranchen geraten dabei in Gefahr und mit ihnen Tausende Arbeitsplätze. Auf dem diesjährigen Internationalen Kongress der Säge- und Holzindustrie sagte Professor Michanickl: „Schon heute wird man in Deutschland keinen neuen Standort für die Produktion von Holzwerkstoffen finden. Die Produktion wird zunehmend aus Deutschland abwandern, mit negativen Folgen für die Möbelindustrie sowie den Maschinen- und Anlagenbau.“
Trotzdem verschärft die Politik auf EU- und Bundesebene den Versorgungsengpass. Sie protegiert die Wärme- und Stromgewinnung aus Biomasse, also ganz überwiegend aus Holz, um unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden. 2020 soll es nach einer Studie des bundeseigenen DBFZ fast doppelt so viele Biomasse-Heizkraftwerke mit einer verdreifachten Gesamtleistung geben, obwohl klar ist, dass selbst ein kompletter Jahreseinschlag Waldholz (ca. 70 Mio. m³) nur etwa vier Prozent des deutschen Primärenergiebedarfs decken könnte.
Wenn aber die Wälder bereits vollständig genutzt werden und rund 70 Biomasseheizkraftwerke schon heute alles verfügbare Altholz verbrauchen, woher soll das zusätzlich benötigte Holz kommen? Neue Holzverwender werden zwangsläufig zu Lasten der etablierten Unternehmen in den Markt treten. Und sollte dabei in Folge der Marktanreizprogramme und Steuernachlässe das direkte Verheizen von Holz gegenüber der stofflichen Nutzung die Oberhand gewinnen, gingen zahlreiche Wertschöpfungsstufen in Industrie und Handwerk buchstäblich in Rauch auf.
Produzierende Industrie fordert Energieholzplantagen
Deshalb fordert die produzierende Industrie, dass die Betreiber neuer Biomasseheizkraftwerke selbst aktiv zur Entspannung der Rohstofflage beitragen. „Wer für 2019 einen Jahresbedarf von einer Million Tonnen Holz anmeldet, wie kürzlich im Raum Berlin für die größten Biomasseanlagen Deutschlands, der kann schon heute im eigenen Interesse für ausreichendes Brennholz sorgen, indem er so genannte Kurzumtriebsplantagen anlegt oder anlegen lässt“, sagt Hubertus Flötotto, Vorsitzender des VHI. Er weist auf den Forstminister Brandenburgs hin, der schon 2009 bei Bekanntwerden der Pläne erklärt hatte, dass das benötigte Holz keinesfalls zusätzlich aus Brandenburger Wäldern bereitgestellt werden könne.
Kurzumtriebsplantagen mit schnellwüchsigen Baumarten wie Pappeln und Weiden müssten dabei so konzipiert werden, dass sie nicht zulasten des Waldes, der Natur und der Artenvielfalt gehen. Auf landwirtschaftlichen Böden und brachliegenden Flächen wie ehemaligen Truppenübungsplätzen oder aufgegebenem Industriegelände könnten sie Wirtschaft und Umwelt gleichermaßen nutzen. Die positive Wirkung kann sich nach Ansicht des VHI aber nur entfalten, wenn gleichzeitig ein geschlossenes Nutzungssystem für Holz umgesetzt wird. Gegen ein ungemindertes politisches „Anheizen“ kämen Energieplantagen allein nicht an, solange stofflich nutzbares Wald- und Altholz direkt verbrannt und damit zu früh aus dem Mengenfluss genommen wird.
„Wir sehen die Politik in der Verantwortung, einen fairen Wettbewerb zwischen stofflicher und energetischer Nutzung herzustellen“, erklärt Flötotto mit Blick auf rund 300.000 Arbeitsplätze im Holzwerkstoff- und Möbelbereich. Aufgrund der heute schon selbstzerstörerischen volkswirtschaftlichen Lage und des Nutzungsdrucks auf den Wald hätten realistische Lösungen auf dem Fundament eines ideologiefreien energie-, wald-, ressourcen- und industriepolitischen Konsenses höchste Priorität.
Marktausbau der Holzenergie konsequent fortführen!
Bundesverband BioEnergie e.V. Pressemitteilung, 25.3.10
Bonn, 25.03.2010: Der Bundesverband BioEnergie (BBE) verwahrt sich gegen Forderungen von Funktionären der holzverarbeitenden Industrie die Förderung der energetischen Holznutzung zu drosseln, weil Engpässe und steigende Holzpreise befürchtet werden. „Die in der Presseerklärung des VHI vom 18.3.2010 aufgeführten Argumente haben keinen Bezug zur Realität“, so Helmut Lamp, Vorsitzender des Vorstandes des BBE:
- Es gibt keine Engpässe in der Holzversorgung und wird sie auch mittelfristig nicht geben, wenn man bereit ist, den Waldbauern faire Preise für gute Ware zu zahlen.
- Die Holzpreise bewegen sich seit Jahrzehnten auf katastrophal niedrigem Niveau und haben tausende Waldbauern zur Aufgabe der Waldbewirtschaftung gezwungen.
- Die Holzenergie bewahrt in der derzeitigen Situation das Holzpreisniveau vor einem Absturz ins Bodenlose und ist somit ein existenzsicherndes Netz für die Waldwirtschaft.
- Da faire Holzpreise am wirkungsvollsten Aufforstungen forcieren, ist die Bioenergie auf Sicht förderlich für die Erhaltung und nachhaltige Bewirtschaftung des Deutschen Waldes.
„Neben Klimaschutzvorteilen wird die Holzenergie, die bereits heute 7% des deutschen Wärmebedarfs abdeckt und fast 50% sämtlicher regenerativer Energieträger stellt, für die Energieversorgung künftig unverzichtbar sein. Folgen von Energieengpässen zeichnen sich aber bereits für das laufende Jahrzehnt ab in absehbarer Zeit wird für einen Liter Benzin mehr als für eine Flasche Landwein bezahlt werden müssen,“ so Helmut Lamp, Vorsitzender des Vorstandes des BBE.
Um die Zielsetzungen der Bundesregierung 14% erneuerbare Wärmebereitstellung und Senkung der CO2-Emissionen um 20% bis 2020 erfüllen zu können fordert der Bundesverband BioEnergie:
- die Fortführung des Marktanreizprogramms zur Förderung Erneuerbarer Energien im Wärmemarkt (MAP) mit umfassenden Förderinhalten, attraktiven Fördersätzen und entsprechender Budgetausstattung,
- die Optimierung des Erneuerbare Energien Wärmegesetzes (EEWärmeG) mit zusätzlichen Marktimpulsen, z.B. durch Einbezug des Altbaubestandes,die Erweiterung der Holzenergie-Potentiale durch umgehende Änderung des Bundeswaldgesetzes, welche Schnellwuchsplantagen und Agroforstsysteme zukünftig nicht mehr als Wald, sondern als landwirtschaftliche Nutzfläche deklariert.
- praxisnahe Mobilisierungsstrategien und aktivitäten für Waldholz im Klein- und Kleinst-Privatwald zur Erweiterung der Holzenergiepotentiale und diesbezügliche öffentliche Unterstützungsmaßnahmen,
- eine deutliche Steigerung der öffentlichen Haushaltsmittel für Forschung und Entwicklung, um die Optimierungspotentiale entlang der gesamten Wertschöpfungskette Holzenergie durch intensive F&E-Aktivitäten auch tatsächlich realisieren zu können.
Effiziente und nachhaltige Bioenergie durch Kurzumtriebsplantagen
ttz Bremerhaven Pressemitteilung, 1.4.10
Bremerhaven: Im Rahmen der EU „Sustainable Energy Week“ haben Wissenschaftler des KUP-Netzwerk Fachjournalisten und Experten einen Einblick in seine kürzlich gewonnenen Forschungsergebnisse zu Kurzumtriebsplantagen (KUP) ermöglicht. In diesem Zusammenhang wurde die Initiative von der Europäischen Union auch nominiert für den Award „Nachhaltige Regionalentwicklung im Energiebereich“.
Kurzumtriebsplantagen sind Anpflanzungen schnell wachsender Bäume auf land- oder forstwirtschaftlichen Flächen mit dem Ziel, innerhalb kurzer Umtriebszeiten Holz als nachwachsenden Rohstoff zu produzieren. Innerhalb der von der EU initiierten „Sustainable Energy Week“, die ein gesteigertes Bewusstsein für Nachhaltigkeit anstrebt, haben 4 KUP-Netzwerk Institutionen ttz Bremerhaven , 3N, FNR-Bioenergieberatung Schleswig-Holstein Hamburg und der Bundesverband Bioenergie - Journalisten zu einem Workshop zum Thema „Bioenergie aus Kurzumtriebsplantagen“ an der Hochschule Göttingen eingeladen. Am 23. März 2010 hatten Experten von einer Vielzahl von Forschungseinrichtungen die Möglichkeit, ihre neuesten Ergebnisse zur wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit von Kurzumtriebsplantagen und ihrer Komptabilität mit Naturschutz zu präsentieren und auftretende Probleme und Potenziale der KUPs zu diskutieren. Dabei hatte die Veranstaltung zum Ziel, einen Dialog zwischen Wissenschaftlern und Journalisten zu ermöglichen, indem eine Diskussion zu KUPs und zu nachhaltigen Aspekten angeregt wurde, so dass ein Meinungs- und Erfahrungsaustausch zwischen beiden Teilnehmern stattfinden konnte.
Weiterhin trug der Workshop hat dazu bei, eine Plattform vorzustellen, die den Ideenaustausch und Wissenstransfer zwischen Wissenschaftlern, Marktpartnern und Journalisten ermöglicht und unterstützt.
Mehr Informationen finden Sie auch unter www.kup-netzwerk.info.
Unter der Leitung des ttz Bremerhaven wird seit Januar 2010 ein nationales Netzwerk zur effizienten Gewinnung regenerativer Holzenergie etabliert mit dem Ziel, geeignete Akteure zu verknüpfen, um dieses in Deutschland noch junge Innovationsfeld zu stärken und Aufträge für die Netzwerk-Partner zu generieren. Dabei umfasst das Netz die gesamte Wertschöpfungskette der KUPs und Forschungseinrichtungen.
Die Bioenergiemärkte im Strom-, Wärme- und Kraftstoffmarkt haben sich in den letzten Jahren dynamisch entwickelt. Für den weiteren Marktausbau gilt es alle vorhandenen und neuen Biomassepotentiale zur Erweiterung der Brennstoffbasis zu nutzen. Zu den Hoffnungsträgern bei neu zu erschließenden Biomassepotentialen zählen momentan vor allem KUPs.
Das ttz Bremerhaven versteht sich als innovativer Forschungsdienstleister und betreibt anwendungsbezogene Forschung und Entwicklung. Unter dem Dach des ttz Bremerhaven arbeitet ein internationales Team ausgewiesener Experten in den Bereichen Lebensmitteltechnologie und Bioverfahrenstechnik, Analytik sowie Wasser-, Energie- und Landschaftsmanagement, Gesundheitssysteme sowie Verwaltung & Software.
Hunger nach Holz
Von Sebastian Heiser, taz, 12.4.10
Der Stromkonzern will statt Kohle zunehmend Holz in seinen Kraftwerken verfeuern - mehr als die Wälder Brandenburgs hergeben. Jetzt plant Vattenfall eigene Plantagen im Umland und Importe aus Liberia.(...)
http://www.taz.de/1/berlin/artikel/1/hunger-nach-holz/
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