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Aktuell

Die EU-Agrarreform

EU Agrarreform: Viel Schatten, wenig Licht

WWF warnt, die europäische Agrarreform in den Sand zu setzen

WWF Pressemitteilung, 12.10.11

Berlin - Nachdem die Europäische Kommission heute ihre Pläne für eine künftige gemeinsame Agrarpolitik (CAP) vorgelegt hat, ist die Ernüchterung groß. „Offensichtlich wurden die ehemals ambitionierten Pläne von EU Kommissar Dacian Ciolos, die üppigen Subventionen an die europäischen Bauern an Umweltauflagen zu koppeln, in weiten Teilen kassiert“, bemängelt Matthias Meissner, Landwirtschaftsreferent beim WWF Deutschland. Leider seien die ursprünglichen Pläne des Kommissars offenbar für Teile der EU-Kommission und viele Mitgliedstaaten zu visionär gewesen.

Wird der jetzt vorliegende Entwurf für die EU Agrarreform umgesetzt, können die europäischen Landwirte bis 2020 auf 372 Milliarden Euro an Beihilfen hoffen. Der Großteil davon wird weiter als so genannte Direktzahlungen „quasi mit der Gießkanne“ verteilt. Die Zahlungen bemessen sich im Wesentlichen an der Größe der bewirtschafteten Höfe. „Mit dem Beharren auf einem anachronistischen System wird man die gewaltigen Zukunftsaufgaben in Zeiten knapper Kassen kaum lösen können“, warnt Matthias Meissner vom WWF.

Immerhin könnten die Einkommenszahlungen ab 2014 an so genannte Begrünungskomponenten gekoppelt sein. Bei Nichteinhaltung könnten den Landwirten die Direktzahlungen gestrichen werden. Ob dieser poltische Joker allerdings sticht, ist ungewiss, denn die Begrünungskomponenten wurden bis zur Unkenntlichkeit beschnitten, heißt es vom WWF. Ciolos hat für diesen Joker gekämpft, jetzt komme es auf die Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament an, dieses Instrument zu schärfen. Der WWF fordert , dass am Ende des politischen Prozesses eine Agrarpolitik steht, die Direktzahlungen nur noch gewährt, wenn jeder Landwirt Fruchtfolgen einhält, die den Namen verdienen, zehn Prozent seiner Fläche für den Naturschutz bereit hält und Dauergrünland endgültig schützt.

Der WWF empfiehlt der Bundesregierung auf ihren wissenschaftlichen Beirat zu hören, der zwei Tage vor der Veröffentlichung der Legislativvorschläge eine wirkliche ökologische Qualifikation der Agrarzahlungen gefordert habe. „Europa kann es sich nicht leisten, Milliarden leichtfertig zur Erfüllung von Partikularinteressen in den Mitgliedstaaten zu verschwenden“, so Matthias Meissner abschließend.


BUND und EuroNatur: EU-Agrarreform halbherzig

BUND/EuroNatur Pressemitteilung, 12.10.11

Brüssel/Berlin/Radolfzell/: Als einen "richtigen, aber viel zu zaghaften Schritt" haben der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Naturschutzstiftung EuroNatur die Gesetzesentwürfe für die europäische Agrarreform ab 2014 bezeichnet, die heute von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos veröffentlicht werden. "Die grobe Richtung stimmt, aber die vorgeschlagenen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Umweltsituation nachhaltig zu verbessern", so der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Zwar sei das Prinzip, die Brüsseler Direktzahlungen an Landwirte künftig an Umweltauflagen zu koppeln, richtig. Praktisch müssten selbst große Agrarbetriebe jedoch dem Entwurf zufolge kaum Korrekturen an bisherigen, umweltschädlichen Anbauweisen vornehmen, um weiter Subventionen in voller Höhe zu erhalten. Allein die Vorgabe, künftig wenigstens auf sieben Prozent der landwirtschaftlichen Fläche der Natur Vorrang einzuräumen, werde positive Auswirkungen auf die Artenvielfalt entfalten, so der BUND-Vorsitzende.

Weiger: "Die Regeln für die Landwirte zur Fruchtfolgegestaltung und beim Grünlandschutz sind inneffektiv und damit inakzeptabel. Auch dass der Anbau von Monokulturen wie beispielsweise von Mais künftig als 'Umweltleistung' gelten soll, ist nicht hinnehmbar. Außerdem gibt es in dem Gesetzespaket kaum Maßnahmen für den Gewässer- und Klimaschutz." Ferner leiste die EU-Kommission der Überproduktion Vorschub, indem sie die Mengenregulierung abschaffe und gleichzeitig an Exportsubventionen festhalte, obwohl sie deren Abschaffung längst angekündigt hatte. Damit werde die Industrialisierung der Landwirtschaft fortgeschrieben.

BUND und EuroNatur kritisierten, dass die Bundesregierung mit Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner auch noch die guten Ansätze der Kommission stark verwässern wolle. Wenn Aigner die Deckelung von Subventionen für Großbetriebe blockiere, schwäche sie ein wichtiges Instrument zur gerechteren Verteilung der Agrargelder für landwirtschaftliche Betriebe. "Selbst die Vorschläge der CDU Brandenburg zur Kürzung der Zahlungen an Großbetriebe gehen über das hinaus, was nun aus Brüssel kommen soll", resümierte Weiger.

EuroNatur hob positiv hervor, dass es mit der Umsetzung der Kommissionsvorschläge für eine einheitliche Flächenprämie in vielen EU-Mitgliedsstaaten endlich zu größeren Umverteilungen der Finanzmittel kommen würde. "Davon werden in unseren Nachbarstaaten vornehmlich die Bauern in Grünlandregionen profitieren", sagte Lutz Ribbe, naturschutzpolitischer Direktor von EuroNatur. "Wiesen und Weiden werden dort endlich nicht mehr schlechter gestellt als das Ackerland."

Viele der von der Landwirtschaft verursachten Probleme würden die Kommissionsvorschläge allerdings gar nicht angehen. So seien weder Maßnahmen vorgesehen, um die Entwicklung zu immer größeren und regional konzentrierten Massentierhaltungsanlagen zu stoppen, noch Auflagen für einen verbesserten Tierschutz. Die Gesellschaft akzeptiere aber diese Form der Landwirtschaft nicht mehr. Aigner dürfe sich jetzt nicht noch schützend vor diese Strukturen stellen. Vielmehr müsse sie im EU-Agrarministerrat nun für Verbesserungen eintreten. Dazu gehöre, so Weiger, dass sie sich konsequent für den verpflichtenden Anbau von Proteinpflanzen im Rahmen einer Eiweißstrategie einsetze, die Aigner selbst und ihr bayrischer Amtskollege in Deutschland bereits gefordert hätten.

Die Erwartungen der Verbände lägen auch auf dem Europäischen Parlament, das bei dieser Reform erstmals in agrarpolitischen Fragen mitentscheidet. Ribbe forderte die Abgeordneten auf, dem vorgelegten Entwurf den „dringend notwendigen ökologischen und sozialen Feinschliff“ zu verschaffen. Die bisherigen Signale seien positiv: Erst im Sommer hatte das EU-Parlament eine stringentere Regelung bei der Gestaltung der Fruchtfolgen gefordert.


Bundeslandwirtschaftsministerin Aigner: "Die Ziele stimmen, aber entscheidende Fragen sind noch offen"

EU-Kommission veröffentlicht Vorschläge zur künftigen Agrarpolitik

BMELV Pressemitteilung, 12.10.11

Die Europäische Kommission hat am Mittwoch Rechtstexte zur Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013 vorgestellt. Die künftige Ausrichtung der EU-Agrarpolitik hat unmittelbare Auswirkungen darauf, wie die Landwirte in Europa in Zukunft wirtschaften werden und wie die ländliche Heimat in den nächsten Jahren geprägt wird.

Die EU-Kommission setzt mit ihren Vorschlägen den von Deutschland bereits eingeschlagenen Weg der Marktorientierung in der Agrarpolitik fort und greift den anerkannten Grundsatz "Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen" auf. Sie schlägt eine systematische Fortentwicklung von Umweltbeiträgen durch die GAP vor sowie eine Stärkung der Innovationskraft der Landwirtschaft und einen gewissen finanziellen Ausgleich zwischen den neuen Mitgliedstaaten im Osten und den Mitgliedstaaten im Westen Europas.

Zu den Vorschlägen der EU-Kommission erklärte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner am Mittwoch in Berlin: "Deutschland unterstützt die grundsätzliche Ausrichtung der Reform-Vorschläge. Das Ziel der EU, die Umweltbeiträge der Landwirtschaft weiter zu steigern, ist richtig. Es muss jedoch einen wirklichen Mehrwert für Umwelt und Natur bringen und praktikabel sein. Zudem muss verhindert werden, dass sich der in Deutschland mit bis zu 100 Hektar pro Tag ohnehin sehr hohe Flächenverlust für die Landwirtschaft noch weiter verschärft. Die Erzeugung von Lebensmitteln und erneuerbarer Energie braucht produktive Flächen, die nachhaltig bewirtschaftet werden", so Aigner. Deutschland sei bereits heute Vorreiter bei der Modernisierung und Ökologisierung der Landwirtschaft: "Die EU-Fördergelder kurbeln die Produktion nicht mehr an. Sie werden nur gezahlt, wenn die Landwirte umfangreiche Auflagen des Umwelt- und Tierschutzes, der Lebensmittelsicherheit und des Bodenschutzes erfüllen. Bis 2013 wird die Agrarförderung in Deutschland vollständig auf regional einheitliche Zahlungen für Ackerflächen und Grünland umgestellt sein. Damit werden insbesondere extensive Grünlandstandorte gestärkt. Zudem nehmen gerade die deutschen Landwirte jetzt schon in großem Umfang an Agrarumweltmaßnahmen teil. Diese Leistungen sind zu berücksichtigen und dürfen nicht verloren gehen."

"Die Landwirtschaft ist der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme"

Die Landwirtschaft ist laut Aigner "der Schlüssel zur Lösung vieler Probleme – ohne sie werden wir globale Herausforderungen wie die sichere Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung oder die Verringerung der Treibhausgase nicht bewältigen können. Wir müssen die Innovationskraft der Landwirtschaft weiter stärken. Wir brauchen mehr angewandte Forschung und die Umsetzung in der Praxis. Wir brauchen eine schnellere und zielgerichtetere Anwendung innovativer Produktionsmethoden wie etwa Präzisionslandwirtschaft, die eine noch genauere und damit reduzierte Ausbringung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln ermöglicht und somit die Umwelt schont." Im Kern geht es nach Aigners Worten um die Frage: "Wie können wir auf der bestehenden Fläche mehr produzieren - und zwar nachhaltig?"

Kritisch bewertet Aigner allerdings Überlegungen der EU-Kommission, die Direktzahlungen ab einer bestimmten Betriebsgröße zu kappen und an die Zahl der Arbeitskräfte zu koppeln. "Wir stehen diesen Überlegungen ablehnend gegenüber, denn hier würde schon wieder ein neues Fördersystem geschaffen - die Förderung von Arbeitskräften in der Landwirtschaft. Das lehne ich ab. Wir wollen über die Förderung die gesellschaftlichen Leistungen für den Natur- und Umweltschutz, den Klimaschutz oder die Landschaftspflege honorieren, die von den Bauern unabhängig von der Betriebsgröße auf allen Flächen erbracht werden."Unzureichend seien auch die Überlegungen der Kommission in Bezug auf Kleinbetriebe und den Begriff des "aktiven Landwirts", so Aigner. "Das Bundeslandwirtschaftsministerium arbeitet derzeit an praktikablen Vorschlägen, um sicherzustellen, dass die besonderen Leistungen kleiner und mittlerer Betriebe auch in Zukunft honoriert werden können."

"Planungssicherheit für die Landwirte in Deutschland"

Zusammenfassend erklärte Aigner zu den Vorschlägen der EU-Kommission: "Die Ziele stimmen, aber entscheidende Fragen sind noch offen, besonders in Bezug auf die erforderlichen Maßnahmen." Die Ministerin stellt sich nach eigenen Worten auf "lange und harte Verhandlungen" über die künftige Agrarpolitik in Europa ein. "Schnelle Beschlüsse wird es nicht geben, denn voraussichtlich werden die Rechtstexte in Brüssel nicht vor dem Jahr 2013 mit konkreten Finanzzahlen unterlegt werden. Erst dann steht fest, wie viel Geld aus dem EU-Haushalt für die Agrarpolitik zur Verfügung steht." Sie betonte, Deutschland sei "solidarisch mit unseren Partnern im Osten" und akzeptiere die Pläne der EU für eine "gewisse, schrittweise Annäherung der Direktzahlungen zwischen Ost und West". Diese sei jedoch abhängig von der künftigen finanziellen Ausstattung der Gemeinsamen Agrarpolitik und die vorgesehene Verteilung anderer EU-Mittel auf die Mitgliedstaaten, etwa für die EU-Strukturfonds. Wichtig sei, "dass Brüche vermieden werden und unsere Landwirte Planungssicherheit haben".

Die Leistungen der Landwirtschaft kommen Tag für Tag rund 500 Millionen Menschen in Europa zu Gute, indem eine starke Landwirtschaft hochwertige und vielfältige Lebensmittel erzeugt, mit Bioenergie den Strom aus der Fläche in die Städte bringt und für den Erhalt einzigartiger europäischer Kulturlandschaften sorgt. Aigner: "Diese Leistungen gibt es nicht umsonst, sie müssen uns etwas wert sein. Als Ministerin werde ich für die Interessen der deutschen Landwirtschaft kämpfen und mich gegen jeden Versuch der Gleichmacherei wehren. Dafür ist Europa zu unterschiedlich und dafür sind die Mitgliedstaaten zu unterschiedlich."




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