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Aktuell

Flächenverbrauch in Deutschland

Sonntagsbraten für die Mülltonne

Studie: Weggeworfene Nahrungsmittel und ein ungesunder Fleischkonsum verschwenden vier Millionen Hektar Land.
WWF-Expertin: „Als würden wir die Ernte eines Ackers von der Größe Mecklenburg-Vorpommerns einfach wegwerfen.“


WWF Pressemitteilung, 18.1.12

Berlin - Pro Person und Jahr landen in Deutschland rund 80 Kilogramm Nahrungsmittel auf dem Müll. Eine aktuelle WWF-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass bei Vermeidung dieser unnötigen Verluste weltweit eine Fläche von über 2,4 Mio. Hektar „gewonnen“ werden könnte. „Derzeit ist es so, als würden wir Mecklenburg-Vorpommern in einen einzigen, riesigen Acker umwandeln und die eingefahrene Ernte einfach wegwerfen“, verdeutlicht Tanja Dräger de Teran, Referentin Ernährung beim WWF Deutschland die Ergebnisse der Studie. Weitere 1,8 Millionen Hektar würden nach WWF-Berechnungen frei, wenn jeder Bundesbürger, wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlen, maximal 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche essen würde. Das entspräche einer Fläche von der Größe Sachsens. Im Durchschnitt verzehrt jeder Deutsche jedoch fast doppelt so viel Fleisch wie von Gesundheitsexperten angeraten.

Insgesamt beansprucht Deutschland nach WWF-Angaben für Ernährung weltweit eine Fläche von 18,8 Mio. Hektar jährlich. Demzufolge machen der zu hohe Fleischkonsum und die Lebensmittel-Verschwendung mit zusammengerechnet über vier Millionen Hektar rund 20 Prozent des deutschen Flächenbedarfs für Nahrungsmittel aus. Vor allem in Argentinien, Brasilien und anderen Ländern Südamerikas gerieten durch das deutsche Konsumverhalten wertvolle Ökosysteme unter massiven Druck, so der WWF. „Die Generation unserer Großeltern hat auch weniger Fleisch gegessen und Nahrungsmittel nicht einfach auf den Müll geworfen. Zu diesem Bewusstsein sollten wir zurückkehren - im Sinne unserer Gesundheit und des Umweltschutzes“, fordert Dräger de Teran.

Obwohl Fleisch nicht einmal zu einem Fünftel zur Welternährung beitrage, sei die Viehwirtschaft bereits heute der mit Abstand größte, globale Landnutzer. Derzeit wird rund ein Drittel der gesamten Landoberfläche unseres Planeten als Weideland oder Ackerfläche zur Futtermittelproduktion, vor allem Soja, genutzt. „Würden sich die Deutschen gesünder ernähren und sorgsamer mit Lebensmittel umgehen, wären wesentlich weniger Sojaimporte nötig - umgerechnet eine Fläche von ungefähr 700.000 Hektar“, sagt Dräger de Teran. Dies entspräche in etwa dem jährlichen Zuwachs an Sojaanbauflächen in Brasilien.

Sich „gesund ernähren“ bedeute jedoch auch, von einem Lebensmittel weniger, von anderen Lebensmitteln durchaus mehr zu konsumieren. Dieses veränderte Essverhalten wurde nach WWF-Angaben in den Szenarien mit berücksichtigt. So wird beispielsweise eine um 800.000 Hektar größere Anbaufläche für die verstärkte Nachfrage nach Getreide benötigt. Zum Vergleich: Derzeit beansprucht Deutschland dem WWF zufolge 8,42 Millionen Hektar, nur um den Fleischkonsum seiner Bewohner zu sichern. Das entspricht einer Fläche von der Größe Österreichs.


"Wir haben es satt!"

Demonstration fordert: EU-Agrarreform als Chance zum Systemwechsel nutzen

BUND Pressemitteilung, 16.1.12

Im Rahmen der Kampagne "Meine Landwirtschaft" rufen über neunzig Organisationen dazu auf, am 21. Januar für einen Systemwechsel in der Agrarpolitik auf die Straße zu gehen. Ihr Motto: "Wir haben es satt! Bauernhöfe statt Agrarindustrie". Die Umwelt-, Bauern-, Verbraucher- und Tierschutzorganisationen vermelden aktuell achzig Busse, die zum Beginn der Grünen Woche mit Demonstrantinnen und Demonstranten aus ganz Deutschland nach Berlin rollen.

Der letzte Antibiotika-Skandal, zunehmende Hungerkatastrophen wegen nicht eingedämmter Spekulationen mit Lebensmitteln und alarmierendes Artensterben aufgrund der zunehmenden Monokulturen auf den Feldern zeigen deutlich die Risiken der industriellen Lebensmittelproduktion für Mensch, Tier und Umwelt auf. Nur eine bäuerlich-nachhaltige Landwirtschaft ist zukunftsfähig, ein Richtungswechsel der Agrarpolitik mehr als überfällig. Nur ein Systemwechsel in der Landwirtschaft kann Verbraucherschutz gewährleisten und die Herausforderungen des Klimaschutzes, der Hunger­bekämpfung und des Artenrückgangs lösen.

Die bevorstehende Reform der EU-Agrarpolitik bietet einmal mehr die Chance, diesen Systemwechsel einzuleiten. Doch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ministerin Ilse Aigner machen sich mit ihrer Blockadepolitik zum Handlanger der Agrarindustrie, kritisierten die Organisatoren der Demonstration.

"Der Antibiotika-Skandal ist nur der Gipfel des Eisbergs. Er zeigt uns, nach der Dioxin-Krise 2011, dass die industrialisierte Landwirtschaft Risiken für Mensch, Tier, Umwelt und Klima birgt", so Thomas Schröder vom Deutschen Tierschutzbund.

"Bis zu sechs Antibiotika-Gaben während der kurzen, nur 35-tägigen Mast eines Hühnchens zeigen, dass das System Massentierhaltung nicht funktioniert. Ein Hühnchen auf der Fläche eines Papiertaschentuches zu mästen, muss ein Ende haben. Das 21. Jahrhundert braucht eine zukunftsfähige Tierhaltung, die auch ethisch zu vertreten ist", fordert Rupert Ebner, Tierarzt und Vorstand von Slowfood Deutschland.

Reinhild Benning vom BUND sagt: "Verbraucherschutzministerin Aigner muss endlich Schluss machen mit der Politik der leeren Versprechungen. Es ist jetzt notwendig, die Risiken der Agrarindustrie an der Wurzel zu packen. Wir brauchen ein klares Reduktionsziel für Antibiotika in der Tierhaltung – wie in den Niederlanden. Wir benötigen bundesweit Transparenz beim Einsatz von Medikamenten, um Missbrauch endlich vorzubeugen – was in Dänemark bereits der Fall ist. Mit ihrem letzten Gesetzentwurf kommt Aigner ihrer Verantwortung nicht nach. Ohne einen Richtungswechsel in der Agrarpolitik werden die Risiken der Massentierhaltung noch zunehmen."

Martin Morisse vom Bundesverband deutscher Milchviehhalter (BDM) mahnt: Öffentliche Gelder müssen für Leistungen an die Gesellschaft gezahlt werden und nicht der Agrarindustrie die Taschen füllen. Diese Chance muss die Bundesregierung nutzen und nicht weiter jegliche Reform der EU-Agrarpolitik blockieren."

Stig Tanzmann vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) erklärt: "Ob die Bundesregierung glaubwürdig den Hunger in der Welt verringern will, werden wir daran messen, ob Aigner die angekündigte Proteinstrategie umsetzt und heimische Eiweißfuttermittel mit politischen Mitteln etabliert. Solange für Massentierhaltung hierzulande rund sechs Millionen Tonnen Soja aus Ländern des Südens importiert werden und Dumping-Exporte aus Deutschland nach Afrika gelangen, bedient die Bundesregierung einseitig die Agrarindustrie."

"Nur eine demokratischere und bäuerliche Landwirtschaftspolitik wird diesen Zielen gerecht. Deswegen fordern wir alle auf, am 21. Januar 2012 mit uns auf die Straße zu gehen", motiviert Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf zum Mitmachen. "Es ist höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel, um die wissenschaftlich erarbeiteten Forderungen des Weltagrarberichtes umzusetzen. Für eine bäuerliche Zukunft! Für Bauernhöfe statt Agrarfabriken. Auf nach Berlin!", so Graefe zu Baringdorf weiter.

Die Kampagne "Meine Landwirtschaft" ist eine von über 40 Organisationen aus den Bereichen Landwirtschaft, Umwelt-, Tier- und Verbraucherschutz sowie der Entwicklungszusammenarbeit getragene Initiative, die sich für eine Neuausrichtung der EU-Agrarpolitik engagiert. Ziel ist es mit der EU-Agrarreform 2013 einen Systemwechsel hin zu einer nachhaltigen, sozialen und bäuerlichen Landwirtschaft einzuleiten. Zum Auftakt der Kampagne im Jahr 2011, der ersten "Wir haben es satt!"- Demonstration, kamen 22 000 TeilnehmerInnen.


"Biosprit" ist keine Lösung für klimaschädliches Fliegen und verschärft Lebensmittelknappheit

BUND Pressemitteilung, 12.1.12

Berlin: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und sein internationales Netzwerk Friends of the Earth (Freunde der Erde) haben die Fluggesellschaften aufgefordert, sogenanntes "Biokerosin" künftig nicht mehr in Flugzeugen einzusetzen. Bei den Testreihen, die Lufthansa jetzt mit einem Flug von Frankfurt nach Washington abschließe, seien bereits große Mengen potentieller Nahrungsmittel durch die Düsentriebwerke der Airbusse gejagt worden, sagte der BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. "In Afrika und anderswo hungern Millionen und die Fluggesellschaften hängen sich auf Kosten dieser Menschen ein grünes Mäntelchen um. Das dürfen wir nicht akzeptieren", sagte Hilgenberg.

Lufthansa habe erklärt, den Einsatz von Biosprit ausbauen zu wollen, sobald genügend zertifizierte Rohstoffe zur Verfügung stünden. Auf der Suche nach Alternativen zum klimaschädlichen Flugbenzin liebäugelten auch Airlines wie KLM, Air France und British-Airways mit Agro-Kerosin, sagte Hilgenberg. Der BUND-Experte forderte stattdessen eine Reduzierung der Flugbewegungen und die drastische Verbesserung der Effizienz der Flugzeugtriebwerke.

Die Pläne, im europäischen Luftfahrtsektor einen Teil des herkömmlichen Kerosins zu ersetzen, würden bis 2020 zu einem jährlichen Mehrbedarf von rund zwei Millionen Tonnen Agro-Sprit führen. Für dessen Produktion würde nach Untersuchungen von Friends of the Earth eine landwirtschaftliche Fläche von bis zu 3,5 Millionen Hektar benötigt. Dies entspräche einer Fläche von der Größe Belgiens.

Geert Ritsema von Friends of the Earth Niederlande: "Agro-Kerosin ist mitnichten die grüne Revolution der Luftfahrt. Die Flugindustrie strebt nach größerer Unabhängigkeit vom Öl und wird damit zum Konkurrenten in der weltweiten Lebensmittelproduktion. Bereits heute wird durch den Anbau von Jatropha in Indonesien und Mosambik die Nahrungsmittelproduktion verdrängt. Wenn der Anteil von Agro-Kerosin substantiell zunimmt, sind die Folgen für die Menschen im globalen Süden unvorhersehbar."

Hinzu komme, dass der Einsatz von Agro-Kerosin in Flugzeugen keinesfalls klimaneutral sei, wie von Airlines und Flugzeugherstellern oft kolportiert. Neben Emissionen, die durch Anbau, Herstellung und Transport der Ausgangsstoffe für den Agro-Sprit entstünden, führe dessen Verbrennung in den höheren Schichten der Erdatmosphäre zur Emission von Stickstoffoxid, Wasserdampf und Feinstaub, die in der Summe ebenso schädlich seien wie das Klimagift Kohlendioxid.

"Die Lufthansa behauptet zwar, ihre Testreihe hätte zum Klimaschutz beigetragen. Dabei ignoriert sie aber einen Großteil der Emissionen und deren Wirkungen in der Atmosphäre", sagte Hilgenberg. "Neben effizienteren Motoren, leichteren Flugzeugen und optimierten Flugplänen gibt es nur einen Weg zur Verringerung der Klimawirksamkeit des Flugverkehrs: Die generelle Reduzierung der Flüge. Dafür gibt es beispielsweise auf innereuropäischen Strecken die umweltfreundliche Alternative der Bahn", so der BUND-Experte.




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