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Aktuell
WWF und NABU für Wende bei Agrarpolitik
Ausgepfiffen
WWF-Report: Intensiv-Landwirtschaft verschuldet dramatischen Artenschwund in Deutschland
Rebhuhn, Singvögel und Schmetterlinge sind die großen Verlierer
WWF Pressemitteilung, 16.1.15
Die Intensivierung der Landwirtschaft in Deutschland und Europa ist eine Hauptursache für den teils dramatischen Verlust von Tier- und Pflanzenarten. Diese Intensivierung beinhaltet unter anderem hohe Stickstofffrachten und Pestizideinsätze, die sich für viele Organismen negativ auswirken. Davor warnt die Naturschutzorganisation WWF anlässlich des Starts der „Internationalen Grünen Woche“ in Berlin auf Basis einer auszugsweisen Vorabveröffentlichung einer Grundlagenstudie für ein Pilotprojekt zu Artenvielfalt und Landwirtschaft.
So gelten beispielsweise die Vögel der Agrarlandschaft als überdurchschnittlich stark gefährdet: 45 Prozent befinden sich auf der Roten Liste. Selbst die Populationen vermeintlich häufiger Arten wie Star und Feldsperling sind um rund die Hälfte zurückgegangen. Zusätzlich hat die Universität Göttingen herausgefunden, dass die große Mehrzahl der ehemals für Grün- und Ackerland typischen Pflanzen in den vergangenen Jahrzehnten um bis zu 95 Prozent abgenommen hat.
Die teils dramatisch negativen Bestandsentwicklungen bei Vögeln, Faltern oder Amphibien sind zum Großteil der anhaltenden Intensivierung und Spezialisierung im Agrarbereich geschuldet. „Der Verlust extensiv bewirtschafteter Lebensräume ist die bedeutendste Ursache für den Rückgang der Artenvielfalt in Deutschland “, warnt daher Frank Gottwald, einer der Autoren der Studie.
Der WWF empfiehlt daher eine Wende weg von aufgeräumten, konventionell bewirtschafteten Flächen hin zum ökologischen Landbau. Dieser habe neben den vielen anderen positiven Effekten auf die Umwelt auch ein großes Potenzial zur Förderung der biologischen Vielfalt. „Den Artenschwund zu stoppen ist mit Nationalparken und Naturschutzgebieten allein nicht zu schaffen“, so Tanja Dräger de Teran, Referentin für Landwirtschaft beim WWF Deutschland. „Über die Hälfte der Gesamtfläche Deutschlands wird heute landwirtschaftlich genutzt. Unser Ziel muss es sein, heimische Tiere und Pflanzen auf möglichst vielfache Weise wieder in die Landwirtschaft zu integrieren.“
Verlierer der Intensiv-Landwirtschaft in Deutschland und Europa:
Ackerwildkräuter: Die auf Äckern lebenden Wildpflanzen gehören zu den am stärksten gefährdeten Artengruppen in Mitteleuropa. In Mecklenburg-Vorpommern stehen 44% der Arten auf der Roten Liste.
Vögel: Derzeit befinden sich 45% der Agrarvogelarten auf der Roten Liste und über 30% auf der Vorwarnliste. Besonders dramatisch ist der Einbruch beim Bestand der Rebhühner. Laut Daten des European Bird Census Council ist deren Vorkommen in Europa zwischen 1980 und 2010 von 13,4 Millionen auf nur noch 800.000 Exemplare zurückgegangen (minus 90 Prozent). Ähnlich dramatische Einbußen verzeichnen demnach die Populationen von Ortolan (minus 87 Prozent), Turteltaube (minus 73 Prozent) und Braunkehlchen (minus 71 Prozent).
Schmetterlinge: Eine weitere Artengruppe, die europaweit stark negative Trends aufweist, sind Tagfalter, die in Grünlandlebensräumen vorkommen. Dazu zählen Arten wie der Hauhechelbläuling oder das Große Ochsenauge. Der europäische Trendindikator für 17 ausgewählte Arten zeigt gegenüber dem Referenzwert von 1990 einen Rückgang um fast 50 Prozent.
Amphibien: Zu den typischen Arten in Agrarlandschaften zählt die Rotbauchunke, die innerhalb Deutschlands einen Verbreitungsschwerpunkt in Mecklenburg-Vorpommern hat. Laut der Roten Liste Deutschland wird die Rotbauchunke als „stark gefährdet“ eingestuft. Ursachen sind die Degradierung von Kleingewässern in der intensiv gedüngten Agrarlandschaft und die Umwandlung von extensiv genutztem Grünland in aufgedüngte Vielschnittwiesen und Maisäcker.
Feldhamster: Während manche Säugetiere, etwa das Wildschwein, von einer Intensivierung der Landwirtschaft und dem Anbau von Energiepflanzen wie Mais profitieren, kämpft auch der Feldhamster in Deutschland ums Überleben. Laut der Roten Liste Deutschland ist das kleine Nagetier inzwischen akut „vom Aussterben bedroht“.
Deutschland zieht sich „Boden unter den Füßen weg“
UN-Jahr der Böden 2015: In deutscher Landwirtschaft gehen jährlich 120 Mio. Tonnen fruchtbarer Boden verloren.
WWF Pressemitteilung, 14.1.15
Allein in Deutschland gehen in der Landwirtschaft im Durchschnitt pro Jahr und Hektar zehn Tonnen fruchtbarer Boden durch Erosion und Humusabbau verloren. Dem gegenüber steht ein jährlicher natürlicher Bodenzuwachs von nur etwa einer halben Tonne pro Hektar. Der Boden wird also rund 20-mal schneller zerstört, als er nachwächst. Davor warnt die Naturschutzorganisation WWF zum Start des internationalen UN-Jahr der Böden 2015. Insgesamt gehen der deutschen Landwirtschaft damit 120 Millionen Tonnen fruchtbarer Boden pro Jahr verloren.
„Die deutsche Landwirtschaft zieht sich selbst den Boden unter den Füßen weg. Die Ackerböden werden zu stark genutzt und können den intensiven Raubbau nicht mehr ewig verkraften“, sagt Dr. Birgit Wilhelm, WWF-Landwirtschaftsreferentin vor dem Start der Landwirtschaftsmesse „Grüne Woche“ in Berlin. Sie fordert daher ein gemeinsames Handeln von Naturschutz und Landwirtschaft für lebendigen Boden, der schließlich Grundlage für 90 Prozent aller Lebensmittel und gleichzeitig die Basis der natürlichen Ökosysteme ist. „Die Bodenfruchtbarkeit ist das Wesentliche. Böden sind weder auf Flächen noch auf Tonnen zu reduzieren, denn bei Übernutzung werden die sensibelsten Lebensgrundlagen als Erstes geschädigt: Der Humus und die Vielfalt der Bodenlebewesen“, so Wilhelm.
Entscheidend für eine nachhaltige Bodenkultur seien standortangepasste Fruchtfolgen und Untersaaten sowie Maschinen, die auf den Erhalt des Bodenlebens abgestimmt sind. Auch die Düngergaben müssten zum Ökosystem passen und nicht nur den Pflanzen kurzfristig „Speed“ geben. Dafür brauche es langfristig eine Integration von Tierhaltung und Landbau, so die WWF-Forderung. Wichtig sei auch die biologische Stickstoff-Fixierung durch in die Fruchtfolgen integrierte Leguminosen wie etwa Klee, Luzerne oder Ackerbohnen. So würde die Landwirtschaft unabhängiger von synthetischem Stickstoffdünger, der mit hohem Energieaufwand hergestellt wird und einen weiteren Biodiversitätsverlust im Boden verursacht.
Laut Schätzungen bestehen nur zwölf Prozent der Erdoberfläche aus landwirtschaftlich nutzbarem Boden. Jährlich gehen weltweit mehr als 24 Milliarden Tonnen durch Erosion verloren. Dies entspricht einem Güterzug mit 558 Millionen Waggons und 40.000 km Länge, was einem ganzen Erdumfang entspricht. Aus diesem Grund hat die UN 2015 zum internationalen Jahr der Böden ausgerufen.
NABU für Neuausrichtung der Agrarpolitik an Umwelt- und Verbraucherinteressen
Tschimpke: Landwirtschaft muss der gesamten Gesellschaft dienen
NABU Pressemitteilung, 17.1.15
Berlin Anlässlich der Agrardemonstration „Wir haben es satt!“ am heutigen Samstag in Berlin hat der NABU eine Agrarpolitik eingefordert, die der gesamten Gesellschaft und nicht vorrangig den Interessen der Agrarlobby verpflichtet ist. „Eine zukunftsfähige Agrarpolitik ist heute keine Politik mehr von Bauern für Bauern, sondern muss in erster Linie die Anliegen des Umwelt- und Verbraucherschutzes im Sinne einer echten Gesellschaftspolitik berücksichtigen“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke auf der Auftaktkundgebung der Demonstration am Potsdamer Platz. Immer mehr Menschen hätten es satt, dass die Brüsseler Agrarmilliarden gießkannenartig in die Landwirtschaft fließen und damit immer noch Betriebe gefördert würden, die durch großflächigen Maisanbau, Pestizideinsatz und Massentierhaltung der Umwelt schaden.
Unter dem Motto „Naturschätze retten statt Landschaften plätten“ beteiligte sich der NABU mit einem bunt geschmückten Trecker, gesteuert von NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller, sowie mit Mitgliedern und Aktiven aus dem gesamten Bundesgebiet an dem Protestzug. Dabei wiesen die NABU-Aktiven darauf hin, dass die Intensivierung und Monotonisierung der Agrarlandschaften sowie der Verlust von artenreichem Grünland in den letzten Jahrzehnten zu einem dramatischen Artensterben geführt haben. In vielen Regionen sei die Vielfalt an Lebensräumen und Strukturen durch wenige große Monokulturen ersetzt worden. In der Folge hätten Kiebitz, Feldlerche oder Rebhuhn bereits auf breiter Front das Feld geräumt.
Angesichts der Debatten um das Freihandelsabkommen TTIP sei es dringend erforderlich, die Qualität sowie die identitätsstiftende Bedeutung von regionalen und typischen Lebensmitteln zu verteidigen. „Wer die Landwirtschaft auf die Massenproduktion von Lebensmitteln für den Weltmarkt konzentrieren möchte, setzt die natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen aufs Spiel und gefährdet die gesellschaftliche Akzeptanz“, so der NABU-Präsident. Auch der Bauernverband müsse sich klar dazu bekennen, einer weiteren Industrialisierung sowie der Entwicklung einer „Satellitenlandwirtschaft“ eine Absage zu erteilen, wie es unlängst am Beispiel eines Schweinemästers in Sachsen-Anhalt erfolgt sei.
NABU fordert drastische Reduzierung der Stickstoffeinträge
Tschimpke: Gutachten des Sachverständigenrats belegt negative Folgen für Klima und Umwelt
NABU Pressemitteilung, 14.1.15
Berlin Der NABU hat die Bundesregierung aufgefordert, die alarmierend hohen Stickstoffemissionen aus Verkehr und Landwirtschaft durch ein verbindliches Aktionsprogramm drastisch zu reduzieren. „Das heute vom Sachverständigenrat für Umweltfragen vorgelegte Sondergutachten zum Thema Stickstoff belegt eindrücklich, dass die verheerenden Auswirkungen von Stickstoffeinträgen auf Klima, Biodiversität oder Grundwasser lange Zeit unterschätzt wurden“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Die Einträge von Stickstoffverbindungen wie Stickoxiden, Nitrat oder Ammoniak bewegen sich seit vielen Jahren trotz zahlreicher politischer Vorgaben auf sehr hohem Niveau. So liegen die Stickstoffbilanz-Überschüsse immer noch bei fast 100 Kilogramm pro Hektar und führen zu einer erheblichen Überdüngung nahezu sämtlicher Lebensräume sowie zu einem Artenverlust. Das Ziel, den Düngemitteleinsatz in der Landwirtschaft auf ein umweltverträgliches Maß zurückzuführen, wurde bislang nicht erreicht. In vielen Regionen ist der Stickstoffüberschuss in den letzten Jahren infolge des Booms bei Massentierhaltung und Biogasanlagen sogar deutlich angestiegen. Ein Teil der Überschüsse gelangt zudem in Luft und Wasser und belastet das Grundwasser, die Hauptquelle unseres Trinkwassers. Über die Hälfte der Grundwasservorkommen in Deutschland weist daher zu hohe Nitratwerte auf. Schließlich tragen gasförmige Stickstoffemissionen auch zur Versauerung der Böden bei.
Der NABU fordert daher die Bundesregierung auf, die relevanten Vorgaben zum Schutz von Mensch und Natur deutlich nachzubessern. Dies betreffe insbesondere die laufende Novelle der Düngeverordnung, bei der anspruchsvollere Ziele zur Stickstoffreduzierung vereinbart werden müssten. So müsste der maximal zulässige Nährstoffüberschuss auf 30 Kilogramm pro Hektar beschränkt und die Ausbringungsmenge für Stickstoff in sensiblen Gebieten bei 130 Kilogramm pro Hektar verankert werden. Zudem müssten bessere Kontrollen und schärfere Sanktionen zur Einhaltung der Düngeverordnung erfolgen. Der NABU begrüßt ferner die Forderung des Sachverständigenrats nach einer Abgabe auf Stickstoffüberschüsse, deren Einnahmen zweckgebunden in die Förderung einer Emissionsreduzierung investiert werden sollte. Im Bereich der Luftreinhaltepolitik müsse darüber hinaus unbedingt an den europäischen Minderungszielen für Ammoniak und Stickoxide festgehalten werden. „Sowohl die EU-Kommission als auch die Bundesregierung sollten endlich ihren Verpflichtungen nachkommen und dafür sorgen, dass umweltschädliche Stickstoffeinträge drastisch reduziert werden“, so Tschimpke weiter.
NABU-Umfrage: Verbraucher wollen weniger Verpackungen, dafür regionales Obst und Gemüse
Miller: Der Handel muss auf klares Kunden-Votum reagieren
NABU Pressemitteilung, 16.1.15
Berlin Deutschlands Verbraucher würden es begrüßen, wenn regionale Obst- und Gemüsesorten im Supermarkt angeboten werden am besten ohne Plastikverpackung. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des NABU. Befragt wurden mehr als eintausend Kunden, wie und wo sie ihr Obst und Gemüse kaufen und was sie sich vom Handel wünschen.
Besonders hoch im Kurs steht bei Verbrauchern Regionalität. Drei von vier Kunden äußerten Interesse an regionalen und speziellen Obst- und Gemüsesorten. Auch im Hinblick auf Verpackungen an der Obsttheke geben die Verbraucher ein klares Votum ab: 76 Prozent der Befragten bevorzugen Obst und Gemüse, das nicht abgepackt ist. Lediglich vier Prozent kaufen es lieber mit Verpackung. Um Plastikmüll zu vermeiden, sind sogar 85 Prozent der Kunden bereit, einen eigenen Beutel für Obst und Gemüse zum Einkauf mitzunehmen.
„Wenn es nach dem Wunsch der Verbraucher geht, scheint das Ende der Plastikverpackungen eingeläutet“, sagte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller. Er appellierte an den Handel, einen möglichst verpackungsfreien Einkauf zu ermöglichen. „Bislang haben die Lebensmitteleinzelhändler die Verantwortung zu sehr auf die Konsumenten abgewälzt. Doch ihre Kunden machen nun unmissverständlich klar: Sie wollen weniger Plastik und statt dessen regionale Vielfalt. Die Händler müssen auf die gesellschaftlichen Trends reagieren und aktiv vorangehen“, forderte der NABU-Bundesgeschäftsführer.
Nach Ansicht des NABU gibt es derzeit noch zu wenige mutige Einzelhändler mit neuen Ideen. „Die Umfrage zeigt aber, dass hier unterschätzte Potenziale liegen. Wenn sich ein Einzelhändler nachhaltig und umweltbewusst positioniert, werden die Verbraucher es ihm danken“, so Katharina Istel, NABU-Expertin für Nachhaltigen Konsum.
Vor allem in der Entwicklung von neuen Verpackungsideen gäbe es noch ungenutzte Möglichkeiten, aber auch in der Präsentation von Produkten im Laden und in der Gestaltung von attraktiven Angeboten. Denn auch das machen die Verbraucher in der Umfrage klar: Mehr als 90 Prozent sind bereit, Lebensmittel zu kaufen, die bislang nicht im Handel landen. 49 Prozent würden Obst und Gemüse mit krummen Formen oder äußeren Mängeln kaufen, wenn es günstiger ist. 42 Prozent sogar zum gleichen Preis.
„Auch leere Regale vor dem Feierabend sollten künftig kein Tabu mehr sein“, so Istel. Denn knapp 80 Prozent der Verbraucher würden auf bestimmtes Obst und Gemüse oder Backwaren verzichten, wenn dadurch insgesamt weniger Produkte weggeworfen würden. „Hier bräuchte es in der Praxis aber kreative und kompetente Kommunikationsstrategien, damit die Kunden nicht einfach im nächsten Laden nach dem gleichen Produkt suchen“, so Istel.
Wie groß das Interesse der Verbraucher an den Themen Ernährung ist, zeigen jedes Jahr die Besucherzahlen bei der Internationalen Grünen Woche in Berlin. Um Politik und Produzenten an ihre Verantwortung für eine nachhaltige Landwirtschaft zu erinnern, geht der NABU am 17. Januar 2015 mit zahlreichen weiteren Verbänden auf die Straße.
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