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Aktuell

Greenpeace Waldschutz-Ranking

Lasst wachsen!

Für Klima- und Artenschutz wäre es besser, man würde den deutschen Wald weniger nutzen und mehr schützen. Die Realität sieht aber anders aus, so Greenpeace-Studien.

Von Michael Weiland, Greenpeace-Online, 30.6.16

Zu wenig Schutz, zu junge Bäume, nicht genug Lebensraum für Tiere und Pflanzen – zu diesem Urteil über den deutschen Wald kommen aktuelle Greenpeace-Studien. Das Hauptproblem: Auf nahezu jeden deutschen Wald nimmt der Mensch Einfluss, in erster Linie durch Holzeinschlag. Das hat zur Folge, dass sich Wälder nicht natürlich entwickeln können. Ihr Baumbestand ist zu jung, und die Holzvorräte sind zu gering, um große Mengen Kohlenstoffdioxid zu binden. Dichte alte Wälder tun das – sie sind besser für das Klima.

Außerdem gibt es im deutschen Wald zu wenig Totholz, das – entgegen seiner Bezeichnung – Lebensraum für Tiere, Pflanzen und Pilze bietet. Zwar ist sein Anteil statistisch gewachsen, die Qualität hat allerdings stark abgenommen. Heimische Baumarten wie die Buche ersetzte die Forstwirtschaft durch Fichten und Kiefern, die an vielen Orten von Natur aus gar nicht vorkämen – und damit der heimischen Tier- und Pflanzenwelt auch keinen geeigneten Platz zum Leben bieten. Die schlechten Noten für den deutschen Wald gehen nicht zuletzt darauf zurück, dass Deutschland internationale Abkommen zum Schutz des Klimas und der Artenvielfalt nicht konsequent umsetzt, wie etwa das Übereinkommen über die biologische Vielfalt.

Greenpeace fragt bei den Bundesländern nach

Dabei sind die Missstände seit Langem bekannt, 2007 reagierte Deutschland mit der sogenannten Nationalen Biodiversitätsstrategie auf den weltweiten dramatischen Artenschwund. Ein Ziel darin lautet, dass bis 2020 fünf Prozent der deutschen Wälder einer natürlichen Entwicklung ohne Holznutzung und menschliche Eingriffe überlassen werden. Und auch die forstlich genutzten Wälder sollen naturnäher werden. Doch ist Deutschland tatsächlich auf dem Weg dahin?

Mit einem Fragebogen hakte Greenpeace bei den Umwelt- und Landwirtschaftsministerien der Bundesländer nach, wie weit die Pläne gediehen sind. Das Ergebnis ist unbefriedigend: Nirgends werden die Zielsetzungen vollständig erfüllt. Am besten schneiden in dem Greenpeace-Ranking das Saarland und Schleswig-Holstein ab, am schlechtesten Bayern und Hessen. Gerade dort gibt es enorme Defizite beim Waldschutz und in der Forstwirtschaft.

Weniger abholzen, mehr wachsen lassen

Mit der vielbeschworenen Nachhaltigkeit im deutschen Wald ist es nicht weit her. „Die Mär vom Schützen durch Nutzen ist aus ökologischer Sicht Augenwischerei“, sagt Sandra Hieke, Greenpeace-Expertin für Wälder. Denn je mehr Holz geschlagen wird, desto schlechter kommt der Wald seiner Funktion als Kohlenstoffspeicher nach. Seit 1990 nimmt dieses dynamische Reservoir, das seine Kapazität durch Neupflanzungen und Abholzung ständig ändert, immer weiter ab.

„Deutschlands Wälder könnten deutlich mehr Kohlenstoff speichern“, so Hieke. Die Lösung ist eigentlich ganz einfach: „Es muss weniger eingeschlagen und mehr wachsen gelassen werden.“ Denn so wie der deutsche Wald derzeit bewirtschaftet wird, sieht es für die deutschen Klimaziele finster aus. Wenn die Erderwärmung unter 1,5 Grad bleiben soll, wie von der Pariser Klimakonferenz vorgegeben, müssen neben der Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien auch für die Wälder weiterreichende Maßnahmen her – und die beschlossenen endlich umgesetzt werden.

Wald-Ranking der Bundesländer (Langfassung)


Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie muss konfliktorientierter und europäischer werden

„Entwicklungsland“ Deutschland muss nach der Energie- auch die Verkehrs- und Agrarwende angehen - Internationale Partnerschaften dafür wichtig

Pressemitteilung Germanwatch und Stiftung Zukunftsfähigkeit zur Verbändeanhörung, 29.6.16

Berlin/Bonn. Die Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch sowie die Stiftung Zukunftsfähigkeit kritisieren die Neuauflage der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie. Bei einer Verbändeanhörung heute im Kanzleramt bezeichnen sie das Vorgehen der Bundesregierung bei der Umsetzung der im vergangenen Jahr verabschiedeten globalen nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) als zu zaghaft, in Teilen widersprüchlich und nicht ausreichend konfliktorientiert. „Gemessen an den globalen Zielen für nachhaltige Entwicklung ist auch Deutschland ein Entwicklungsland. Es sollte sein ganzes Potenzial und Entwicklungsvermögen neben der nationalen Ebene auch in einen Wandel auf EU- und weltweiter Ebene stecken: von der Energie- über eine Mobilitäts- bis hin zur Ernährungs- und Agrarwende“, sagt Klaus Milke, Vorsitzender von Germanwatch und der Stiftung Zukunftsfähigkeit. "Die Bundesregierung müsste dafür transformative internationale Partnerschaften und Kooperationen mit auf die Beine stellen. Wir müssen den negativen und mit Blick auf die weltweite Verteilung von Ressourcen ungerechten ökologischen Fußabdruck schnellstens verkleinern, indem nachhaltige Konsum- und Wirtschaftsweisen zum Standard werden." Dafür müssten mehr Menschen befähigt werden, die Wirkung ihres persönlichen Engagements für die Veränderung ökologischer und sozialer Rahmenbedingungen zu vergrößern - hier spricht man vom "Hand Print".

TTIP könnte großes Hindernis für Umsetzung global gerechter Nachhaltigkeit werden

Milke betont, dass die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie in ihrer gesamten Konzeption europäischer werden müsse. "Das wäre auch ein wichtiger Schritt auf unsere europäischen Nachbarn zu. Wir brauchen zudem eine gemeinsame Nachhaltigkeitsstrategie auf EU-Ebene“, so Milke weiter. Deutschland solle nicht den Anschein erwecken in allen Nachhaltigkeitsfragen besonders weit zu sein. Klaus Milke: "Natürlich ist schon einiges erreicht. Aber Deutschland sollte viel mehr Mut haben, zu noch offenen Fragen und zu noch zu lösenden Konflikten zu stehen. TTIP droht zum Beispiel ein großes Hindernis für die Umsetzung von global gerechter Nachhaltigkeit zu werden."

Bei der Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele müsse auf Prozesse gesetzt werden. Neue Formen der gesellschaftlichen Partizipation der bisherigen Nachhaltigkeitsarchitektur an die Seite zu stellen sei das Gebot der Stunde. "Das wäre auch ein deutliches Zeichen an diejenigen Regierungen, die die Zivilgesellschaft in ihren Ländern immer mehr einengen", betont Milke. "Bis 2030 muss diese Agenda umgesetzt sein. Da müssen im Sinne von Inclusiveness alle mitwirken: Bildung für nachhaltige Entwicklung auf allen Ebenen ist unabdingbar."




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