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Aktuell
Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt
Die Blockade einer Vision
Zehn Jahre Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt: Naturschutzverbände kritisieren in Analyse Blockadepolitik
Mangelhafte Umsetzung bedroht Natur in Deutschland: Viele Schutzgebiete durch Missmanagement in „miserablem Zustand“
Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, Deutscher Umwelthilfe (DUH), NABU, WWF und DNR, 30.5.17
Vor zehn Jahren wurde die Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt vom Bundeskabinett unter Bundeskanzlerin Angela Merkel verabschiedet. Ziel ist es, den Schwund an Arten und Lebensräumen in Deutschland aufzuhalten. Anlässlich des Jubiläums loben die Umweltverbände BUND, Deutsche Umwelthilfe (DUH), NABU, WWF und der Dachverband DNR die Strategie als ambitionierte und visionäre Zielvorgabe, warnen jedoch eindringlich vor einem Scheitern bei der Umsetzung. Eines der größten Probleme stellt demnach die Blockade der Anstrengungen des Bundesumweltministeriums durch andere Ressorts der Bundesregierung dar. Aber auch auf Ebene einzelner Bundesländer und Kommunen würde die nationale Strategie durch massives Störfeuer immer wieder konterkariert. In einer gemeinsamen Analyse kommen die Verbände zu dem Schluss, dass sich der Zustand der biologischen Vielfalt in den vergangenen zehn Jahren nicht etwa verbessert, sondern sogar verschlechtert habe. Der Schwund an Arten und Lebensräumen hält laut dem Papier ungebremst an.
Viele deutsche Schutzgebiete sind demnach durch jahrelanges Missmanagement in einem katastrophalen Zustand. Die Meeresschutzgebiete würden durch nicht nachhaltige Fischerei weiterhin ausgebeutet und geplündert, die schädliche Intensivierung der konventionellen Landwirtschaft lasse ganze Landstriche ökologisch veröden. Die Populationen von Insekten und Singvögeln sind in Folge dessen dramatisch eingebrochen. Auch beim Waldschutz hinkt die Bundesregierung der Analyse zufolge hinterher. Ziel ist es, bis 2020 auf gerade einmal fünf Prozent der deutschen Waldflächen eine natürliche Entwicklung zuzulassen. Bisher dürfen sich allerdings nur zwei Prozent der Wälder zu „Urwäldern von morgen“ entwickeln.
Die selbstgesteckten Ziele der Bundesregierung zum Schutz der biologischen Vielfalt in Deutschland können nach einhelliger Einschätzung von BUND, DNR, DUH, NABU und WWF bis 2020 nur noch erreicht werden, wenn massiv umgesteuert wird. Das Papier der Umweltverbände beinhaltet daher auch einen 10-Punkte-Plan mit entsprechenden Sofortmaßnahmen, die ein Scheitern der Strategie abwenden sollen.
BUND-Vorsitzender Hubert Weiger: „Viele deutsche Schutzgebiete sind in einem miserablen Zustand. Der Verlust an Arten und Lebensräumen ist nur noch zu stoppen, wenn Schutzgebiete ausgebaut und Lücken zwischen Naturräumen geschlossen werden. Mindestens 200.000 Hektar naturnahe Lebensräume müssen in den ländlichen Regionen neu geschaffen und vor den Folgen industrieller Landwirtschaft und vor Versiegelung bewahrt werden. Es ist höchste Zeit für einen Bundesnetzplan Biotopverbund.“
DNR-Präsident Kai Niebert: „Was 2007 als Regierungsstrategie vorgestellt und vom Bundeskabinett verabschiedet wurde, wird lediglich im Bundesumweltministerium ernst genommen. Eine ressortübergreifende Befassung mit den Herausforderungen der biologischen Vielfalt blieb aus. Soll die Strategie nicht scheitern, muss Naturschutz zur Querschnittsaufgabe aller Politikbereiche werden.“
Sascha Müller-Kraenner, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Deutschland tritt international als Anwalt der globalen Ökosysteme auf, aber zuhause fehlt schlicht der ernsthafte Wille, wenn es um den Schutz unserer Ökosysteme geht. So fehlen für Nord- und Ostsee selbst in Schutzgebieten klare Vorgaben und Verbote. Null-Nutzungszonen und naturverträgliche Fischerei müssen endlich Realität werden.“
NABU-Präsident Olaf Tschimpke: „Ein Haupttreiber des Artenschwunds in Deutschland ist die industrielle Landwirtschaft. Insekten und Vögeln fehlt die Nahrung, weil kein Platz ist für Hecken, Sträucher und Wildblumen. Die Strukturvielfalt muss erhöht und der Einsatz von Pestiziden massiv gesenkt werden. Wir wollen die Landwirte bei ihrem Engagement unterstützen und für ihre Naturschutzleistungen bezahlen. Pauschale Flächenprämien sollen der Vergangenheit angehören. Voraussetzung dafür ist eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik.“
Diana Pretzell, Leiterin Naturschutz Deutschland beim WWF: „Die finanzielle Ausstattung ist völlig ungenügend. Auf EU-Ebene muss sich die Bundesregierung für die Einrichtung eines EU-Naturschutzfonds nach 2020 einsetzen. So bräuchten wir allein 1,4 Milliarden Euro jährlich zur Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien nur in Deutschland. Beim Bau und der Unterhaltung von Bundesfernstraßen muss die Bundesregierung Verantwortung übernehmen und mindestens ein Prozent der Investitionen für die Vernetzung der zerschnittenen Lebensräume zur Verfügung stellen. Und der eigentliche Topf der Strategie, das Bundesprogramm biologische Vielfalt, muss auf mindestens 50 Mio. Euro pro Jahr erhöht werden. Nur so hat die Strategie eine Chance, erfolgreich umgesetzt zu werden.“
EU-Agrarausschuss erlaubt weiter Glyphosat & Co. auf Ökologischen Vorrangflächen
Gemeinsame Pressemitteilung von BUND, DNR, NABU und WWF, 30.5.17
Brüssel: Die Umweltverbände BUND, DNR, NABU und WWF haben den Beschluss des EU-Agrarausschusses gegen ein Pestizid-Verbot auf Ökologischen Vorrangflächen (ÖVF) scharf kritisiert. EU-Agrarkommissar Phil Hogan hatte einen entsprechenden Vorschlag gemacht, um dem Artenverlust in der Landwirtschaft entgegenzuwirken.
Die EU-Abgeordneten im Agrarausschuss stimmten am heutigen Dienstag mit 30:11 Stimmen gegen den Vorschlag Hogans. Der deutsche Abgeordnete Albert Deß und der Brite John Stuart Agnew hatten die entsprechende Resolution gegen das Pestizid-Verbot initiiert.
"Die beiden Initiatoren und die Mehrheit im Ausschuss zeigen sich damit als rückwärtsgewandte Vertreter einer naturschutzfeindlichen Agrarpolitik, die jegliche Versuche, die Landwirtschaft ökologischer zu machen, bereits im Keim ersticken. Mit seinem Votum setzt der EU-Agrarausschuss ein klares Zeichen gegen mehr Nachhaltigkeit, gegen Umweltschutz und gegen eine insgesamt zukunftsfähige Landwirtschaft", so die Verbände. Aktuell erfüllten die Ökologischen Vorrangflächen nicht ihren eigentlichen Zweck zum Schutz der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft, da dort immer noch Pestizide eingesetzt werden dürfen. Daher hatten die Verbände den Vorschlag Hogans begrüßt.
Ein Pestizid-Verbot auf den speziell für Natur- und Umweltschutz vorgesehenen Flächen sei absolut notwendig und ein wichtiges Signal, um den weiteren alarmierenden Verlust biologischer Vielfalt aufzuhalten.
47 Prozent der Landfläche der EU wird landwirtschaftlich genutzt. Seit vielen Jahren ist ein dramatischer Artenverlust in der intensiven Landwirtschaft zu beobachten. Typische Agrarvögel wie Feldlerche, Rebhuhn und Kiebitz werden immer seltener. Gerade die Bestände von Vögeln sind wichtige Indikatoren für den Zustand der Ökosysteme. Fehlen sie, ist der Lebensraum nicht mehr intakt.
Lediglich fünf Prozent der Ackerflächen von größeren Betrieben müssen unter der aktuellen Gemeinsamen Agrarpolitik der EU (GAP) als Ökologische Vorrangflächen ausgewiesen werden und sollen "im Umweltinteresse" genutzt werden. Bisher sind diese Ökologischen Vorrangflächen jedoch wenig wirksam für die Biodiversität, da dort der Anbau von Zwischenfrüchten oder Eiweißpflanzen unter dem Einsatz von Pestiziden möglich ist.
Zahlreiche Untersuchungen haben diese bestehenden Regelungen als wenig wirksam bestätigt, um die Artenvielfalt zu fördern und den Artenverlust zu stoppen. Bisher fließen jährlich gut zwölf Milliarden Euro an Direktzahlungen u.a. für diese Ökologischen Vorrangflächen an die Landwirte in der EU.
Die Umweltverbände rufen die Abgeordneten des EU-Parlaments dazu auf, die Entscheidung des Agrarausschusses in ihrer Plenarsitzung am 12. Juni zu ignorieren und dem von Agrarkommissar Hogan vorgeschlagenen Pestizidverbot auf Ökologischen Vorrangflächen doch noch zuzustimmen.
Die Verbände weisen zugleich darauf hin, dass das Artensterben in der Agrarlandschaft nicht allein mit einer Aufwertung der Ökologischen Vorrangflächen zu stoppen ist. "Für eine echte Trendwende ist eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik ab dem Jahr 2020 dringend notwendig", so die Verbände.
Erst kürzlich haben sich EU-weit knapp 260.000 Bürgerinnen und Bürger und weit über 600 Unternehmen und Organisationen im Rahmen der LivingLand-Kampagne an der öffentlichen Konsultation der EU zur Zukunft der GAP beteiligt und eine faire, ökologisch nachhaltige, gesunde und verantwortungsvolle EU-Agrarpolitik gefordert.
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