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Aktuell
Insektensterben in Deutschland
Umweltministerin Schulze schlägt Maßnahmen gegen das Insektensterben vor
BMU Pressemitteilung, 10.10.18
Bundesumweltministerin Svenja Schulze stellt heute ihre Maßnahmenvorschläge für das im Koalitionsvertrag vereinbarte "Aktionsprogramm Insektenschutz" vor. Im Zentrum ihrer Vorschläge stehen ein grundlegender Wandel beim Fördersystem für die Landwirtschaft und beim Umgang mit Pestiziden. Nach einer Phase der Öffentlichkeitsbeteiligung will die Ministerin einen überarbeiteten Vorschlag innerhalb der Bundesregierung abstimmen und ins Kabinett einbringen.
Bundesumweltministerin Schulze: "Das Insektensterben zu stoppen, ist eine zentrale politische Aufgabe unserer Zeit. Wenn wir dem Insektensterben nicht bald Einhalt gebieten, gefährden wir nicht nur unsere Vogelwelt und die Natur insgesamt, sondern auch unsere Landwirtschaft und andere Wirtschaftszweige. Wir sind auf die Leistungen der Insekten angewiesen. Um das Insektensterben aufzuhalten, brauchen wir mehr Lebensraum für Insekten, weniger Pestizide und eine klügere Agrarförderung. Das heißt: Wir sollten eine Landwirtschaft fördern, die den Insekten nicht schadet, sondern ihr Überleben ermöglicht." Eine Chance hierfür biete die laufende Reform der EU-Agrarförderung, der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP).
Daneben zielen die Vorschläge des Umweltministeriums auf eine grundlegende Änderung im Umgang mit Pestiziden. "Wenn wir Insektenschutz ernst meinen, müssen wir den Einsatz von Pestiziden aller Art deutlich verringern", so Ministerin Schulze. Pflanzenschutzmittel wie Glyphosat gefährden nachweislich die biologische Vielfalt. Die Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt den Glyphosateinsatz grundsätzlich zu beenden.
Darüber hinaus will das Bundesumweltministerium den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln generell umwelt- und naturverträglicher gestalten. Im Zulassungsverfahren und in der Zulassungspraxis von Pflanzenschutzmitteln soll der Insektenschutz gestärkt werden. Zulassungen sollen künftig daran geknüpft werden, dass es Schutzflächen für Biodiversität gibt. In ökologisch besonders schutzbedürftigen Bereichen soll es Anwendungsverbote geben. Weitere Vorschläge zielen auf Gesetzesänderungen zum Schutz von Gewässerrandstreifen, zur Unterschutzstellung von Biotopen wie artenreichem Grünland und Regelungen zur Eindämmung der Lichtverschmutzung ab.
Die Maßnahmenvorschläge des BMU werden auf dem 9. Nationalen Forum zur biologischen Vielfalt mit zentralen Akteuren diskutiert. Zugleich startet ein vierwöchiger Online-Dialog. Schulze: "Es ist mir wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern die Gelegenheit zu bieten, meine Vorschläge zu kommentieren und ihre eigenen Ideen einzubringen. Ein wirksamer Schutz der Insekten und ihrer Vielfalt kann nur als gemeinsame Kraftanstrengung gelingen. Deshalb hoffe ich, dass sich möglichst viele Menschen an unserem Online-Dialog beteiligen."
Die Ergebnisse aus Online-Dialog und Diskussionsveranstaltungen werden in den Entwurf des Gesamtprogramms einfließen, der dann innerhalb der Bundesregierung abgestimmt wird. Im Frühsommer 2019 soll das "Aktionsprogramm Insektenschutz" im Kabinett beschlossen werden.
Aktionsprogramm Insektenschutz braucht ambitionierte Unterstützung aller Ressorts
Gemeinsame Pressemitteilung von Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Deutsche Umwelthilfe (DUH), WWF Deutschland und dem Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR), 10.10.18
Im Rahmen des heute stattfindenden Nationalen Forums zur biologischen Vielfalt stellt das Bundesumweltministerium die angedachten Maßnahmen zum "Aktionsprogramm Insektenschutz" vor. Die Naturschutzverbände BUND, DUH, WWF und der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) begrüßen die geplanten Maßnahmen und Möglichkeiten, sich an der Diskussion über die konkrete Ausgestaltung des Programms zu beteiligen.
"Wir begrüßen, dass Umweltministerin Svenja Schulze das Aktionsprogramm Insektenschutz mit den heute vorgestellten Maßnahmen, Finanzierungsvorschlägen und Förderprogrammen tatkräftig vorantreibt. Insbesondere unterstützen wir das vorangestellte Ziel, Veränderungen in unseren Agrarlandschaften zu erreichen, da Insekten hier ihre höchsten Verluste erleiden. Doch genau an den Ressortgrenzen zum Bundeslandwirtschaftsministerium schwächelt das Programm. Statt konkreter Maßnahmen wird auf weiterführende Strategien zur Reduktion von Pestiziden und Stickstoff als Platzhalter verwiesen. Ob die Bundesregierung ihr Ziel einer Trendumkehr beim Insektenschwund noch in dieser Legislaturperiode erreichen wird, hängt somit von der Kooperationsbereitschaft und dem ambitionierten Willen aller Ressorts ab", kommentiert DNR-Vizepräsidentin Undine Kurth.
"Fakt ist: Ohne wirksame Maßnahmen zur Pestizidreduktion ist kein nachhaltiger Insektenschutz zu machen. Fakt ist aber auch, dass der Ein- und Absatz von Pestiziden ansteigt - sowohl in Deutschland als auch weltweit. Bundesministerin Schulze schlägt in ihrem Programm wirksame Maßnahmen für eine Pestizidreduktion vor: so sollen Pestizide in Schutzgebieten und auf einem Gewässerrandstreifen von 10 - 20 Meter Breite grundsätzlich verboten und der Insektenschutz im Zulassungsverfahren verbessert werden. Eine echte Trendwende kann aber nur erreicht werden, wenn auch auf den intensiv bewirtschafteten Flächen und damit dem Gros der Feldflur deutlich weniger Pestizide eingesetzt werden. Dazu müssen Landwirtschafts- und Umweltministerium ein wirksames Pestizidreduktionsprogramm mit quantitativen Minderungszielen auflegen. Wie im Koalitionsvertrag zugesagt, muss die Bundesregierung zudem unverzüglich ein Ausstiegsprogramm für Glyphosat vorlegen", ergänzt BUND-Bundesgeschäftsführer Olaf Bandt.
"Es ist gut, dass das Bundesumweltministerium eine weitere Reduktion von Nährstoffeinträgen klar als notwendig benennt. Doch das reicht nicht aus. Es braucht einen großen Wurf, um die viel zu hohen Stickstoffeinträge und -überschüsse zu reduzieren. Dafür muss Landwirtschaftsministerin Klöckner die Zahl der in Deutschland gehaltenen Tiere an die zur Verfügung stehende Fläche anpassen. Außerdem bedarf das deutsche Düngerecht einer weitergehenden Novellierung, um die EU-Nitratrichtlinie einzuhalten - so wie es der Europäische Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil vom 21. Juni 2018 festgehalten hat", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner.
"Wir begrüßen, dass das Bundesumweltministerium die Forderung der Umweltverbände nach einer verbesserten Beobachtung der Biodiversität im Rahmen eines Monitoringzentrums aufgenommen hat. Nur so lässt sich die Wirkung von Maßnahmen zum Insektenschutz sauber kontrollieren und können die Maßnahmen bei Bedarf angepasst werden", ergänzt Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz des WWF Deutschland. "Wichtig ist mit Blick auf die Qualität des Monitorings, dass dazu ausreichend Stellen geschaffen und Mittel bereitgestellt werden. Die Aufgaben des neuen Zentrums dürfen nicht wie geplant noch irgendwie von bestehenden Institutionen mit übernommen werden. Ein halbherziges Biodiversitätsmonitoring auf Sparflamme wird schnell zum Blindflug."
NABU: Deutschland muss insektenfreundlicher werden
Tschimpke: Mehr pestizidfreie Regionen und naturverträglichere Landwirtschaft notwendig
NABU Pressemitteilung, 10.10.18
Berlin Angesichts der heutigen Vorschläge des Bundesumweltministeriums zum neuen Insektenschutzprogramm fordert der NABU, dass Deutschland grundsätzlich insektenfreundlicher werden muss. Dazu seien ein Umsteuern in der Landwirtschaft notwendig, eine deutliche Reduktion des Pestizideinsatzes sowie Schutzgebiete, die ihren Namen verdienen.
„Den Wert von Insekten können wir gar nicht hoch genug einschätzen. 90 Prozent aller Pflanzen sind auf Bestäubung angewiesen. Derzeit aber erleben wir einen alarmierenden Insektenschwund. Und das sowohl bei der Gesamtmasse als auch bei den Arten. Dieser Verlust kann verheerende Folgen haben für Mensch und Natur“, sagte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.
Der NABU begrüßt daher, dass die Bundesregierung erstmals ein spezielles Insektenschutzprogramm plant und Bundesumweltministerin Schulze hierzu einen umfassenden Maßnahmenkatalog erarbeitet. „Die Ursachen für den Insektenrückgang sind komplex, aber die hohe Verantwortung der Landwirtschaft ist bekannt. Nun geht es darum, Lösungen umzusetzen dabei darf sich keiner wegducken“, forderte Tschimpke. Bund und Länder müssten an einem Strang ziehen, ebenso sei die Landwirtschaft gefordert, den gefährlichen Trend zu stoppen.
Entscheidend zur Rettung der Insekten ist nach Ansicht des NABU eine naturverträglichere und damit insektenfreundlichere EU-Agrarpolitik. „Mit ihrer jetzigen Subventionspolitik zerstört die EU die Lebensräume von Insekten. Grünland wird zu intensiv genutzt, Brachflächen sind kaum mehr zu finden, Hecken, feuchte Stellen und blütenreiche Wegsäume sucht man vielerorts vergebens“, so Tschimpke.
Die Bundesregierung sei gefordert, jetzt in Brüssel einen Kurswechsel zu erreichen. Derzeit laufen die Verhandlungen für die Förderperiode ab 2021. Für Landwirte müsse es sich dann lohnen, Lebensräume von Insekten zu erhalten. Möglich sei dies durch eine Umschichtung der Gelder in einen neuen EU-Naturschutzfonds, der Landwirten Anreize für Naturschutzmaßnahmen bietet. Doch Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner will allem Anschein nach auch über 2021 hinaus am derzeitigen, umweltschädlichen System festhalten.
Auch national müsse die Bundesregierung schnell handeln. Sofortprogramme und Schutzmaßnahmen für Insekten seien unabdingbar in Anbetracht der chronischen Unterfinanzierung des Naturschutzes in Deutschland. Hierzulande klafft derzeit eine Finanzierungslücke von weit über 50 Prozent. Allein zur Umsetzung der EU-Naturschutzrichtlinien werden jährlich 1,4 Milliarden Euro benötigt zur Verfügung stehen lediglich 540 Millionen Euro.
Zusätzlich fordert der NABU ein besseres Management der Schutzgebiete. Für zahlreiche bedrohte Arten sind sie die letzten Rückzugsräume. Doch selbst hier dürfen häufig Pestizide eingesetzt werden. „Dadurch wird der Schutz der Insekten unterlaufen“, kritisierte der NABU-Präsident. Die Länder müssten strengere Vorgaben für die Schutzgebiete machen. Sinnvoll sei auch der Vorschlag von Bundesumweltministerin Schulze, artenreiches Grünland und Streuobstwiesen zu geschützten Biotopen zu erklären.
Dritter wesentlicher Schritt muss nach Ansicht des NABU eine deutliche Reduzierung des Pestizideinsatzes sein. Die Bundesregierung müsse dazu endlich verpflichtende Reduktionsziele beschließen. Die Vergangenheit habe gezeigt, dass reine Absichtserklärungen etwa im Nationalen Aktionsprogramm wirkungslos bleiben. „Wir brauchen auch wieder mehr Regionen, in denen überhaupt keine Pestizide eingesetzt werden“, forderte Tschimpke. Der Einsatz der besonders schädlichen Neonikotinoide sowie vergleichbar wirkender Insektizide und Breitbandherbizide wie Glyphosat müsse komplett verboten werden.
Vollständig pestizidfrei sollten künftig sämtliche Schutzgebiete sein sowie Städte und Gemeinden und der Haus- und Kleingartenbereich. „Auch das Zulassungssystem für Pestizide muss dringend reformiert werden. Wirkstoffe müssen stärker auf ihre Schädlichkeit für die biologische Vielfalt hin überprüft werden. Dafür muss sich Deutschland bei der laufenden Überprüfung der EU-Pestizid-Verordnung einsetzen“, so der NABU-Präsident.
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