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Aktuell
Entwaldung in Brasilien (mit AKTION)
Indigene in Gefahr
Greenpeace dokumentiert die Rodung im Amazonas in Brasilien. Die Zerstörung in Indigenen-Gebieten hat um 60 Prozent zugenommen. Besonders betroffen ist das Land der Ituna-Itatá.
Von Gesche Jürgens, Greenpeace-Online, 11.5.20
Die indigenen Gemeinschaften in Brasilien sind nicht erst seit Covid-19 in großer Gefahr - auch die Zerstörung ihrer Gebiete schreitet nach Greenpeace Recherchen in letzter Zeit dramatisch voran. Die Entwaldung innerhalb indigener Gebiete in Amazonien stieg in den ersten vier Monaten des Jahres 2020 im Vergleich zum gleichen Zeitraum des letzten Jahres um 59 Prozent an. Dies zeigt eine Analyse von Greenpeace Brasilien auf Basis der offiziellen Entwaldungsdaten der brasilianischen Weltraumbehörde.
Die Entwaldungswarnungen innerhalb des Landes der Indigenen erstreckten sich auf fast 1.320 Hektar zwischen Januar und April 2020 dies entspricht mehr als 1.800 Fußballfeldern. Im gleichen Zeitraum im Jahr 2019 waren es 827 Hektar. Besonders betroffen: das Gebiet der Ituna-Itatá. Die indigene Gemeinschaft lebt in freiwilliger Isolation, viel ist nicht über sie bekannt. Im vergangenen Jahr wurden dort von der Gesamtfläche von 142.000 Hektar knapp 12.000 Hektar zerstört: dies entspricht etwa der doppelten Fläche des Nationalparks Kellerwald in Hessen. Greenpeace belegte die Zerstörung mit Karten und Überflügen.
Eine Regierung gegen Indigene
Dieser Fall symbolisiert, wie exponentiell zunehmend Wald Im Amazonasgebiet abgeholzt wird. Er spiegelt zudem den beunruhigenden Trend der Invasion von Schutzgebieten durch Landräuber wider. Allein im Gebiet der Ituna-Itatá gibt es bereits mehr als 200 Einträge ins ländliche Umweltregister (CAR). Diese machen 94 Prozent der Gesamtfläche des Gebiets aus. Das Gebiet wurde folglich von Landräubern besetzt, die sich als Eigentümer des Landes ausgeben. Nach Greenpeace-Recherchen verkaufen illegale Landnehmer sowohl Holz als auch Rindfleisch an Händler bzw. Schlachthäuser, wovon die Produkte auch auf den internationalen Markt gelangen.
Im März drängten indigene Gruppen die brasilianische Regierung, ihre Territorien besser zu schützen und Eindringlinge von ihrem Land zu entfernen. Sie forderten auch verbesserte Gesundheitsmaßnahmen, um zu helfen, die Ausbreitung von COVID-19 in den Dörfern zu verhindern.
Statt die Rechte und die Gesundheit der Indigenen zu schützen, gießt die brasilianische Regierung weiter Öl ins Feuer: erst kürzlich hat der Präsident der Indigenen-Behörde FUNAI (die eigentlich für den Schutz der Indigenen zuständig ist) über die Anordnung IN 09 verfügt. Diese öffnet indigene Gebiete, die den Prozess der Anerkennung (Demarkierung) noch nicht vollständig durchlaufen haben, für Landraub.
Gesetz soll Landraub legalisieren
Auch drängt Präsident Bolsonaro den brasilianischen Kongress, in den kommenden Tagen für ein Gesetz (MP 910) zu stimmen, das in vielen Fällen vor dem Jahr 2018 erfolgten Landraub legalisieren würde. Wird das Gesetz beschlossen, schafft es Anreize für Landräuber, sich weitere Territorien anzueignen und zu entwalden. MP 910 wurde bereits Ende letzten Jahres von Präsident Bolsonaro offiziell unterschrieben. Das Gesetz muss allerdings noch vor dem 19. Mai vom Kongress und dem Senat gebilligt werden. Wird nicht innerhalb der Frist darüber abgestimmt, ist die Maßnahme ungültig und kann von der Regierung erst nächstes Jahr wieder vorgelegt werden. Doch durch die Covid-19 Pandemie wurde der Zugang der Zivilgesellschaft im Kongress erschwert. Außerdem sind momentan alle Kommissionen und öffentliche Anhörungen für derartige Maßnahmen ausgesetzt.
"Bolsonaro drückt nicht nur ein Auge zu, wenn Landräuber, illegale Holzfäller und Minenarbeiter während der Pandemie weiterhin indigene Gebiete plündern. Er plant, ihre kriminellen Machenschaften noch zu erleichtern. Es ist komplett inakzeptabel, dass die brasilianische Regierung die Krisensituation ausnutzt und eine Verordnung durchpeitscht, die Kriminalität legalisiert. Der brasilianische Kongress darf dies nicht zulassen“, sagt Gesche Jürgens, Wald-Kampaignerin bei Greenpeace.
Die Corona-Krise breitet sich in Amazonien aus
Covid-19 breitet sich in den Hauptstädten der Amazonas-Region mit erschreckender Geschwindigkeit aus, die Gesundheitssysteme brechen zusammen und der bisherige Umgang der brasilianischen Regierung mit der Krise ist beunruhigend. Erst jüngst hat sich der Bürgermeister von Manaus, der Hauptstadt des Bundesstaats Amazonas, zu Wort gemeldet und die Klimaaktivistin Greta Thunberg um Hilfe gebeten.
Die Situation in Amazonien bedroht insbesondere die Bevölkerung vor Ort, doch hat auch globale Konsequenzen. Denn die Abholzung zerstört nicht nur die Artenvielfalt und heizt die Klimakrise an, sie macht auch weitere Pandemien wie Covid-19 wahrscheinlicher. Denn der Erreger, der sich derzeit rund um den Globus ausbreitet, ist eine sogenannte Zoonose und wurde von Wildtieren auf Menschen übertragen. Weitere bekannte Zoonosen sind die Schweinegrippe, der Ebola- und der Zikavirus. Etwa 75 Prozent der neuen Infektionskrankheiten sind von Tieren zu Menschen übergesprungen. Der Grund liegt in der fortschreitende Naturzerstörung. Deshalb kommen wir Menschen öfter mit Wildtieren in Kontakt und die Erreger werden übertragen.
Was wir aus der Krise lernen (müssen)
Es gibt vieles das wir aus der aktuellen Covid-19-Pandemie lernen können - und auch lernen müssen. Die um den Erdball rasende Pandemie unterstreicht, wie verwundbar das globalisierte Handelssystem mit einer Kontinente überspannenden Nahrungsmittelproduktion ist. Gleichzeitig ist die industrielle Landwirtschaft und insbesondere die Produktion von Fleisch und Milchprodukten eine maßgebliche Ursache für die Zerstörung von Wäldern und anderen Naturräumen. Eine auf regionale Versorgung ausgerichtete Landwirtschaft ist dagegen weit besser geeignet, gesunde Lebensmittel mit weniger Risiken und umweltschonend zu erzeugen.
Das EU-Mercosur-Handelsabkommen fördert das Gegenteil einer regionalen, naturverträglichen Landwirtschaft. Mit dem Handelspakt sollen unter anderem Agrarprodukte aus Südamerika leichter auf den europäischen Markt gelangen. Im Gegenzug würden Zölle auf Autos, Maschinen und Chemikalien aus der EU gesenkt. Die Bundesregierung will das Abkommen schnellstmöglich ratifizieren. Dabei ist der Vertrag ein Desaster für Umwelt, Klimaschutz und Menschenrechte.
Mercosur stoppen
Durch das EU-Mercosur-Abkommen würde der Transport von Gütern und die damit verbundenen klimaschädlichen Emissionen drastisch steigen. Vielfach ist der Handel über Tausende Kilometer schlicht überflüssig, etwa bei Fleisch oder Zucker. Europa braucht diese Importe nicht. Die deutsche Landwirtschaft produziert so viel Fleisch, dass sie exportieren muss. Gleichzeitig beschleunigt das Abkommen die Zerstörung des Amazonas-Regenwaldes, den wir als Lebensraum und Schatzkammer der Artenvielfalt dringend brauchen.
Internationaler Handel muss Mensch und Natur in den Mittelpunkt stellen. Das EU-Mercosur-Abkommen feuert die fortschreitende Naturzerstörung weiter an. Das darf nicht passieren! Greenpeace setzt sich daher dafür ein, dass der Deal nicht ratifiziert wird. Bitte helfen Sie mit!
Unterschreiben Sie unsere Forderung, das EU-Mercosur-Abkommen zu stoppen! Fordern sie einen fairen Handel, der Klima, Artenvielfalt und Menschenrechte schützt!
Zur AKTION
Bergarbeiter und Holzfäller nehmen unter dem Schutz von Corona das Land unkontaktierter Völker ins Visier
Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 15.5.20
Einige der am stärksten gefährdeten unkontaktierten Völker der Welt werden zur Zielscheibe von Bergarbeitern und Holzfällern, die durch die Covid-19-Pandemie ein leichteres Spiel haben.
- Im brasilianischen Javari-Tal, der Heimat von mehr unkontaktierten Völkern als irgendwo sonst auf dem Planeten, sind Goldgräber mit einem großen Bagger in die Region des Rio Jutaí eingedrungen, das Gebiet der unkontaktierten Korubo.
- Das Ituna Itata-Territorium, in dem bekanntermaßen unkontaktierte Indigene leben, wird derzeit von Siedlern überfallen. Es war bereits 2019 das am stärksten abgeholzte indigene Territorium.
- Das Reservat der Uru Eu Wau Wau wird von Holzfällern und Farmern ins Visier genommen. Es ist bekannt, dass dort drei unkontaktierte Gruppen leben. Ein Wächter des Waldes, Ari Uru Eu Wau Wau, wurde dort letzten Monat ermordet.
- Banden illegaler Holzfäller zerstören den Wald im Gebiet Arariboia im nordöstlichen Amazonasgebiet. Dieser Wald ist die Heimat der unkontaktierten Awá dem bedrohtesten Volk der Welt. Die Wächter Amazoniens beobachten die Entwicklungen besorgt, da die Regierung untätig ist.
Diese und andere indigene Gebiete in Brasilien sind dreifach bedroht:
- Die Regierung von Präsident Bolsonaro hat Schritte unternommen, um die Bundesbehörden, die zuvor indigenes Land im Amazonasgebiet geschützt haben, drastisch zu schwächen;
- Viele der Teams, die dafür verantwortlich sind, Eindringlinge aus den Gebieten unkontaktierter Völker fernzuhalten, sind nicht voll einsatzfähig;
- Ein konzertierter Vorstoß des Präsidenten zur Öffnung von indigenen Territorien befördert eine Welle von Landnahmen.
Präsident Bolsonaro drängt mit Nachdruck darauf, dass der Kongress seinen Präsidialerlass MP910, bekannt als „das Gesetz zum Landraub“, billigt. Es würde dazu führen, dass große Teile des Landes der Indigenen zur kommerziellen Ausbeutung zugänglich würden. Ein Versuch, den Kongress dazu zu bewegen, diese Woche darüber abzustimmen, wurde blockiert. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass der Vorstoß nächste Woche in anderer Form in den Kongress eingebracht wird.
Neben vielen indigenen Völkern und Organisationen hat Survival International sich bei führenden Politiker*innen in Brasilien dafür eingesetzt, den Erlass zu blockieren, und sich an Twitter-Marathons beteiligt, die sich an Mitglieder des Kongresses richteten.
UNIVAJA, die indigene Organisation des Javari-Tals, erklärte: “Wir durchleben wegen der Corona-Pandemie eine Zeit großer Angst. In dieser für unsere Familien und die gesamte brasilianische Gesellschaft sensiblen Zeit dringen kriminelle Handlanger weiterhin in unser Gebiet ein, mit der Wahrscheinlichkeit, auf unkontaktierte Indigene im Gebiet des Javari-Tals zu treffen.”
Fiona Watson, Leiterin der Forschungsabteilung von Survival, sagte heute: “Was mit den indigenen Völkern in Brasilien geschieht, ist nicht weniger als ein umfassender, völkermörderischer Angriff. Unzählige Gebiete indigener Völker werden mit der Unterstützung einer Regierung überfallen, die die ersten Völker des Landes vollständig zerstören will und keinen Versuch unternimmt, dies zu verbergen. In den nächsten Monaten ist mit einer weiteren verheerenden Welle von Waldbränden zu rechnen, da die Trockenzeit im Amazonasgebiet beginnt und die nächsten Phasen von Bolsonaros 'Völkermord durch Gesetze' bevorstehen".
Brasilien: Absetzung von Missionar schwerer Schlag für Bolsonaro
Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 22.5.20
Das Urteil eines Richters, das einen umstrittenen Missionar mit sofortiger Wirkung von einem Spitzenposten in einer Regierungsbehörde entfernt hat, ist ein schwerer Schlag für Präsident Bolsonaro, so eine Erklärung von Survival International.
Ricardo Lopes Dias, ein evangelikaler Missionar und ehemaliges Mitglied der New Tribes Mission (NTM)/ Ethnos 360, wurde im Februar zum Leiter der Abteilung für unkontaktierte Völker der Behörde für indigene Angelegenheiten (FUNAI) ernannt.
Die Ernennung war äußerst umstritten. Sarah Shenker von Survival sagte damals, es “ist wie einen Fuchs mit dem Schutz des Hühnerstalls zu beauftragen”. Evangelikale Missionare haben unter Präsident Bolsonaro ihre Bemühungen verstärkt, Kontakt zu unkontaktierten Völkern aufzunehmen. Bolsonaro drängt auf eine Gesetzgebung, die das Land indigener Völker für die kommerzielle Ausbeutung öffnet, und er hat starke evangelikale Unterstützung.
Nun hat ein Richter entschieden, dass die Ernennung von Lopes Dias rechtswidrig war, und er wurde mit sofortiger Wirkung seines Amtes enthoben. Richter Antonio Souza Prudente erklärte in dem Urteil: Die Ernennung war “ein klarer Interessenkonflikt” und ein “großes Risiko für die Politik des Verzichts auf erzwungene Kontakte mit [unkontaktierten indigenen] Völkern
und für das Prinzip der Selbstbestimmung”.
Beto Marubo der indigenen Organisation UNIVAJA sagte gestern: “Die indigenen Völker des Javari-Tals wussten, dass es schädlich war, einen Missionar mit der Leitung der Abteilung für unkontaktierte Völker zu beauftragen, und hoffen, dass gegen diese Entscheidung keine Berufung eingelegt wird.”
Die Staatsanwaltschaft, die den Fall vorgebracht hatte, sagte: “Wir hatten Zugang zu Dokumenten, die von internationalen Missionsorganisationen unterzeichnet wurden, mit denen Ricardo Lopes Dias verbunden ist, und die die Beteiligung der New Tribes Mission-Brasilien, der er zehn Jahre lang angehörte, an einem Plan zur Herstellung von Zwangskontakten und zur Evangelisierung unkontaktierter Völker belegen.”
Sarah Shenker, Leiterin von Survivals Kampagne für unkontaktierte Völker, sagte gestern Abend: “Dies ist ein großer Sieg für die Verteidigung des Landes der unkontaktierten Völker. Die Ernennung von Lopes Dias war praktisch eine Kriegserklärung gegen ihr Recht auf den Schutz ihrer Territorien und das Recht, unkontaktiert zu bleiben, wenn sie das wollen.”
“Es war ein wesentlicher Teil von Bolsonaros ausdrücklicher Politik, die indigenen Völker des Landes zu zerstören die Teams, die ihre Territorien schützen, aufzulösen und ihr Land an Holzfäller, Bergleute und Viehzüchter zu verkaufen.”
“Unkontaktierte Völker schützen derzeit riesige Gebiete mit ressourcenreichem, hoch biodiversem Wald. Unter Lopes Dias lief alles Gefahr, erst für evangelikale Missionare und dann für das Big Business geöffnet zu werden. Das hätte sehr wahrscheinlich dazu geführt, dass ganze Völker ausgelöscht worden wären. Jetzt gibt es einen Hoffnungsschimmer, dass dies nicht geschehen wird.
“Es ist ein massiver Sieg für die Kampagne, Lopes Dias entfernen zu lassen. Indigene Organisationen in Brasilien haben die Anklage angeführt, Survival hat ihre Kampagne weltweit bekannt gemacht und monatelang Lobbyarbeit bei den Behörden betrieben. Survivals Unterstützer*innen haben 10.000 E-Mails an die Behörden verschickt. Es bleibt zu hoffen, dass Bolsonaro die Botschaft erhält, dass er, wenn er seine völkermörderische Agenda fortsetzt, bei jedem Schritt mit Widerstand rechnen kann”.
„Dramatische Lage in Manaus“
In Brasiliens Urwaldstadt Manaus sterben die Menschen wie die Fliegen, der Amazonas wird trotzdem gerodet. Naturschützer Thomas Gernot gibt Einblicke in ein verzweifeltes Land.
Von Ortrun Sadik, Greenpeace-Online, 8.5.20
https://www.greenpeace.de/themen/waelder/amazonas/dramatische-lage-manaus
Geplantes EU-Mercosur-Handelsabkommen verstärkt Gefahren für die Artenvielfalt
Deutschland lässt den Export und Vertrieb bienengiftiger Pestizidwirkstoffe nach und in Brasilien zu. Teilweise sind sie aufgrund ihrer hohen Risiken in der EU nicht mehr zugelassen.
Von Agneta Melzer, Greenpeace-Online, 22.5.20
Eine Messerspitze Fipronil: So eine geringe Menge von dem Pestizid würde rein rechnerisch ausreichen, um 84.000.000 Bienen zu töten. Richtig gelesen: 84 Millionen. Schon diese theoretische Überlegung zeigt, wie hochgefährlich der Stoff ist. Doch die wahrhaft dramatische Zahl kommt erst noch: Im Jahr 2018 setzten Firmen wie BASF in Brasilien 1.689.708 Kilogramm von dem Wirkstoff ab.
Dass Fipronil gefährlich für Bienen ist, erkennt die Europäische Union an. Deshalb widerrief sie die Zulassung mit Wirkung zum Jahr 2017. Doch wer denkt, dass das Gift damit insgesamt vom Markt verschwindet, hat sich getäuscht. Was für EU-Länder zu gefährlich ist, kommt anderswo durchaus noch zum Einsatz: Denn EU-Länder wie Deutschland erlauben hier ansässigen Unternehmen wie Bayer und BASF, solche Gifte weiterhin zu exportieren und zum Beispiel in Ländern Südamerikas wie Brasilien zu vertreiben. Wie eine Greenpeace-Untersuchung anlässlich des Tages der Artenvielfalt zeigt, sind beispielsweise mehr als die Hälfte der Wirkstoffe, die die deutschen Unternehmen Bayer und BASF in Brasilien vertreiben, als hochgefährliche Pestizide (HHP) eingestuft beziehungsweise in der EU teils nicht mehr zugelassen. Beispiele sind die stark bienengefährlichen Wirkstoffe Imidacloprid, Chlorpyrifos und eben Fipronil. Letzteres ist manchen vielleicht bekannt als Mittel gegen Flöhe, was sie bei ihren Hunden oder Katzen im Nacken aufbringen, versprühen industrielle Landwirtschaftunternehmen in Brasilien das Mittel großflächig aus dem Flugzeug, zum Beispiel auf ihren Sojafeldern. Damit landet das Gift dann über die Futtertröge der Kühe und des Geflügels auch in der menschlichen Nahrungskette. Das Herbizid Glufosinat ist hierfür ein Beispiel. Rückstände dieses als hoch gefährlich eingestuften Unkrautvernichtungsmittels sind in der EU etwa in Soja und Fleisch zulässig. Dabei ist seit Jahren bekannt, dass dieser Wirkstoff die Fruchtbarkeit oder Föten schädigen kann. Der Hersteller nahm es vom Markt, als klar wurde, dass es die EU-Zulassungskriterien nicht mehr erfüllt.
EU-Mercosur-Abkommen verstärkt den Kreislauf
Die EU hat mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay, ein Handelsabkommen verhandelt, das die Probleme verschärfen würde. So sollen die Mercosurländer laut dem derzeit im Ratifizierungsprozess befindlichen Abkommen beispielsweise größere Mengen Rindfleisch zu vorteilhaften Zollbedingungen in die EU exportieren dürfen. Mehr Fleisch von Kühen, die sich von mit giftigen Pestiziden behandeltem Soja ernährt haben, würde dann hierzulande auf den Tellern landen. Gleichzeitig würde sich vor Ort der Bedarf nach Futtersoja erhöhen.
Hinzu kommt, dass durch das Abkommen die bisher bestehenden Zölle auf die Pestizide wegfallen sollen, wodurch der Absatz wohl weiter steigen wird. Dabei ist die Artenvielfalt schon jetzt massiv unter Druck; beispielsweise verendeten allein im Januar 2019 50 Millionen Bienen im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina an den im Soja-Anbau eingesetzten Pestiziden und im ganzen Lande 400 Millionen Bienen.
Immerhin: Der Widerstand gegen das Abkommen wächst. Länder wie Österreich und Frankreich fordern Nachbesserungen. Frankreich betont dabei explizit, dass Umweltfragen mehr Gewicht bekommen müssen. Auch hat das Land ein Gesetz verabschiedet, das ab 2021 den Export dort nicht zugelasser Pestizide verbietet.
Deutschland könnte hier nachziehen. Stattdessen ist es bisher sogar Treiber des EU-Mercosur-Abkommens. “Das muss sich ändern”, sagt Jürgen Knirsch, Greenpeace-Experte für Handelsthemen. “Deutschland muss das Abkommen stoppen, denn es wäre Belohnung und Bestätigung für Bolsonaro, der jedweden Umweltschutz mit den Füßen tritt. Wenn Deutschland im zweiten Halbjahr 2020 die EU-Ratspräsidentschaft inne hat, hat es die Möglichkeiten dazu.”
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