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Aktuell
Belo Monte Staudamm und Klimawandel
Klimawandel in Brasilien macht drittgrößten Staudamm der Welt unrentabel
WWF warnt vor finanziellem Absturz des geplanten Belo-Monte-Projekts
WWF Österreich, 18.4.2011
Wien/Brasilia - Der umstrittene Belo-Monte-Staudamm in Brasilien könnte durch den Klimawandel im Jahr 2050 bis zu 80 Prozent der geplanten Einnahmen aus der Stromgewinnung verlieren. Der Verlust an Profit ist auf die verminderte Wassermenge des Xingu-Flusses zurückzuführen. Das ist das erste Ergebnis einer Studie, die im Auftrag von WWF Brasilien derzeit erstellt wird. Durch die Auswirkungen des Klimawandels ist das Projekt, das zehn Milliarden Euro kosten soll, auch wirtschaftlich unrentabel und wird ein finanzielles Desaster, so der brasilianische WWF-Experte Carlos Rittl. Die österreichische Andritz AG hält weiter an der Lieferung technischer Anlagen für das geplante Kraftwerk im Amazonas-Regenwald fest.
Die gegenwärtige Studie von WWF Brasilien und Wasserwirtschafts- sowie Klimaexperten im Rahmen der “HSBC Klimapartnerschaft” untersucht die Anfälligkeit von Wasserkraftprojekten in Nordbrasilien. Die hohen sozialen und finanziellen Kosten sowie die negativen Auswirkungen auf den Amazonas-Regenwald und die dort lebenden Menschen und indigenen Völker sollten die brasilianische Regierung endlich zum Umdenken bewegen”, so WWF-Experte Rittl.
Die Studie, die noch dieses Jahr veröffentlicht wird, geht von vier Klimaszenarien des UN-Weltklimarates IPCC aus, die die Zukunft der Menschheit nach verschiedenen Emissionsszenarien beschreiben. Danach ergeben sich deutlich verminderte Wassermengen im Xingu für das Jahr 2050. Der WWF kritisiert daher, dass die Auswirkungen des Klimawandels nicht genügend bei der Planung dieses drittgrößten Kraftwerks der Welt berücksichtigt wurden. “Bereits 2005 und 2010 gab es in Brasilien zwei extreme Dürreperioden”, so der brasilianische WWF-Naturschutzdirektor Carlos Alberto de Mattos Scaramuzza. Der WWF verweist die brasilianische Regierung stattdessen auf das enorme Energieeinsparungspotenzial Brasiliens und die vielen Möglichkeiten der Gewinnung von Strom aus Sonne, Wind und Biomasse.
Die österreichische Andritz AG soll für das Belo-Monte-Kraftwerk Turbinen, Generatoren und technische Ausrüstung im Wert von 330 Millionen Euro liefern. Wenn das Kraftwerk gebaut würde, müssten 20.000 Menschen umgesiedelt werden und der Lebensraum von 14.000 Angehörigen indigener Stämme würde zerstört. Der WWF befürchtet enorme ökologische Schäden, die beeinträchtigung der Artenvielfalt des Amazonas-Regenwaldes und die Ausbreitung von Krankheiten wie Malaria in der Region.
Vernichtender Bericht des brasilianischen Menschenrechtsrates zu Belo Monte
Plattform Belo Monte, 14.4.11
Der brasilianische Nationalrat für Rechte der menschlichen Person (CDDPH) stellte in einer Sitzung am Mittwoch (13.4.) in Brasília „die absolute Abwesenheit des Staates“ in jenem Gebiet fest, in dem die Baustellen für das Wasserkraftwerk Belo Monte errichtet werden sollen. Belo Monte ist mit geplanten Investitionen zwischen 8 und 15 Mrd Euro eines der größten und widersprüchlichsten Infrastrukturprojekte der Regierung. An der Sitzung nahm auch die Ministerin des Staatssekretariats für Menschenrechte (SDH), Maria do Rosário, teil.
Der Vizepräsident von CDDPH, Percílio de Sousa Lima Neto, hatte sich selbst über die Situation vor Ort informiert und kritisierte, dass sich aufgrund der Abwesenheit des Staates die Firmenmitarbeiter des Projektbetreibers Norte Energia als Staatsbedienstete ausgeben und die lokale Bevölkerung unter Druck setzen, ihr Land zugunsten des Kraftwerkprojekts aufzugeben.
"Das ist richtiges Niemandsland. Es gibt alle nur vorstellbaren Probleme bis zur sexuellen Ausbeutung von Kindern, der Staat versagt völlig bei der Grundversorgung. Es herrscht ein eklatanter Interessenskonflikt zwischen dem Projektbetreiber und der betroffenen Bevölkerung", sagte Lima Neto. „Die Leute bitten uns in ihrer Not um Hilfe, und wir müssen sie anhören.“
Diese Kritik stimmt mit dem Antrag der OAS vom 1. April an die brasilianische Regierung überein, dass bei Belo Monte irreguläre Zustände herrschen, die einen momentanen Baustopp nahe legen. Das hatte seitens der Regierung große Empörung ausgelöst.
Sadi Panseira, Ombudsmann für Landfragen im Agrarministerium, berichtete vom Fall eines Familienvaters. Zur Mittagszeit waren Männer der Baufirma bei ihm aufgetaucht, sie wollten sich nicht setzen, legten ohne Erklärungen ein Papier hin und verlangten: "Unterschreib das hier oder du wirst nichts bekommen und vertrieben werden". Laut Angaben von Xingu Vivo hätten bereits viele Landbesitzer aus Angst einfach ein weißes Blatt unterschrieben, das ihnen hingehalten worden war. Sie blicken einer ungewissen Zukunft entgegen.
Ivana Farina Navarrete Pena, CDDPH-Vertreterin der Staatsanwaltschaft, beklagte die Vernachlässigung von Überprüfungen der Vereinbarungen. So müssten z.B. die IBAMA-Techniker nun ihre Berichte nicht mehr nach Altamira, sondern nach Belém schicken, was alles verzögert und komplizierter macht. „Der Staat kommt seiner Kontrollaufgabe nicht nach, weil es die Spielregeln nicht ermöglichen“, sagte Ivana.
Ministerin Maria do Rosário wiederholte die Position der Regierung, dass der von der OAS geforderte Baustopp illusorisch sei. Zugleich betonte sie, dass das nicht bedeutet, die Regierung müsse ihre Aufgaben nicht wahrnehmen und hätte keine Verpflichtungen bei der Durchführung ihrer Projekte. „Wir kennen unseren Handlungsbedarf“, gestand sie zu.
Norte Energia wies jede Kritik schlichtweg zurück und sagte, dass „alles bezüglich Belo Monte noch im Laufen und in Entwicklung“ sei man hätte nur eine beschränkte Lizens für die Errichtung der Baustelle.
Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten
(OAS) fordert Baustopp für Belo Monte-Staudamm in Brasilien
GfbV Pressemitteilung, 6.4.11
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) begrüßt die Forderung der
Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten
(OAS) an Brasilien, das Genehmigungsverfahren und sämtliche
Bauarbeiten am Belo-Monte-Staudamm im Bundesstaat Para sofort
einzustellen. "Die Kommission hat am Montag ausdrücklich bestätigt, dass
die indigenen Völker in die Planung und Entscheidungswege des Projektes
einbezogen sein müssen, bevor mit den Bauarbeiten begonnen wird",
erläuterte Yvonne Bangert, GfbV-Referentin für indigene Völker, am
Mittwoch in Göttingen. "Die meisten direkt oder indirekt betroffenen
indigenen Gemeinschaften wurden weder angehört noch wurde über
etwaige Entschädigungen verhandelt."
Die Menschenrechtskommission macht es der Regierung Dilma Rousseff
jetzt zur Auflage, in Erfüllung ihrer internationalen Verpflichtungen einen
Beratungsprozess nach den Regeln einer freien, vorherigen und
informierten Zustimmung sofort durchzuführen. Die betroffenen indigenen
Gemeinschaften müssen rechtzeitig und in ihrer jeweiligen Sprache mit der
Umweltverträglichkeitsprüfung des Projektes vertraut gemacht werden.
"Ganz besonderen Wert hat die Kommission vor allem auf den Umgang mit
den indigenen Gemeinschaften gelegt, die sich in die Abgeschiedenheit der
Wälder zurückgezogen haben", berichtete Bangert. "Brasilien ist nun endlich
aufgefordert, alles zu tun, um diese isoliert lebenden kleinen Völker im
Xingu-Becken zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Ausbreitung
Krankheiten und Epidemien verhindert wird, die Siedler und Bauarbeiter
einschleppen könnten." Binnen 15 Tagen muss Brasilien der OAS Bericht
erstatten über Maßnahmen, die Forderungen zu erfüllen.
Die UN-Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation ILO 169 und die
Erklärung der Rechte der indigenen Völker der Vereinten Nationen
schreiben dieses Verfahren bei geplanter Nutzung von Gebieten, die von
indigenen Völkern besiedelt werden, vor. Beide wurden von Brasilien
ratifiziert. Die brasilianische Regierung reagierte mit Unverständnis und
Verärgerung. Die Forderungen seien "voreilig und ungerechtfertigt".
OAS fordert sofortigen Stopp für Belo Monte
Plattform Belo Monte, 5.4.11
Die Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten fordert von Brasilien einen Stopp des Kraftwerksprojekts Belo Monte, solange gewisse Bedingungen nicht erfüllt sind. PlattformBeloMonte bringt eine Übersetzung des Schreibens.
Am 1. April 2011 stellte die Menschenrechtskommission der Organisation Amerikanischer Staaten (IACHR) Forderungen nach Vorsichtsmaßnahmen für die indigenen Völker des Xingu-Beckens in Pará, Brasilien: Arara da Volta Grande do Xingu; Juruna de Paquiçamba; Juruna de Kilómetro 17; Xikrin de Trincheira Bacajá; Asurini de Koatinemo; Kararaô und Kayapó des Territoriums Kararaô; Parakanã de Apyterewa; Araweté do Igarapé Ipixuna; Arara des Territoriums Arara; Arara do Cachoeira Seca und die indigenen Völker, die im Xingubecken in freiwilliger Isolation leben. Sie behaupten im Ansuchen, dass ihr Leben und ihre physische Integrität durch den Bau des Wasserkraftwerks Belo Monte bedroht ist. Die Interamerikanische Kommission fordert gemäß Artikel 25 den brasilianischen Staat auf, den Genehmigungsprozess für das Wasserkraftwerk Belo Monte sofort zu stoppen und jegliche Bauarbeiten im Zusammenhang mit dem Kraftwerk einzustellen, bis bestimmte minimale Bedingungen erfüllt sind.
Der Staat muss (1) in der Erfüllung seiner internationalen Verpflichtungen einen Beratungsprozess durchführen, und zwar vorausgehende Beratungen, die frei, informativ, des guten Glaubens, kulturell passend sind und eine Vereinbarung zum Ziel haben - in Bezug auf jede der betroffenen indigenen Gemeinschaften, die Begünstigte dieser Vorsichtsmaßnahmen sind;
Der Staat muss (2) garantieren, dass gemäß einem informierten Beratungsprozess die indigenen Gemeinschaften im Voraus die sozialen Studien und Umweltverträglchkeitsprüfungen des Projektes zur Einsicht bekommen, und zwar in einem zugänglichen Format einschließlich der Übersetzung in die jeweiligen indigenen Sprachen;
Der Staat muss (3) geeignete Maßnahmen ergreifen, um das Leben und die physische Integrität der Mitglieder der indigenen Völker in ihrer freiwilligen Isolation im Xingubecken zu schützen. Ihre Präsenz wurde durch den brasilianischen Staat selbst anerkannt, wie auch ihre kollektive Existenz als indigene Gemeinschaften.
Der Staat muss (4) geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Ausbreitung von Krankheiten und Epidemien, die als Folge des Wasserkraftwerks von Belo Monte befürchtet werden, unter den einheimischen Gemeinschaften zu verhindern. Das schließt auch Krankheiten ein, die durch massiv Bevölkerungsströme entstehen.
Informationen über die Erfüllung der angeführten Bedingungen sowie eine ständig Aktualisierund des Informationsstands werden innerhalb von 15 Tagen verlangt. Nach Anhörung beider Seiten wird die Kommission eine Verlängerung oder Aufhebung des Stopps von Belo Monte entscheiden.
Einzigartiges Fischritual: das diesjährige könnte das letzte sein
Survival International Deutschland e.V., 28.3.11
Ein komplizierter Damm aus Holz bildet die Grundlage
für das Yãkwa-Ritual der Enawene Nawe. © Survival
Die Enawene Nawe aus Brasilien haben ihr einzigartiges Fischritual dieses Jahr mit der Angst begonnen, dass die 80 Staudämme, die für den Juruena -Fluss geplant sind, die Fischbestände weiter verringern könnten.
Das kunstvolle Yãkwa-Ritual wurde von Brasiliens Kulturministerium als Teil des kulturellen Erbes des Landes anerkannt. Dennoch konnte das Ritual 2009 zum ersten Mal nicht durchgeführt werden, da es kaum noch Fische in den Flüssen gab.
Die Enawene Nawe sahen sich damals einer katastrophalen Nahrungsknappheit gegenüber. Das Bauunternehmen, dass die Staudämme errichtet, war deshalb gezwungen 3.000 Kilo Zuchtfisch für das Volk bereitzustellen. Im Jahr 2010 war die Zahl der Fische erneut sehr niedrig. Einige der geplanten Dämme werden durch die André Maggi- Gruppe finanziert, einer der größten Sojaproduzenten weltweit.
Während dem Yãkwa-Ritual verbringen die Indigenen mehrere Monate im Wald und errichten aufwändige Dämme aus Holz, in denen die Fische gefangen werden. Nach dem Fang wird der Fisch geräuchert und auf Kanus zurück in die Dörfern transportiert.
Das Ritual ist ein unerlässlicher Teil der spirituellen Kultur der Indigenen und lebenswichtig für ihre Ernährung, da die Enawene Nawe als beinahe einziges Volk - kein Fleisch essen. „Wir wollen nicht, dass die Dämme unser Wasser verschmutzen, unsere Fische töten und in unser Land eindringen,“ beklagten die Enawene Nawe in einem Brief an die UN.
Das Volk hat nie sein Einverständnis für den Bau der Dämme erteilt. Die Indigenen errichteten Blockaden und drangen zum Bauplatz eines Dammes vor, um zu warnen, dass die Dämme ihrer Lebensweise unumkehrbaren Schaden zufügen würden.
Stephen Corry, Direktor von Survival International, sagte: „Es ist bittere Ironie, dass heute, wo das Yãkwa-Ritual als ein Teil des kulturellen Erbes Brasiliens anerkannt ist, es sehr bald aufhören könnte zu existieren. Die gesamte Lebensweise der Enawene Nawe ist in Gefahr.“
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