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Amazonas-Straße gestoppt
Baustopp nach Protestmarsch - Straßenbau in Boliviens Amazonas-Gebiet
»So nicht!« Präsident Morales muss den Protesten der Ureinwohner gegen eine Fernstraße durch das Natur und Indianerschutzgebiet Isiboro-Sécure nachgeben.
Von Gerhard Dilger, taz, 27.09.11
So kleinlaut haben die BolivianerInnen ihren Staatschef noch nie erlebt. Am Montagabend um 20.45 Uhr, eine dreiviertel Stunde später als angekündigt, trat Evo Morales im Präsidentenpalast von La Paz vor die Presse und gab eine 15-minütige Erklärung ab, die live im Radio und Fernsehen übertragen wurde.
»Wir weisen die Auswüchse zurück, wir teilen die Gewalt nicht, die Misshandlung unserer indigenen Brüder, die auf dem Marsch waren«, begann er und kündigte eine »gründliche Untersuchung« der »unverzeihlichen« Vorfälle an.
Es war die schwierigste Rede in Morales fast sechsjähriger Amtszeit. Tags zuvor hatten 500 Polizisten mit Tränengas und Schlagstöcken nach 42 Tagen den Protestmarsch von rund tausend Tieflandindianern aufgelöst, die nach La Paz ziehen wollten. Die Marschierer wehren sich gegen den Bau einer Fernstraße durch ein Naturschutzgebiet, in dem rund 15.000 Angehörige dreier indigener Völker wohnen.
Am späten Sonntagnachmittag drangen die Spezialeinheiten in ein Zeltlager der Straßenbaugegner ein und zerrten sie, darunter viele Frauen und Kinder, in bereitstehende Busse. Manche wurden in Handschellen abgeführt, andere suchten im Chaos das Weite. Bei hochsommerlichen Temperaturen war die Stimmung bereits am Samstag eskaliert: Die Protestierer hielten Außenminister David Choquehuanca über vier Stunden lang fest und zwangen ihn, mit ihnen über eine gesperrte Brücke zu ziehen.
Ein paar hundert Meter weiter warteten regierungstreue Gegendemonstranten, die den Marsch bereits eine gute Woche lang blockiert hatten. Einsatzleiter Óscar Muñoz nannte die »aggressive Haltung gegenüber Personen, die zu Gesprächen gekommen waren«, als einen Grund für die Auflösung des Marsches, außerdem seien Polizisten von einer Gruppe Bogenschützen umstellt worden.
Verteidigungsministerin geht
Am Montag reichte Verteidigungsministerin Cecilia Chacón ihren Rücktritt ein. Sie könne den Einsatz »weder verteidigen noch rechtfertigen, solange es Alternativen im Rahmen des Dialogs, des Respekts der Menschenrechte und der Verteidigung von Mutter Erde gibt«, begründete sie ihren Schritt. »So nicht! Wir haben mit dem Volk vereinbart, die Dinge anders zu machen«, schrieb sie an Morales.
Im ganzen Land kam es zu Protesten, hunderte Studenten zogen vor den Präsidentenpalast. Der Gewerkschaftsdachverband COB kündigte für Mittwoch einen Generalstreik an. Rafael Quispe, einer der Anführer des Protestes, legte den Finger in die Wunde: »Es ist eine angeblich indigene Regierung, die auf die Indígenas losgeht.«
Für den Straßenbau sprächen die Forderungen »vieler sozialer Sektoren«, aber auch Regierungsdekrete seit 1984, sagte Evo Morales in seiner Rede. Er wünscht nun eine »nationale Debatte«, bis dahin sei das Projekt ausgesetzt. Wie schon Stunden vor dem Polizeieinsatz deutete der sozialistische Präsident an, er könne die Entscheidung über den Straßenbau über eine Volksabstimmung in den Provinzen Cochabamba und Beni sanktionieren lassen.
306 Kilometer
Seit Monaten argumentiert die Regierung, die 306 Kilometer lange Straße, die in Nord-Süd-Richtung von San Ignacio de Moxos nach Villa Tunari im Kokaanbaugebiet Chapare verlaufen soll, sei wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Die Protestierer aber wehren sich gegen die drohende Zerstörung des 12.000 Quadratkilometer großen Natur und Indianerschutzgebietes Isiboro-Sécure.
Die Straße wird zu 80 Prozent von der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES finanziert, ihre Anfangs und Endabschnitte werden bereits vom brasilianischen Multi OAS gebaut. Sie gehört auch zu einer geplanten Verbindung vom südlichen Amazonasgebiet zum Pazifik, auf der einmal Rohstoffe aus Brasilien für die asiatischen Märkte transportiert werden sollen. Die Tieflandindianer fordern eine Alternativroute für den mittleren Streckenabschnitt, der durch das Schutzgebiet verlaufen soll.
Morales stoppt Straßenprojekt
(dpa) - 28. September, 2011
http://www.badische-zeitung.de/nachrichten/ausland/morales-stoppt-strassenprojekt--50084959.html
Indigenen-Protest in Bolivien mit Tränengas niedergeschlagen
Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 26.9.11
Ein 40-tägiger Protestmarsch von über 1.000 bolivianischen Indianern musste gestern unerwartet abgebrochen werden, nachdem die Polizei Tränengas und Schlagstöcke gegen die Demonstranten einsetzte.
Die Indianer wollten aus Protest gegen eine Autobahn, die inmitten des Isiboro Sécure Nationalparks gebaut werden soll, 500km durch das Land laufen. Ihr Weg sollte sie von Trinidad, im Norden des Landes, bis zur Hauptstadt La Paz führen.
Im Isiboro Sécure Nationalpark leben drei indigene Völker: die Chiman, Yurucare und Moxos. Die Demonstranten wurden von einer Polizeisperre, die angeblich aufgestellt wurde um Streit zwischen verärgerten Siedlern und den Demonstranten zu verhindern, mehrere Tage festgehalten. Ohne Vorwarnung nahm die Polizei am Sonntag Nachmittag mehrere Leiter der Gruppe fest und zerstörte das Lager. Eine Reihe von Kindern wird als vermisst gemeldet.
Boliviens Präsident Evo Morales war stark in die Kritik geraten, da er die indigenen Einwohner des Parks nicht vorher zum Bau der Straße konsultiert hatte. Die Straße wird vermutlich illegalen Holzfällern und Siedlern den Weg ebnen, und so zur Zerstörung des Waldes beitragen.
Trotz seiner Wahlkampversprechen, in der sich Morales für die Rechte indigener Gruppen und den Umweltschutz stark gemacht hatte, sagte der Präsident nun: “Ob es ihnen gefällt oder nicht, diese Straße wird gebaut.”
Das brasilianische Unternehmen OAS ist beauftragt worden die Straße zu bauen. Finanziert wird das Projekt von der brasilianischen Entwicklungsbank.
Zusammen mit über 60 internationalen Organisationen hat Survival einen Brief an Präsident Morales unterschrieben, der das Recht der Indianer unterstützt, über alle Projekte, die sie oder ihr Land direkt betreffen, konsultiert zu werden.
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