powered by <wdss>
Aktuell

Nachhaltiges Palmöl: Boom aber umstritten

Nachhaltiges Palmöl boomt, Zertifizierung ist umstritten

Rat für Nachhaltige Entwicklung Pressemitteilung, 19.6.14

In vielen Lebensmitteln ist Palmöl, doch nirgends steht es drauf. Ab nächstem Jahr ändert sich das in der gesamten EU. Damit wächst der Druck auf Unternehmen, nur nachhaltig zertifiziertes Palmöl zu beziehen – die Mitglieder des Forums Nachhaltiges Palmöl in Deutschland wollen genau das bis Ende 2014 schaffen. Allerdings hagelt es Kritik an der Zertifizierung.

Der Hinweis findet sich auf der Inhaltsliste von vielen verarbeiteten Lebensmitteln: enthält pflanzliches Öl oder pflanzliches Fett. Dabei handelt es sich fast immer um Sojaöl oder Palmöl, letzteres befindet sich in knapp der Hälfte aller verarbeiteten Lebensmittel. Ab nächstem Jahr nun muss auf allen in der EU angebotenen Lebensmittel stehen, von welchen Pflanzen die Fette oder Öle stammen.

Damit wächst der Druck auf die Industrie: Konsumenten könnten Produkte im Regal liegen lassen, wenn es „Palmöl“ als Zutat enthält, weil sie wissen, dass für die Plantagen oft Regenwälder gerodet und Kleinbauern von ihrem Land vertrieben werden. Auf vielen Plantagen wird für Hungerlöhne gearbeitet. 86 Prozent der Weltproduktion stammt aus Malaysia und Indonesien. Die globale Produktion von Palmöl hat sich in den letzten 30 Jahren verzehnfacht.

„Die Industrie macht sich wirklich Sorgen wegen der neuen EU-Regeln“, sagt Pat Venditti, der bei Greenpeace in London die Kampagne gegen die Abholzung der Regenwälder leitet. Er glaubt, dass sich die Lebensmittelkonzerne nun reformieren müssen. Was sie bereits jetzt versuchen: Bis Ende 2014 wollen alle Unternehmen des Forums Nachhaltiges Palmöl in Deutschland, kurz Fonap, ausschließlich nachhaltig zertifiziertes Öl verwenden.

„Wir gehen davon aus, dass alle Mitglieder das Ziel erreichen“, sagt Daniel May, Generalsekretär des Fonap. Dazu zählen Unternehmen wie Unilever Deutschland, Henkel, Rewe, Lidl, Nestle Deutschland, Kaufland, Edeka oder dm. Auch international macht sich der Druck bemerkbar: Der Roundtable on Sustainable Palm Oil (RSPO) gab im April bekannt, dass der Absatz von Palmöl mit dem RSPO-Zertifikat von Januar bis März 2014 im Vergleich zum ersten Quartal 2013 um 50 Prozent gestiegen ist. Damit sei nun 16 Prozent der Weltproduktion als nachhaltig zertifiziert.

Der RSPO-Standard wird auch vom deutschen Fonap anerkannt, ebenso wie die Standards des Roundtable on Sustainable Biomaterials, der Rainforest Alliance und der International Sustainability and Carbon Certification. Doch führen die Standards zu wirklich nachhaltigem Anbau von Palmöl?

Ein Anfang, mehr nicht

Einige NGOs sagen ganz klar: Nein. „Die Grundprobleme all dieser Siegel bestehen darin, dass sie den Kunden angeblich umweltfreundliche und sozial verträgliche Produktion vortäuschen und helfen, unseren exzessiven und globalen Ressourcenkonsum zu legitimieren und zu zementieren“, sagt Klaus Schenck, Wald- und Energiereferent beim Verein Rettet den Regenwald, der auch vor Ort recherchiert.

Schenck listet eine ganze Reihe Mängel auf: Alle Flächen, die vor 2008 gerodet wurden, können zertifiziert werden, auch nach 2008 sind nur sogenannte High Conservation Value Areas ausgeschlossen, das sind unberührte Regenwälder oder solche, in denen bedrohte Arten wie Orang Utans leben. „RSPO verhindert keine Regenwaldabholzungen“, sagt auch Venditti von Greenpeace und verweist auf einen Report der Umweltschutzorganisation. „Aber immerhin ist der Standard eine gute Orientierung für Minimal-Anforderungen des Palmöl-Anbaus“, sagt er.

Eine umfassende Auswertung von Berichten und Studien über RSPO haben jüngst Brot für die Welt und die Vereinte Evangelische Mission veröffentlicht. Das Fazit fällt vernichtend aus. „Viele Kritikerinnen und Kritiker bezweifeln, dass angesichts der Monokulturen auf großen Flächen ökologisch und sozial nachhaltige Strukturen überhaupt möglich sind“, heißt es darin. Viele zertifizierte Unternehmen würden die Kriterien des RSPO kaum oder gar nicht einhalten.

Die Überwachung sei lückenhaft, es gebe bei Verstößen kaum Sanktionen. „Viele der von der Ausweitung der Plantagen betroffenen Gemeinschaften kennen bis heute weder ihre Rechte noch die Kriterien des RSPO, auf die sie sich in Konfliktfällen berufen können“, heißt es in dem Bericht. Der RSPO hat eigens eine Beschwerdestelle eingerichtet, falls gegen den Standard verstoßen wird, bei der auch regelmäßig Meldungen eingehen.

Beim Fonap herrscht durchaus Problembewusstein. May hält die Kritik für „oftmals berechtigt“ und fordert eine konsequente Umsetzung der Kriterien des RSPO, um die Probleme zu lösen. „Zertifiziertes Palmöl ist, bei aller Kritik, immer noch besser als als nicht zertifiziertes. Es liegt nun auch an den Verbrauchern, darauf zu achten, insbesondere die Produkte zu kaufen, die bereits zertifiziert sind“, sagt er.

RSPO soll besser werden

Die sehr kritische Studie von Brot für die Welt ist auch auf der Homepage der Fonap veröffentlicht worden. Und sie sieht auch Positives: Denn trotz der aufgezählten Schwächen sei der RSPO das einzige einschlägige Instrument überhaupt, das qualitative Standards zur Bewertung des Palmölanbaus enthält, heißt es darin.

May macht keinen Hehl daraus, dass es auf bestimmten Plantagen Probleme gibt. „Eine Zertifizierung kann auch die indirekte Landnutzung nicht verhindern“, sagt er – also das Problem, dass der Anbau von Palmöl dazu führt, dass für andere Agrarprodukte weniger Fläche zur Verfügung steht, die zu Rodungen an anderen Stellen führen.

Dafür hat das Fonap als eines seiner Ziele definiert, den RSPO-Standard zu verbessern und bereits Kriterien dazu aufgestellt. Auch Greenpeace-Mann Venditti stellt fest, dass manche Unternehmen das RSPO-Zertifikat nur als Grundlage nehmen und selbst die Kriterien verschärfen.

Darauf aufbauend haben im vergangenen Jahr einige Unternehmen zusammen mit NGOs wie Greenpeace oder dem WWF eine neue Initiative gegründet. Die Palm Oil Innovations Group lehnt den RSPO-Standard nicht ab, sondern will ihn weiterentwickeln.

Oberstes Ziel ist es, Palmölanbau ohne Menschenrechtsverletzungen und ohne die Zerstörung von Wäldern und Mooren zu gewährleisten – verlangt wird sogar ein aktiver Beitrag zum Artenschutz. „Dazu wollen wir die Palmöl- Produzenten bringen“, sagt Venditti.




» zurück
 

Druckversion