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Aktuell

Peru: Waldschützer ermordet

Illegale Goldschürfer ermorden Waldschützer

Von Hildegard Willer, Informationsstelle Peru e.V., 12.12.15

Am 19. November 2015 hatte Alfredo Vracko, 59, wieder einmal vergeblich gewartet: zwar kamen endlich der Staatsanwalt und die Polizei, um die illegalen Goldschürfer zu vertreiben, die seine Forstkonzession in Madre de Dios besetzt hatten. Die Polizei musste jedoch unverrichteter Dinge abziehen, da der Vertreter des Bergbauministeriums nicht eintraf. Stattdessen kamen Vrackos Mörder. Um 19 Uhr abends fuhren zwei Unbekannte im Motorrad vor sein Haus und erschossen Alfredo Vracko kaltblütig.

Der illegale Goldabbau in Madre de Dios hat damit wieder einmal sein entmenschlichtes, kriminelles Gesicht gezeigt. Alfredo Vracko, ein Peruaner slowenischer Abstammung, widmete sich seit 1975 der Forstwirtschaft in Madre de Dios. Neben landwirtschaftlichem Land und Forstkonzessionen betrieb er auch eine Wiederaufforstungs-Konzession.

Die Probleme begannen vor rund 10 Jahren: die Forstkonzessionen von Vracko liegen nahe La Pampa, dem Gebiet zwischen Puerto Maldonado und Mazuko, das Goldschürfer illegal besetzt haben. Vracko hatte die Besetzung seines Landes durch Goldschürfer mehrmals bei den Behörden gemeldet und sich damit den Zorn der illegalen Gold-Bergwerksbetreiber zugezogen. Obwohl die Mörder Vrackos noch nicht gefunden sind, geht man davon aus, dass der Mord von einem „Chaval“ genannten Goldschürfer in Auftrag gegeben wurde.

Im Amazonas-Departament Madre de Dios schürfen tausende von Klein- und Kleinstbergleuten nach Gold. Einige von ihnen wollen ihre Tätigkeit legal betreiben und befinden sich auf dem Weg zur Formalisierung und damit auch Legalisierung ihres Geschäftes. Diese Unterscheidung ist wichtig, denn nicht alle Goldschürfer in Madre de Dios sind illegal oder kriminell.

Eine andere grosse Gruppe jedoch hat das Puffergebiet des Naturschutzgebietes Bahajua Sonene besetzt und betreibt dort illegalen Goldabbau. Illegal deshalb, weil in der Nähe des Naturschutzgebietes keine Konzessionen vergeben werden dürfen und deshalb keine Aussicht auf Legalisierung besteht. Dieses „La Pampa“ genannte Gebiet ist ein Zentrum der Kriminalität und Gesetzeslosigkeit. Die Interdiktionspolitik der peruanischen Regierung hat hier nichts gefruchtet, weil die illegalen Goldgräber die Polizisten bestechen. Auch die kontrollierte Abgabe von Benzin – ohne die die Dieselmotoren in den Abbaugebieten nicht funktionieren – und Quecksilber scheitert an der Korruption.

Madre de Dios ist ein Paradox: während international der Goldpreis fällt, holzen die illegalen Goldgräber in Madre de Dios immer mehr Regenwald ab und gewinnen an Einfluss bei Polizei und Regierung. Der amtierende Regionalpräsident Luis Otsuka steht den illegalen Goldschürfern nahe und unterstützt einen wochenlangen Streik der Bergleute gegen die Eindämmung des illegalen Goldabbaus.


Regenwaldschützer von Haftstrafen bedroht

Von Heinz Schulze, Informationsstelle Peru e.V., 12.12.15

Vor vier Jahren wurde in Satipo der Dorfpräsident Mauro Pio von gedungenen Mördern erschossen. Der Mord hat bis heute ein übles Nachspiel im Ashaninka-Dorf Amanaecer Haway. Gonzalo Mauro Pio, Julio Luis Pampa R. und Américo Balloqui C. leben in der Asháninka-Dorfgemeinschaft Nuevo Amanecer Haway. Dieses Dorf liegt acht Stunden Autofahrt von der Distrikthauptstadt Satipo im zentralen Regenwald Perus entfernt. Ihr Territorium umfasst 32.000 Hektar. Der größte Familienclan ist der der Pio, die von 1970 bis 2011 die Dorfchefs stellten. In den 80iger Jahren erlitten sie die Brutalität des Terrors durch den „Leuchtenden Pfad“ (Sendero Luminoso). Im letzten Jahrzehnt mussten sie sich mit der neuen Gefahr, den Invasionen durch Neusiedler und Firmen von Holzfällern auseinandersetzen. Mit diesen kamen Kriminelle und gedungene Mörder ins Dorf. Mauro Pio P. klagte, als damaliger Dorfchef, die zunehmenden Übergriffe, Urwaldzerstörung und illegale Landbesetzung bei der Polizei, der Justiz und zuständigen politischen Instanzen an. Diese forderten „sichtbare Beweise“ in Form von z.B. Videoaufnahmen von den Überfällen. Das konnte die Gemeinschaft nicht erbringen.

In der Zwischenzeit bekam die Holzfirma Balarin im Distrikt Pichanaki eine offizielle Konzession zur Abholzung. Die Firma begnügte sich nicht mit der Abholzung in ihrem Konzessionsgebiet sondern drang immer weiter in das Gebiet des Waldes von Nuevo Amanecer Haway ein. Sie begann sogar mit dem Verkauf von Parzellen des Territoriums der Dorfgemeinschaft an Neusiedler.

Ermordung des Dorfchefs

Im Jahre 2011 entschied die Holzfirma, den Dorfchef Mauro Pio P. für immer zum Schweigen zu bringen. Drei bezahlte Mörder erschossen ihn auf offener Straße in der Stadt Satipo, als er dort Angelegenheiten für sein Dorf erledigte . Die Mörder wurden verhaftet und verurteilt. Seit Mitte 2015 sind sie „einfach so“ wieder auf freiem Fuß. Fachleute nehmen an, dass die Holzfirma hier wohl „der Justiz“ gegenüber Geld eingesetzt hat.

Angesichts der zunehmenden Übergriffe, Landdiebstahl und Urwaldzerstörung und dem totalen Desinteresse von Justiz, Polizei und Politik beschlossen die BewohnerInnen in einer Dorfversammlung, sich zu verteidigen. Sie konnten die 80 mit Gewehren ausgestatteten Invasoren mit Pfeil und Bogen vertreiben und drei der Anführer festnehmen. Diese wurden vorübergehend im Dorf festgehalten. Vertreter von Nuevo Amanecer Haway fuhren umgehend in die Provinzstadt Satipo um der diensthabenden Staatsanwältin zu informieren und die Abholung der Invasoren durch die Polizei zu beantragen. Die Staatsanwältin ließ sich den ganzen Tag nicht sehen und auch nicht den nächsten Tag. Später stellte sich heraus, dass sie in dieser Zeit mit der Firma Balarin über diesen Fall verhandelte.

Anklagen wegen Entführung, Körperverletzung und versuchtem Mord in mehreren Fällen

Die Vertreter der Dorfgemeinschaft mussten unverrichteter Dinge wieder nach Hause fahren und die Festgehaltenen laufen lassen. Bald danach eröffnete die Anklagebehörde Anklage gegen die drei Dorfvertreter wegen Entführung, Körperverletzung und versuchtem Mord in mehreren Fällen. In der ersten Verhandlung, in der Stadt La Merced, wurden sie vom Vorwurf des versuchten Mordes freigesprochen. Aber die Staatsanwältin in Satipo machte weiter. Jetzt geht es um Entführung. Darauf stehen bis zu 30 Jahren Gefängnis in Peru. Nun fängt der Prozess gegen sie an. Im Gericht wurden sie von einem Anwalt angesprochen. Er sagte, dass er kein Honorar verlangen würde und gab ihnen den Rat, die Schuld schnell zuzugeben. Das würde einen guten Strafnachlass ergeben. Es besteht der Verdacht, dass dieser Anwalt, der sonst sehr viel Geld verlangt, hinter dem Rücken der drei Dorfverantwortlichen mit der Holzfirma einen Deal ausgemacht hat, um von dieser gut bezahlt zu werden.

Von MitarbeiterInnen der Nichtregierungsorganisation Imperita wurde der Rechtsanwalt Dr. Gines Barrios A. gebeten, die Verteidigung der Asháninka zu übernehmen. Er ist als engagierter Anwalt für die Belange der indigenen Bevölkerung in der Region Junin bekannt. Er vertritt die Angeklagten nunmehr vor dem Gericht in Satipo und wird, für den eventuell eintreffenden Fall, diese auch vor dem Berufungsgericht in der peruanischen Hauptstadt Lima vertreten.

Die Situation ist auch deshalb so drastisch, weil vom Ausgang des Verfahrens mit abhängt, ob die Bewohner von Nuevo Amanecer Haway ihre 32.000 Hektar intakten Regenwald vor den Holzfällern schützen können.

Wer die Dorfgemeinschaft unterstützen will, kann gerne Kontakt aufnehmen: Arbeitskreis München-Asháninka, mail: akma@nordsuedforum.de




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