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Aktuell
Guarani-Konflikt in Brasilien
Europäische Beobachtermission in Brasilien
Guaraní-Kaiowá bitten um Unterstützung für die Durchsetzung ihrer Landrechte und ein Ende der Gewalt
GfbV Pressemitteilung, 5.9.17
Göttingen. Die existentiell bedrohten Guaraní-Kaiowá-Indianer in Brasilien wünschen sich nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in ihrer großen Not dringend mehr Druck der europäischen Öffentlichkeit auf die brasilianische Regierung, damit diese endlich die große Gewalt gegen die Indigenen im Bundesstaat Mato Grosso do Sul eindämmt und ihr traditionelles Territorium formal anerkennt. Diesen dringenden Appell haben verschiedene Oberhäupter der Guaraní-Kaiowá an die acht Delegierten des europäischen Guaraní-Kaiowá Support Network gerichtet, die in der vergangenen Woche mehrere der von den Indigenen zurückeroberte Gebiete (Retomadas), Gräber von Opfern der Paramilitärs, Schauplätze von Gewalt und auch Reservate besucht haben. Der Delegation aus Spanien, Portugal, Katalonien, Italien und Deutschland gehören mit der Fotografin Katie Mähler und der Anthropologin Sabrina Tschiche auch zwei Vertreterinnen der GfbV an.
Die persönlichen Gespräche mit den Betroffenen machten die alltägliche Gewalt deutlich, die ihr Leben prägt, schilderten die GfbV-Delegierten via E-Mail ihre Eindrücke. Viele Dörfer sind vollkommen von den Feldern der Großgrundbesitzer eingeschlossen, die rücksichtslos Pestizide aus der Luft versprühen lassen. Daran sind bereits Kinder erkrankt. Wenn Guaraní-Kaiowá in den wenigen verbliebenen Waldstücken jagen wollen, werden sie von Sicherheitskräften der Großgrundbesitzer beschossen. Viele Morde an Indigenen sind bis heute nicht aufgeklärt. Immer wieder werden Guaraní-Kaiowá von dem Land, auf dem sie gerade siedeln, vertrieben. Sie haben dann nur wenig Zeit, ihre Habseligkeiten zu packen, bevor Bulldozer ihre Häuser niederwalzen. Um zu den Gräbern ihrer Angehörigen zu kommen, müssen sie ihr altes, nun abgesperrtes Land heimlich besuchen, um nicht von den oft betrunkenen Wachtposten beschossen zu werden.
Gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern des 40 Jahren bestehenden Rates der Guaraní-Kaiowá (Aty Guasu), des Rates der Frauen (Aty Kunha), des Rates der jungen Leute (Aty Raj) sowie spiritueller Führungspersonen (Nhande Rys und Nhande Sys) haben die Delegierten Ideen für ein europäisches Unterstützernetzwerk entwickelt. Dieses soll u.a. dabei helfen, die Unternehmen zu ermitteln, die für den Raub ihres Landes, die Abholzung des Waldes und die Vertreibung der indigenen Gemeinschaften mitverantwortlich sind und dort Soja-Monokulturen oder Zuckerrohrpflanzungen angelegt haben. Diese Firmen müssten dafür zur Rechenschaft gezogen werden und vor allen Dingen müssten Großgrundbesitzer bestraft werden, die Söldner gegen zurückkehrende Guaraní-Kaiowá angeheuert haben. Diese Mordkommandos hätten seit 1998 schon 800 Indigene skrupellos getötet. Die Guaraní-Kaiowá in Mato Grosso do Sul sind mit etwa 50.000 Menschen eines der größten indigenen Völker Brasiliens.
Menschenrechtler aus Europa unterstützen Indigene gegen Großgrundbesitzer
GfbV Pressemitteilung, 29.8.17
Göttingen. - Menschenrechtler aus Europa helfen den von der brasilianischen Regierung im Stich gelassenen indigenen Guarani-Kaiowá im Bundesstaat Mato Grosso do Sul bei der Verteidigung ihres Landes gegen übermächtige Agrarunternehmen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) berichtete, dass sie zwei ehrenamtliche Delegierte für eine Beobachtergruppe aus sechs europäischen Ländern entsandt hat, die gemeinsam mit dem höchsten Rat der Guaraní-Kaiowá Strategien für ein internationales Netzwerk zur Unterstützung der Indigenen entwickeln will.
"Es kann nicht sein, dass die Guaraní-Kaiowá ihr eigenes Land nicht nutzen können, weil Wirtschaftsinteressen Vorrang vor Menschenrechten eingeräumt wird und der Staat gegen Mord, Einschüchterungen und Vertreibungen durch angeheuerte Söldner kaum einschreitet", kritisierte Yvonne Bangert, GfbV-Referentin für indigene Völker. Obwohl die Indigenen verbriefte Landtitel auf viele Flächen haben, bauen Großgrundbesitzer dort Zuckerrohr und Soja an oder betreiben Rinderzucht. "Wenn vertriebene Indigene auf ihr Land zurückkehren, werden sie mit brutaler Gewalt verjagt. Oft müssen sie dann in Behelfsunterkünften am Straßenrand leben."
Die Delegation aus Europa wird an einer Sitzung des Aty-Guasu-Rates, der großen Versammlung der Guaraní-Kaiowá, teilnehmen. Von mehreren indigenen Anführern begleitet, werden die Menschenrechtler Behausungen von Vertriebenen an den Straßen, traditionelle Aldeias (Dörfer), zurückeroberte und umkämpfte Gebiete sowie Orte besuchen, an denen kürzlich die Leichen indigener Aktivisten gefunden wurden, die seit Jahren als verschwunden galten.
Der Menschenrechtsorganisation der Bischofskonferenz Brasiliens für indigene Völker CIMI zufolge wurden im Jahr 2015 allein in Mato Grosso do Sul bei gewaltsamen Konflikten 36 Menschen ermordet, die meisten von ihnen Guaraní- Kaiowá. Zahlreiche Anführer wurden getötet und mehrere Siedlungen zerstört. In ihrem aktuellen Jahresbericht beschreibt CIMI zehn solcher Überfälle detailliert.
Die Guaraní-Kaiowá in Mato Grosso do Sul sind mit etwa 50.000 Menschen eines der größten indigenen Völker Brasiliens. Sie leiden große Not, so die GfbV, weil sie ohne eigenes Land keinen Zugang mehr haben zu Land, Wasser, ausreichend großen Anbauflächen. Viele leben von qualitativ schlechter Nahrungshilfe der Regierung oder müssen sich bei den landwirtschaftlichen Großbetrieben als Landarbeiter verdingen, wo sie oft in einen Kreislauf von Lohnknechtschaft geraten. Um zu überleben, müssen sie Kredit bei ihrem Lohnherrn aufnehmen. Da sie nie genug verdienen, um ihre Schulden zu tilgen, müssen sie neue Kredite aufnehmen und verschulden sich so immer mehr.
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