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Aktuell
Umweltprobleme in Amazonien
Amazonas auf der Kippe
Amazonas-Regenwald schrumpft um 3.000 km² im ersten Halbjahr 2020
Schwerste Waldbrände seit 13 Jahren
WWF Pressemitteilung, 22.7.20
Die Entwaldung im Amazonas ist in den ersten sechs Monaten des Jahres auf einen zehnjährigen Höchststand geklettert. Insgesamt rund 3.000 Quadratkilometer Wald wurden von Januar bis Ende Juni 2020 zerstört. Das entspricht mehr als der dreifachen Fläche Berlins und einem Zuwachs von 26 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Allein im Juni gingen über 1.000 Quadratkilometer Regenwald verloren, wie das brasilianische Institut für Weltraumforschung (INPE) bekanntgab. Ebenfalls in die Höhe schnellte die Zahl der Brände im weltgrößten Tropenwaldgebiet: So zählten Wissenschaftler im Juni zu Beginn der Brandsaison 2.248 Feuer, was einen Anstieg von 18 Prozent zum Vorjahr bedeutet und den höchsten Wert seit 13 Jahren.
Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz beim WWF Deutschland, kommentiert: „Waldbrände und Abholzung haben im Amazonas solche Ausmaße erreicht, dass es für den größten Regenwald der Erde mittlerweile ums nackte Überleben geht. Die Waldbrandsaison hat erst begonnen und die Zahlen deuten darauf hin, dass 2020 das katastrophale letzte Waldbrandjahr noch in den Schatten stellen wird. Wir eilen von einem Zerstörungsrekord zum nächsten. Die Folgen sind fatal für die Brasilianerinnen und Brasilianer, aber auch für die Menschheit als Ganzes. Ohne den Amazonas werden wir die globale Klimakatastrophe nicht stoppen.“
Die Entwaldung fand in allen brasilianischen Bundesstaaten mit Amazonas-Regenwald statt. Am schlimmsten betroffen waren Pará mit 1.212 Quadratkilometer Waldverlust, Mato Grosso (715 Quadratkilometer) und Amazonas (539 Quadratkilometer). Als besonders beunruhigend bezeichnet der WWF die Tatsache, dass neben Wäldern in privater und staatlicher Hand auch die Zerstörung in Schutzgebieten zugenommen hat, wo eigentlich eine verstärkte Kontrolle stattfinden sollte. Die Umweltschützer machen für die Entwicklung die politische Führung verantwortlich. Die Regierung um Präsident Bolsonaro setze seit ihrem Antritt alles daran, den Waldschutz aufzuweichen. So seien die Behörden, die den Schutz des Amazonas überwachen und durchsetzen, durch Mittelkürzungen massiv geschwächt worden.
„Bolsonaros Politik wirkt wie ein Konjunkturpaket für Holzfäller, Landräuber und illegale Goldgräber. Die Botschaft, wonach selbst schwere Straftaten geduldet werden, ist angekommen. In Teilen des Amazonas herrschen heute Wildwest-Zustände. Schutzgebiete und indigene Territorien sind quasi zum Abschuss freigegeben“, so Christoph Heinrich.
Der WWF fordert die brasilianische Regierung auf, die Kontrollen zum Schutz des Waldes und der Indigenen nicht länger zu sabotieren. Wer den Amazonas zerstört lege damit auch die Axt an den Wohlstands Brasiliens. Die Dürren rund um Sao Paulo der vergangenen Jahre seien ein erster Vorgeschmack auf künftige Katastrophen. Daneben weisen die Umweltschützer auch auf die Verantwortung anderer Staaten und ausländischer Unternehmen hin. Deutsche und europäische Unternehmen müssten ihre Lieferketten dringend entwaldungsfrei gestalten. Von der deutschen Bundesregierung fordert der WWF, sich in den Verhandlungen um das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten für bessere soziale und ökologische Standards einzusetzen. Es dürften keine Waren importiert werden, für die der Regenwald abgeholzt wurde. Die Europäische Union habe hier eine besondere Verantwortung rund ein Sechstel aller hier gehandelten Lebensmittel trügen zur Entwaldung in den Tropen bei.
Hintergrund Waldverlust in der Amazonas-Region
Bis heute hat der Amazonas-Regenwald rund 20 Prozent seiner ursprünglichen Fläche verloren. Bei 25 Prozent zerstörter Fläche gehen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von einem Kipp-Punkt aus. Ab dem Moment könnte sich das regionale Klima derart ändern, dass sich große Teile des Regenwaldes langfristig in eine Steppe verwandeln. Der heute mächtigste Tropenwald der Erde würde seine Klimaschutzfunktion damit größtenteils verlieren. Die Folgen im Kleinen sind schon heute regional sichtbar: Städte wie Sao Paulo wurden in den letzten Jahren immer wieder von katastrophalen Dürren heimgesucht. Diese Entwicklung droht sich weiter zu verschärfen.
WWF-Studie belegt hohe Quecksilberkonzentration in Fischen des Amazonas
WWF Pressemitteilung, 5.8.20
Berlin: Gold erzielt derzeit Rekordpreise. Der Hype um das Edelmetall ist gerade in Deutschland nach wie vor ungebrochen. Doch die Gier nach dem Gold hat üble Nebenwirkungen, wie eine Studie des WWF Brasilien zeigt. Demnach sind viele Speisefische im Amazonas extrem mit Quecksilber und anderen Schwermetallen belastet. Der Quecksilbergehalt der Fische variiert je nach Region und Fischart, aber bei rund einem Drittel der Proben lagen die Werte deutlich über Grenzwerten der Weltgesundheitsorganisation. Besonders betroffen waren Raubfische, da sich das Gift im Laufe der Nahrungskette anreichert. Hier waren mehr als 77 Prozent der Proben gesundheitlich bedenklich. Bei Allesfressern lag dieser Wert bei 20 Prozent, Friedfische waren deutlich geringer belastet.
Die Studie basiert auf 400 Stichproben bei unterschiedlichen Arten, darunter hecht- und barschartige Fische wie Bicuda oder Cichla, die zu den beliebtesten Speisefischen in der Region gehören. Die Vergiftung der Fische geht auf den illegalen Goldbabbau in der Amazonasregion zurück, bei dem große Mengen Quecksilber und Schwermetalle in die Umwelt freigesetzt werden. Die Goldsucher nutzen das Quecksilber, um das Gold aus dem Gestein zu waschen. Die toxische Brühe wird anschließend wieder in den Fluss zurückgeleitet.
„Der massiv zunehmende Goldabbau ist nicht nur eine wachsende Bedrohung für die Umwelt, sondern birgt zudem ein enormes Gesundheitsrisiko für die Menschen in der Region“, warnt Tobias Kind, Rohstoffexperte beim WWF Deutschland. Denn die Hauptproteinquelle für die lokale Bevölkerung in der Region sei Fisch. Angesichts des hohen Schadstoffgehalts sollten die Menschen wöchentlich maximal 200 Gramm davon essen, empfehlen die Autoren in ihrer Studie. Zudem müssen die brasilianischen Behörden die Ernährungssicherheit durch eine Unterbindung des Bergbaus in der Region sicherstellen. Zu den möglichen Gesundheitsfolgen zählen Muskelschäden, chronische Kopfschmerzen, Geburtsfehler, Atemversagen und Nierenschäden.
Der WWF betont, dass die Lösung des Problems nicht allein in Südamerika liege. Wer unbedingt in Gold investieren möchte, sollte gezielt nach Recyclinggold oder zertifiziertem Gold fragen. Es sei entscheidend, Banken, Händler und Juwelieren Druck zu machen, damit sie ihre Lieferketten sauber halten. Der WWF fordert verbindliche Regelungen, die importierende Unternehmen zwingen, Verantwortung für die gesamte Lieferkette ihrer Rohstoffe zu übernehmen. Deutschland trage als weltweit viertgrößter Goldabnehmer hier eine besondere Verantwortung.
Asche und Rinder
2019 gab es im Amazonas-Gebiet eine koordinierte Welle gleichzeitiger Waldbrände: den „Tag des Feuers“. Ein Jahr später sind die meisten Beschuldigten noch nicht angeklagt.
Von Agneta Melzer, Greenpeace-Online, 10.8.20
Feuer und hilfloser Zorn: Vor einem Jahr erfand in Brasilien eine Gruppe von Landbesitzenden den „Tag des Feuers“. In besonderer Dreistigkeit koordinierten sie am 10. und 11. August 2019 über eine Whatsapp-Gruppe eine massive Zahl von Waldbränden, insgesamt eine Zunahme der Feuer um fast das Zwanzigfache im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 53 Feuer-Hotspots wurden in indigenen Gebieten und 534 in Naturschutzgebieten registriert. Laut lokalen Medien war es die Absicht der Teilnehmenden, eine politische Botschaft zur Unterstützung der radikalen Anti-Umwelt-Agenda des Präsidenten Jair Bolsonaro auszusenden.
Ein Jahr später zeigt sich: Die Beschuldigten bleiben bisher großenteils straffrei. Von den 207 Grundstücken, auf denen es an jenen beiden Tagen brannte, wurden nur fünf Prozent der Besitzenden angeklagt. „Das zeigt, dass es um mehr als nur Wegschauen geht diese Regierung verfolgt eine radikale Anti-Umwelt-Agenda und unterstützt die illegale Waldzerstörung“, sagt Rômulo Batista, Aktivist bei Greenpeace Brasilien.
Tatenlose Regierung
Greenpeace Brasilien hat Hunderte von Grundstücken in der betroffenen Region untersucht. Das Ergebnis: Knapp die Hälfte der am „Tag des Feuers“ registrierten Brandherde (49,96 Prozent) lag innerhalb von 478 ländlichen Grundstücken, die im Umweltregister des Bundesstaates Pará, SICAR, eingetragen waren. Die Besitzer dieser wären also für die Behörden leicht herauszufinden. Bei über 99 Prozent von ihnen handelt es sich um Viehzuchtbetriebe, die Spuren von Weiden innerhalb ihrer Grenzen aufweisen. Mindestens 66 der Besitzenden waren bereits vor dem “Tag des Feuers“ wegen Umweltvergehen bekannt.
„Die Regierung hätte die Täter leicht zur Rechenschaft ziehen können, aber es gibt weder entsprechende Maßnahmen noch einen Plan gegen die Waldzerstörung in dieser Region“, so Batista. Anstatt kriminelles Verhalten zu bekämpfen und die nun zusätzlich von Covid-19 schwer getroffenen indigenen Waldhüterinnen und -hüter zu schützen, reduziere die Regierung den Umweltschutz und verbünde sich mit Umweltzerstörern.
Ende Juli dieses Jahres überflog ein Team von Greenpeace Brasilien die Region. Es zeigt sich: Wo es vergangenes Jahr brannte, sind heute teils vollständig abgeholzte Gebiete, teils solche, bei denen der Wald beschädigt ist und teils bereits Weideland.
Immerhin: Die lokalen Behörden untersuchen den „Tag des Feuers“ aktuell noch. Die Bundesstaatsanwaltschaft (MPF) in Pará ermittelt zum Rückgang der Umweltinspektionen in der Region und dem Fehlen der staatlichen Militärpolizei zur Unterstützung der Inspektionsteams.
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