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Aktuell
Brasiliens Indigene
Lebensraum verteidigt
Die indigene Gemeinschaft der Karipuna konnte gemeinsam mit Greenpeace die Abholzung in ihrem stark bedrohten Lebensraum im brasilianischen Amazonas-Regenwald verringern.
Von Agneta Melzer, Greenpeace-Online, 10.11.20
Endlich gibt es auch einmal gute Nachrichten aus dem gebeutelten Amazonien. Die Waldzerstörung auf dem Land der Karipuna-Indigenen in der brasilianischen Provinz Rondônia ist deutlich zurückgegangen, seit die Gemeinde gemeinsam mit Greenpeace und dem Indigenen Missionsrat (CIMI) mit der Waldüberwachung sowie rechtlichen Schritten begonnen hat.
Das Land der Karipuna ist eines der am stärksten bedrohten indigenen Gebiete in der Region. Die Waldzerstörung erreichte dort ihren Höhepunkt zwischen August 2017 und Juli 2018 mit mehr als 1.400 Hektar in einem einzigen Jahr. Auch von August 2018 bis Juli 2019 wurden noch etwas mehr als 1.000 Hektar Wald vernichtet, doch die jüngsten Messungen bis Juli 2020 zeigen einen Rückgang um fast 50 Prozent. Dies geht aus der kürzlich von Greenpeace Brasilien durchgeführten Auswertung der Waldzerstörung hervor, das auf der Analyse von Satellitenbildern im letzten Monat basiert.
"Wir kämpfen seit langem gegen die Zerstörung unseres Territoriums”, sagt Adriano Karipuna, Oberhaupt der Karipuna. “Wir hoffen sehr, dass die Waldzerstörung weiter zurückgeht und die Aktionen gegen die Abholzung auch von Seiten der brasilianischen Behörden fortgesetzt werden. Wir möchten endlich in Frieden leben können. Daher fordern wir die Behörden weiterhin auf, die organisierten Kriminellen, die unseren Wald zerstören, in die Schranken zu weisen.”
Entwicklung in indigenem Gebiet positiver als im Rest Amazoniens
Das Territorium der Karipuna befindet sich in den Gemeinden Porto Velho und Nova Mamoré im Norden der Provinz Rondônia. Es erstreckt sich über eine Fläche von 153.000 Hektar und wurde 1998 nach brasilianischem Recht offiziell anerkannt mit dem Ziel, das physische und kulturelle Überleben der indigenen Gemeinschaft zu gewährleisten.
Im August und September 2020 führten die Karipuna, Greenpeace und sein lokaler Partner CIMI auf dem Gebiet der Indigenen ein Wald-Monitoring per Flugzeug, Auto und Boot durch, um die jüngste Abholzung und Waldvernichtung zu untersuchen. Während ihrer Überwachung entdeckten sie frisch abgeholzte Gebiete. Auch identifizierten sie neue illegale Straßen und Brücken, die den Zugang zum Land der Karipuna ebnen, und meldeten dies den lokalen Behörden Ende Oktober.
All die Bemühungen führen zu einem wichtigen Etappenerfolg. Die jüngste Auswertung im Jahr 2020 zeigt zwar immer noch Waldzerstörung und Landraub, aber mit sinkender Tendenz: Innerhalb des Landes der Karipuna verzeichnet sie einen Rückgang von 1.083 Hektar im Jahr 2019 auf 532 Hektar im Zeitraum von August 2019 bis Juli 2020. Greenpeace geht davon aus, dass auch die noch genaueren offiziellen Daten der brasilianischen Raumfahrtbehörde diese positive Entwicklung in den kommenden Wochen bestätigen. Als Reaktion auf mehrere Anzeigen der Karipuna, CIMI und Greenpeace Brasilien gab es in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche Strafverfolgungen, die zu Haftbefehlen, Hausarresten und Beschlagnahmungen führten.
"Inmitten des Chaos, das die umweltfeindliche Politik der Bolsonaro-Regierung im brasilianischen Amazonasgebiet erzeugt hat, gibt dieser Erfolg Anlass zur Hoffnung”, sagt Danicley de Aguiar, Amazonas-Kampaigner bei Greenpeace Brasilien. “Wir konnten gemeinsam zeigen, wie Abholzung und organisierter Umweltkriminalität wirksam entgegengetreten werden kann. Eigentlich ist dies Aufgabe der brasilianischen Regierung und sie muss ihrer Verantwortung endlich nachkommen.” Doch während die Karipuna in ihrem Land Erfolge erzielen, steigen die Entwaldungsraten im übrigen brasilianischen Amazonasgebiet weiterhin dramatisch an. Die Rechte der Indigenen und ihrer Gebiete besser zu schützen, ist daher umso wichtiger.
Das Monitoring des Landes der Karipuna ist Teil des Projekts "All eyes on the Amazon" (Alle Augen auf den Amazonas). Greenpeace und die niederländische NGO Hivos leiten es zusammen mit neun weiteren Organisationen aus den Bereichen Menschenrechte und Rechte der Indigenen, Umwelt, Wissenschaft und Technologie. Es ermöglicht indigenen Gemeinschaften, Waldbeobachtung mit Spitzentechnologie durchzuführen.
“Dörfer werden verschwinden.”
Wie die Corona- und die Klimakrise Brasiliens indigene Gemeinschaften treffen
Von Greenpeace-Online, 29.10.20
Ärzte ohne Grenzen, das Deutsche Rote Kreuz, Ärzte der Welt und die Ärztekammer veranstalten noch bis zum 30. Oktober den Humanitären Kongress Berlin. Zusammen mit Oxfam ist Greenpeace als Kooperationspartner dabei. Der Kongress findet in diesem Jahr erstmalig online statt. Im Mittelpunkt stehen die Themen Ungleichheit, Macht und Privilegien in Zeiten von Corona und Klimakrise. Die Gespräche knüpfen an die Veranstaltung vom vergangenen Jahr an. Am vorletzten Tag widmet sich der Kongress vor allem der Klimakrise und ihren humanitären Folgen. So setzen sich Romulo Batista, Waldexperte bei Greenpeace Brasilien, und die Indigenen-Aktiven Kreta Kaingang und Sonia Guajajara anlässlich des Kongresses damit auseinander, was die Klima- und die Coronakrise für die indigenen Gemeinschaften bedeuten.
Brasilien ist eines der Länder, die vom Coronavirus besonders betroffen sind. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro, der selbst an Covid-19 erkrankt war, ermuntert sein Land, sich der Krankheit zu stellen, anstatt vorsichtig zu bleiben mit verheerenden Folgen. Besonders dramatisch war wochenlang die Lage in Manaus, der mitten im Regenwald liegenden Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas. Nachdem es im Sommer ruhiger wurde, steigen dort die Zahlen nun erneut an.
Covid besonders für Indigene gefährlich
Die Ausbreitung der Lungenkrankheit wird vor allem den Indigenen zum Verhängnis. Sie sind weit weg von medizinischen Zentren und besonders anfällig für Krankheiten. Der indigene Dachverband APIB bestätigte im August diesen Jahres insgesamt 22.656 Infizierte, 639 Todesfälle und 148 betroffene Gemeinschaften. “Wenn wir von Völkermord sprechen, übertreiben wir nicht”, sagt APIB-Koordinatorin Sônia Guajajara. “Unser Volk stirbt, und der brasilianische Staat gibt immer noch vor, etwas dagegen zu tun.”
Manaus liegt wie eine Insel mitten im Urwald. Alles, was hier gebraucht wird, muss eingeflogen oder per Schiff gebracht werden. Seit Mai gibt es das Projekt “Wings of Emergency”. Damit kommen medizinisches Fachpersonal, Mitarbeitende von Greenpeace Brasilien und medizinische Hilfsgüter in die Region. Von Sauerstoffflaschen bis hin zu Seife und Desinfektionsmitteln wird hier alles gebraucht.
Viele indigene Gemeinschaften machten bereits in der Vergangenheit traurige Erfahrungen mit Krankheiten der Weißen, wie Masern, Grippe oder Schnupfen. Heute sind es nicht mehr Kautschuk-Arbeiter, sondern illegale Holzfäller oder Goldsucher, die dem Regenwald seine Baum-Schätze nehmen und Krankheiten bringen. Einmal bei den Indigenen angekommen, machen sie auch aufgrund der gemeinschaftlichen Lebensweise, in deren Rahmen etwa mehrere Familienverbände zusammenwohnen, schnell die Runde. “Es gibt Dörfer, die verschwinden werden, wenn das Virus reinkommt”, sagt Sonia Guajajara.
Leider brachte der Shutdown keinerlei Entlastung beim Thema Waldvernichtung im Amazonas-Gebiet. Im Gegenteil: die Zerstörung des Regenwaldes hat sogar zugenommen. Grund dafür ist, dass Präsident Bolsonaro in der Zeit verboten hat, das Gebiet zu kontrollieren. Die Landräuber hatten also freie Bahn mit Ansage. Für die indigenen Gemeinschaften bedeutet das eine direkte Bedrohung ihrer Heimat und Lebensgrundlagen, die indirekt durch die Klimakrise noch verstärkt wird. Zudem macht die Waldvernichtung Pandemien wie Covid-19 wahrscheinlicher.
Amazonas: Gebiete unkontaktierter Völker von sich ausbreitenden Bränden betroffen
Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 14.10.20
Das Überleben mehrerer unkontaktierter Völker ist gefährdet, nachdem in ihren Territorien Feuer entfacht wurden. Aktivist*innen bezeichnen die Brände im Amazonas-Gebiet und den Kampf des brasilianischen Präsidenten Bolsonaro gegen indigene Völker als „die größte Bedrohung für das Überleben unkontaktierter Völker seit einer Generation“.
Vier indigene Gebiete sind besonders gefährdet:
- Der berühmte Papayawald auf Bananal Island, der größten Flussinsel der Welt. Er wird von den unkontaktierten Ãwa bewohnt. Achtzig Prozent des Waldes brannten letztes Jahr ab und dieses Jahr stehen Teile des verbliebenden intakten Waldes in Flammen. Mehr als 100.000 Rinder weiden jetzt schon auf der Insel.
- Das Gebiet Ituna Itatã (“Feuergeruch”) im Bundesstaat Pará, das ausschließlich von unkontaktierten Völkern bewohnt wird. Dieses Territorium wurde 2019, als Viehzüchter und andere Landräuber eindrangen, von allen indigenen Gebieten am stärksten entwaldet. In den ersten vier Monaten des Jahres 2020 wurden weitere 1.319 Hektar Wald vernichtet, was einer Zunahme von fast 60% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht.
- Das Arariboia-Territorium im östlichen Bundesstaat Maranhão: In diesem Territorium, in das schon viele Außenstehende eingedrungen sind, leben unkontaktierte Awá. Die „Wächter des Waldes“ aus dem benachbarten Guajajára-Volk warnen täglich davor, dass der illegale Holzabbau den Wald mit alarmierender Geschwindigkeit zerstört.
- Das Gebiet der Uru Eu Wau Wau. Angehörige eines unkontaktierten Volkes haben im vergangenen Monat in diesem Gebiet den berühmten Experten für unkontaktierte Völker Rieli Franciscato erschossen und getötet. Dies ist ein Hinweis darauf, dass sie durch Eindringlinge aus ihrem Wald vertrieben werden und gezwungen sind ihr Land zu verteidigen.
Viele der Brände werden gelegt, um den Regenwald für die Agrarindustrie, die Holzgewinnung und die Viehzucht zugänglich zu machen. Jedes Jahr werden Millionen Tonnen Soja, Rindfleisch, Holz und andere Produkte nach Europa und in die USA exportiert.
APIB (die Vereinigung der indigenen Völker Brasiliens) hat eine Kampagne gestartet, um die Verflechtungen zwischen Bolsonaro, der Agrarindustrie und dem Völkermord an indigenen Völkern in Brasilien zu verdeutlichen. Sie appelliert an Menschen und Firmen auf der ganzen Welt, keine Produkte mehr zu kaufen, welche die Zerstörung indigener Gebiete vorantreiben.
Auch Survival fordert Supermärkte in Europa und den Vereinigten Staaten dazu auf, keine Agrarprodukte mehr aus Brasilien zu kaufen, bis die Rechte indigener Völker durchgesetzt werden.
Ângela Kaxuyana, Sprecherin von COIAB, der Koordinationsstelle indigener Organisationen im brasilianischen Amazonas-Gebiet, sagte: „Landraub, Abholzung und Brandstiftung bedrohen unmittelbar das Leben unserer unkontaktierten Verwandten. Die Zerstörung der Gebiete könnte mit ihrer Ausrottung enden sie sind ihre einzige Lebensgrundlage, da sie alles, was sie zum Leben brauchen, dort finden.“
Tainaky Tenetehar, einer der „Wächter des Waldes“, die das Arariboia-Territorium für das indigene Volk der Guajajára und ihre unkontaktierten Nachbar*innen schützen, sagte heute: „Wir kämpfen für diesen Wald, und viele von uns sind dabei getötet worden die Eindringlinge kommen aber immer wieder. Sie haben dem Wald in den letzten Jahren so stark zugesetzt, dass er nun trocken und verletzlich ist. Deshalb sind die Brände jetzt viel heftiger und schwerwiegender als zuvor. Die Holzfäller müssen ausgewiesen werden nur dann können die unkontaktierten Awá gut und erfolgreich überleben.“
Sarah Shenker, Mitarbeiterin von Survival International, sagte dazu: „In vielen Teilen Brasiliens sind die Gebiete der unkontaktierten Völker die letzten signifikanten bestehenden Regenwaldgebiete. Jetzt werden sie ins Visier genommen von Landräubern, Holzfällern und Viehzüchtern, die durch Bolsonaros offene Unterstützung ermutigt werden. Die Verbraucher*innen in den USA und Europa müssen verstehen, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen den Produkten in ihren Supermarktregalen und diesem Völkermord gibt und aktiv werden. Unkontaktierte Völker sind die verwundbarsten Gesellschaften auf dem Planeten und gleichzeitig die besten Hüter der Natur. Wir dürfen nicht zulassen, dass ihr Land in Flammen aufgeht."
Brasilien: Renommierter Experte von unkontaktiertem Volk getötet; ihr angestammtes Land bedroht
Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 10.09.20
Einer der bekanntesten Sertanistas Brasiliens, der sich unermüdlich für den Schutz unkontaktierter Völker einsetzte, ist von einer Gruppe Unkontaktierter getötet worden, deren Land besetzt und zerstört wird. Sertanistas sind Mitarbeitende der brasilianischen Behörden, die vor Ort das Land unkontaktierter Völker vor Außenstehenden schützen.
Rieli Franciscato war der Koordinator eines FUNAI-Teams (Brasiliens Behörde für indigene Angelegenheiten), das die Gebiete unkontaktierter Völker im Bundesstaat Rondonia schützen soll. Er war an die Grenze des Territoriums der indigenen Uru Eu Wau Wau gerufen worden, da dort in den letzten Monaten mehrere Unkontaktierte aufgetaucht waren.
Der größte Teil des Waldes, der das Reservat umgibt, ist zerstört und von Viehzüchtern und Holzfällern besetzt worden, die auch das Reservat selbst ins Visier nehmen. Letztes Jahr wurden zahlreiche Brände außerhalb und innerhalb des Reservats gelegt. Dieses Jahr haben die Viehzüchter damit gedroht, weitere Teile des Gebiets niederzubrennen.
Die Tötung von Rieli und das Auftauchen einer unkontaktierten Gruppe am Rande der Farmen sind mit ziemlicher Sicherheit eine Reaktion auf den immensen Druck, dem sie und ihr Wald ausgesetzt sind.
Die Forscherin und Survival-Mitarbeiterin Sarah Shenker sagte heute: „Rielis Tod ist ein tragischer und unermesslicher Verlust für die unkontaktierten Völker, für den Wald und für den Kampf gegen einen Genozid an indigenen Völkern in Brasilien.”
„Jahrzehntelang hat er sich geweigert, die gewalttätige Gier hinzunehmen, die den Amazonas-Regenwald und seine besten Hüter vernichtet. Er arbeitete unermüdlich daran, das Land der unkontaktierten Völker vor Außenstehenden zu schützen. Er widmete sein Leben der Arbeit an vorderster Front, um die illegalen Invasionen von Holzfällern, Viehzüchtern und Bergarbeitern zu bekämpfen, welche die bedrohtesten Gesellschaften auf dem Planeten auslöschen könnten. Er ließ sich auch nicht von Bolsonaros Kriegserklärung gegen indigene Völker oder der Kürzung des FUNAI-Budgets aufhalten.“
„Die Unkontaktierten könnten Rieli, einen ihrer engsten Verbündeten, fälschlicherweise mit einem ihrer vielen Feinde verwechselt haben. Sie stehen am Abgrund und für sie gibt es nur eine Lösung: Ihr Territorium vor allen Eindringlingen zu schützen, damit sie überleben können. Das Letzte, was sich Rieli wünschen würde, wäre, dass die Regierung und die illegalen Eindringlinge seinen Tod als Vorwand nutzen, um das Gebiet der Uru Eu Wau Wau weiter zu zerstören oder Kontakt mit den unkontaktierten Völkern zu erzwingen. Das wäre fatal, und daher stößt jeder Versuch der Kontaktaufnahme bei diesen indigenen Völkern und ihren Verbündeten weltweit auf sofortigen Widerstand.“
Indigener Anführer warnt: Covid-19 könnte unkontaktierte Völker in Brasilien erreichen
Survival International Deutschland e.V. Pressemitteilung, 11.09.20
Ein indigener Anführer aus dem Amazonas-Gebiet in Brasilien warnt davor, dass das Coronavirus ein unkontaktiertes Volk, welches als „Flecheiros“ oder Pfeilvolk bekannt ist, mit fatalen Folgen infizieren könnte.
Kura vom indigenen Volk der Kanamari berichtet, dass sich das Coronavirus im gesamten Javari-Tal ausgebreitet hat. Das Tal ist das zweitgrößte indigene Territorium Brasiliens und die Heimat der weltweit größten Konzentration unkontaktierter Völker.
Mindestens eine indigene Person ist in der Hobana-Gemeinde an Covid-19 gestorben, die tief im Javari-Tal liegt und nur etwa 16 Kilometer von einer unkontaktierten Flecheiro-Gemeinde entfernt ist.
In seiner Videobotschaft an Survival sagt Kura: „Wir sind sehr besorgt um unsere unkontaktierten Nachbar*innen“ und dass sich das Virus verbreiten konnte, weil „der brasilianische Staat verantwortungslos ist" und „es ihm an Transparenz mangelt".
Er fordert die Behörden auf, Gesundheits-Checkpoints im Javari-Tal einzurichten und jeden zu kontrollieren, der das Gebiet betritt oder verlässt. Dadurch könne die Ausbreitung des Coronavirus gestoppt und das Gebiet überwacht werden, um illegale Invasionen von Holzfällern, Bergarbeitern und Wilderern zu verhindern.
Ein Fall von Covid-19 wurde in einer Marubo-Gemeinde am Fluss Ituí im Zentrum des Javari-Tals bestätigt, die in der Nähe einer weiteren unkontaktierten Gemeinde liegt. Das lässt Befürchtungen aufkommen, dass auch dieses unkontaktierte Volk Gefahr läuft, sich mit dem Coronavirus anzustecken.
Unkontaktierte Völker sind extrem gefährdet durch Krankheiten, die von Außenstehenden übertragen werden, wie Grippe, Tuberkulose und Masern, da sie keine Immunität besitzen. In der Vergangenheit sind viele unkontaktierte Völker nach dem Erstkontakt mit Außenstehenden von Krankheiten dezimiert worden und einige sind aufgrund tödlicher Epidemien ganz ausgestorben.
Ein Richter des Obersten Gerichtshofs entschied am 5. August, dass die Regierung innerhalb von 30 Tagen einen ausführlichen und umfassenden Plan zur Bekämpfung der Pandemie und zur Verhinderung ihres Übergreifens auf indigene Gebiete vorlegen muss. Richter Barroso bestätigte die große Verwundbarkeit der unkontaktierten und kürzlich kontaktierten Völker und wies die Regierung an, in ihren Gebieten Gesundheits-Checkpoints einzurichten.
Er entschied außerdem, dass die Behörden alle illegalen Eindringlinge aus den indigenen Gebieten entfernen müssen, legte aber keinen Zeitrahmen für diese Maßnahme fest. Das Gerichtsverfahren wurde von der APIB der Koordinierungsstelle indigener Organisationen in Brasilien und mehreren Oppositionsparteien eingebracht.
Ricardo Lopes Dias, der umstrittene evangelikale Koordinator der Einheit für unkontaktierte Völker von FUNAI, der Behörde für indigene Angelegenheiten in Brasilien, bleibt auf seinem Posten. Und das obwohl im Mai ein Richter entschied, er solle mit der Begründung entlassen werden, dass sein evangelikaler Hintergrund „ein klarer Interessenkonflikt" und eine „große Gefahr für die Richtlinie des Verzichts auf erzwungene Kontakte mit [unkontaktierten indigenen] Völkern [
] und das Prinzip ihrer Selbstbestimmung" sei.
FUNAI erhob jedoch Einspruch gegen das Urteil und im Juni entschied ein Gericht, dass kein Interessenkonflikt bestehe. Staatsanwält*innen haben dagegen Berufung eingelegt, und der Fall soll vor einem höheren Gericht verhandelt werden.
Währenddessen hat Ricardo Lopes Dias erfahrene Mitarbeiter*innen vor Ort, die sich für den Schutz unkontaktierter Völker und ihrer Territorien einsetzen, entlassen und einen Anthropologiekurs für neue Mitarbeitende angekündigt.
Dieser soll von Anthropolog*innen und anderen Akademiker*innen unterrichtet werden, von denen einige mit religiösen Organisationen verbunden sind, darunter die evangelikale Organisation Atini zu deren Gründungsmitgliedern Damares Alves gehört. Alves ist die umstrittene evangelikale Pastorin, die Bolsonaro zur Ministerin für Frauen, Familie und Menschenrechte ernannt hat. Sie hat ihren Wunsch verkündet, Kontakt zu unkontaktierten Völkern aufzunehmen. Das ist das genaue Gegenteil der Politik von FUNAI keinen Kontakt zu unkontaktierten Völkern herzustellen.
Die von der Regierung vorgenommenen Kürzungen der Budgets von FUNAI und SESAI (indigene Gesundheitsbehörde) in Verbindung mit ihrer chaotischen und fahrlässigen Vorgehensweise im Umgang mit der Pandemie und ihren Folgen für indigene Völker haben viele Gemeinden dazu gezwungen, eigenständig Maßnahmen zu ergreifen, um sich vor dem Coronavirus zu schützen und finanzielle Mittel für Medikamente und Ausrüstung zu sammeln.
Groteskerweise plant FUNAI, 43.000 US-Dollar für den neuen Kurs auszugeben. Das wäre genug Geld, um einen ganzen Schutzposten für unkontaktierte Völker zu finanzieren. Wenn die Ausgaben für den Kurs genehmigt werden, wird Ricardo Lopes Dias persönlich profitieren und 14.000 US-Dollar (77.700 R$) erhalten.
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