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Aktuell

Reaktionen auf Ecuadors Waldschutz-Deal

Ecuador unterzeichnet: Umweltschutz statt Erdölförderung

Rettet den Regenwald e.V., 04.08.2010

Jahrelange Bemühungen um Ecuadors revolutionäres Umweltprojekt, die sogenannte ITT-Yasuni-Initiative, haben endlich ein erfolgreiches Ende genommen. Das Abkommen wurde am Dienstag, den 3. August, zwischen den Vereinten Nationen und der ecuadorianischen Regierung geschlossen. Es sieht vor, dass ein beachtliches Ölvorkommen unter dem nordwestlichen Amazonas-Gebiet nicht gefördert wird, um eine der artenreichsten Regionen der Erde zu schützen. So werden verheerende Auswirkungen auf ein einmaliges Ökosystem, auf seine indigene Bevölkerung und auf das Weltklima vermieden.

Für den Verzicht Ecuadors auf die für das Land wichtigen Exporteinnahmen leisten Industrienationen Kompensationszahlungen in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar. Diese Summe deckt rund die Hälfte der Einnahmen, die Ecuador durch den Verkauf der geschätzten 850 Millionen Barrel Erdöl auf dem Weltmarkt erzielen könnte. Das Geld fließt in einen Treuhandfonds, der vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen verwaltet wird. Beteiligt sind unter anderem Deutschland, Spanien, Frankreich, Schweden und die Schweiz. Weitere Länder wie Norwegen, die Niederlande und die USA haben bereits Interesse an einem Beitrag zur Klimagerechtigkeit bekundet.

Bereits im Jahr 2007 trat die Regierung Ecuadors unter Präsident Rafael Correas mit dem radikalen Vorschlag an die Weltöffentlichkeit, auf die Förderung des Erdöls zu verzichten, wenn sich die internationale Gemeinschaft an den Einnahmeausfällen nach dem Prinzip der Klimagerechtigkeit beteiligt. Demnach tragen Industrieländer Verpflichtungen gegenüber der Dritten Welt, da sie den größten Teil der klimaschädlichen Treibhausgase produzieren. Dessen negative Folgen treffen jedoch am Härtesten die armen Länder des Südens, weshalb der Norden für seine Umweltschulden entsprechend zahlen solle.

Rettet den Regenwald e.V. unterstützte die Initiative von Beginn an mit Protestaktionen und Spendengeldern und begrüßt die getroffene Vereinbarung.


Erdöldesaster nicht nur am Golf von Mexiko - Bietet die Yasuní-Initiative eine Lösung?

Klima-Bündnis Pressemitteilung, 5.8.10

Die größte Erdölkatastrophe weltweit ist durch die Explosion der Ölbohrplattform von BP im Golf von Mexiko entstanden. Die gesamte Region - Tiere und Pflanzen ebenso wie Fischerei und Tourismus - kämpfen seitdem gegen die Folgen. Aber auch andere Desaster, bei denen weitaus weniger Erdöl ins Wasser strömt, verseuchen Flüsse und Seen und gefährden Mensch und Natur. Insbesondere indigene Völker werden immer wieder durch die Ölförderung in ihren Gebieten bedroht.

So floss in Peru im Juni 2010 Rohöl aus einem Tankschiff in den Río Marañon und vergiftete damit die Trinkwasserquelle der umliegenden indigenen Gemeinden. Auch der größte See Südamerikas, der Lago de Maracaibo in Venezuela, ist durch die jahrelange intensive Erdölförderung stark verschmutzt. Seit Mai 2010 treiben schmierige schwarze Ölklumpen auf dem Wasser, die Fischer fangen immer weniger, meist ölverklebte Fische und Touristen lassen sich überhaupt nicht mehr blicken. Noch heute 20 Jahre nach dem Ende der Erdölförderung im Nordosten Ecuadors sickern aus 600 offenen Gruben öl- und schwermetallhaltige Abwässer ins Grundwasser und verseuchen Viehweiden und Felder.

Jetzt stellt Ecuador mit der Yasuní-ITT-Initiative eine Alternative vor: Rund 900 Millionen Barrel Erdöl, die unter dem Yasuní-Nationalpark im Block Ishpingo-Tambococha-Tiputini im Nordosten des Landes liegen, werden nicht gefördert, wenn die Hälfte der zu erwartenden Einnahmen durch die internationale Staatengemeinschaft erstattet wird.

Am 3. August 2010 war es endlich so weit: Die Regierung von Ecuador und das UN- Entwicklungsprogramm (UNDP) haben nach drei Jahren Vorbereitung den Vertrag für die Gründung des Yasuní-ITT-Treuhandfonds unterschrieben. Damit werden der Atmosphäre 410 Milliarden Tonnen CO2 erspart! Und mindestens genauso wichtig: Der Lebensraum mehrerer indigener Völker, u.a. der isoliert lebenden Nomadenvölker Tagaeri und Taroemanane, bleibt intakt. Das Geld aus dem Yasuní-Fonds wird zur Versorgung mit erneuerbaren Energien sowie für soziale Projekte und den Umweltschutz verwendet.

"Die Yasuní-Initiative stellt einen innovativen Beitrag zum Schutz des Klimas, des Regenwaldes und der Menschenrechte dar. Dies ist ein großartiger Erfolg der ecuadorianischen Zivilgesellschaft und der indigenen Organisationen der betroffenen Region, die seit Jahren gegen die zerstörerische Erdölförderung im Amazonasgebiet kämpfen", begrüßt Thomas Brose, Geschäftsführer des Klima-Bündnis, die Vertragsunterzeichnung für den Treuhandfonds: "Die Mitglieder des Klima-Bündnis haben bereits im April 2010 die EU und ihre Mitgliedstaaten aufgefordert, den Yasuní-ITT-Vorschlag der ecuadorianischen Regierung finanziell zu unterstützen."

Auf Einladung des Klima-Bündnis werden im Herbst 2010 Gäste aus Ecuador in Europa erwartet. Auf ihrer Reise durch Luxemburg, Belgien, Deutschland, Ungarn und Tschechien im Rahmen des EU-Projekts "EnergyBridges - nachhaltige Energien zur Armutsreduzierung" werden sie über die Yasuní-Initiative und die aktuelle Situation in Ecuador berichten.


Entwicklungshilfen statt Ölmilliarden

Die Regierung Ecuadors verzichtet auf Erdölförderungen im Regenwald. Im Gegenzug erhält das Land großzügige Fördergelder von der internationalen Gemeinschaft.

Von Gerhard Dilger, taz, 5.8.10

Mit der Zustimmung zu einem Treuhandfonds hat die Regierung Ecuadors die wichtigste Bedingung erfüllt, um den Verzicht auf die Erdölförderung im Regenwald umsetzen zu können. Vizepräsident Lenín Moreno und Rebeca Grynspan vom UN-Entwicklungsprogramm UNDP unterzeichneten am Dienstag in Quito eine entsprechende Vereinbarung. Demnach soll die "internationale Gemeinschaft", also Regierungen, Unternehmen und Einzelpersonen, in den kommenden 13 Jahren rund 2,7 Milliarden Euro aufbringen, etwa die Hälfte der vermuteten Einnahmen aus der Ölförderung in Ecuadors östlichem Amazonasgebiet. In den kommenden 18 Monaten sollen 100 Millionen Dollar eingeworben werden.

Die Zinsen aus dem Fonds fließen in Umwelt- und Sozialprojekte. Ecuador leiste einen "gewagten und bahnbrechenden Beitrag für die Menschheit" und zeige neue Entwicklungswege für das Wohlbefinden seiner Bürger und den Klimawandel auf, sagte UN-Funktionärin Grynspan. Nach jahrelangem Werben für die "neue Logik" sei die Unterzeichnung der bislang wichtigste Schritt der Regierungsinitiative, freute sich María Fernanda Espinosa. Die Denkmal- und Naturschutzministerin ist die derzeit engagierteste Verfechterin der sogenannten Yasuní-ITT-Initiative in der Regierung.

Durch den Verzicht auf die Förderung von 846 Millionen Barrel Öl, einem Fünftel von Ecuadors Ölreserven, würden die Artenvielfalt und der Lebensraum zweier nicht kontaktierter indigener Völker im östlichen Teil des Yasuní-Nationalparks erhalten. Zudem würde der Ausstoß von 410 Millionen Tonnen CO2 vermieden. Präsident Rafael Correa hatte die von Umweltaktivisten um den damaligen Energieminister Alberto Acosta entwickelte Initiative 2007 lanciert, doch nur halbherzig verfolgt.

In Deutschland fiel das Echo besonders positiv aus. Im Juni 2009 stellte Erich Stather, damals Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), einer ecuadorianischen Regierungsdelegation jährlich 50 Millionen Euro über 13 Jahre in Aussicht. Berlin stehe der Idee aufgeschlossen gegenüber, sagte am Mittwoch ein Ministeriumssprecher in Berlin. Allerdings sei noch "eine Reihe von grundlegenden Fragen offen", sagte er an die Adresse von Quito. Gleiches gilt aber auch für das BMZ, das unter FDP-Regie den Linksregierungen Südamerikas deutlich kritischer gegenübersteht als vor einem Jahr.

Auch Belgien, Frankreich, Holland, Italien, Norwegen und Spanien hatte die Initiative interessiert. Allerdings hatte Präsident Correa Anfang des Jahres die Einrichtung des Treuhandfonds verzögert und klargemacht, dass sich die Regierung die Förderoption offenhalten wollte. Erdöl ist eines der wichtigsten Exportgüter Ecuadors, die Öllobby hat auch in der Regierung starke Fürsprecher.

So ringen Wachstumsapostel weiter mit Indigenen und Umweltbewegung. Esperanza Martínez von der NGO "Acción Ecológica" feierte die Unterzeichnung des Fonds, forderte die Regierung aber auf, ihren Konfrontationskurs mit der Indígenabewegung aufzugeben: "Ohne sie wäre die Yasuní-Initiative überhaupt nicht entstanden."




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